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Reader - Studienstiftung

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Vorgebenes und schon Geschehenes zu tun hat. Eine Sängerin mag sich fragen,<br />

was eine bestimmte Arie für sie bedeutet, wie sie als die Person, die sie ist, diese<br />

Töne, diesen Text, zu singen hat. Dabei werden auch die Musikstücke, die sie<br />

bisher in ihrem Leben gesungen hat, eine Rolle spielen. In einem Gespräch mag<br />

man sich fragen, was eine Bemerkung oder eine Frage für einen selbst aufgrund<br />

der bisherigen Lebenserfahrung eigentlich bedeutet und nach der eigenen<br />

Stimme in der Antwort auf diese Frage suchen. Ein Dichter mag nach einem Ton<br />

suchen, um etwas, was er erfahren hat, als seine Erfahrung zum Ausdruck<br />

bringen zu können. Auf diese Weise sind wir alle, nicht nur die Künstler, sofern<br />

wir nach einem Sinnzusammenhang in unserem Leben suchen, damit<br />

beschäftigt, herauszufinden, wie wir, als die, die wir im Unterschied zu allen<br />

anderen Menschen sind, auf das, was uns bisher widerfahren ist und was wir<br />

bisher getan haben, zu reagieren, wie wir in unserer Lebensführung auf die Welt<br />

zu antworten haben.<br />

An dieser Stelle wird die Frage dringlich, inwiefern die Fähigkeit, sein Leben<br />

richtig fortzusetzen oder auf die Welt zu antworten, in einem Wissen begründet<br />

ist. Raymond Geuss hat zurecht bezweifelt, dass wir heute noch von einem<br />

objektiven Wissen über unseren eigenen Lebenslauf ausgehen können. Er<br />

schreibt: „Wir sind gar nicht überzeugt, dass es einen Standpunkt gibt, von dem<br />

aus wir unser eigenes Leben als ganzes übersehen und objektiv beurteilen<br />

können; höchstens gibt es wechselnde Einstellungen, die ganz verschiedene<br />

Urteile bedingen. Von Beständigkeit oder Objektivität kann keine Rede sein“<br />

(Geuss 2004, S. 39). Geuss scheint hier vorauszusetzen, dass die<br />

glücksrelevante Erkenntnis des eigenen Lebens ein objektives Wissen von<br />

einem bestimmten Standpunkt sein muss. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es<br />

handelt sich eher um ein Handlungswissen im Sinne des: „Jetzt weiss ich weiter“.<br />

Die Erkenntnis eines Musters macht es möglich, dies mit einer grossen<br />

Sicherheit fortzusetzen. Diese Musterkennung in der zeitlichen Gestalt des<br />

eigenen Lebens ist nicht als eine zu konstruieren, die mit Allgemeinbegriffen<br />

operiert, die wir gewöhnlich mit objektivem Wissen verbinden. Adorno hat in<br />

diesem Zusammenhang in der „Negativen Dialektik“ den Begriff der<br />

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