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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Nein, ich mag sie nicht, diese im himmlischen Netz verschlungenen<br />

Thiere!<br />

Ferne bleibe mir auch der Gott, der heranhinkt, zu segnen,<br />

was er nicht zusammenfügte!<br />

Lacht mir nicht über solche Ehen! Welches Kind hatte nicht<br />

Gr<strong>und</strong>, über seine Eltern zu weinen?<br />

Würdig schien mir dieser Mann <strong>und</strong> reif für den Sinn der<br />

<strong>Er</strong>de: aber als ich sein Weib sah, schien mir die <strong>Er</strong>de ein Haus für<br />

Unsinnige.<br />

Ja, ich wollte, dass die <strong>Er</strong>de in Krämpfen bebte, wenn sich ein<br />

Heiliger <strong>und</strong> eine Gans mit einander paaren.<br />

Dieser gieng wie ein Held auf Wahrheiten aus <strong>und</strong> endlich erbeutete<br />

er sich eine kleine geputzte Lüge. Seine Ehe nennt er's.<br />

Jener war spröde im Verkehre <strong>und</strong> wählte wählerisch. Aber<br />

mit Einem Male verdarb er für alle Male seine Gesellschaft: seine<br />

Ehe nennt er's.<br />

Jener suchte eine Magd mit den Tugenden eines Engels. Aber<br />

mit Einem Male wurde er die Magd eines Weibes, <strong>und</strong> nun thäte<br />

es Noth, dass er darüber noch zum Engel werde.<br />

Sorgsam fand ich jetzt alle Käufer, <strong>und</strong> Alle haben listige<br />

Augen. Aber seine Frau kauft auch der Listigste noch im Sack.<br />

Viele kurze Thorheiten — das heisst bei euch Liebe. Und eure<br />

Ehe macht vielen kurzen Thorheiten ein Ende, als Eine lange<br />

Dummheit.<br />

Eure Liebe zum Weibe <strong>und</strong> <strong>des</strong> Weibes Liebe zum Manne: ach,<br />

möchte sie doch Mitleiden sein mit leidenden <strong>und</strong> verhüllten<br />

Göttern! Aber zumeist errathen zwei Thiere einander.<br />

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Aber auch noch eure beste Liebe ist nur ein verzücktes Gleichniss<br />

<strong>und</strong> eine schmerzhafte Gluth. Eine Fackel ist sie, die euch zu<br />

höheren Wegen leuchten soll.<br />

Über euch hinaus sollt ihr einst lieben! So lernt erst lieben!<br />

Und darum musstet ihr den bittern Kelch eurer Liebe trinken.<br />

Bitterniss ist im Kelch auch der besten Liebe: so macht sie<br />

Sehnsucht zum Übermenschen, so macht sie Durst dir, dem<br />

Schaffenden!<br />

Durst dem Schaffenden, Pfeil <strong>und</strong> Sehnsucht zum Übermenschen:<br />

sprich, mein Bruder, ist diess dein Wille zur Ehe?<br />

Heilig heisst mir solch ein Wille <strong>und</strong> solche Ehe. —<br />

Also sprach Zarathustra.<br />

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