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Ausgabe 1995 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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CASIMIR BUMILLER<br />

900 Jahre Wilflingen - Geschichte einer hohenzollerischen Exklave<br />

Als am 15. Januar <strong>1995</strong> die Bevölkerung von Wilflingen (Teilgemeinde<br />

von Wellendingen, Kreis Rottweil) das Jubiläumsjahr<br />

mit einem kleinen Festakt zur Vorstellung des neuen Geschichts-<br />

und Heimatbuches beging, intonierte der traditionsreiche<br />

Musikverein Wilflingen zum Auftakt das »Hohenzollernlied«.<br />

Nichts vermochte die Anhänglichkeit der<br />

Wilflinger an Hohenzollern und seine Geschichte besser zu<br />

demonstrieren. Während in Wilflingen das Bewußtsein, Hohenzollern<br />

zu sein, bis heute also wach ist, ist den meisten Bewohnern<br />

der hohenzollerischen Stammlande das Wissen um<br />

die ehemals hohenzollerische Exklave am Fuß des Lembergs,<br />

unweit von Rottweil, verloren gegangen.<br />

1974 stimmten die Wilflinger nach einem schmerzhaften Prozeß<br />

der Eingemeindung in den Nachbarort Wellendingen zu.<br />

Das Sträuben gegen diese Fusion hatte nicht zuletzt mit der<br />

jahrhundertealten hohenzollerischen Tradition zu tun: Man<br />

war immer hohenzollerische Exklave gewesen, die umliegenden<br />

Orte gehörten immer zu Vorderösterreich bzw. seit<br />

1806 zu Württemberg.<br />

Die herrschaftlichen<br />

Verhältnisse<br />

Dabei läßt sich nicht genau ergründen, seit wann Wilflingen<br />

tatsächlich hohenzollerisch war. Gelegentlich ist zu lesen, daß<br />

dies schon zur Zeit der Ersterwähnung im Jahr 1095 der Fall<br />

gewesen sein soll. Aber belegen läßt sich dies nicht. Die Schenkung<br />

vom 10. Januar 1095 auf der Burg Haigerloch - die<br />

Ersterwähnung Haigerlochs verdankt sich derselben Quelle<br />

- erwähnt lediglich, daß ein Ritter Wortwin und seine Familie<br />

zwei Höfe bei Wilflingen an das damals noch junge Kloster<br />

St. Georgen im Schwarzwald geschenkt habe. Von Zollern<br />

ist da nicht die Rede.<br />

Gesicherte Herrschaftsverhältnisse in Wilflingen offenbaren<br />

sich erst um das Jahr 1300. Erst da läßt sich von einer hohenzollerischen<br />

Ortsherrschaft in Wilflingen sprechen, aber<br />

immer noch mit einer Einschränkung. Eine Urkunde von<br />

1318, in dem Graf Friedrich Ostertag den Ort als Lehen vergab,<br />

spricht davon, daß das Haus Zollern das Dorf von alter<br />

her von dem Gotzhuse ze der Richen owe ze rechtem Mannlehen<br />

gehabt habe. Die Oberherrschaft an Wilflingen stand<br />

also bis ins 14. Jahrhundert dem Kloster Reichenau zu. Dies<br />

ist allerdings die einzige Erwähnung dieses Rechtes, es bleibt<br />

unklar, wie die Reichenau in den Besitz des Ortes gelangte<br />

und wann es sich wieder zurückgezogen hat. Um die Mitte<br />

des 14. Jahrhunderts gab das Inselkloster mehrere Besitztitel<br />

in nächster Umgebung auf, vielleicht auch die Lehenschaft an<br />

dem kleinen Ort unterhalb des Lembergs.<br />

Geblieben sind die hohenzollerischen Rechte. Zur Orts- und<br />

Gerichtsherrschaft gesellte sich eine Grundherrschaft, die im<br />

15. Jahrhundert fünf Höfe umfaßte, darunter den umfangreichen<br />

zollerischen Maierhof (1413 erstmals genannt), und<br />

Rechte über leibeigene Bauern. Dabei war Hohenzollern in<br />

Wilflingen weder der größte Leibherr noch der größte<br />

Grundherr. Noch 1548 im ältesten Leibeigenenverzeichnis<br />

waren nur 19 von 75 Einwohnern dem Haus Hohenzollern<br />

mit dem Leib verwandt, und es dauerte bis weit in die frühe<br />

Neuzeit, bis es Hohenzollern gelang, die Mehrzahl der Wilflinger<br />

unter die eigene Leibherrschaft zu zwingen.<br />

Was die Grundherrschaft anging, so verfügte Hohenzollern<br />

allenfalls über ein Siebtel der gesamten Gemarkungsfläche.<br />

Der größte Grundherr im Dorf war dagegen das Zisterzienserinnenkloster<br />

Rottenmünster bei Rottweil, das seit dem<br />

14. Jahrhundert in Wilflingen über sechs, später sogar acht<br />

Höfe gebot. Daneben gab es zahlreiche weitere Grundherren,<br />

so z. B. das Kloster Alpirsbach, die Dominikaner und die<br />

Johanniter in Rottweil, die St.-Michaels-Pflege in Feckenhausen<br />

und Vorderösterreich.<br />

Wilflingen war seit dem frühen 15. Jahrhundert der einzige<br />

hohenzollerische Ort, der getrennt vom Territorium unter<br />

der weiß-schwarzen Fahne fortexistierte. Es wird sich kaum<br />

je ergründen lassen, warum die Grafen an der abgelegenen<br />

Exklave festhielten. Es könnte aber sein, daß sich die Hohenzollern<br />

in der Nähe der Reichsstadt Rottweil mit ihrem<br />

Reichsgerichtshof einen kleinen Besitz bewahren wollten.<br />

Diese Vermutung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn wir<br />

sehen, daß Hohenzollern das Dorf seit 1311 an die Rottweiler<br />

Patrizierfamilie von Balgingen zu Lehen vergab. Im Jahr<br />

1314 stellte Graf Friedrich II. von Zollern-Schalksburg für<br />

Konrad von Balgingen, seinen »Wirt«, einen Schutz- und<br />

Schirmbrief aus. Es ist also denkbar, daß diese herausragende<br />

Patrizierfamilie in jenen Jahren so etwas wie die Statthalterschaft<br />

der Grafen von Zollern in und um Rottweil innehatte.<br />

Es ist übrigens zu vermuten, daß die Familie von Balgingen<br />

aus dem Baiinger Ortsadel hervorgegangen ist. Aber bereits<br />

vor der Stadterhebung Balingens um 1250 war das Geschlecht<br />

in die Reichsstadt übersiedelt und dort in die ersten Kreise<br />

der Stadtgeschlechter aufgestiegen.<br />

Bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts versank die Familie allerdings<br />

in Schulden und damit in die Bedeutungslosigkeit. Das<br />

hohenzollerische Lehen Wilflingen, das die von Balgingen bis<br />

1426 innehatten, ging nun an die weitläufige Verwandtschaft<br />

dieser Familie über. Die Hohenzollern haben für den Rest<br />

des Mittelalters keine Ordnung mehr in die Lehensverhältnisse<br />

gebracht, ja sie gingen aus ihrer eigenen pekuniären Bedrängnis<br />

immer mehr dazu über, den abgelegenen Ort zu einem<br />

Pfandobjekt zu machen. Die Entwicklung kannte verschiedene<br />

Abstufungen. Verschiedentlich mußten die Bürger<br />

Wilflingens Bürgschaften für die Schulden ihres Herrn übernehmen,<br />

dann in der frühen Neuzeit gingen die Grafen von<br />

Hohenzollern dazu über, Teile des Dorfes zu verpfänden -<br />

so war seit 1654 das hohenzollerische Hofgut an den Schaffhauser<br />

Handelsmann Hans Conrad Peyer versetzt. Dies führte<br />

unweigerlich zur Verpfändung des gesamten Ortes an interessierte<br />

reiche Adlige.<br />

Die Pfandschaft<br />

Wilflingen<br />

Der erste Pfandherr Wilflingens von 1688 bis 1697 war der<br />

österreichische Obervogt von Spaichingen, Baron Meinrad<br />

von Arzt. Dieser erneuerte hier das zollerische Hofgut und<br />

errichtete sogar eine Brauerei. Aber als guter Rechner hat er<br />

es auch verstanden, seine Einkünfte in dem Dorf von den Untertanen<br />

einzutreiben. Er betrieb dies so erbarmungslos, daß<br />

sich im Januar 1697 die Wilflinger Bauern gegen ihren Pfandherrn<br />

erhoben und dieser sich aus der Wilflinger Pfandschaft<br />

zurückzog.<br />

An seine Stelle trat der exaltierte Abenteurer Sigmund Regnat<br />

von Schellenberg, der sich an seinem bisherigen Wohnsitz<br />

Bräunlingen unmöglich gemacht hatte und nun am Fuß<br />

der Schwäbischen Alb ein ruhigeres Leben suchte. Seine<br />

Skandalgeschichten verfolgten ihn jedoch bis hierher. Ein<br />

Blutschandeverdacht brachte ihn mehrere Jahre in Verwahrsam,<br />

unter anderem auf Burg Hohenzollern. Als er - angeb-<br />

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