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Ausgabe 1995 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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lieh rehabilitiert - wohl 1702 nach Wilflingen zurückkehrte,<br />

hatte sein Stiefsohn alles verscherbelt, was nicht niet- und nagelfest<br />

war, so daß Sigmund Regnat von Schellenberg mit seinen<br />

eigenen Worten nichts mehr besaß als einen Stecken in<br />

der Hand, 1 Gulden bares Geld und ein alt zerrissenes Hemd,<br />

worin 7 Katzen würden keine Maus erwischt haben.<br />

Der für das Dorf Wilflingen wichtigste Pfandinhaber war die<br />

Familie von Baratti, die mit einer Unterbrechung von 1703<br />

bis 1764 hier gebot. Der aus Südtirol stammende Johann Paul<br />

von Baratti diente am Hechinger Hof seit 1696 als Kammerrat<br />

und Landrichter. In der Geschichte des Hauses Hohenzollern<br />

ist Baratti als Admodiator, als Unternehmer in Sachen<br />

Steuerpacht, bekannt geworden. Admodiation, Steuerverpachtung<br />

war damals ein gebräuchliches Mittel kleinerer Landesherren,<br />

sich die mühselige Steuerverwaltung ihrer Territorien<br />

vom Hals zu halten und sie interessierten Admodiatoren<br />

gegen eine bestimmte Summe in die Hand zu legen. Da<br />

solche Steuerpächter ihr vorgeschossenes Geld natürlich mit<br />

Gewinn hereinzuholen trachteten, waren sie als rigide Steuereintreiber<br />

gefürchtet.<br />

Baratti hatte zwischen 1712 und 1731 verschiedentlich die<br />

Grafschaften Hohenzollern-Hechingen, Sigmaringen und<br />

die Herrschaften Haigerloch und Wehrstein in Pacht. Er<br />

machte sich wegen seiner teilweise perfiden Politik nicht nur<br />

bei den hohenzollerischen Untertanen unbeliebt, sondern zuletzt<br />

auch beim Haus Hohenzollern selbst, weil er in den Verdacht<br />

von Unterschlagungen geriet. Dieser Steuerpächter Johann<br />

Paul von Baratti erwarb also 1703 erstmals und 1717<br />

wieder das Pfandobjekt Wilflingen, lebte aber weiterhin vorwiegend<br />

in Hechingen und ist so in der Wilflinger Geschichte<br />

nicht so sehr in Erscheinung getreten wie sein Sohn Franz<br />

von Baratti, der 1737 nach dem Tod des Vaters den Ort übernahm<br />

und sich hier mit seiner Familie seßhaft machte. Die<br />

Barattis haben sich sehr um die maroden kirchlichen Verhältnisse<br />

der kleinen Pfarrei angenommen, im Jahr 1742 stifteten<br />

sie etwa ein ewiges Licht.<br />

Aber durch die Nähe der Herrschaft zu den Wilflingern wurde<br />

das Untertanenverhältnis zunehmend belastet, bis es unter<br />

dem strengen Herrn zwischen 1750 und 1753 erneut zu<br />

erheblichen Unruhen im Dorfe kam. Die Wilflinger baten den<br />

Fürsten damals schon, den Fleckhen Wilflingen Zu dero gnädigsten<br />

Herrschafft widerum zu nemen und außzulösen, weil<br />

bey denen Barattischen in diesem grossen Elend... nit mer zu<br />

leben sei. Es dauerte allerdings bis 1764, daß das Haus Hohenzollern<br />

die Barattis auslöste. Die 27300 Gulden, die Baratti<br />

erhielt, stammten übrigens zum größten Teil von den<br />

Wilflingern selbst, die im Jahr 1765 dem Haus Hohenzollern<br />

das alte Hofgut um 20000 Gulden abkauften.<br />

Wie vergiftet am Ende des Verhältnis zwischen Baratti und<br />

den Wilflingern war, zeigte sich in zwei Brandfällen 1761 und<br />

1766, denen einmal das Wohnhaus, das andere Mal Scheune<br />

und Stallungen der Barattis zum Opfer fiel. Der Verdacht der<br />

Brandstiftung konnte damals nicht erwiesen werden, hat sich<br />

aber bis heute im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung erhalten.<br />

Der Streit zwischen Hohenzollern-Hechingen<br />

VOrderösterreich um Wilflingen<br />

und<br />

Nebeneffekt der Neuordnung von 1764/1765, bei der Wilflingen<br />

wieder direkt der hohenzollerischen Verwaltung unterstellt<br />

wurde, war also der Verkauf des zollerischen Hofgutes<br />

an die Gemeinde, d. h. Hohenzollern besaß seit damals<br />

in Wilflingen gar keine Grundherrschaft mehr. Das fügt sich<br />

in die politische Linie der Fürsten gegenüber ihrer Exklave<br />

während des 18. Jahrhunderts. Es ging den Hohenzollern zunehmend<br />

darum, mit dem entfernten Flecken Wilflingen so<br />

wenig wie möglich, am besten jedoch gar nicht mehr belastet<br />

zu sein. Schon im Jahr 1727 hatte Fürst Friedrich Ludwig,<br />

den Wert Wiblingens veranschlagen lassen, um das Dorf zu<br />

verkaufen. Kaufverhandlungen mit dem Kloster Salem zerschlugen<br />

sich jedoch damals. Und erst als Verhandlungen mit<br />

dem Deutschen Orden und mit Württemberg 1740 ebenfalls<br />

im Sand verlaufen waren, hatte sich Hohenzollern auf eine<br />

Verlängerung der Barattischen Pfandschaft eingelassen.<br />

Es ist übrigens interessant, weshalb ein Verkauf um 1730/40<br />

nicht zustande gekommen ist. Alle Interessenten hatten letztendlich<br />

deshalb abgelehnt, weil Hohenzollern gar nicht die<br />

volle Hoheit über das Dorf Wilflingen besaß. Tatsächlich geht<br />

aus verschiedenen Dokumenten seit dem 15. Jahrhundert hervor,<br />

daß die Hohe Gerichtsbarkeit über Wilflingen nicht bei<br />

Hohenzollern, sondern bei Osterreich lag. Die Herkunft dieses<br />

Rechtes läßt sich nicht genau klären. Entweder war Österreich<br />

im 14. Jahrhundert zum Nachfolger der Abtei Reichenau<br />

in der Oberherrschaft geworden oder aber die Teilung<br />

der Gerichtsbarkeit zwischen Hohenzollern und Osterreich<br />

in Wilflingen geht auf die ursprüngliche Trennung dieser<br />

Rechte zwischen Zollern und Hohenberg zurück - Osterreich<br />

trat hier ja bekanntlich 1371 die Rechtsnachfolge der<br />

Hohenberger an.<br />

Dieses alte Recht Österreichs, das die Grafen von Zollern z.B.<br />

im Pfefferschen Lagerbuch von 1598 anerkannten, hatte offensichtlich<br />

nie Probleme bereitet bzw. war von den vorderösterreichischen<br />

Behörden nicht in Anspruch genommen<br />

worden. Es ist sogar möglich, daß Fürst Friedrich Ludwig so<br />

etwas wie schlafende Hunde weckte, als er 1739 in Wien mit<br />

der Bitte einkam, er wolle dieses dorff geren auff art und weiß<br />

wie mein übrigens Land mit all- und jeden Herrlichkeiten...<br />

besitzen. Jedenfalls sollten schon wenige Jahre darauf heftige<br />

juristische, aber auch handgreifliche Auseinandersetzungen<br />

zwischen Zollern und Österreich beginnen, in denen Österreich<br />

aufgrund der hohen Gerichtsbarkeit die Territorialherrschaft<br />

über Wilflingen einforderte.<br />

Zankäpfel waren nacheinander die Salpetergräberei in Wilflingen,<br />

um die es zu militärischen Interventionen Österreichs<br />

kam (1745 ff.), das Jagdrecht und schließlich 1797 der Zollstock,<br />

den Österreich für sich reklamierte. Wäre nicht der<br />

große Franzose Napoleon in jenen Jahren mit seinen Truppen<br />

in unser Land eingefallen, es wäre zu befürchten gewesen,<br />

Österreich hätte mit seiner Ubermacht die Rechtsverhältnisse<br />

in Wilflingen zu seinen Gunsten umgekehrt. Aber<br />

durch die Protektion Napoleons konnte Hohenzollern seine<br />

Rechte in Wilflingen wahren, auch wenn Württemberg als<br />

Rechtsnachfolger Österreichs in Hohenberg das österreichische<br />

Spiel noch eine Zeitlang fortsetzte.<br />

1806 besetzte Württemberg das hohenzollerische Dorf und<br />

beanspruchte die alten österreichischen Rechte, also auch die<br />

Territorialherrschaft. In jenen Jahren wußte niemand so<br />

recht, ob Wilflingen hohenzollerisch oder württembergisch<br />

war. Nicht zuletzt die Anhänglichkeit der Wilflinger an Hohenzollern<br />

und ihr passiver Widerstand gegen die württembergischen<br />

Ansprüche ließ Württemberg im Jahr 1821 auf das<br />

Dorf unter dem Lemberg verzichten. Erst seit damals war<br />

Wilflingen erstmals in seiner Geschichte ohne jegliche Einschränkung<br />

hohenzollerisch. In diesen unsicheren Zeiten war<br />

das Fürstenhaus erneut versucht, Wilflingen an Württemberg<br />

zu verkaufen oder zu vertauschen. Entsprechende Verhandlungen<br />

waren schon 1811 aufgenommen worden und verliefen<br />

1820 im Sande, als sich Württemberg doch ganz zum Verzicht<br />

auf das unverdauliche Wilflingen entschloß.<br />

Nur 30 Jahre noch verblieb Wilflingen damals uneingeschränkt<br />

beim Fürstentum Hohenzollern, bis dieses sich aufgrund<br />

der Revolutionswirren von 1848 zwei Jahre später an<br />

die Brust des großen preußischen Bruders warf. Von 1850 an<br />

bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lebte Wilflingen unter<br />

dem preußischen Adler. Die Jahre nach 1850 bedeuteten<br />

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