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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Aphorism id='ZaII-Text-6' kgw='VI-1.120' ksa='4.124'<br />

Vom Gesindel.<br />

Das Leben ist ein Born der Lust; aber wo das Gesindel mit<br />

trinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.<br />

Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die grinsenden<br />

Mäuler nicht sehn <strong>und</strong> den Durst der Unreinen.<br />

Sie warfen ihr Auge hinab in den Brunnen: nun glänzt mir ihr<br />

widriges Lächeln herauf aus dem Brunnen.<br />

Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer Lüsternheit;<br />

<strong>und</strong> als sie ihre schmutzigen Träume Lust nannten, vergifteten<br />

sie auch noch die Worte.<br />

Unwillig wird die Flamme, wenn sie ihre feuchten Herzen<br />

an's Feuer legen; der Geist selber brodelt <strong>und</strong> raucht, wo das Gesindel<br />

an's Feuer tritt.<br />

Süsslich <strong>und</strong> übermürbe wird in ihrer Hand die Frucht: windfällig<br />

<strong>und</strong> wipfeldürr macht ihr Blick den Fruchtbaum.<br />

Und Mancher, der sich vom Leben abkehrte, kehrte sich nur<br />

vom Gesindel ab: er wollte nicht Brunnen <strong>und</strong> Flamme <strong>und</strong><br />

Frucht mit dem Gesindel theilen.<br />

Und Mancher, der in die Wüste gieng <strong>und</strong> mit Raubthieren<br />

Durst litt, wollte nur nicht mit schmutzigen Kameeltreibern um<br />

die Cisterne sitzen.<br />

Und Mancher, der wie ein Vernichter daher kam <strong>und</strong> wie ein<br />

Hagelschlag allen Fruchtfeldern, wollte nur seinen Fuss dem Gesindel<br />

in den Rachen setzen <strong>und</strong> also seinen Schl<strong>und</strong> stopfen.<br />

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Und nicht das ist der Bissen, an dem ich am meisten würgte,<br />

zu wissen, dass das Leben selber Feindschaft nöthig hat <strong>und</strong> Sterben<br />

<strong>und</strong> Marterkreuze: —<br />

Sondern ich fragte einst <strong>und</strong> erstickte fast an meiner Frage:<br />

wie? hat das Leben auch das Gesindel nöthig?<br />

Sind vergiftete Brunnen nöthig <strong>und</strong> stinkende Feuer <strong>und</strong> beschmutzte<br />

Träume <strong>und</strong> Maden im Lebensbrode?<br />

Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir hungrig am<br />

Leben! Ach, <strong>des</strong> Geistes wurde ich oft müde, als ich auch das<br />

Gesindel geistreich fand!<br />

Und den Herrschenden wandt' ich den Rücken, als ich sah, was<br />

sie jetzt Herrschen nennen: schachern <strong>und</strong> markten um Macht —<br />

mit dem Gesindel!<br />

Unter Völkern wohnte ich fremder Zunge, mit verschlossenen

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