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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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wieder ein anderer Schwarzkünstler über den Weg laufen, —<br />

— irgend ein Hexenmeister mit Handauflegen, ein dunkler<br />

W<strong>und</strong>erthäter von Gottes Gnaden, ein gesalbter Welt-Verleumder,<br />

den der Teufel holen möge!<br />

Aber der Teufel ist nie am Platze, wo er am Platze wäre:<br />

immer kommt er zu spät, dieser vermaledeite Zwerg <strong>und</strong><br />

Klumpfuss!“ —<br />

Also fluchte Zarathustra ungeduldig in seinem Herzen <strong>und</strong><br />

gedachte, wie er abgewandten Blicks an dem schwarzen Manne<br />

vorüberschlüpfe: aber siehe, es kam anders. Im gleichen Augenblicke<br />

nämlich hatte ihn schon der Sitzende erblickt; <strong>und</strong> nicht<br />

unähnlich einem Solchen, dem ein unvermuthetes Glück zustösst,<br />

sprang er auf <strong>und</strong> gieng auf Zarathustra los.<br />

„Wer du auch bist, du Wandersmann, sprach er, hilf einem<br />

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Verirrten, einem Suchenden, einem alten Manne, der hier leicht<br />

zu Schaden kommt!<br />

Diese Welt hier ist mir fremd <strong>und</strong> fern, auch hörte ich wilde<br />

Thiere heulen; <strong>und</strong> Der, welcher mir hätte Schutz bieten<br />

können, der ist selber nicht mehr.<br />

Ich suchte den letzten frommen <strong>Menschen</strong>, einen Heiligen<br />

<strong>und</strong> Einsiedler, der allein in seinem Walde noch Nichts davon<br />

gehört hatte, was alle Welt heute weiss.“<br />

„ Was weiss heute alle Welt? fragte Zarathustra. Etwa<br />

diess, dass der alte Gott nicht mehr <strong>lebt</strong>, an den alle Welt einst<br />

geglaubt hat?“<br />

„Du sagst es, antwortete der alte Mann betrübt. Und ich<br />

diente diesem alten Gotte bis zu seiner letzten St<strong>und</strong>e.<br />

Nun aber bin ich ausser Dienst, ohne Herrn, <strong>und</strong> doch nicht<br />

frei, auch keine St<strong>und</strong>e mehr lustig, es sei denn in <strong>Er</strong>innerungen.<br />

Dazu stieg ich in diese Berge, dass ich endlich wieder ein<br />

Fest mir machte, wie es einem alten Papste <strong>und</strong> Kirchen-Vater<br />

zukommt: denn wisse, ich bin der letzte Papst! — ein Fest frommer<br />

<strong>Er</strong>innerungen <strong>und</strong> Gottesdienste.<br />

Nun aber ist er selber todt, der frömmste Mensch, jener<br />

Heilige im Walde, der seinen Gott beständig mit Singen <strong>und</strong><br />

Brummen lobte.<br />

Ihn selber fand ich nicht mehr, als ich seine Hütte fand, —<br />

wohl aber zwei Wölfe darin, welche um seinen Tod heulten —<br />

denn alle Thiere liebten ihn. Da lief ich davon.<br />

Kam ich also umsonst in diese Wälder <strong>und</strong> Berge? Da entschloss<br />

sich mein Herz, dass ich einen Anderen suchte, den<br />

Frömmsten aller Derer, die nicht an Gott glauben —, dass ich<br />

Zarathustra suchte!“<br />

Also sprach der Greis <strong>und</strong> blickte scharfen Auges Den an,<br />

welcher vor ihm stand; Zarathustra aber ergriff die Hand <strong>des</strong><br />

alten Papstes <strong>und</strong> betrachtete sie lange mit Bew<strong>und</strong>erung.<br />

„Siehe da, du Ehrwürdiger, sagte er dann, welche schöne

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