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Seltsames Loos des Menschen! Er lebt 70 Jahr und meint, etwas ...

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Der Geist der Rache: meine Fre<strong>und</strong>e, das war bisher<br />

der <strong>Menschen</strong> bestes Nachdenken; <strong>und</strong> wo Leid war, da<br />

sollte immer Strafe sein.<br />

„Strafe“ nämlich, so heisst sich die Rache selber: mit einem<br />

Lügenwort heuchelt sie sich ein gutes Gewissen.<br />

Und weil im Wollenden selber Leid ist, darob dass es nicht<br />

zurück wollen kann, — also sollte Wollen selber <strong>und</strong> alles Leben<br />

— Strafe sein!<br />

Und nun wälzte sich Wolke auf Wolke über den Geist: bis<br />

endlich der Wahnsinn predigte „Alles vergeht, darum ist Alles<br />

Werth zu vergehn!“<br />

„Und diess ist selber Gerechtigkeit, jenes Gesetz der Zeit, dass<br />

sie ihre Kinder fressen muss“: also predigte der Wahnsinn.<br />

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„Sittlich sind die Dinge geordnet nach Recht <strong>und</strong> Strafe. Oh<br />

wo ist die <strong>Er</strong>lösung vom Fluss der Dinge <strong>und</strong> der Straf „Dasein“?<br />

Also predigte der Wahnsinn.<br />

„Kann es <strong>Er</strong>lösung geben, wenn es ein ewiges Recht giebt?<br />

Ach, unwälzbar ist der Stein „Es war“: ewig müssen auch alle<br />

Strafen sein!“ Also predigte der Wahnsinn.<br />

„Keine That kann vernichtet werden: wie könnte sie durch<br />

die Strafe ungethan werden! Diess, diess ist das Ewige an der<br />

Straf „Dasein“, dass das Dasein auch ewig wieder That <strong>und</strong><br />

Schuld sein muss!<br />

„Es sei denn, dass der Wille endlich sich selber erlöste <strong>und</strong><br />

Wollen zu Nicht-Wollen würde —“: doch ihr kennt, meine<br />

Brüder, diess Fabellied <strong>des</strong> Wahnsinns!<br />

Weg führte ich euch von diesen Fabelliedern, als ich euch<br />

lehrte „der Wille ist ein Schaffender.“<br />

Alle „Es war“ ist ein Bruchstück, ein Räthsel, ein grauser Zufall<br />

— bis der schaffende Wille dazu sagt „aber so wollte ich<br />

es!“<br />

— Bis der schaffende Wille dazu sagt „Aber so will ich es!<br />

So werde ich's wollen!“<br />

Aber sprach er schon so? Und wann geschieht diess? Ist der<br />

Wille schon abgeschirrt von seiner eignen Thorheit?<br />

Wurde der Wille sich selber schon <strong>Er</strong>löser <strong>und</strong> Freudebringer?<br />

Verlernte er den Geist der Rache <strong>und</strong> alles Zähneknirschen?<br />

Und wer lehrte ihn Versöhnung mit der Zeit, <strong>und</strong> Höheres<br />

als alle Versöhnung ist?<br />

Höheres als alle Versöhnung muss der Wille wollen, welcher<br />

der Wille zur Macht ist —: doch wie geschieht ihm das? Wer<br />

lehrte ihn auch noch das Zurückwollen?“<br />

— Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es, dass Zarathustra<br />

plötzlich innehielt <strong>und</strong> ganz einem Solchen gleich sah,<br />

der auf das Äusserste erschrickt. Mit erschrecktem Auge blickte<br />

er auf seine Jünger; sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre

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