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In Bad Nenndorf kein Erfolg<br />

Zum siebten Mal marschierten am 4. August 2012 Neonazis in der<br />

niedersächsischen Kurstadt. Doch nicht nur die sinkende TeilnehmerInnenzahl,<br />

sondern auch die zunehmende Effektivität der Gegenproteste sorgen dafür, dass<br />

der Marsch für Neonazis unattraktiver wird.<br />

von Alexander Becker<br />

Weniger als 500 Neonazis nahmen am siebten »Trauermarsch«, dem<br />

»Marsch der Ehre 2012«, teil. Dabei hatten die OrganisatorInnen auch<br />

dieses Jahr wieder verschiedene Mobilisierungsveranstaltungen im Vorfeld<br />

organisiert und sich auf Veranstaltungen wie dem »Thüringentag<br />

der nationalen Jugend« in Meiningen und dem »Rock für Deutschland«<br />

in Gera präsentiert. Alle Jahre wieder geht es um das Gleiche: In Bad<br />

Nenndorf, so lamentieren die Neonazis, seien nach Kriegsende systematisch<br />

Deutsche gefoltert worden – die Realität sah indes anders aus. Hier<br />

wurden Nazigrößen wie etwa der Leiter des »SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes«<br />

(SS-WVHA), Oswald Pohl, aber auch – unter dem<br />

Eindruck des beginnenden »Kalten Krieges« – vermeintliche sowjetische<br />

SpionInnen von der britischen Armee gefangen gehalten. Durch Kreise<br />

der englischen Geistlichkeit über die vor Ort stattfindenden Misshandlungen<br />

informiert, stattete der britische Labour-Abgeordnete Richard<br />

Stokes Nenndorf im Mai 1947 einen unangemeldeten Besuch ab. <strong>Der</strong><br />

Fall machte Schlagzeilen; die britische Öffentlichkeit war alarmiert, Presse<br />

und Parlament debattierten, Scotland Yard ermittelte – und im selben<br />

Jahr wurde das Lager geschlossen (s. drr Nr. 114).<br />

Es hat offenkundig wenig genützt. Und 2012 kam es erneut anders, als<br />

die Neonazis es sich wohl vorgestellt hatten. Am Vorabend blockierten<br />

junge AntifaschistInnen, an eine Pyramide gekettet, den Platz vor dem<br />

Wincklerband. In Bad Nenndorf hat es fast schon Tradition, auf diese Art<br />

zu versuchen, die Neonazis an ihrem Marsch zu hindern – das dritte Jahr<br />

in Folge gelang die Aktion. Am Tag des Aufmarsches versuchten mehr<br />

als 450 GegendemonstrantInnen, den Bahnhof in Bad Nenndorf zu blockieren,<br />

um die Anreise der Neonazis zu verhindern. Unter ihnen acht,<br />

die sich mit Bügelschlössern aneinander ketteten. Die Neonazis mussten<br />

auf Busse umsteigen, doch hier wiederum verweigerten einige FahrerInnen<br />

die Beförderung – entsprechend waren viele gezwungen, den Ort der<br />

Auftaktkundgebung zu Fuß zu erreichen. Dies und andere Blockaden<br />

verzögerten den Auftakt um mehr als vier Stunden. Nichtsdestotrotz setzte<br />

sich der Marsch eine Stunde vor dem offiziell angemeldeten Ende der<br />

Versammlung in Bewegung.<br />

<strong>Der</strong> Marsch<br />

Nur wenige der TeilnehmerInnen hatten sich an die Vorgabe der OrganistorInnen<br />

gehalten und waren in einem weißen T-Shirt erschienen. Sie<br />

sollten Ausdruck der Trauer sein – eine Chiffre, die über die Jahre in Bad<br />

Nenndorf entstanden ist. 2009 hatten beim damaligen »Trauermarsch«<br />

mehr als 100 Neonazis gegen die Auflage verstoßen, »gleichartige Kleidung<br />

zu tragen […] soweit dies auf einen objektiven Betrachter […]<br />

suggestiv militant, aggressionstimulierend oder einschüchternd wirkt«<br />

– gemeint war der schwarze Style der »Autonomen Nationalisten«. <strong>Als</strong><br />

die sich dann weigerten, der Auflage nachzukommen, wurden ihnen von<br />

der Polizei weiße T-Shirts zur Verfügung gestellt. Einheitlich weiß gekleidet<br />

konnten sie am Marsch teilnehmen. Gleichwohl stellten die Neonazis<br />

noch einen historischen Bezug zum Nationalsozialismus her, denn bereits<br />

Anfang der 1930er Jahre marschierte die zeitweise unter einem Uniformierungsverbot<br />

stehende »Sturmabteilung« (SA) einheitlich in weißen<br />

Hemden auf. Nach dem Marsch 2009 sammelten die OrganisatorInnen<br />

im Übrigen die Shirts ein und bedruckten sie mit einem Gedicht: »In<br />

braunem Hemd, in weißem Hemd brennt gleich für Deutschland unser<br />

Blut. Fest wie ein Turm stehen wir im Sturm – Zur Flamme peitscht ihr<br />

unsre Glut!«. Zur Finanzierung verkauften sie es anschließend als »Soli-<br />

T-Hemd«. Kurz vor dem Marsch des Folgejahres veröffentlichte der DGB<br />

Region Niedersachsen-Mitte indes, dass diese Zeilen aus der Feder von<br />

Heinrich Anacker stammten, 1932 veröffentlicht in dem Band »Die Trommel<br />

– SA-Gedichte«, und sich ausdrücklich auf die SA-Verbotszeit bezogen.<br />

<strong>Der</strong> Versuch der Neonazis, den Marsch mit Fackeln und Landsknechtstrommeln<br />

als würdevoll zu inszenieren, so wie es früher schon die SA<br />

versucht hatte, scheiterte unter anderem an der Partymeile entlang der<br />

Route. Hier hatten viele EinwohnerInnen Bad Nenndorfs Privatpartys in<br />

ihren Vorgärten organisiert und beschallten die vorbeiziehenden Neonazis<br />

mit lauter Musik und führten Tänze auf. Die geballte gute Laune zehrte<br />

– ebenso wie die Blockaden – sichtbar an den Nerven der Neonazis.<br />

Gleichzeitig gelang die Beschallung ihrer eigenen Veranstaltung nicht so<br />

recht: Die polizeilichen Auflagen schränkten die Nutzung von Lautsprecheranlagen<br />

durch die Neonazis ein. Entsprechend mussten Redebeiträge<br />

über Megafone und eine schlecht funktionierende Anlage gehalten<br />

werden – Dieter Riefling, Rigolf Henning und Ursula Haverbeck-Wetzel<br />

waren bei der Zwischenkundgebung am Wincklerbad schlecht bis gar<br />

nicht zu verstehen.<br />

Zu allem Ärger der Neonazis hatte die Polizei noch einen Teil des Platzes<br />

vor dem Wincklerbad abgesperrt, dort, wo die drei AntifaschistInnen mit<br />

ihrer Pyramide und etwa 150 UnterstützerInnen saßen. Geschönt heißt es<br />

auf der Homepage der Veranstalter, dass die »Versammlungsteilnehmer<br />

dicht gedrängt Aufstellung« genommen hätten. Im Übrigen beträgt die<br />

Länge der Aufmarschstrecke zwischen Bahnhof und Wincklerbad gerade<br />

einmal 800 Meter.<br />

Insgesamt 1.000 Menschen beteiligten sich an verschiedenen Orten an<br />

unterschiedlichen Aktionen gegen den Aufmarsch. Unter anderem sprachen<br />

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Grüne) und der Vorsitzende des NSU-<br />

Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD) auf<br />

der Kundgebung des Bündnisses »Bad Nenndorf ist bunt«.<br />

Organisationsdefizite?<br />

Eine Ursache für die diesjährige »Misere« ist die Schwächung des »Gedenkbündnis<br />

Bad Nenndorf«, welches in den vergangenen drei Jahren<br />

die Aufmärsche und die Mobilisierung im Vorfeld organisiert hatte. Ein<br />

Grund hierfür ist in den §-129-Ermittlungen (»Bildung einer kriminellen<br />

Vereinigung«) gegen das »Aktionsbüro Mittelrhein« zu finden, von denen<br />

auch Sven Skoda, Mitorganisator der letzten Jahre, betroffen ist. Er sitzt<br />

seit März dieses Jahres in Untersuchungshaft. Ihm und den anderen Beschuldigten<br />

werden gezielte Angriffe auf Linke vorgeworfen. Mit Skoda fiel<br />

eine wichtige Person in der Organisationsstruktur des Aufmarsches weg.<br />

8 der rechte rand 138/2012

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