04.11.2013 Aufrufe

Reader - Studienstiftung

Reader - Studienstiftung

Reader - Studienstiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ihres Lebens entstandene Verschiedenheit von anderen für sich und die anderen<br />

fortzusetzen und sie dabei trotz ihrer inneren Differenziertheit und<br />

Verschiedenheit von den anderen in der Lage ist, noch ein gemeinsames Leben<br />

mit den anderen zu führen. Das Interesse an einer solchen Fortsetzung des<br />

eigenen Lebens ist allerdings nicht lediglich eines nach blosser Selbsterhaltung,<br />

sondern nach Vereinheitlichung des eigenen Lebens entsprechend der dauernd<br />

in ihm entstehenden neuen Erfahrungsmuster.<br />

Seit der Ethik des Aristoteles ist die Überzeugung verbreitet, dass das Glück das<br />

einzige letzte Ziel des menschlichen Handelns sei (bzw. zu sein habe). Denn<br />

nach Aristoteles tun wir einerseits Dinge um anderer Dinge willen, andererseits<br />

sei es sinnlos, zu fragen, warum wir glücklich werden wollen; das Glück sei das,<br />

was Menschen um ihrer selbst willen anstreben, allerdings herrsche Uneinigkeit<br />

darüber, was dieses Glück sei (Aristoteles 1979, 1095a). Es ist umstritten, ob<br />

Aristoteles mit diesem Gedanken meinte, eine Tatsache über das menschliche<br />

Leben zu beschreiben oder ob er – wie Jonathan Lear, dem ich mich hier<br />

anschliesse, vermutet ( Lear 2004, S. 50) – die menschliche Praxis so verändern<br />

wollte, das sie zu einem vereinheitlichten Leben führt, einem Leben, das einen<br />

spezifischen Zusammenhang hat, indem er das Glück als einziges letztes<br />

Lebensziel forderte. Sicher ergibt sich aus der Tatsache, dass alles menschliche<br />

Handeln auf ein Ziel hinausläuft, das nicht wiederum Mittel zu etwas anderem ist,<br />

nicht, dass es ein einziges Ziel im menschlichen Leben tatsächlich geben muss.<br />

Diese Folgerung wäre ein schlichter logischer Fehler, wie der, aus der Tatsache,<br />

dass jeder Vogel sein Nest habe, zu folgern, dass alle Vögel, dasselbe Nest<br />

hätten. Jonathan Lear spricht deshalb, um Aristoteles, dem Begründer der Logik,<br />

in diesem Zusammenhang keinen Fehlschluss zu unterstellen, im Anschluss an<br />

die Psychoanalyse davon, Aristoteles wolle mit seiner Charakterisierung des<br />

Glücks als dem einzigen letzten Handlungsziel im menschlichen Leben zu einer<br />

veränderten, eben vereinheitlichten Lebenseinstellung „verführen“ (Lear 2004, S.<br />

56). Geht man davon aus, dass auch ein menschliches Leben möglich ist, in dem<br />

verschiedene Dinge um ihrer selbst willen und nicht als Mittel zum Zweck<br />

erstrebt werden, wie beispielsweise Lust, Ehre, Reichtum, Macht, die aber<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!