Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ... Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...
auf ihm sich Hütten baute. Oh seht mir doch diese Hütten an, die sich diese Priester bauten! Kirchen heissen sie ihre süssduftenden Höhlen. Oh über diess verfälschte Licht, diese verdumpfte Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf — nicht fliegen darf! Sondern also gebietet ihr Glaube „auf den Knien die Treppe hinan, ihr Sünder!“ Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen, als die verrenkten Augen ihrer Scham und Andacht! Wer schuf sich solche Höhlen und Buss-Treppen? Waren es nicht Solche, die sich verbergen wollten und sich vor dem reinen Himmel schämten? Und erst wenn der reine Himmel wieder durch zerbrochne Decken blickt, und hinab auf Gras und rothen Mohn an zerbrochnen Mauern, — will ich den Stätten dieses Gottes wieder mein Herz zuwenden. Sie nannten Gott, was ihnen widersprach und wehe that: und wahrlich, es war viel Helden-Art in ihrer Anbetung! Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben, als indem sie den Menschen an's Kreuz schlugen! Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz schlugen sie ihren Leichnam aus; auch aus ihren Reden rieche ich noch die üble Würze von Todtenkammern. Und wer ihnen nahe lebt, der lebt schwarzen Teichen nahe, aus denen heraus die Unke ihr Lied mit süssem Tiefsinne singt. Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen! Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schönheit sollte Busse predigen. Aber wen überredet wohl diese vermummte Trübsal! Wahrlich, ihre Erlöser selber kamen nicht aus der Freiheit und der Freiheit siebentem Himmel! Wahrlich, sie selber wandelten niemals auf den Teppichen der Erkenntniss! Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.115' KSA='4.119' Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser; aber in jede Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt, ihren Lückenbüsser, den sie Gott nannten. In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, und wenn sie schwollen und überschwollen von Mitleiden, schwamm immer obenauf eine grosse Thorheit. Eifrig trieben sie und mit Geschrei ihre Heerde über ihren Steg: wie als ob es zur Zukunft nur Einen Steg gäbe! Wahrlich, auch diese Hirten gehörten noch zu den Schafen! Kleine Geister und umfängliche Seelen hatten diese Hirten: aber, meine Brüder, was für kleine Länder waren bisher auch die umfänglichsten Seelen! Blutzeichen schrieben sie auf den Weg, den sie giengen, und ihre Thorheit lehrte, dass man mit Blut die Wahrheit beweise.
Aber Blut ist der schlechteste Zeuge der Wahrheit; Blut vergiftet die reinste Lehre noch zu Wahn und Hass der Herzen. Und wenn Einer durch's Feuer geht für seine Lehre, — was beweist diess! Mehr ist's wahrlich, dass aus eignem Brande die eigne Lehre kommt! Schwüles Herz und kalter Kopf: wo diess zusammentrifft, da entsteht der Brausewind, der „Erlöser“. Grössere gab es wahrlich und Höher-Geborene, als Die, welche das Volk Erlöser nennt, diese hinreissenden Brausewinde! Und noch von Grösseren, als alle Erlöser waren, müsst ihr, meine Brüder, erlöst werden, wollt ihr zur Freiheit den Weg finden! Niemals noch gab es einen Übermenschen. Nackt sah ich Beide, den grössten und den kleinsten Menschen: — Allzuähnlich sind sie noch einander. Wahrlich, auch den Grössten fand ich — allzumenschlich! Also sprach Zarathustra. Page Break id='ZaII' KGW='VI-1.116' KSA='4.120' Aphorism id='ZaII-Text-5' kgw='VI-1.116' ksa='4.120' Von den Tugendhaften. Mit Donnern und himmlischen Feuerwerken muss man zu schlaffen und schlafenden Sinnen reden. Aber der Schönheit Stimme redet leise: sie schleicht sich nur in die aufgewecktesten Seelen. Leise erbebte und lachte mir heut mein Schild; das ist der Schönheit heiliges Lachen und Beben. Über euch, ihr Tugendhaften, lachte heut meine Schönheit. Und also kam ihre Stimme zu mir „sie wollen noch — bezahlt sein!“ Ihr wollt noch bezahlt sein, ihr Tugendhaften! Wollt Lohn für Tugend und Himmel für Erden und Ewiges für euer Heute haben? Und nun zürnt ihr mir, dass ich lehre, es giebt keinen Lohn- und Zahlmeister? Und wahrlich, ich lehre nicht einmal, dass Tugend ihr eigener Lohn ist. Ach, das ist meine Trauer: in den Grund der Dinge hat man Lohn und Strafe hineingelogen — und nun auch noch in den Grund eurer Seelen, ihr Tugendhaften! Aber dem Rüssel des Ebers gleich soll mein Wort den Grund eurer Seelen aufreissen; Pflugschar will ich euch heissen. Alle Heimlichkeiten eures Grundes sollen an's Licht; und wenn ihr aufgewühlt und zerbrochen in der Sonne liegt, wird auch eure Lüge von eurer Wahrheit ausgeschieden sein.
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auf ihm sich Hütten baute.<br />
Oh seht mir doch diese Hütten an, die sich diese Priester bauten!<br />
Kirchen heissen sie ihre süssduftenden Höhlen.<br />
Oh über diess verfälschte Licht, diese verdumpfte Luft! Hier,<br />
wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf — nicht fliegen darf!<br />
Sondern also gebietet ihr Glaube „auf den Knien die Treppe<br />
hinan, ihr Sünder!“<br />
Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen, als die verrenkten<br />
Augen ihrer Scham <strong>und</strong> Andacht!<br />
Wer schuf sich solche Höhlen <strong>und</strong> Buss-Treppen? Waren es<br />
nicht Solche, die sich verbergen wollten <strong>und</strong> sich vor dem reinen<br />
Himmel schämten?<br />
Und erst wenn der reine Himmel wieder durch zerbrochne<br />
Decken blickt, <strong>und</strong> hinab auf Gras <strong>und</strong> rothen Mohn an zerbrochnen<br />
Mauern, — will ich den Stätten dieses Gottes wieder<br />
mein Herz zuwenden.<br />
Sie nannten Gott, was ihnen widersprach <strong>und</strong> wehe that: <strong>und</strong><br />
wahrlich, es war viel Helden-Art in ihrer Anbetung!<br />
Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben, als indem<br />
sie den <strong>Menschen</strong> an's Kreuz schlugen!<br />
Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz schlugen sie<br />
ihren Leichnam aus; auch aus ihren Reden rieche ich noch die<br />
üble Würze von Todtenkammern.<br />
Und wer ihnen nahe <strong>lebt</strong>, der <strong>lebt</strong> schwarzen Teichen nahe,<br />
aus denen heraus die Unke ihr Lied mit süssem Tiefsinne singt.<br />
Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren <strong>Er</strong>löser<br />
glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!<br />
Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schönheit sollte<br />
Busse predigen. Aber wen überredet wohl diese vermummte<br />
Trübsal!<br />
Wahrlich, ihre <strong>Er</strong>löser selber kamen nicht aus der Freiheit <strong>und</strong><br />
der Freiheit siebentem Himmel! Wahrlich, sie selber wandelten<br />
niemals auf den Teppichen der <strong>Er</strong>kenntniss!<br />
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Aus Lücken bestand der Geist dieser <strong>Er</strong>löser; aber in jede<br />
Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt, ihren Lückenbüsser, den<br />
sie Gott nannten.<br />
In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, <strong>und</strong> wenn sie<br />
schwollen <strong>und</strong> überschwollen von Mitleiden, schwamm immer<br />
obenauf eine grosse Thorheit.<br />
Eifrig trieben sie <strong>und</strong> mit Geschrei ihre Heerde über ihren<br />
Steg: wie als ob es zur Zukunft nur Einen Steg gäbe! Wahrlich,<br />
auch diese Hirten gehörten noch zu den Schafen!<br />
Kleine Geister <strong>und</strong> umfängliche Seelen hatten diese Hirten:<br />
aber, meine Brüder, was für kleine Länder waren bisher auch<br />
die umfänglichsten Seelen!<br />
Blutzeichen schrieben sie auf den Weg, den sie giengen, <strong>und</strong><br />
ihre Thorheit lehrte, dass man mit Blut die Wahrheit beweise.