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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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— also dass eine edle Schale mit edler Zierath fürbitten muss.<br />

Aber auch diese Kunst muss man lernen: Schale haben <strong>und</strong><br />

schönen Schein <strong>und</strong> kluge Blindheit!<br />

Abermals trügt über Manches am <strong>Menschen</strong>, dass manche<br />

Schale gering <strong>und</strong> traurig <strong>und</strong> zu sehr Schale ist. Viel verborgene<br />

Güte <strong>und</strong> Kraft wird nie errathen; die köstlichsten Leckerbissen<br />

finden keine Schmecker!<br />

Die Frauen wissen das, die köstlichsten: ein Wenig fetter, ein<br />

Wenig magerer — oh wie viel Schicksal liegt in so Wenigem!<br />

Der Mensch ist schwer zu entdecken <strong>und</strong> sich selber noch am<br />

schwersten; oft lügt der Geist über die Seele. Also schafft es der<br />

Geist der Schwere.<br />

Der aber hat sich selber entdeckt, welcher spricht: Das ist<br />

mein Gutes <strong>und</strong> Böses: damit hat er den Maulwurf <strong>und</strong> Zwerg<br />

stumm gemacht, welcher spricht „Allen gut, Allen bös.“<br />

Wahrlich, ich mag auch Solche nicht, denen jegliches Ding gut<br />

<strong>und</strong> diese Welt gar die beste heisst. Solche nenne ich die Allgenügsamen.<br />

Allgenügsamkeit, die Alles zu schmecken weiss: das ist nicht<br />

der beste Geschmack! Ich ehre die widerspänstigen wählerischen<br />

Zungen <strong>und</strong> Mägen, welche „Ich“ <strong>und</strong> „Ja“ <strong>und</strong> „Nein“ sagen<br />

lernten.<br />

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Alles aber kauen <strong>und</strong> verdauen — das ist eine rechte<br />

Schweine-Art! Immer I-a sagen — das lernte allein der Esel,<br />

<strong>und</strong> wer seines Geistes ist! —<br />

Das tiefe Gelb <strong>und</strong> das heisse Roth: so will es mein Geschmack,<br />

— der mischt Blut zu allen Farben. Wer aber sein Haus<br />

weiss tüncht, der verräth mir eine weissgetünchte Seele.<br />

In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Gespenster,;<br />

<strong>und</strong> Beide gleich feind allem Fleisch <strong>und</strong> Blute — oh wie gehen<br />

Beide mir wider den Geschmack! Denn ich liebe Blut.<br />

Und dort will ich nicht wohnen <strong>und</strong> weilen, wo Jedermann<br />

spuckt <strong>und</strong> speit: das ist nun mein Geschmack, — lieber noch<br />

<strong>lebt</strong>e ich unter Dieben <strong>und</strong> Meineidigen. Niemand trägt Gold<br />

im M<strong>und</strong>e.<br />

Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker; <strong>und</strong> das<br />

widrigste Thier von Mensch, das ich fand, das taufte ich Schmarotzer:<br />

das wollte nicht lieben <strong>und</strong> doch von Liebe leben.<br />

Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben: böse Thiere<br />

zu werden oder böse Thierbändiger: bei Solchen würde ich mir<br />

keine Hütten bauen.<br />

Unselig heisse ich auch Die, welche immer warten<br />

müssen, — die gehen mir wider den Geschmack: alle die Zöllner<br />

<strong>und</strong> Krämer <strong>und</strong> Könige <strong>und</strong> andren Länder- <strong>und</strong> Ladenhüter.<br />

Wahrlich, ich lernte das Warten auch <strong>und</strong> von Gr<strong>und</strong> aus,<br />

— aber nur das Warten auf mich. Und über Allem lernte ich<br />

stehn <strong>und</strong> gehn <strong>und</strong> laufen <strong>und</strong> springen <strong>und</strong> klettern <strong>und</strong> tanzen.<br />

Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen will, der

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