Leseprobe e-commerce Magazin 2013/05
Leseprobe e-commerce Magazin 2013/05
Leseprobe e-commerce Magazin 2013/05
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zweimal bestellen. Zunächst zum Testen<br />
bei einem verhältnismäßig teuren Versandhändler,<br />
der Retouren als kostenfreie<br />
Serviceleistung versteht, anschließend ein<br />
zweites Mal beim günstigsten Anbieter.<br />
Dass dieser eine Rücksendegebühr erhebt,<br />
ist unerheblich, da der Kunde im<br />
Rahmen der ersten Bestellung bereits<br />
sämtliche Retourengründe ausschließen<br />
konnte. Alternativ ist denkbar, dass sich<br />
Kunden im stationären Handel ausführlich<br />
beraten lassen, bevor sie das Produkt anschließend<br />
beim günstigsten Anbieter im<br />
Internet ordern. Bleibt die Frage nach den<br />
vermutlichen Auswirkungen der Rücksendegebühren<br />
auf die einzelnen Interessensgruppen.<br />
Für die Distanzhändler wird sich mit einer<br />
hohen Wahrscheinlichkeit der Preiswettbewerb<br />
intensivieren. Dies gilt insbesondere<br />
deshalb, weil sich Rücksendegebühren aufgrund<br />
der unsicheren Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
im Gegenteil zu Versandkos ten<br />
schlecht in das Ranking von Preissuchmaschinen<br />
integrieren lassen. Rücksendegebühren<br />
wirken sich weiterhin auf das Retourenverhalten<br />
aus. Für Bestellungen mit<br />
einem hohen Rücksenderisiko werden Verbraucher<br />
verstärkt auf Anbieter ohne Gebühren<br />
zurückgreifen, weshalb ein Anstieg<br />
von deren Retourenquoten als sicher gilt.<br />
Umgekehrt sinken die Quoten von Händlern,<br />
die Rücksendegebühren einfordern.<br />
Viele stationäre Händler erhoffen sich<br />
durch die Einführung von Rücksendegebühren,<br />
dass sich möglichst viele Kunden<br />
vom Onlinehandel abwenden und wieder<br />
im Ladenlokal kaufen. Dieser Optimismus<br />
erweist sich bei genauerer Betrachtung<br />
jedoch als unbegründet. Sicherlich gibt es<br />
Kundengruppen, die aufgrund von Rücksendegebühren<br />
von einer Bestellung bei<br />
einem Händler Abstand nehmen. Allerdings<br />
ist es unwahrscheinlich, dass diese<br />
Kunden den stationären Handel aufsuchen.<br />
Deutlich realistischer erscheint die<br />
Option, dass sie zu einem alternativen Versandhändler<br />
ohne Gebühren wechseln.<br />
Ferner vergrößern die mit den Rücksendegebühren<br />
einhergehenden Preissenkungen<br />
die durch den Verbraucher wahrgenommenen<br />
Preisunterschiede. Damit wird<br />
die relative Wettbewerbsfähigkeit des stationären<br />
Handels weiter geschwächt. Als<br />
heimliche Gewinner könnten sich Multi-<br />
Channel-Anbieter entpuppen, die sowohl<br />
im Internet als auch flächendeckend im<br />
stationären Handel agieren. Ihnen bieten<br />
sich im Vergleich zu reinen Distanzhändlern<br />
flexiblere Ausgestaltungsmöglichkeiten.<br />
So kommt es in Betracht, dass sie bei<br />
einer Rücksendung mit einem Logistikdienstleister<br />
Gebühren erheben, bei einer<br />
Rückgabe im Laden aber darauf verzichten.<br />
Der finanzielle Anreiz, die Produkte in<br />
den Geschäften zurückzugeben, führt zu<br />
einem positiven Nebeneffekt. Der Rückgabeprozess<br />
wird entanonymisiert und es<br />
entsteht in einer Verkaufsumgebung ein<br />
weiterer Kundenkontakt mit Absatzpotenzial.<br />
Beispielsweise kann ein Verkäufer<br />
nach der Erörterung des Rückgabegrunds<br />
ein Alternativprodukt anbieten. Verbraucher<br />
können sich einerseits auf fallende<br />
Preise freuen. In der eingangs angeführten<br />
Händlerumfrage gaben die Teilnehmer an,<br />
dass sie bei einer Rücksendegebühr von<br />
durchschnittlich 5,60 Euro den Preis eines<br />
Produkts von 50,00 auf 46,93 Euro (-6,1<br />
Prozent) senken. Andererseits verorten<br />
Rücksendegebühren das Verursacherprinzip<br />
im Retourenmanagement. Wie das voranstehende<br />
Beispiel zeigt, ist die Vorstellung<br />
einer durch das Marketing proklamierten<br />
„kostenlosen Retoure“ in der<br />
Realität nicht haltbar, sondern im Verkaufspreis<br />
einkalkuliert. Anders ausgedrückt<br />
subventionieren Verbraucher, die<br />
ihre Kaufentscheidung wohlüberlegt treffen<br />
und entsprechend weniger zurückschicken,<br />
jene Kundengruppen, die viel<br />
und häufig retournieren.<br />
Abschließend sollten im Rahmen einer<br />
ganzheitlichen Betrachtung Umwelteffekte<br />
Berücksichtigung finden. Im Jahr 2012<br />
Intensiverer Preiswettbewerb<br />
│Björn Asdecker ist seit August 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik an der<br />
Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Gründer und Initiator der Forschungsgruppe<br />
Retourenmanagement. Die Forschungsgruppe verfolgt das Ziel, Wissenschaft<br />
und Praxis enger zu verknüpfen. http://www.retourenforschung.de<br />
│Alexander Weigel war bis Ende 2012 Student der Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und Mitarbeiter der Forschungsgruppe<br />
Retourenmanagement. Passend zum Studienschwerpunkt verfasste er im Sommer<br />
2012 seine Diplomarbeit zum Retourenmanagement.<br />
wurden im deutschen Versandhandel<br />
schätzungsweise 286 Millionen Retourenpakete<br />
transportiert und vereinnahmt. Jedes<br />
Paket zeichnet für eine Umweltbelastung<br />
von etwa 500 Gramm CO2-Äquivalente<br />
verantwortlich.<br />
Insgesamt wird deutlich, dass Rücksendegebühren<br />
das Potenzial besitzen, die<br />
Marktstruktur und das Kundenverhalten<br />
zu verändern. Damit betrifft das Thema<br />
auch große Anbieter, die aktuell gar nicht<br />
planen, derartige Abgaben zu erheben. Deren<br />
Reaktion könnte darin bestehen,<br />
Retou rengebühren im Sinne des Kunden<br />
umzuinterpretieren. Wie das geht, zeigt der<br />
Fashion-Händler Bonprix, der dem Kundenkonto<br />
für jede Bestellung ohne Rücksendung<br />
seit einiger Zeit einen Betrag in<br />
Höhe von drei Euro gutschreibt. ■<br />
www.e-<strong>commerce</strong>-magazin.de <strong>05</strong>/13 e-<strong>commerce</strong>-magazin 35