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Reader - Studienstiftung

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aneinander“ (Adorno 1977, S. 743). Voraussetzung einer solchen Teilhabe der<br />

voneinander verschiedenen Individualitäten aneinander ist allerdings, dass sie<br />

sich überhaupt selbst offenbar geworden sind. Auch dafür könnte man eine<br />

Frankfurter Chiffre für das Glück verwenden, die Walter Benjamin Mitte der<br />

zwanziger Jahre prägte, wonach „Glücklichsein heisst ohne Schrecken seiner<br />

selbst innewerden“ (Benjamin 1980, IV-1, 113). Zustände der Harmonie,<br />

Verschmelzung oder abstrakt der Identität gehören sicher zu vielen<br />

Glückskonzeptionen, während solche des Entzweiung, Fremdheit und des<br />

Krieges als Chiffren für Unglück angesehen werden können. Adornos<br />

Beobachtung, dass es eine Differenzen auflösende und eine sie ohne Herrschaft<br />

erhaltenden Verschmelzung geben kann, ist insofern wichtig, als sie eine<br />

Orientierung für misslingendes und gelingendes Streben nach Glück geben<br />

kann. Sofern Glücksstreben nämlich einfach nur ein Streben nach Beendigung<br />

von Entzweiung und Fremdheit darstellt, kann es ebenso Differenz auflösend<br />

wirken, wie der alle Differenzen in Chaos und Auflösung zerstörende Krieg. Die<br />

Erhaltung der Unterschiede einer Mannigfaltigkeit in einer Einheit ohne<br />

Herrschaft, die kein Glied der Unterschiedenen anderen über- oder unterordnet,<br />

gibt die Schwierigkeiten vor, der sich bewusstes Glücksstreben ausgesetzt sieht.<br />

Dass das Unterschiedene nebeneinander stehen und aneinander teilhaben kann,<br />

ohne dass Herrschaftsverhältnisse eintreten, kann sich dabei sowohl auf die<br />

interne Komplexität einer Person, das heisst die Herrschaftsverhältnisse<br />

zwischen den verschiedenen Bestrebungen und Fähigkeiten eines einzelnen<br />

beziehen, wie auch auf die Differenzen zwischen verschiedenen Personen.<br />

Glück hat es in diesem Sinne mit der Erhaltung einer Vielheit innerhalb einer<br />

herrschaftsfreien personalen oder sozialen Einheit zu tun. Allerdings setzt die<br />

Erhaltung der Vielheit oder der Differenzen voraus, dass sie erkannt sind. Das<br />

wird im Benjaminschen Diktum deutlich: Es gehört zum Glück sich seiner selbst<br />

inne zu werden, und zwar ohne Schrecken. Doch wie sollte das möglich sein?<br />

Glück mit der Erhaltung von Differenzen in einer Einheit in Zusammenhang zu<br />

bringen, ist keine Spezialität der Adornischen Philosophie. Man findet diesen<br />

Gedanken auch in Whiteheads Werttheorie, in der die Bildung von Kontrasten<br />

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