Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ... Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehethun möchte ich Denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten: — also hungere ich nach Bosheit. Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt; dem Wasserfalle gleich zögernd, der noch im Sturze zögert: — also hungere ich nach Bosheit. Solche Rache sinnt meine Fülle aus; solche Tücke quillt aus meiner Einsamkeit. Mein Glück im Schenken erstarb im Schenken, meine Tugend wurde ihrer selber müde an ihrem Überflusse! Wer immer schenkt, dessen Gefahr ist, dass er die Scham verliere; wer immer austheilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austheilen. Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham der Bittenden; meine Hand wurde zu hart für das Zittern gefüllter Hände. Wohin kam die Thräne meinem Auge und der Flaum meinem Herzen? Oh Einsamkeit aller Schenkenden! Oh Schweigsamkeit aller Leuchtenden! Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte, — mir schweigen sie. Oh diess ist die Feindschaft des Lichts gegen Leuchtendes, erbarmungslos wandelt es seine Bahnen. Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen: kalt gegen Sonnen, — also wandelt jede Sonne. Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre Bahnen, das ist ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte. Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.134' KSA='4.138' schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern! Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste! Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit! Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen, — nach Rede verlangt mich. Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen. Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden. — Also sang Zarathustra. Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.135' KSA='4.139'
Aphorism id='ZaII-Text-10' kgw='VI-1.135' ksa='4.139' Das Tanzlied. Eines Abends gieng Zarathustra mit seinen Jüngern durch den Wald; und als er nach einem Brunnen suchte, siehe, da kam er auf eine grüne Wiese, die von Bäumen und Gebüsch still umstanden war: auf der tanzten Mädchen mit einander. Sobald die Mädchen Zarathustra erkannten, liessen sie vom Tanze ab; Zarathustra aber trat mit freundlicher Gebärde zu ihnen und sprach diese Worte: „Lasst vom Tanze nicht ab, ihr lieblichen Mädchen! Kein Spielverderber kam zu euch mit bösem Blick, kein Mädchen-Feind. Gottes Fürsprecher bin ich vor dem Teufel: der aber ist der Geist der Schwere. Wie sollte ich, ihr Leichten, göttlichen Tänzen feind sein? Oder Mädchen-Füssen mit schönen Knöcheln? Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler Bäume: doch wer sich vor meinem Dunkel nicht scheut, der findet auch Rosenhänge unter meinen Cypressen. Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der den Mädchen der liebste ist: neben dem Brunnen liegt er, still, mit geschlossenen Augen. Wahrlich, am hellen Tage schlief er mir ein, der Tagedieb! Haschte er wohl zu viel nach Schmetterlingen? Zürnt mir nicht, ihr schönen Tanzenden, wenn ich den kleinen Gott ein Wenig züchtige! Schreien wird er wohl und weinen, — aber zum Lachen ist er noch im Weinen! Und mit Thränen im Auge soll er euch um einen Tanz bitten; und ich selber will ein Lied zu seinem Tanze singen: Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.136' KSA='4.140' Ein Tanz- und Spottlied auf den Geist der Schwere, meinen allerhöchsten grossmächtigsten Teufel, von dem sie sagen, dass er „der Herr der Welt“ sei.“ — Und diess ist das Lied, welches Zarathustra sang, als Cupido und die Mädchen zusammen tanzten. In dein Auge schaute ich jüngst, oh Leben! Und in's Unergründliche schien ich mir da zu sinken. Aber du zogst mich mit goldner Angel heraus; spöttisch lachtest du, als ich dich unergründlich nannte. „So geht die Rede aller Fische, sprachst du; was sie nicht ergründen, ist unergründlich. „Aber veränderlich bin ich nur und wild und in Allem ein Weib, und kein tugendhaftes: „Ob ich schon euch Männern „die Tiefe“ heisse oder „die Treue" „,die Ewige“, die „Geheimnissvolle.“ „Doch ihr Männer beschenkt uns stets mit den eignen Tugenden
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Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehethun möchte<br />
ich Denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten:<br />
— also hungere ich nach Bosheit.<br />
Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt;<br />
dem Wasserfalle gleich zögernd, der noch im Sturze<br />
zögert: — also hungere ich nach Bosheit.<br />
Solche Rache sinnt meine Fülle aus; solche Tücke quillt aus<br />
meiner Einsamkeit.<br />
Mein Glück im Schenken erstarb im Schenken, meine Tugend<br />
wurde ihrer selber müde an ihrem Überflusse!<br />
Wer immer schenkt, <strong>des</strong>sen Gefahr ist, dass er die Scham verliere;<br />
wer immer austheilt, <strong>des</strong>sen Hand <strong>und</strong> Herz hat Schwielen<br />
vor lauter Austheilen.<br />
Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham der Bittenden;<br />
meine Hand wurde zu hart für das Zittern gefüllter Hände.<br />
Wohin kam die Thräne meinem Auge <strong>und</strong> der Flaum meinem<br />
Herzen? Oh Einsamkeit aller Schenkenden! Oh Schweigsamkeit<br />
aller Leuchtenden!<br />
Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem, was dunkel<br />
ist, reden sie mit ihrem Lichte, — mir schweigen sie.<br />
Oh diess ist die Feindschaft <strong>des</strong> Lichts gegen Leuchten<strong>des</strong>, erbarmungslos<br />
wandelt es seine Bahnen.<br />
Unbillig gegen Leuchten<strong>des</strong> im tiefsten Herzen: kalt gegen<br />
Sonnen, — also wandelt jede Sonne.<br />
Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre Bahnen, das ist<br />
ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre<br />
Kälte.<br />
Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme<br />
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schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr erst trinkt euch Milch <strong>und</strong> Labsal<br />
aus <strong>des</strong> Lichtes Eutern!<br />
Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem!<br />
Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste!<br />
Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach<br />
Nächtigem! Und Einsamkeit!<br />
Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen,<br />
— nach Rede verlangt mich.<br />
Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und<br />
auch meine Seele ist ein springender Brunnen.<br />
Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und<br />
auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden. —<br />
Also sang Zarathustra.<br />
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