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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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erniedrigen? Das richtet uns selber auf, ein Labsal ist es unsern<br />

Augen <strong>und</strong> Herzen.<br />

Diess allein nur zu schaun, stiegen gern wir auf höhere Berge,<br />

als dieser Berg ist. Als Schaulustige nämlich kamen wir, wir wollten<br />

sehn, was trübe Augen hell macht.<br />

Und siehe, schon ist es vorbei mit allem unsern Nothschrein.<br />

Schon steht Sinn <strong>und</strong> Herz uns offen <strong>und</strong> ist entzückt. Wenig<br />

fehlt: <strong>und</strong> unser Muth wird muthwillig.<br />

Nichts, oh Zarathustra, wächst <strong>Er</strong>freulicheres auf <strong>Er</strong>den, als<br />

ein hoher starker Wille: der ist ihr schönstes Gewächs. Eine ganze<br />

Landschaft erquickt sich an Einem solchen Baume.<br />

Der Pinie vergleiche ich, wer gleich dir, oh Zarathustra, aufwächst:<br />

lang, schweigend, hart, allein, besten biegsamsten Holzes,<br />

herrlich, —<br />

— zuletzt aber hinausgreifend mit starken grünen Ästen<br />

nach seiner Herrschaft, starke Fragen fragend vor Winden<br />

<strong>und</strong> Wettern <strong>und</strong> was immer auf Höhen heimisch ist,<br />

— stärker antwortend, ein Befehlender, ein Siegreicher: oh<br />

wer sollte nicht, solche Gewächse zu schaun, auf hohe Berge<br />

steigen?<br />

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Deines Baumes hier, oh Zarathustra, erlabt sich auch der<br />

Düstere, der Missrathene, an deinem Anblicke wird auch der<br />

Unstäte sicher <strong>und</strong> heilt sein Herz.<br />

Und wahrlich, zu deinem Berge <strong>und</strong> Baume richten sich<br />

heute viele Augen; eine grosse Sehnsucht hat sich aufgemacht,<br />

<strong>und</strong> Manche lernten fragen: wer ist Zarathustra?<br />

Und wem du jemals dein Lied <strong>und</strong> deinen Honig in's Ohr<br />

geträufelt: alle die Versteckten, die Einsiedler, die Zweisiedler<br />

sprachen mit Einem Male zu ihrem Herzen:<br />

„Lebt Zarathustra noch? Es lohnt sich nicht mehr zu leben,<br />

Alles ist gleich, Alles ist umsonst: oder — wir müssen mit Zarathustra<br />

leben!“<br />

„Warum kommt er nicht, der sich so lange ankündigte? also<br />

fragen Viele; verschlang ihn die Einsamkeit? Oder sollen wir<br />

wohl zu ihm kommen?“<br />

Nun geschieht's, dass die Einsamkeit selber mürbe wird <strong>und</strong><br />

zerbricht, einem Grabe gleich, das zerbricht <strong>und</strong> seine Todten<br />

nicht mehr halten kann. Überall sieht man Auferstandene.<br />

Nun steigen <strong>und</strong> steigen die Wellen um deinen Berg, oh<br />

Zarathustra. Und wie hoch auch deine Höhe ist, Viele müssen<br />

zu dir hinauf; dein Nachen soll nicht lange mehr im Trocknen<br />

sitzen.<br />

Und dass wir Verzweifelnde jetzt in deine Höhle kamen <strong>und</strong><br />

schon nicht mehr verzweifeln: ein Wahr- <strong>und</strong> Vorzeichen ist es<br />

nur, davon, dass Bessere zu dir unterwegs sind, —<br />

— denn er selber ist zu dir unterwegs, der letzte Rest Gottes<br />

unter <strong>Menschen</strong>, das ist: alle die <strong>Menschen</strong> der grossen Sehnsucht,

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