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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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<strong>und</strong> lange Hand! Das ist die Hand eines Solchen, der immer<br />

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Segen ausgetheilt hat. Nun aber hält sie Den fest, welchen du<br />

suchst, mich, Zarathustra.<br />

Ich bin's, der gottlose Zarathustra, der da spricht: wer ist<br />

gottloser als ich, dass ich mich seiner Unterweisung freue?“ —<br />

Also sprach Zarathustra <strong>und</strong> durchbohrte mit seinen Blicken<br />

die Gedanken <strong>und</strong> Hintergedanken <strong>des</strong> alten Papstes. Endlich<br />

begann dieser:<br />

„Wer ihn am meisten liebte <strong>und</strong> besass, der hat ihn nun am<br />

meisten auch verloren —:<br />

— siehe, ich selber bin wohl von uns Beiden jetzt der Gottlosere?<br />

Aber wer könnte daran sich freuen!“ —<br />

— „Du dientest ihm bis zuletzt, fragte Zarathustra nachdenklich,<br />

nach einem tiefen Schweigen, du weisst, wie er starb?<br />

Ist es wahr, was man spricht, dass ihn das Mitleiden erwürgte,<br />

— dass er es sah, wie der Mensch am Kreuze hieng,<br />

<strong>und</strong> es nicht ertrug, dass die Liebe zum <strong>Menschen</strong> seine Hölle<br />

<strong>und</strong> zuletzt sein Tod wurde?“ — —<br />

Der alte Papst aber antwortete nicht, sondern blickte scheu<br />

<strong>und</strong> mit einem schmerzlichen <strong>und</strong> düsteren Ausdrucke zur Seite.<br />

„Lass ihn fahren, sagte Zarathustra nach einem langen Nachdenken,<br />

indem er immer noch dem alten Manne gerade in's Auge<br />

blickte.<br />

Lass ihn fahren, er ist dahin. Und ob es dich auch ehrt, dass<br />

du diesem Todten nur Gutes nachre<strong>des</strong>t, so weisst du so gut als<br />

ich, wer er war; <strong>und</strong> dass er w<strong>und</strong>erliche Wege gieng.“<br />

„Unter drei Augen gesprochen, sagte erheitert der alte Papst<br />

(denn er war auf Einem Auge blind), in Dingen Gottes bin ich<br />

aufgeklärter als Zarathustra selber — <strong>und</strong> darf es sein.<br />

Meine Liebe diente ihm lange <strong>Jahr</strong>e, mein Wille gieng allem<br />

seinen Willen nach. Ein guter Diener aber weiss Alles, <strong>und</strong><br />

Mancherlei auch, was sein Herr sich selbst verbirgt.<br />

Es war ein verborgener Gott, voller Heimlichkeit. Wahrlich<br />

zu einem Sohne sogar kam er nicht anders als auf Schleichwegen.<br />

An der Thür seines Glaubens steht der Ehebruch.<br />

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Wer ihn als einen Gott der Liebe preist, denkt nicht hoch<br />

genug von der Liebe selber. Wollte dieser Gott nicht auch Richter<br />

sein? Aber der Liebende liebt jenseits von Lohn <strong>und</strong> Vergeltung.<br />

Als er jung war, dieser Gott aus dem Morgenlande, da war<br />

er hart <strong>und</strong> rachsüchtig <strong>und</strong> erbaute sich eine Hölle zum <strong>Er</strong>götzen<br />

seiner Lieblinge.<br />

Endlich aber wurde er alt <strong>und</strong> weich <strong>und</strong> mürbe <strong>und</strong> mitleidig,<br />

einem Grossvater ähnlicher als einem Vater, am ähnlichsten

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