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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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denn er sollte auf zu Vieles antworten, wofür sein Stolz keine<br />

Antwort hatte; die kluge Schlange aber hieng um seinen Hals.<br />

Diess Alles schaute Zarathustra mit grosser Verw<strong>und</strong>erung;<br />

dann prüfte er jeden Einzelnen seiner Gäste mit leutseliger<br />

Neugierde, las ihre Seelen ab <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich von Neuem.<br />

Inzwischen hatten sich die Versammelten von ihren Sitzen erhoben<br />

<strong>und</strong> warteten mit Ehrfurcht, dass Zarathustra reden<br />

werde. Zarathustra aber sprach also:<br />

„Ihr Verzweifelnden! Ihr W<strong>und</strong>erlichen! Ich hörte also<br />

euren Nothschrei? Und nun weiss ich auch, wo Der zu suchen<br />

ist, den ich umsonst heute suchte: der höhere Mensch — :<br />

— in meiner eignen Höhle sitzt er, der höhere Mensch! Aber<br />

was w<strong>und</strong>ere ich mich! Habe ich ihn nicht selber zu mir gelockt<br />

durch Honig-Opfer <strong>und</strong> listige Lockrufe meines Glücks?<br />

Doch dünkt mir, ihr taugt euch schlecht zur Gesellschaft, ihr<br />

macht einander das Herz unwirsch, ihr Nothschreienden, wenn<br />

ihr hier beisammen sitzt? Es muss erst Einer kommen,<br />

— Einer, der euch wieder lachen macht, ein guter fröhlicher<br />

Hanswurst, ein Tänzer <strong>und</strong> Wind <strong>und</strong> Wildfang, irgend ein alter<br />

Narr: — was dünket euch?<br />

Vergebt mir doch, ihr Verzweifelnden, dass ich vor euch mit<br />

solch kleinen Worten rede, unwürdig, wahrlich!, solcher Gäste!<br />

Aber ihr errathet nicht, was mein Herz muthwillig macht: —<br />

— ihr selber thut es <strong>und</strong> euer Anblick, vergebt es mir! Jeder<br />

nämlich wird muthig, der einem Verzweifelnden zuschaut.<br />

Einem Verzweifelnden zuzusprechen — dazu dünkt sich Jeder<br />

stark genug.<br />

Mir selber gabt ihr diese Kraft, — eine gute Gabe, meine<br />

hohen Gäste! Ein rechtschaffnes Gastgeschenk! Wohlan, so zürnt<br />

nun nicht, dass ich euch auch vom Meinigen anbiete.<br />

Diess hier ist mein Reich <strong>und</strong> meine Herrschaft: was aber<br />

mein ist, für diesen Abend <strong>und</strong> diese Nacht soll es euer sein.<br />

Meine Thiere sollen euch dienen: meine Höhle sei eure Ruhestatt!<br />

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Bei mir zu Heim-<strong>und</strong>-Hause soll Keiner verzweifeln, in<br />

meinem Reviere schütze ich Jeden vor seinen wilden Thieren.<br />

Und das ist das <strong>Er</strong>ste, was ich euch anbiete: Sicherheit!<br />

Das Zweite aber ist: mein kleiner Finger. Und habt ihr den<br />

erst, so nehmt nur noch die ganze Hand, wohlan! <strong>und</strong> das Herz<br />

dazu! Willkommen hier, willkommen, meine Gastfre<strong>und</strong>e!“<br />

Also sprach Zarathustra <strong>und</strong> lachte vor Liebe <strong>und</strong> Bosheit.<br />

Nach dieser Begrüssung verneigten sich seine Gäste abermals<br />

<strong>und</strong> schwiegen ehrfürchtig; der König zur Rechten aber antwortete<br />

ihm in ihrem Namen.<br />

„Daran, oh Zarathustra, wie du uns Hand <strong>und</strong> Gruss botest,<br />

erkennen wir dich als Zarathustra. Du erniedrigtest dich<br />

vor uns; fast thatest du unserer Ehrfurcht wehe —:<br />

— wer aber vermöchte gleich dir sich mit solchem Stolze zu

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