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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Gründe, du Gewissenhafter?“<br />

„Oh Zarathustra, antwortete der Getretene, das wäre ein<br />

Ungeheures, wie dürfte ich mich <strong>des</strong>sen unterfangen!<br />

Wess ich aber Meister <strong>und</strong> Kenner bin, das ist <strong>des</strong> Blutegels<br />

Hirn: —das ist meine Welt!<br />

Und es ist auch eine Welt! Vergieb aber, dass hier mein Stolz<br />

zu Worte kommt, denn ich habe hier nicht meines Gleichen.<br />

Darum sprach ich „hier bin ich heim.“<br />

Wie lange gehe ich schon diesem Einen nach, dem Hirn <strong>des</strong><br />

Blutegels, dass die schlüpfrige Wahrheit mir hier nicht mehr entschlüpfe!<br />

Hier ist mein Reich!<br />

— darob warf ich alles Andere fort, darob wurde mir alles,<br />

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Andre gleich; <strong>und</strong> dicht neben meinem Wissen lagert mein<br />

schwarzes Unwissen.<br />

Mein Gewissen <strong>des</strong> Geistes will es so von mir, dass ich Eins<br />

weiss <strong>und</strong> sonst Alles nicht weiss: es ekelt mich aller Halben <strong>des</strong><br />

Geistes, aller Dunstigen, Schwebenden, Schwärmerischen.<br />

Wo meine Redlichkeit aufhört, bin ich blind <strong>und</strong> will auch<br />

blind sein. Wo ich aber wissen will, will ich auch redlich sein,<br />

nämlich hart, streng, eng, grausam, unerbittlich.<br />

Dass du einst sprachst, oh Zarathustra: „Geist ist das Leben,<br />

das selber in's Leben schneidet,“ das führte <strong>und</strong> verführte<br />

mich zu deiner Lehre. Und, wahrlich, mit eignem Blute mehrte<br />

ich mir das eigne Wissen!“<br />

— „Wie der Augenschein lehrt,“ fiel Zarathustra ein; denn<br />

immer noch floss das Blut an dem nackten Arme <strong>des</strong> Gewissenhaften<br />

herab. Es hatten nämlich zehn Blutegel sich in denselben<br />

eingebissen.<br />

„Oh du w<strong>und</strong>erlicher Gesell, wie Viel lehrt mich dieser<br />

Augenschein da, nämlich du selber! Und nicht Alles dürfte ich<br />

vielleicht in deine strengen Ohren giessen!<br />

Wohlan! So scheiden wir hier! Doch möchte ich gerne dich<br />

wiederfinden. Dort hinauf führt der Weg zu meiner Höhle:<br />

heute Nacht sollst du dort mein lieber Gast sein!<br />

Gerne möchte ich's auch an deinem Leibe wieder gut machen,<br />

dass Zarathustra dich mit Füssen trat: darüber denke ich nach.<br />

Jetzt aber ruft mich ein Nothschrei eilig fort von dir.“<br />

Also sprach Zarathustra.<br />

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