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Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand

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Im August 2006 trat Piero Puschiavo als Präsident des »Kulturvereins«<br />

zurück. An seine Stelle trat übergangsweise Francesco Guglielmo Mancini,<br />

der seit den späten 1980er Jahren eine wichtige Schnittstelle zwischen<br />

den Neonazis und den Ultras von »Hellas Verona« darstellt. Ihm gehört<br />

der Laden »Black Brain« im Zentrum Veronas, wo Bekleidung von »Thor<br />

Steinar«, »Screwdriver«-Merchandise und Fanutensilien von »Hellas Verona«<br />

mit SS-Totenkopf und Wolfsangel verkauft werden. Zwei Monate<br />

später war mit dem jungen Giordano Caracino schließlich ein Nachfolger<br />

für den Präsidenten gefunden, der dem Verein bis heute vorsteht. Puschiavos<br />

Rückzug aus der italienischen »Blood and Honour«-Struktur war allerdings<br />

rein formal, denn im italienischen Nordosten handelte es sich bei<br />

den »Veneto Fronte Skinheads« und der »Fiamma Tricolore« weiterhin<br />

um dieselben Personen. Im Mai 2007 trat der »Lega Nord« Politiker Flavio<br />

Tosi mit einer eigenen Liste bei den Kommunalwahlen in Verona an. Die<br />

»Fiamma Tricolore« beziehungsweise. »Veneto Fronte Skinheads« unterstützten<br />

seinen rassistischen Wahlkampf und hatten mit Andrea Miglioranzi<br />

einen der ihren auf der »Lista Tosi«. Mit 16,4 Prozent gewannen sie<br />

acht Sitze im Stadtrat. Miglioranzi, der zwischen 1994 und 2006 Bassist<br />

der RechtsRock-Band »Gesta Bellica« war, wurde Fraktionsvorsitzender.<br />

Weil die Kandidatur von Flavio Tosi auch von den Listen der »Lega Nord«,<br />

von »Forza Italia«,<br />

der »Alleanza Nazionale«<br />

und den<br />

ChristdemokratInnen<br />

unterstützt<br />

wurde, vereinte er<br />

letztlich 60,7 Prozent<br />

der Stimmen<br />

auf sich und wurde<br />

zum Bürgermeister<br />

der Provinzhauptstadt<br />

gewählt.<br />

Angstzone Verona<br />

Flavio Tosi gab sich<br />

keinerlei Mühe,<br />

seine Verbindungen<br />

zum »Kulturverein«<br />

zu verschleiern.<br />

Am 15.<br />

Dezember 2007<br />

lief er gemeinsam<br />

mit Piero Puschiavo<br />

und Andrea Miglioranzi an der Spitze einer Demonstration von »Fiamma<br />

Tricolore« und den »Veneto Fronte Skinheads« durch Verona. Die<br />

gesellschaftliche Akzeptanz bestätigte die Neonazis in ihrem Handeln.<br />

Am Abend nach der Demonstration wurden in der Stadt vier Männer zum<br />

Ziel eines rassistischen Überfalls. Die bewaffneten Angreifer waren Mitglieder<br />

der »Fiamma Tricolore« und hatten tagsüber gemeinsam mit dem<br />

Bürgermeister demonstriert. Zu ihnen gehörte auch Gabriele Cristiano,<br />

seit 1994 Schlagzeuger von »Gesta Bellica« und somit ein guter Bekannter<br />

des neuen Stadtrats Andrea Miglioranzi.<br />

Keine fünf Monate später, in der Nacht zum 1. Mai 2008, wurde der<br />

29-jährige Nicola Tommasoli in Verona von fünf Jugendlichen ins Koma<br />

geprügelt. Die Täter waren Ultras von »Hellas Verona«. Ihr Opfer verstarb<br />

wenige Tage später an den Folgen des Überfalls. Bereits 2007 wurde<br />

gegen einige der Mörder ermittelt, weil sie regelmäßig Überfälle auf Menschen<br />

verübten, die ihrer Meinung nach nicht ins Stadtbild passten. Bei<br />

einer in diesem Zusammenhang stattfindenden Hausdurchsuchung wurden<br />

Waffen, aber auch Materialien der »Veneto Fronte Skinheads« und<br />

der »Fiamma Tricolore« gefunden. Veronas Bürgermeister beeilte sich,<br />

die Tat zu verurteilen und zu entpolitisieren. Und die »Veneto Fronte<br />

Skinheads« widersprachen vehement Medienberichten, die den Haupttäter<br />

ihrer Gruppe zurechneten. Die Schützenhilfe von Italiens ehemaligem<br />

Außenminister und Vorsitzendem der »Alleanza Nazionale« Gian-<br />

franco Fini ließ nicht lange auf sich warten: Auch er verurteilte zwar den<br />

Mord, erklärte jedoch, dass das Verbrennen von US-amerikanischen und<br />

israelischen Flaggen auf der 1. Mai-Demonstration in Turin viel schlimmer<br />

gewesen sei. Damit war die Debatte um die politische Verantwortung<br />

für den Mord beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte.<br />

Ein Knoten im europaweiten Neonazi-Netzwerk<br />

Zeitgleich zu ihrer Annäherung an die politische Elite Italiens, strickten<br />

die VFS an der informellen Vernetzung mit der europäischen Neonazi-<br />

Szene. Einerseits etablierte sich das »Veneto Summer Fest« spätestens<br />

seit 2002 zum regelmäßigen Ausflugsziel von Neonazis aus ganz Europa.<br />

Andererseits schickte der »Kulturverein« jedes Jahr Delegationen<br />

zu Aufmärschen ins Ausland. Ganze Busladungen italienischer Neonazis<br />

nahmen in den Jahren 2002 bis 2004 an den Rudolf Heß-Gedenkmärschen<br />

im bayerischen Wunsiedel teil. Im Dezember 2003 reiste<br />

eine Abordnung nach Salem zum damals größten Neonazi-Aufmarsch<br />

in Skandinavien. Am 1. Mai 2004 hieß das Ausflugsziel Berlin, wo die<br />

NPD zu einer Großdemonstration geladen hatte. Im Februar 2005<br />

marschierten zehn »Veneto Fronte Skinheads« mit mehreren tausend<br />

KameradInnen durch Dresden. Und am 20. November desselben Jahres<br />

nahm eine Delegation<br />

am Franco-Gedenken im<br />

»Valle de los Caidos« bei<br />

Madrid teil.<br />

2005 intensivierten die VFS<br />

den Kontakt zu den Thüringer<br />

Neonazi-Strukturen<br />

um Ralf Wohlleben, um<br />

den sich bis mindestens<br />

2009 intensiv gekümmert<br />

wurde. Aber auch der Kontakt<br />

zu den KameradInnen<br />

von »Blood and Honour«<br />

in Spanien wurde gepflegt.<br />

So reisten einige »Veneto<br />

Fronte Skinheads« am 24.<br />

Februar 2007 zu einem<br />

Konzert, mit dem die inzwischen<br />

verbotene Division<br />

ihren siebten Jahrestag<br />

feierte.<br />

^ »Blood & Honour«-Konzert, »Rock against Communism«, 2001<br />

Zurück zu den Wurzeln<br />

Anfang September 2011 feierte der »Kulturverein« sein 25-jähriges<br />

Bestehen mit einer Neuauflage des dreitägigen »Ritorno a Camelot«-<br />

Festivals. Für die Podien konnten sowohl Negationisten und altgediente<br />

Kader der italienischen <strong>Rechte</strong>n, als auch der Europaabgeordnete Mario<br />

Borghezio von der »Lega Nord« gewonnen werden. Zudem wurde deutlich,<br />

dass die Gruppe bis heute ein wichtiger Bezugspunkt im Netzwerk<br />

der italienischen und europäischen Neonazi-Szene ist. Nicht nur, dass<br />

etliche deutsche und spanische Neonazis zum Festival anreisten. Auch<br />

die relevanten Neonazi-Gruppen Italiens gaben sich die Ehre, von den<br />

römischen »SPQR-Skins« bis zur lombardischen »Lealtà ed Azione«, von<br />

den »Apulia Skinheads« aus Süditalien bis zu den »Sardegna Skinheads«<br />

von der italienischen Mittelmeerinsel.<br />

Ganz in der Tradition des 20 Jahre zurück liegenden »Ritorno a Camelot«,<br />

wurde am Tag nach dem Festival der Organisationsaufbau verkündet.<br />

Demnach sollte Ende Oktober 2011 das erste italienweite »Blood and<br />

Honour«-Treffen im römischen »Skinhouse« stattfinden. Letztlich war der<br />

politische Druck am Jahrestag des faschistischen »Marsch auf Rom«<br />

aber zu groß. Das Treffen wurde abgesagt, beziehungsweise auf den 15.<br />

Mai 2012 verschoben. Denn bei der 20-Jahre-Feier der »SPQR-Skins«<br />

im »Skinhouse Roma« hatte die Szene ihr nächstes Stelldichein. Für die<br />

musikalische Unterhaltung sorgte, wie schon 1987, die englische »Blood<br />

and Honour«-Band »Brutal Attack«.<br />

der rechte rand 138/2012 31

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