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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Also seufzte der Wahrsager; bei seinem letzten Seufzer aber<br />

wurde Zarathustra wieder hell <strong>und</strong> sicher, gleich Einem, der aus<br />

einem tiefen Schl<strong>und</strong>e an's Licht kommt. „Nein! Nein! Drei Mal<br />

Nein! rief er mit starker Stimme <strong>und</strong> strich sich den Bart —<br />

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Das weiss ich besser! Es giebt noch glückselige Inseln! Stille<br />

davon, du seufzender Trauersack!<br />

Höre davon auf zu plätschern, du Regenwolke am Vormittag!<br />

Stehe ich denn nicht schon da, nass von deiner Trübsal<br />

<strong>und</strong> begossen wie ein H<strong>und</strong>?<br />

Nun schüttle ich mich <strong>und</strong> laufe dir davon, dass ich wieder<br />

trocken werde: <strong>des</strong>s darfst du nicht W<strong>und</strong>er haben! Dünke ich<br />

dir unhöflich? Aber hier ist mein Hof.<br />

Was aber deinen höheren <strong>Menschen</strong> angeht: wohlan! ich<br />

suche ihn flugs in jenen Wäldern: daher kam sein Schrei.<br />

Vielleicht bedrängt ihn da ein böses Thier.<br />

<strong>Er</strong> ist in meinem Bereiche: darin soll er mir nicht zu<br />

Schaden kommen! Und wahrlich, es giebt viele böse Thiere<br />

bei mir.“ —<br />

Mit diesen Worten wandte sich Zarathustra zum Gehen. Da<br />

sprach der Wahrsager: „Oh Zarathustra, du bist ein Schelm!<br />

Ich weiss es schon: du willst mich los sein! Lieber noch läufst<br />

du in die Wälder <strong>und</strong> stellst bösen Thieren nach!<br />

Aber was hilft es dir? Des Abends wirst du doch mich<br />

Niederhaben, in deiner eignen Höhle werde ich dasitzen, geduldig<br />

<strong>und</strong> schwer wie ein Klotz — <strong>und</strong> auf dich warten!“<br />

„So sei's! rief Zarathustra zurück im Fortgehn: <strong>und</strong> was mein<br />

ist in meiner Höhle, gehört auch dir, meinem Gastfre<strong>und</strong>e!<br />

Solltest du aber drin noch Honig finden, wohlan! so lecke<br />

ihn nur auf, du Brummbär, <strong>und</strong> versüsse deine Seele! Am Abende<br />

nämlich wolhen wir Beide guter Dinge sein,<br />

— guter Dinge <strong>und</strong> froh darob, dass dieser Tag zu Ende<br />

gieng! Und du selber sollst zu meinen Liedern als mein Tanzbär<br />

tanzen.<br />

Du glaubst nicht daran? Du schüttelst den Kopf? Wohlan!<br />

Wohlauf! Alter Bär! Aber auch ich — bin ein Wahrsager.“<br />

Also sprach Zarathustra.<br />

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Aphorism id='ZaIV-Text-3' kgw='VI-1.300' ksa='4.304'<br />

Gespräch mit den Königen.

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