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Reader - Studienstiftung

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Person gehören. Eine bisher furchtsame Person, die sich in einer<br />

Auseinandersetzung übermütig gibt, ist unauthentisch, ebenso wie eine mutige<br />

Person, die sich einem Streit nicht stellt, obwohl sie ihn bestehen könnte.<br />

Handlungsempfehlungen unabhängig von der Lebensgeschichte der Person, die<br />

im Sinne der Kantischen praktischen Philosophie und der aus ihr entstandenen<br />

Tradition lediglich allgemeine Regeln, die für alle Vernunftwesen zu gelten<br />

haben, auf die Situation appliziert und dazu auffordert, dass sich jeder Mensch in<br />

einer moralisch relevanten Situation als Vernunftwesen so zu verhalten habe,<br />

stehen in einem Kontrast zu dieser, die individuelle Lebensgeschichte, die aus<br />

ihr hervorgegangenen Gewohnheiten und das Authentische betonenden<br />

mesothes-Lehre, die darauf zielt, die vielfältigen Anlagen und Bestrebungen<br />

einer Person in jeder Handlung zu einer Einheit zu integrieren. Eine Person, die<br />

richtig handeln will, die ihr eigenes Leben authentisch fortsetzen und in diesem<br />

Sinne führen möchte, muss sich und die Situation, in der sie sich gerade<br />

befindet, also Individualitäten und nicht Allgemeinheiten so genau wie möglich<br />

erkennen und bewerten können, so dass sie die richtige Fortsetzung ihres<br />

Lebens findet. Die Richtigkeit der Fortsetzung ist erfahrbar, d.h. das authentische<br />

oder unauthentische Verhalten ist der handelnden Person selbst als solches<br />

gegeben, im extremen Fall der Unauthentizität als das Leid, das zwanghaftes<br />

oder neurotisches Verhalten nach sich zieht. Im extremen Fall der Authentizität<br />

als die Glückserfahrung genau das Richtige in dieser Situation oder gar im Leben<br />

getan zu haben. Erfahrungen von Leid und Glück sind vor diesem Hintergrund<br />

also auch als Erfahrungen von „mehr oder weniger Wirklichkeit“ zu verstehen.<br />

Glückserfahrungen sind Erfahrungen der Fortsetzung des wirklichen partikularen<br />

Prozesses, der mein Leben darstellt, Leiderfahrungen sind Erfahrungen der<br />

Hinderung dieser Fortsetzung. Die Glückserfahrung ist in diesem Sinne auch als<br />

ein Evidenzkritium zu verstehen, das anzeigt, dass es mir gelungen ist, mich auf<br />

eine wirkliche Partikularität – oder, weil die Wirklichkeit eben nichts anderes als<br />

die Vielfalt von differierenden Partikularitäten ist – auf die Wirklichkeit selbst zu<br />

beziehen.<br />

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