04.11.2013 Aufrufe

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

das gehorchende Ohr fehlt in ihren Gliedern.“<br />

— Diess hatte Zarathustra zu seinem Herzen gesprochen,<br />

als die Sonne aufgieng: da blickte er fragend in die Höhe, denn<br />

er hörte über sich den scharfen Ruf seines Adlers. „Wohlan! rief<br />

Page Break id='ZaIV' KGW='VI-1.402' KSA='4.406'<br />

er hinauf, so gefällt <strong>und</strong> gebührt es mir. Meine Thiere sind wach,<br />

denn ich bin wach.<br />

Mein Adler ist wach <strong>und</strong> ehrt gleich mir die Sonne. Mit<br />

Adlers-Klauen greift er nach dem neuen Lichte. Ihr seid meine<br />

rechten Thiere; ich liebe euch.<br />

Aber noch fehlen mir meine rechten <strong>Menschen</strong>!“ —<br />

Also sprach Zarathustra; da aber geschah es, dass er sich<br />

plötzlich wie von unzähligen Vögeln umschwärmt <strong>und</strong> umflattert<br />

hörte, — das Geschwirr so vieler Flügel aber <strong>und</strong> das<br />

Gedräng um sein Haupt war so gross, dass er die Augen<br />

schloss. Und wahrlich, einer Wolke gleich fiel es über ihn her,<br />

einer Wolke von Pfeilen gleich, welche sich über einen neuen<br />

Feind ausschüttet. Aber siehe, hier war es eine Wolke der Liebe,<br />

<strong>und</strong> über einen neuen Fre<strong>und</strong>.<br />

„Was geschieht mir?“ dachte Zarathustra in seinem erstaunten<br />

Herzen <strong>und</strong> liess sich langsam auf dem grossen Steine nieder,<br />

der neben dem Ausgange seiner Höhle lag. Aber, indem er<br />

mit den Händen um sich <strong>und</strong> über sich <strong>und</strong> unter sich griff, <strong>und</strong><br />

den zärtlichen Vögeln wehrte, siehe, da geschah ihm <strong>etwas</strong> noch<br />

Seltsameres: er griff nämlich dabei unvermerkt in ein dichtes<br />

warmes Haar-Gezottel hinein; zugleich aber erscholl vor ihm<br />

ein Gebrüll, — ein sanftes langes Löwen-Brüllen.<br />

„Das Zeichen kommt,“ sprach Zarathustra <strong>und</strong><br />

sein Herz verwandelte sich. Und in Wahrheit, als es helle vor<br />

ihm wurde, da lag ihm ein gelbes mächtiges Gethier zu Füssen<br />

<strong>und</strong> schmiegte das Haupt an seine Knie <strong>und</strong> wollte nicht von<br />

ihm lassen vor Liebe <strong>und</strong> that einem H<strong>und</strong>e gleich, welcher seinen<br />

alten Herrn wiederfindet. Die Tauben aber waren mit ihrer<br />

Liebe nicht minder eifrig als der Löwe; <strong>und</strong> je<strong>des</strong> Mal, wenn<br />

eine Taube über die Nase <strong>des</strong> Löwen huschte, schüttelte der Löwe<br />

das Haupt <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich <strong>und</strong> lachte dazu.<br />

Zu dem Allen sprach Zarathustra nur Ein Wort: „meine<br />

Kinder sind nahe, meine Kinder“—, dann wurde<br />

Page Break id='ZaIV' KGW='VI-1.403' KSA='4.407'<br />

er ganz stumm. Sein Herz aber war gelöst, <strong>und</strong> aus seinen<br />

Augen tropften Thränen herab <strong>und</strong> fielen auf seine Hände. Und<br />

er achtete keines Dings mehr <strong>und</strong> sass da, unbeweglich <strong>und</strong> ohne<br />

dass er sich noch gegen die Thiere wehrte. Da flogen die Tauben

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!