Ausgabe 1995 - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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Meinrads von Au zeigt sich desgleichen an den langen schlanken<br />
Fingern des Christus und in der Bearbeitung der Physiognomien<br />
des hl. Michaels und der hl. Klara, die mit vorgewölbter<br />
Stirm und schwungvoll betonter Nasenwurzel erscheinen.<br />
Typisch außerdem die erhobenen Hände der Personen<br />
der Dreifaltigkeit, bei denen die abgespreizten kleinen<br />
Finger unnatürlich wirken (vgl. besonders Christus im Chorfresko<br />
der Pfarrkirche St. Johann in Sigmaringen). Solche anatomischen<br />
Verzeichnungen sind unter anderem in der Entwurfsskizze<br />
und in der Ausführung des 1741 geschaffenen<br />
Langhausfreskos der Pfarrkirche von Harthausen/Scher zu<br />
entdecken.<br />
Bei der Bearbeitung der Gewänder verwandte der Maler, wie<br />
beim Erzengel und den Personen der Dreifaltigkeit, gerne<br />
eckig bewegte Tücher und spitz auf den Knöchel zulaufende<br />
Zipfel. Die Wiedergabe der übermäßig großen und hohen<br />
Puttenköpfe erinnert stark an die Darstellungsweise in Benzingen<br />
(Pfarrkirche, südlicher Seitenaltar) oder Otterswang<br />
(Pfarrkirche, Hauptdeckenfresko). Dasselbe gilt für die<br />
Durchführung der Beinstellung des hl. Michael im Vergleich<br />
mit derjenigen des hl. Sebastian in Harthausen/Scher (Pfarrkirche,<br />
südlicher Seitenaltar).<br />
Augenscheinlich ist, daß nur der Erzengel und Klara mit hellem<br />
Inkarnat abgebildet sind, während die übrigen Gestalten<br />
eine dunklere, bräunliche Fleischfarbe aufweisen. Einen derartig<br />
auffallenden Kontrast zur Betonung der Protagonisten<br />
trifft man vornehmlich in den frühen Werken des Meinrad<br />
von Au sehr häufig an.<br />
Auf die Darstellung des Heiligen Geistes als Jüngling verzichtete<br />
unser Maler in all seinen übrigen Bildern. In einem<br />
frühen Andachtsbild hat er ein weiteres Mal den Heiligen<br />
Geist in menschlicher Gestalt abgebildet, wofür wiederum<br />
klösterliche Auftraggeber verantwortlich waren. Daß dabei<br />
der Heilige Geist in Gestalt einer Frau gemalt wurde, könnte<br />
am originellen Bemühen liegen, das päpstliche Verbot von<br />
1745 zu unterwandern.<br />
Bis zur Jahrhundertmitte ließ von Au einen ausgesprägten<br />
Sinn für die Einzelgestalt in kraftvollen Farben erkennen. Jene<br />
Auffassung verrät auch das Deutstetter Bild. In den späteren<br />
Arbeiten schwand die Vorliebe für starke Farben. Sein<br />
volles kompositionelles Vermögen konnte der Maler eigentlich<br />
nur als Freskant ausschöpfen.<br />
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Veringenstädter<br />
Wallfahrtskirche seit dem 18. Jahrhundert von Eremiten betreut<br />
wurde, die dem 3. Franziskanerorden angehörten. Sie<br />
kommen als Auftraggeber deshalb nicht in Frage, weil das Tafelbild<br />
nicht für die Kirche geschaffen war. Zudem sind die<br />
einfachen Laienbrüder erst seit 1753 nachgewiesen.<br />
Schon Franz Anton von Au (1672-1715), der Vater unseres<br />
Künstlers, war von den Gorheimer Konventsfrauen 1699 mit<br />
der Neufassung der Seitenaltäre und 1715 mit der des Hochaltares<br />
betraut worden. Es ist anzunehmen, daß der Faßmaler<br />
noch für weitere, unbedeutendere Arbeiten herangezogen<br />
worden ist. So verwundert es nicht, wenn eine Generation<br />
später in einem Aufhebungsinventar vermerkt ist, die Gemälde<br />
in den Konventszimmern seien »zum theil von Ow gemacht«.<br />
Weiterhin heißt es in den Inventaren bei der Einschätzung<br />
des Hochaltars jedesmal: »Ist von dem Mahler zu<br />
Sigmaringen taxiert worden«. Weder bei den Nebenaltären<br />
noch beim übrigen Inventar wurde ein solcher Zusatz angemerkt.<br />
Daß mit dem »Maler zu Sigmaringen« Meinrad von<br />
Au gemeint war, liegt auf der Hand. Denn in den achtziger<br />
Jahren war der Künstler längst zur berühmten Malerpersönlichkeit<br />
avanciert, aus dessen Schatten Johann Fidelis Wetz<br />
(1741-1820), der andere Sigmaringer Maler aus jener Zeit, erst<br />
nach dem Tode Meinrads von Au treten konnte.<br />
Preußen in Hohenzollern<br />
Eine Ausstellung im Staatsarchiv Sigmaringen<br />
Die Ausstellung wurde vom Staatsarchiv Sigmaringen<br />
und vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg gestaltet.<br />
Das Staatsarchiv zeigt zahlreiche Exponate zur<br />
hohenzollerischen Geschichte und den Beziehungen zu<br />
Preußen, wie man sie in dieser Form noch nie gesehen<br />
hat. Auch das ausgestellte Bildmaterial ist einmalig. Der<br />
Begleitband zur Ausstellung erschien im Thorbecke<br />
Verlag und bietet Gelegenheit, die ausgestellten Dokumente<br />
in Ruhe nachzulesen. Der Band ist mit zahlreichen<br />
Abbildungen ausgestattet.<br />
Öffnungszeiten: Noch bis 29. Oktober täglich 10 bis<br />
17 Uhr außer Montag.<br />
Kult und Wohnen in den<br />
Höhlen des oberen Donautals<br />
Eine zweite Ausstellung aus Anlaß der Heimattage Baden-Württemberg<br />
in Sigmaringen ist in der Alten Schule<br />
zu sehen. Sie zeigt die Leistungen moderner Archäologie<br />
an den Ergebnissen der Grabungen in den Höhlen<br />
des Donautals in den letzten Jahrzehnten. Die Ausstellung<br />
ist ebenfalls hervorragend gestaltet und sehr<br />
sehenswert.<br />
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 10 bis 12 Uhr,<br />
Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr, noch bis 29. Oktober.<br />
Dementsprechend steht in einem Laizer Aufhebungsinventar<br />
bei der Wertschätzung des Gnadenaltars, den Meinrad von<br />
Au 1771 gefaßt hatte, der Zusatz: »Von dem Sigmaringer<br />
Mahler von Ow taxiert«.<br />
Ein weiteres Tafelbild, das auf die Hand Meinrads von Au<br />
weist, wird in einer Abstellkammer in der Pfarrkirche von Inneringen<br />
verwahrt. Obgleich das Gemälde einer dringenden<br />
Konservierung bedürfte, ist man überrascht vom stellenweise<br />
frisch wirkenden Kolorit und von der Ästhetik des Bildaufbaus.<br />
Das hohenzollerische Kunstdenkmälerwerk gab als<br />
Entstehungszeit lediglich das 18. Jahrhundert an. Dargestellt<br />
ist die Himmelfahrt Mariens, seit dem Spätbarock ein beliebtes<br />
Thema in der sakralen Kunst.<br />
Maria schwebt in Orantenhaltung über dem offenen Sarkophag.<br />
Die Mondsichel, auf der sie mit einem Fuß steht, verleiht<br />
ihr Züge des apokalyptischen Weibes. Der Sternenkranz<br />
über ihrem Haupt und die verherrlichenden Engel deuten sie<br />
aber in erster Linie als Immaculata Conceptio, das heißt als<br />
Unbefleckte Empfängnis. In typischer Weise ist die Himmelfahrt<br />
mit dem Akt der Krönung verknüpft. Von den zwölf<br />
Aposteln, die um den leeren Sarkophag gruppiert sind, werden<br />
Petrus mit dem Schlüssel, Paulus mit spitzem Bart und<br />
Johannes mit dem Buch traditionsgemäß in den Vordergrund<br />
gerückt. Direkt hinter dem Sarkophag steht in dunkler Barttracht<br />
Jakobus, der ahnungsvoll gegen den Himmel zeigt.<br />
Aus der Bildkomposition in der Form eines Andreaskreuzes,<br />
in dessen Schnittpunkt sich Maria befindet, läßt sich bei diesem<br />
Gemälde eine stärkere Abhängigkeit von Spiegier ableiten.<br />
Die auffahrende Maria ist in Haltung und Farbigkeit eine direkte<br />
Kopie oder vielleicht aufgrund der höheren Qualität<br />
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