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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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<strong>des</strong> grossen Ekels, <strong>des</strong> grossen Überdrusses,<br />

— Alle, die nicht leben wollen, oder sie lernen wieder<br />

hoffen — oder sie lernen von dir, oh Zarathustra, die<br />

grosse Hoffnung!“<br />

Also sprach der König zur Rechten <strong>und</strong> ergriff die Hand<br />

Zarathustra's, um sie zu küssen; aber Zarathustra wehrte seiner<br />

Verehrung <strong>und</strong> trat erschreckt zurück, schweigend <strong>und</strong> plötzlich<br />

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wie in weite Fernen entfliehend. Nach einer kleinen Weile aber<br />

war er schon wieder bei seinen Gästen, blickte sie mit hellen,<br />

prüfenden Augen an <strong>und</strong> sprach:<br />

Meine Gäste, ihr höheren <strong>Menschen</strong>, ich will deutsch <strong>und</strong><br />

deutlich mit euch reden. Nicht auf euch wartete ich hier in<br />

diesen Bergen.<br />

„Deutsch <strong>und</strong> deutlich? Dass Gott erbarm! sagte hier der<br />

König zur Linken, bei Seite; man merkt, er kennt die lieben<br />

Deutschen nicht, dieser Weise aus dem Morgenlande!<br />

Aber er <strong>meint</strong> „deutsch <strong>und</strong> derb“ — wohlan! Das ist heutzutage<br />

noch nicht der schlimmste Geschmack!“)<br />

„Ihr mögt wahrlich insgesammt höhere <strong>Menschen</strong> sein, fuhr<br />

Zarathustra fort: aber für mich — seid ihr nicht hoch <strong>und</strong> stark<br />

genug.<br />

Für mich, das heisst: für das Unerbittliche, das in mir<br />

schweigt, aber nicht immer schweigen wird. Und gehört ihr zu<br />

mir, so doch nicht als mein rechter Arm.<br />

Wer nämlich selber auf kranken <strong>und</strong> zarten Beinen steht,<br />

gleich euch, der will vor Allem, ob er's weiss oder sich verbirgt:<br />

dass er geschont werde.<br />

Meine Arme <strong>und</strong> meine Beine aber schone ich nicht, ich<br />

schone meine Krieger nicht: wieso könntet ihr zu<br />

meinem Kriege taugen?<br />

Mit euch verdürbe ich mir jeden Sieg noch. Und Mancher<br />

von euch fiele schon um, wenn er nur den lauten Schall meiner<br />

Trommeln hörte.<br />

Auch seid ihr mir nicht schön genug <strong>und</strong> wohlgeboren. Ich<br />

brauche reine glatte Spiegel für meine Lehren; auf eurer Oberfläche<br />

verzerrt sich noch mein eignes Bildniss.<br />

Eure Schultern drückt manche Last, manche <strong>Er</strong>innerung;<br />

manch schlimmer Zwerg hockt in euren Winkeln. Es giebt verborgenen<br />

Pöbel auch in euch.<br />

Und seid ihr auch hoch <strong>und</strong> höherer Art: Vieles an euch ist<br />

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krumm <strong>und</strong> missgestalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der<br />

euch mir zurecht <strong>und</strong> gerade schlüge.<br />

Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch hinüber schreiten!

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