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Ausgabe 1995 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Tachari anfertigte, läßt sich jedenfalls dieser Sachverhalt ermitteln.<br />

So wurde damals aus der ursprünglichen Rangendinger<br />

Peterskirche bis auf den heutigen Tag eine Galluskirche.<br />

Damit haben wir bereits ein erstes traditionsbildendes Element<br />

der Rangendinger Geschichte gefunden, das den gesamten<br />

überlieferten Zeitraum von 1200 Jahren überspannt.<br />

Es sind ja in den schnell veränderlichen Verhältnissen und<br />

Strukturen der Geschichte solche langlebigen Elemente, die<br />

wir gerade in einer Zeit radikalen Wandels als identitätsstiftende<br />

Merkmale unserer Heimatgeschichte suchen.<br />

Wir können froh sein um diese frühen urkundlichen Belege<br />

zur Rangendinger Orts- und Kirchengeschichte, denn auch<br />

das pergamentene Gedächtnis der Archive ist löcherig und<br />

vergänglich. Wo Urkunden verloren sind, erscheint die Geschichte<br />

wie ausgelöscht, erscheint ein Dorf wie nicht existent,<br />

obwohl wir wissen, daß es existierte. Ein solches<br />

Schicksal teilt Rangendingen übrigens mit sehr vielen anderen<br />

Orten. Zwischen den Jahren 802 und 1275, also beinahe<br />

500 Jahre lang, schweigen die Quellen über die heutige Jubiläumsgemeinde.<br />

Wir können uns für diese dunkle Zeit nur<br />

an zwei Elemente geschichtlichen Überdauerns klammern:<br />

Auch über diese dunklen Jahrhunderte hinweg werden die<br />

namenlosen Rangendinger zum Heiligen Gallus, ihrem Patron,<br />

gebetet und ihm den Zehnten gereicht haben, und<br />

während dieser ganzen Zeit dürfte Rangendingen wie schon<br />

um das Jahr 800 ein Pfarrort von zentraler Bedeutung gewesen<br />

sein.<br />

Erst um das Jahr 1300 beginnt eine umfangreiche historische<br />

Überlieferung zum Dorf Rangendingen. Und die Quellen des<br />

späteren Mittelalters und in der frühen Neuzeit bestätigen<br />

unsere Einschätzung. Rangendingen beherbergte um 1435<br />

um die 200 Einwohner, was für damals viel war, und es war<br />

im Jahr 1548 mit 393 Einwohnern neben Grosselfingen die<br />

größte Gemeinde der Grafschaft Zollern. Aber die Größe allein<br />

sagt noch nichts über die Bedeutung eines Dorfes aus.<br />

Hören wir also, wie die, die es wissen mußten, den Flecken<br />

charakterisierten. Da finden wir in einem Verzeichnis des Jahres<br />

1467 z. B. folgenden Satz: »Rangendingen ist ein sehr vermögentliches<br />

gutes Dorf an Holz und Feld.« Dieses schmeichelhafte<br />

Urteil hatte natürlich seine Kehrseite, denn wo viel<br />

war, wollten die Herrschaften auch viel holen.<br />

Das Urteil stammt übrigens erstaunlicherweise nicht, wie<br />

man erwarten könnte, aus der zollerischen Kanzlei in Hechingen,<br />

sondern von einem hohenbergischen Beamten in<br />

Haigerloch. Und das lenkt unseren Blick auf die bislang wenig<br />

beachtete Tatsache, daß Rangendingen ja bis zum Jahr<br />

1467 zwischen Hohenzollern und Hohenberg geteilt war. Es<br />

gab in Rangendingen zwei Untertanengruppen: ein Teil der<br />

Bauern mußte seine Abgaben nach Haigerloch, der andere<br />

aber nach Hechingen entrichten. Das war jedoch aus der Sicht<br />

der Untertanen ein unhaltbarer Zustand, und wir werden sehen,<br />

daß sich die Rangendinger mit dieser faktischen Spaltung<br />

des Dorfes nicht abgefunden haben.<br />

Nach dem Aussterben der Herren von Rangendingen um das<br />

Jahr 1300, über die wir leider nicht allzuviel wissen, ging das<br />

allgemeine Gerangel um das wirtschaftlich hochinteressante<br />

Dorf Rangendingen los. Nicht nur die Grafen von Zollern<br />

faßten hier Fuß, sondern alle in der Nähe seßhaften Adelsgeschlechter<br />

wie die Stauffenberger und die von Ow und sogar<br />

Hechinger Patrizierfamilien wie die Bronber und die<br />

Walch besaßen in Rangendingen Grund und Boden, Höfe<br />

und Wälder, Zehnten und andere Einkünfte. Rangendingen<br />

hatte nicht nur relativ gute Ackerflächen und ausgedehnte<br />

Waldreserven, sondern war damals das einzige zollerische<br />

Dorf mit Weinbau - bereits 1412 ist einmal vom Weingarten<br />

des Schwarzgrafen Friedrich von Zollern die Rede.<br />

Der wichtigste Konkurrent der Zollergrafen unter den<br />

Grundbesitzern in Rangendingen waren die Grafen von Hohenberg,<br />

deren Herrschaft 1381 an Osterreich überging.<br />

Österreich und Zollern teilten sich also in Rangendingen die<br />

größten Besitzkomplexe und die größten Gruppen von leibeigenen<br />

Untertanen. Jede Gruppe wählte ihren eigenen Vogt,<br />

der das Dorf gegenüber der jeweiligen Herrschaft vertrat.<br />

Aber wie sollte die Dorfgenossenschaft unter dieser Zersplitterung<br />

der Leibeigenen und unter den vielen Herren ihre<br />

internen Dorfangelegenheiten regeln? Und - was noch<br />

wichtiger war - welcher Herrschaft unterlag überhaupt die<br />

dörfliche Rechtsprechung? Das war der Stein des Anstoßes,<br />

und diese Frage zwang die Rangendinger im späten Mittelalter<br />

zu einer bemerkenswerten kollektiven und d. h. gemeindlichen<br />

Anstrengung.<br />

Die damaligen Ereignisse lassen sich aus einer sogenannten<br />

»Kundschaft« rekonstruieren, die Graf Eitelfriedrich I. am 1.<br />

April 1435 in Rangendingen einholte. Eitelfriedrich war aus<br />

dem verheerenden Krieg mit seinem Bruder als Sieger hervorgegangen<br />

und ließ sich nun in diesem Jahr in einem Lagerbuch<br />

zusammentragen, was ihm in seiner schwer gebeutelten<br />

Grafschaft noch an Rechten zustand. Er trommelte in<br />

Rangendingen nicht weniger als 17 alte Männer zusammen<br />

und ließ sich durch ihre einhelligen Aussagen bestätigen, daß<br />

der Stab und die Vogtei, also die Gerichtsherrschaft in Rangendingen<br />

bei der Herrschaft Hohenzollern lag und vom<br />

Vogt der zollerischen Untertanen, damals einem Burkart<br />

Herre, auszuüben sei.<br />

Die teilweise bis zu achtzig Jahre alten Männer - darunter ein<br />

Bentz Mössing, ein Conrad Schneider, ein Hans Keck, ein<br />

Claus Lins und ein Ulrich Sauer - führten auch den Grund<br />

an, weshalb der Stab bei Hohenzollern liegen solle. Es sei<br />

nämlich vor ungefähr 50 Jahren, so erinnerten sie sich, zu einem<br />

Konflikt der Rangendinger mit der hohenbergischen<br />

Herrschaft gekommen. Die Hohenberger hätten damals in<br />

hohem Maße den Wald Mark geplündert und Bauholz nach<br />

Haigerloch geführt, was ihnen die Untertanen schließlich verwehrt<br />

hätten. Darauf seien die Hohenberger mit einem Banner,<br />

also unter militärischem Schutz wieder aufgetaucht, um<br />

das Abholzen fortzusetzen, aber die Rangendinger hätten ihnen<br />

das Banner abgenommen, also die Waffenknechte wohl<br />

überwältigt.<br />

Aufgrund dieser Vorgänge hätten sich die Untertanen beraten,<br />

und es wurde »die gantz geburschafft ainmündig, das man<br />

sich an die herrschafft von Zolre ergäbe«, »darumb das sie<br />

inen ir zwing und bänne hülfe beschirmen«. Das heißt also,<br />

die ganze Bauernschaft kam damals überein, sich aufgrund<br />

dieses Konflikts der Herrschaft Zollern zu ergeben, wofür<br />

die Zollergrafen den Schutz und Schirm über das Dorf übernahmen.<br />

Man kann den Zeitpunkt dieser dramatischen Ereignisse<br />

näher eingrenzen. Wenn die alten Rangendinger<br />

Männer sich im Jahr 1435 erinnerten, daß sich dies alles vor<br />

etwa 50 Jahren abgespielt habe, so kommen wir ungefähr in<br />

Jahr 1385. Und wenn wir uns erinnern, daß Hohenberg 1381<br />

an Österreich übergegangen war, so liegt es auf der Hand,<br />

daß sich dieser Holzkonflikt bald nach 1381, nach dem Aufzug<br />

der österreichischen Herrschaft in Haigerloch abgespielt<br />

haben muß.<br />

Das heißt aber, damals im späten 14. Jahrhundert war das dörfliche<br />

Entscheidungsgremium der Gemeinde in Rangendingen<br />

voll ausgebildet. Denn das alte Wort »geburschafft«, Bauernschaft<br />

war damals gleichbedeutend mit dem Begriff »Gemeinde«.<br />

Die Gemeinde war die Versammlung der volljährigen<br />

Männer. Was man im Mittelalter übrigens unter volljährig<br />

verstand, lehrt uns die zeitgleiche Dorfordnung von Owingen,<br />

die schon die mehr als 12jährigen Knaben zur Gemeinde<br />

zuließ. Was aber vielleicht das wichtigste an dem frühen<br />

Beleg der Rangendinger Gemeinde ist: sie trat damals schon<br />

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