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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Bist du eine neue Kraft <strong>und</strong> ein neues Recht? Eine erste Bewegung?<br />

Ein aus sich rollen<strong>des</strong> Rad? Kannst du auch Sterne zwingen,<br />

dass sie um dich sich drehen?<br />

Ach, es giebt so viel Lüsternheit nach Höhe! Es giebt so viel<br />

Krämpfe der Ehrgeizigen! Zeige mir, dass du keiner der Lüsternen<br />

<strong>und</strong> Ehrgeizigen bist!<br />

Ach, es giebt so viel grosse Gedanken, die thun nicht mehr als<br />

ein Blasebalg: sie blasen auf <strong>und</strong> machen leerer.<br />

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Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich<br />

hören <strong>und</strong> nicht, dass du einem Joche entronnen bist.<br />

Bist du ein Solcher, der einem Joche entrinnen durfte? Es<br />

giebt Manchen, der seinen letzten Werth wegwarf, als er seine<br />

Dienstbarkeit wegwarf.<br />

Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir<br />

dein Auge künden: frei wozu?<br />

Kannst du dir selber dein Böses <strong>und</strong> dein Gutes geben <strong>und</strong> deinen<br />

Willen über dich aufhängen wie ein Gesetz? Kannst du dir<br />

selber Richter sein <strong>und</strong> Rächer deines Gesetzes?<br />

Furchtbar ist das Alleinsein mit dem Richter <strong>und</strong> Rächer <strong>des</strong><br />

eignen Gesetzes. Also wird ein Stern hinausgeworfen in den<br />

öden Raum <strong>und</strong> in den eisigen Athem <strong>des</strong> Alleinseins.<br />

Heute noch lei<strong>des</strong>t du an den Vielen, du Einer: heute noch hast<br />

du deinen Muth ganz <strong>und</strong> deine Hoffnungen.<br />

Aber einst wird dich die Einsamkeit müde machen, einst wird<br />

dein Stolz sich krümmen <strong>und</strong> dein Muth knirschen. Schreien wirst<br />

du einst „ich bin allein!“<br />

Einst wirst du dein Hohes nicht mehr sehn <strong>und</strong> dein Niedriges<br />

allzunahe; dein <strong>Er</strong>habnes selbst wird dich fürchten machen wie<br />

ein Gespenst. Schreien wirst du einst: „Alles ist falsch!“<br />

Es giebt Gefühle, die den Einsamen tödten wollen; gelingt es<br />

ihnen nicht, nun, so müssen sie selber sterben! Aber vermagst du<br />

das, Mörder zu sein?<br />

Kennst du, mein Bruder, schon das Wort „Verachtung“? Und<br />

die Qual deiner Gerechtigkeit, Solchen gerecht zu sein, die dich<br />

verachten?<br />

Du zwingst Viele, über dich umzulernen; das rechnen sie dir<br />

hart an. Du kamst ihnen nahe <strong>und</strong> giengst doch vorüber: das verzeihen<br />

sie dir niemals.<br />

Du gehst über sie hinaus: aber je höher du steigst, um so kleiner<br />

sieht dich das Auge <strong>des</strong> Nei<strong>des</strong>. Am meisten aber wird der<br />

Fliegende gehasst.<br />

„Wie wolltet ihr gegen mich gerecht sein! — musst du<br />

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sprechen — ich erwähle mir eure Ungerechtigkeit als den mir zugemessnen

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