04.11.2013 Aufrufe

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schrei, welchen die Abgründe sich zuwarfen <strong>und</strong> weitergaben,<br />

denn keiner wollte ihn behalten: so böse klang er.<br />

„Du schlimmer Verkündiger, sprach endlich Zarathustra, das<br />

ist ein Nothschrei <strong>und</strong> der Schrei eines <strong>Menschen</strong>, der mag wohl<br />

aus einem schwarzen Meere kommen. Aber was geht mich<br />

<strong>Menschen</strong>-Noth an! Meine letzte Sünde, die mir aufgespart<br />

blieb, - weisst du wohl, wie sie heisst?“<br />

— „Mitleiden! antwortete der Wahrsager aus einem<br />

überströmenden Herzen <strong>und</strong> hob beide Hände empor - oh<br />

Zarathustra, ich komme, dass ich dich zu deiner letzten Sünde<br />

verführe!“ —<br />

Und kaum waren diese Worte gesprochen, da erscholl der<br />

Schrei abermals, <strong>und</strong> länger <strong>und</strong> ängstlicher als vorher, auch<br />

schon viel näher. „Hörst du? Hörst du, oh Zarathustra? rief der<br />

Wahrsager, dir gilt der Schrei, dich ruft er: komm, komm, komm,<br />

es ist Zeit, es ist höchste Zeit!“<br />

Page Break id='ZaIV' KGW='VI-1.298' KSA='4.302'<br />

Zarathustra schwieg hierauf, verwirrt <strong>und</strong> erschüttert; endlich<br />

fragte er, wie Einer, der bei sich selber zögert: „Und wer<br />

ist das, der dort mich ruft?“<br />

„Aber du weisst es ja, antwortete der Wahrsager heftig, was<br />

verbirgst du dich? Der höhere Mensch ist es, der nach<br />

dir schreit!“<br />

„Der höhere Mensch? schrie Zarathustra von Grausen erfasst:<br />

was will der? Was will der? Der höhere Mensch! Was<br />

will der hier?“ — <strong>und</strong> seine Haut bedeckte sich mit Schweiss.<br />

Der Wahrsager aber antwortete nicht auf die Angst Zarathustra's,<br />

sondern horchte <strong>und</strong> horchte nach der Tiefe zu. Als<br />

es jedoch lange Zeit dort stille blieb, wandte er seinen Blick zurück<br />

<strong>und</strong> sahe Zarathustra stehn <strong>und</strong> zittern.<br />

„Oh Zarathustra, hob er mit trauriger Stimme an, du stehst<br />

nicht da wie Einer, den sein Glück drehend macht: du wirst<br />

tanzen müssen, dass du mir nicht umfällst!<br />

Aber wenn du auch vor mir tanzen wolltest <strong>und</strong> alle deine<br />

Seitensprünge springen: Niemand soll mir doch sagen dürfen:<br />

„Siehe, hier tanzt der letzte frohe Mensch!“<br />

Umsonst käme Einer auf diese Höhe, der den hier suchte:<br />

Höhlen fände er wohl <strong>und</strong> Hinter-Höhlen, Verstecke für Versteckte,<br />

aber nicht Glücks-Schachte <strong>und</strong> Schatzkammern <strong>und</strong><br />

neue Glücks-Goldadern.<br />

Glück — wie fände man wohl das Glück bei solchen Vergrabenen<br />

<strong>und</strong> Einsiedlern! Muss ich das letzte Glück noch auf<br />

glückseligen Inseln suchen <strong>und</strong> ferne zwischen vergessenen<br />

Meeren?<br />

Aber Alles ist gleich, es lohnt sich Nichts, es hilft kein Suchen,<br />

es giebt auch keine glückseligen Inseln mehr!“ — —

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!