Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ... Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
— ach, ihr Tugendhaften!“ Also lachte sie, die Unglaubliche; aber ich glaube ihr niemals und ihrem Lachen, wenn sie bös von sich selber spricht. Und als ich unter vier Augen mit meiner wilden Weisheit redete, sagte sie mir zornig „Du willst, du begehrst, du liebst, darum allein lobst du das Leben!“ Fast hätte ich da bös geantwortet und der Zornigen die Wahrheit gesagt; und man kann nicht böser antworten, als wenn man seiner Weisheit „die Wahrheit sagt.“ So nämlich steht es zwischen uns Dreien. Von Grund aus liebe ich nur das Leben — und, wahrlich, am meisten dann, wenn ich es hasse! Dass ich aber der Weisheit gut bin und oft zu gut: das macht, sie erinnert mich gar sehr an das Leben! Sie hat ihr Auge, ihr Lachen und sogar ihr goldnes Angelrüthchen: was kann ich dafür, dass die Beiden sich so ähnlich sehen? Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.137' KSA='4.141' Und als mich einmal das Leben fragte: Wer ist denn das, die Weisheit? — da sagte ich eifrig „Ach ja! die Weisheit! Man dürstet um sie und wird nicht satt, man blickt durch Schleier, man hascht durch Netze. Ist sie schön? Was weiss ich! Aber die ältesten Karpfen werden noch mit ihr geködert. Veränderlich ist sie und trotzig; oft sah ich sie sich die Lippe beissen und den Kamm wider ihres Haares Strich führen. Vielleicht ist sie böse und falsch, und in Allem ein Frauenzimmer; aber wenn sie von sich selber schlecht spricht, da gerade verführt sie am meisten.“ Als ich diess zu dem Leben sagte, da lachte es boshaft und machte die Augen zu „Von wem redest du doch? sagte sie, wohl von mir? Und wenn du Recht hättest, — sagt man das mir so in's Gesicht! Aber nun sprich doch auch von deiner Weisheit!“ Ach, und nun machtest du wieder dein Auge auf, oh geliebtes Leben! Und in's Unergründliche schien ich mir wieder zu sinken. — Also sang Zarathustra. Als aber der Tanz zu Ende und die Mädchen fortgegangen waren, wurde er traurig. „Die Sonne ist lange schon hinunter, sagte er endlich; die Wiese ist feucht, von den Wäldern her kommt Kühle. Ein Unbekanntes ist um mich und blickt nachdenklich. Was! Du lebst noch, Zarathustra? Warum? Wofür? Wodurch? Wohin? Wo? Wie? Ist es nicht Thorheit, noch zu leben? — Ach, meine Freunde, der Abend ist es, der so aus mir fragt. Vergebt mir meine Traurigkeit!
Abend ward es: vergebt mir, dass es Abend ward!“ Also sprach Zarathustra. Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.138' KSA='4.142' Aphorism id='ZaII-Text-11' kgw='VI-1.138' ksa='4.142' Das Grablied. „Dort ist die Gräberinsel, die schweigsame; dort sind auch die Gräber meiner Jugend. Dahin will ich einen immergrünen Kranz des Lebens tragen.“ Also im Herzen beschliessend fuhr ich über das Meer. — Oh ihr, meiner jugend Gesichte und Erscheinungen! Oh, ihr Blicke der Liebe alle, ihr göttlichen Augenblicke! Wie starbt ihr mir so schnell! Ich gedenke eurer heute wie meiner Todten. Von euch her, meinen liebsten Todten, kommt mir ein süsser Geruch, ein herz- und thränenlösender. Wahrlich, er erschüttert und löst das Herz dem einsam Schiffenden. Immer noch bin ich der Reichste und Bestzubeneidende — ich der Einsamste! Denn ich hatte euch doch, und ihr habt mich noch: sagt, wem fielen, wie mir, solche Rosenäpfel vom Baume? Immer noch bin ich eurer Liebe Erbe und Erdreich, blühend zu eurem Gedächtnisse von bunten wildwachsenen Tugenden, oh ihr Geliebtesten! Ach, wir waren gemacht, einander nahe zu bleiben, ihr holden fremden Wunder; und nicht schüchternen Vögeln gleich kamt ihr zu mir und meiner Begierde — nein, als Trauende zu dem Trauenden! Ja, zur Treue gemacht, gleich mir, und zu zärtlichen Ewigkeiten: muss ich nun euch nach eurer Untreue heissen, ihr göttlichen Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.139' KSA='4.143' Blicke und Augenblicke: keinen andern Namen lernte ich noch. Wahrlich, zu schnell starbt ihr mir, ihr Flüchtlinge. Doch floht ihr mich nicht, noch floh ich euch: unschuldig sind wir einander in unsrer Untreue. Mich zu tödten, erwürgte man euch, ihr Singvögel meiner Hoffnungen! Ja, nach euch, ihr Liebsten, schoss immer die Bosheit Pfeile — mein Herz zu treffen! Und sie traf! Wart ihr doch stets mein Herzlichstes, mein Besitz und mein Besessen-sein: darum musstet ihr jung sterben und allzu frühe! Nach dem Verwundbarsten, das ich besass, schoss man den Pfeil: das waret ihr, denen die Haut einem Flaume gleich ist und
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— ach, ihr Tugendhaften!“<br />
Also lachte sie, die Unglaubliche; aber ich glaube ihr niemals<br />
<strong>und</strong> ihrem Lachen, wenn sie bös von sich selber spricht.<br />
Und als ich unter vier Augen mit meiner wilden Weisheit redete,<br />
sagte sie mir zornig „Du willst, du begehrst, du liebst,<br />
darum allein lobst du das Leben!“<br />
Fast hätte ich da bös geantwortet <strong>und</strong> der Zornigen die Wahrheit<br />
gesagt; <strong>und</strong> man kann nicht böser antworten, als wenn man<br />
seiner Weisheit „die Wahrheit sagt.“<br />
So nämlich steht es zwischen uns Dreien. Von Gr<strong>und</strong> aus liebe<br />
ich nur das Leben — <strong>und</strong>, wahrlich, am meisten dann, wenn ich<br />
es hasse!<br />
Dass ich aber der Weisheit gut bin <strong>und</strong> oft zu gut: das macht,<br />
sie erinnert mich gar sehr an das Leben!<br />
Sie hat ihr Auge, ihr Lachen <strong>und</strong> sogar ihr goldnes Angelrüthchen:<br />
was kann ich dafür, dass die Beiden sich so ähnlich<br />
sehen?<br />
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Und als mich einmal das Leben fragte: Wer ist denn das, die<br />
Weisheit? — da sagte ich eifrig „Ach ja! die Weisheit!<br />
Man dürstet um sie <strong>und</strong> wird nicht satt, man blickt durch<br />
Schleier, man hascht durch Netze.<br />
Ist sie schön? Was weiss ich! Aber die ältesten Karpfen werden<br />
noch mit ihr geködert.<br />
Veränderlich ist sie <strong>und</strong> trotzig; oft sah ich sie sich die Lippe<br />
beissen <strong>und</strong> den Kamm wider ihres Haares Strich führen.<br />
Vielleicht ist sie böse <strong>und</strong> falsch, <strong>und</strong> in Allem ein Frauenzimmer;<br />
aber wenn sie von sich selber schlecht spricht, da gerade<br />
verführt sie am meisten.“<br />
Als ich diess zu dem Leben sagte, da lachte es boshaft <strong>und</strong><br />
machte die Augen zu „Von wem re<strong>des</strong>t du doch? sagte sie, wohl<br />
von mir?<br />
Und wenn du Recht hättest, — sagt man das mir so in's<br />
Gesicht! Aber nun sprich doch auch von deiner Weisheit!“<br />
Ach, <strong>und</strong> nun machtest du wieder dein Auge auf, oh geliebtes<br />
Leben! Und in's Unergründliche schien ich mir wieder zu sinken.<br />
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Also sang Zarathustra. Als aber der Tanz zu Ende <strong>und</strong> die<br />
Mädchen fortgegangen waren, wurde er traurig.<br />
„Die Sonne ist lange schon hinunter, sagte er endlich; die Wiese<br />
ist feucht, von den Wäldern her kommt Kühle.<br />
Ein Unbekanntes ist um mich <strong>und</strong> blickt nachdenklich. Was!<br />
Du lebst noch, Zarathustra?<br />
Warum? Wofür? Wodurch? Wohin? Wo? Wie? Ist es nicht<br />
Thorheit, noch zu leben? —<br />
Ach, meine Fre<strong>und</strong>e, der Abend ist es, der so aus mir fragt.<br />
Vergebt mir meine Traurigkeit!