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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Anhöhe bei einander standen; deren Nähe <strong>und</strong> Geruch hatten<br />

sein Herz erwärmt. Diese Kühe aber schienen mit Eifer einem<br />

Redenden zuzuhören <strong>und</strong> gaben nicht auf Den Acht, der herankam.<br />

Wie aber Zarathustra ganz in ihrer Nähe war, hörte er<br />

deutlich, dass eine <strong>Menschen</strong>-Stimme aus der Mitte der Kühe<br />

heraus redete; <strong>und</strong> ersichtlich hatten sie allesammt ihre Köpfe<br />

dem Redenden zugedreht.<br />

Da sprang Zarathustra mit Eifer hinauf <strong>und</strong> drängte die<br />

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Thiere auseinander, denn er fürchtete, dass hier Jemandem ein<br />

Leids geschehn sei, welchem schwerlich das Mitleid von Kühen<br />

abhelfen mochte. Aber darin hatte er sich getäuscht; denn siehe,<br />

da sass ein Mensch auf der <strong>Er</strong>de <strong>und</strong> schien den Thieren zuzureden,<br />

dass sie keine Scheu vor ihm haben sollten, ein friedfertiger<br />

Mensch <strong>und</strong> Berg-Prediger, aus <strong>des</strong>sen Augen die Güte<br />

selber predigte. „Was suchst du hier?“ rief Zarathustra mit<br />

Befremden.<br />

„Was ich hier suche? antwortete er: das Selbe, was du suchst,<br />

du Störenfried! nämlich das Glück auf <strong>Er</strong>den.<br />

Dazu aber möchte ich von diesen Kühen lernen. Denn, weisst<br />

du wohl, einen halben Morgen schon rede ich ihnen zu, <strong>und</strong> eben<br />

wollten sie mir Bescheid geben. Warum doch störst du sie?<br />

So wir nicht umkehren <strong>und</strong> werden wie die Kühe, so kommen<br />

wir nicht in das Himmelreich. Wir sollten ihnen nämlich<br />

Eins ablernen: das Wiederkäuen.<br />

Und wahrlich, wenn der Mensch auch die ganze Welt gewönne<br />

<strong>und</strong> lernte das Eine nicht, das Wiederkäuen: was hülfe<br />

es! <strong>Er</strong> würde nicht seine Trübsal los<br />

— seine grosse Trübsal: die aber heisst heute Ekel. Wer<br />

hat heute von Ekel nicht Herz, M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Augen voll? Auch<br />

du! Auch du! Aber siehe doch diese Kühe an!“ —<br />

Also sprach der Berg-Prediger <strong>und</strong> wandte dann seinen<br />

eignen Blick Zarathustra zu, — denn bisher hieng er mit Liebe<br />

an den Kühen —: da aber verwandelte er sich. „Wer ist das,<br />

mit dem ich rede? rief er erschreckt <strong>und</strong> sprang vom Boden<br />

empor.<br />

Diess ist der Mensch ohne Ekel, diess ist Zarathustra selber,<br />

der Überwinder <strong>des</strong> grossen Ekels, diess ist das Auge, diess ist<br />

der M<strong>und</strong>, diess ist das Herz Zarathustra's selber.“<br />

Und indem er also sprach, küsste er Dem, zu welchem er redete,<br />

die Hände, mit überströmenden Augen, <strong>und</strong> gebärdete sich<br />

ganz als Einer, dem ein kostbares Geschenk <strong>und</strong> Kleinod<br />

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unversehens vom Himmel fällt. Die Kühe aber schauten dem<br />

Allen zu <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erten sich.

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