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Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand

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Verbote und Razzien in NRW<br />

»Ich habe heute drei rechtsextremistische Vereinigungen verboten und aufgelöst.« Mit dem Verbot von<br />

Kameradschaften in Dortmund, Aachen und Hamm bewies der nordrhein-westfälische Innenminister<br />

Ralf Jäger (SPD) am 23. August erneut, dass er auf eine harte Linie gegen die Neonaziszene setzt. Ein<br />

weiterer Effekt: <strong>Der</strong> »Antikriegstag« der Neonazis in Dortmund fiel dieses Jahr aus. In letzter Instanz wies<br />

das Bundesverfassungsgericht eine Klage des Anmelders ab.<br />

von Barbara Manthe<br />

Über tausend NPD-Plakate, Transparente, Sturmhauben und Reizgas<br />

transportierte die Polizei aus der Rheinischen Straße 135 in Dortmund ab.<br />

In dem »Nationalen Zentrum«, wie es in der extrem rechten Szene genannt<br />

wird, hängen zahlreiche rechte Aufkleber, Plakate, Sinnsprüche und<br />

^ Plakate und Waffen wurden beschlagnahmt<br />

schwarz-weiß-rote Fahnen. Das Haus war bisher ein zentraler Anlaufpunkt<br />

für Neonazis in der Stadt. Am frühen Morgen des 23. August jedoch durchsuchte<br />

es die Polizei als eines von über 140 Objekten in ganz Nordrhein-<br />

Westfalen. In der Region Aachen fanden ErmittlerInnen Nazidevotionalien,<br />

Gaspistolen und, laut offiziellen Verlautbarungen, »einen Morgenstern«.<br />

Blinde Flecken<br />

Die Razzien standen im Zusammenhang mit einem Verbot der Kameradschaft<br />

»Nationaler Widerstand« (NW) Dortmund, »Kameradschaft<br />

Aachener Land« (KAL) und »Kameradschaft Hamm«, die bis dahin zu<br />

den aktivsten neonazistischen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen gehören.<br />

Während die NPD im Bundesland eher schwach ist, sammeln sich<br />

Neonazis vor allem im Umfeld der Kameradschaften und »Freien Kräfte«.<br />

Viele Mitglieder der nun verbotenen Organisationen zählen zu den wichtigen<br />

Kadern in Nordrhein-Westfalen: Sie organisieren nicht nur die jährlichen<br />

überregionalen Aufmärsche in Stolberg und Dortmund, sondern<br />

fungieren auch als Schnittstellen zu Strukturen in anderen Bundesländern<br />

und zur NPD. Gerade die Szenen in Aachen und Dortmund sind Zentren<br />

neonazistischer Aktivitäten, gekennzeichnet durch einen hohen Organisationsgrad<br />

und Gewalttätigkeit der AktivistInnen, die weit über die Region<br />

hinaus strahlen. In der Vergangenheit wurden Stadt und Ermittlungsbehörden<br />

allerdings weder in Dortmund noch in Aachen übermäßig aktiv.<br />

Nachdem es bereits im Frühjahr 2012 Verbote und Razzien in anderen<br />

Teilen Nordrhein-Westfalens gegeben hatte, blieben die beiden Zentren<br />

bislang blinde Flecken auf der Karte staatlicher Neonazibekämpfung.<br />

Verbote gegen Rechts, Verbote gegen Links<br />

Das Maßnahmenpaket von Innenminister Jäger scheint dies nun zu<br />

ändern: Eine solche Verbotspolitik gegenüber neonazistischen Organi-<br />

sationen kennt Nordrhein-Westfalen bislang nicht, vergleichbar ist sie<br />

mit ähnlichen Verfügungen in Brandenburg und Berlin. Nach dem Bekanntwerden<br />

der NSU-Morde im November letzten Jahres schwenkte<br />

das Innenministerium auf eine »harte Linie« gegen die extreme <strong>Rechte</strong><br />

im Land: Ein Acht-Punkte-Programm setzt auf Kontroll- und Ermittlungsdruck<br />

gegen die Szene und seit dem Frühjahr stehen Razzien und Verbote<br />

an. <strong>Der</strong> Innenminister will scheinbar beenden, dass militante Neonazis<br />

jahrelang in Dortmund und der Region Aachen agieren konnten, ohne<br />

dass größere Eingriffe erfolgten. Zudem ist Nordrhein-Westfalen mit den<br />

Bombenanschlägen in Köln und einem Mord in Dortmund Schauplatz der<br />

NSU-Verbrechen, wobei die Ermittlungen – wie überall sonst auch – stets<br />

die Opfer und ihre Angehörigen im Visier hatten. Es geht Jäger aber auch<br />

darum, sich ein politisches Profil als konsequenter Hardliner zu schaffen,<br />

was gerade nach der gescheiterten Regierung und den Neuwahlen im<br />

Mai 2012 von Nutzen sein kann. Zu den Repressionsmaßnahmen gegen<br />

Rechts kamen in den vergangenen Monaten Schläge gegen die Rockerszene<br />

und die Ankündigung eines harten Vorgehens gegen Salafisten –<br />

alles Aktionen, die medial großen Wirbel verursachten. <strong>Der</strong> Kampf gegen<br />

die »Extreme« steht in Nordrhein-Westfalen schon länger an.<br />

So war es kein Widerspruch, dass am selben Tag der Razzien gegen<br />

Rechts auch ein Antifa-Camp in Dortmund von der Stadt verboten wurde,<br />

das mit Aktionen und inhaltlichen Vorträgen einen Gegenpart zur<br />

»Antikriegstag«-Mobilisierung der Neonazis setzen wollte. »Gewalttätige<br />

Mitglieder der links-autonomen Szene« seien zu erwarten, begründete<br />

die Stadt ihre Entscheidung. Außerdem könnten Neonazis das Camp angreifen.<br />

Die OrganisatorInnen hingegen beklagen, dass antifaschistisches<br />

Engagement genau dort behindert werde, wo es nötig sei.<br />

Auswirkungen auf die Nazi-Szene in NRW<br />

»Wir sind verboten. Na und?« schrieb die KAL am Tag der Razzien auf<br />

ihrer Internetseite. Ganz so einfach dürfte es für die AktivistInnen jedoch<br />

nicht werden. Die Staatsaktion war ein herber Schlag für die Szene, und<br />

die verbotenen Organisationen werden in naher Zukunft massive personelle<br />

und strukturelle Engpässe erleben: Materialien sind beschlagnahmt,<br />

Räumlichkeiten gekündigt und erstmals bestätigte das Bundesverfassungsgericht<br />

das Verbot des »Antikriegstags« in Dortmund. <strong>Der</strong> Anmelder<br />

gehöre dem verbotenen NW Dortmund an. Alle wichtigen »Freien<br />

Kameradschaften« in Nordrhein-Westfalen sind nun verboten und die<br />

extreme <strong>Rechte</strong> muss sich neue Strukturen schaffen. Zudem fallen mit<br />

dem Prozess gegen das »Aktionsbüro Mittelrhein« (ABM) auch wichtige<br />

Aktive aus Nordrhein-Westfalen als Kader weg. Die derzeitigen Ereignisse<br />

– Razzien, Verhaftungen, Prozess und auch der Ausstieg von Axel Reitz –<br />

dürften große Verunsicherung in der Szene verursacht haben. Einige werden<br />

sich vermutlich zurückziehen, andere weiter aktiv bleiben und ihre<br />

Netzwerke ausbauen. »Selbst wenn die Gruppierung verboten wird, so<br />

bleiben doch die Aktivisten«, bemerkte die KAL: »Das ist das schöne am<br />

Nationalen Widerstand: Es gibt unglaublich viele Aktionsformen« (Fehler<br />

im Original). Eventuell profitieren also andere neonazistische Organisationen<br />

im Bundesland, wie die NPD, es könnten aber auch ganz neue Zusammenhänge<br />

entstehen. Bisher haben Repression und Verbote gegen<br />

Rechts zwar stets Veränderungen, nie jedoch den Zusammenbruch von<br />

neonazistischen Strukturen ausgelöst.<br />

der rechte rand 138/2012 5

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