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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Einstmals — ich glaub', im <strong>Jahr</strong> <strong>des</strong> Heiles Eins —<br />

Sprach die Sibylle, trunken sonder Weins:<br />

„Weh, nun geht's schief!<br />

„Verfall! Verfall! Nie sank die Welt so tief!<br />

„Rom sank zur Hure <strong>und</strong> zur Huren-Bude,<br />

„Rom's Caesar sank zum Vieh, Gott selbst — ward Jude!“<br />

2.<br />

An diesen Reimen Zarathustra's weideten sich die Könige;<br />

der König zur Rechten aber sprach: „oh Zarathustra, wie gut<br />

thaten wir, dass wir auszogen, dich zu sehn!<br />

Deine Feinde nämlich zeigten uns dein Bild in ihrem Spiegel:<br />

da blicktest du mit der Fratze eines Teufels <strong>und</strong> hohnlachend:<br />

also dass wir uns vor dir fürchteten.<br />

Aber was half's! Immer wieder stachst du uns in Ohr <strong>und</strong><br />

Herz mit deinen Sprüchen. Da sprachen wir endlich: was liegt<br />

daran, wie er aussieht!<br />

Wir müssen ihn hören, ihn, der lehrt „ihr sollt den Frieden<br />

lieben als Mittel zu neuen Kriegen, <strong>und</strong> den kurzen Frieden<br />

mehr als den langen!“<br />

Niemand sprach je so kriegerische Worte: „Was ist gut? Tapfer<br />

sein ist gut. Der gute Krieg ist's, der jede Sache heiligt.“<br />

Oh Zarathustra, unsrer Väter Blut rührte sich bei solchen<br />

Worten in unserm Leibe: das war wie die Rede <strong>des</strong> Frühlings<br />

zu alten Weinfässern.<br />

Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich rothgefleckten<br />

Schlangen, da wurden unsre Väter dem Leben gut; alles Friedens<br />

Sonne dünkte sie flau <strong>und</strong> lau, der lange Frieden aber<br />

machte Scham.<br />

Wie sie seufzten, unsre Väter, wenn sie an der Wand blitzblanke<br />

ausgedorrte Schwerter sahen! Denen gleich dürsteten<br />

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sie nach Krieg. Ein Schwert nämlich will Blut trinken <strong>und</strong> funkelt<br />

vor Begierde.“ — —<br />

— Als die Könige dergestalt mit Eifer von dem Glück ihrer<br />

Väter redeten <strong>und</strong> schwätzten, überkam Zarathustra keine kleine<br />

Lust, ihres Eifers zu spotten: denn ersichtlich waren es sehr<br />

friedfertige Könige, welche er vor sich sah, solche mit alten <strong>und</strong><br />

feinen Gesichtern. Aber er bezwang sich. „Wohlan! sprach er,<br />

dorthin führt der Weg, da liegt die Höhle Zarathustra's; <strong>und</strong><br />

dieser Tag soll einen langen Abend haben! Jetzt aber ruft mich<br />

eilig ein Nothschrei fort von Euch.<br />

Es ehrt meine Höhle, wenn Könige in ihr sitzen <strong>und</strong> warten<br />

wollen: aber, freilich, Ihr werdet lange warten müssen!<br />

Je nun! Was thut's! Wo lernt man heute besser warten als

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