04.11.2013 Aufrufe

Reader - Studienstiftung

Reader - Studienstiftung

Reader - Studienstiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Beschränktheit menschlicher Macht bedeutet also nicht, die Möglichkeit<br />

menschlicher Selbstbestimmung und Freiheit zu leugnen. Doch der Gedanke,<br />

dass man als Einzelner sich nur „aufzuraffen“ habe, um sein Leben zu gestalten,<br />

dann könne es auch ein glückliches werden, kann bestenfalls als naiv,<br />

angesichts der Schicksale von Menschen, die in Naturkatastrophen,<br />

Hungersnöte und Kriege geraten, Opfer von chronischen Krankheiten,<br />

Gewaltverbrechen oder des Terrors in totalitären Staaten werden, jedoch wohl<br />

nur als zynisch bezeichnet werden. In den modernen liberalen bürgerlichen<br />

Gesellschaften ist „Freiheit“, wie Raymond Geuss einmal bemerkt (Geuss 2010,<br />

xiii), zur Chiffre für eine sehr vage fixe Idee geworden, die ähnlich wie in der<br />

Adelsgesellschaft der Begriff „Ehre“ einen scheinbar unantastbaren Wert<br />

kennzeichnet, der aber von den wenigsten (ebenso wie ehemals die „Ehre“)<br />

genau konkretisiert werden kann. Von Glück liesse sich, angesichts der Menge<br />

an Publikationen, ähnliches sagen. Die Unklarheit dieses Begriffes scheint<br />

geradezu proportional zu steigenden Flut an Veröffentlichungen, die diesen<br />

Terminus im Titel führt. Unsere gegenwärtigen Gesellschaften könnte man<br />

geradezu als „Freiheits- und Glücksgesellschaften“ charakterisieren, so wie<br />

vormalige vielleicht als „Ehr- und Ruhmgesellschaften“. So wie man früher für<br />

seine Ehre einstehen und sich einen Namen, den auch die Nachwelt noch<br />

erinnert, zu machen hatte, ebenso scheint man heute die Freiheit verteidigen und<br />

nach Glück streben zu müssen. Und so wie die meisten ehemals nicht wussten,<br />

was sie sich denn genau unter ihrer „Ehre“ und dem Wert von „Ruhm“ zu denken<br />

haben, und warum diese so erstrebenswert sind, ebenso ist heute weitgehend<br />

unklar, was Freiheit und Glück eigentlich meinen und warum sie angeblich das<br />

Zentrum unserer Bestrebungen zu sein haben. Einigen scheint Freiheit als<br />

individuelle Autonomie des Handelns und Entscheidens in einem zeitlosen<br />

intelligiblen Reich einfach gegeben, anderen als das Zentrum der politisch<br />

mühselig erkämpften westlichen Lebensform, die vermeintlich individuelle<br />

Lebensgestaltung ermöglicht und als etwas Bedrohtes zu verteidigenden ist, also<br />

offenbar nicht als apriorisch, das ja gar nicht empirisch bedroht werden könnte.<br />

Der Gedanke, jeder sei seines Glückes Schmied, taucht manchmal als Appell<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!