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Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand

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In Sachen deutsche Erinnerungskultur<br />

Ein Besuch in der »Gedenk- und Erinnerungsstätte« Wewelsburg im gleichnamigen<br />

Dörfchen in Ostwestfalen: Ein neues Museumskonzept für die Burg, in der<br />

die SS während der NS-Zeit ein weltanschauliches Zentrum plante, soll die<br />

Anziehungskraft des Ortes für die extreme <strong>Rechte</strong> mindern.<br />

von Barbara Manthe<br />

Es ist eine eigentümliche Szene, die<br />

sich im Nordturm des ostwestfälischen<br />

Kreismuseums Wewelsburg<br />

abspielt: Ein Mitarbeiter des Museums<br />

betritt den kreisförmigen Saal im<br />

ersten Obergeschoss und schiebt unförmige<br />

orangene und graue Sitzsäcke<br />

und kleine Tischchen in die Mitte des<br />

Raums. Damit verdeckt er Teile eines<br />

Ornaments, das in den grauen Marmorboden<br />

eingelassen ist. »Das bricht<br />

die Symbolik«, erklärt der Museumsmitarbeiter<br />

auf unsere Frage, weshalb<br />

er die Kissen so anordnet. Tatsächlich<br />

kontrastieren die farbigen Säcke zu<br />

den kalten grau-grünen Steinen des<br />

Mosaiks: ein zwölfteiliges Sonnenrad,<br />

dessen Speichen jeweils eine<br />

Sig-Rune bilden. »Schwarze Sonne«<br />

nannte man das Symbol nach 1945.<br />

<strong>Der</strong> Raum wurde in seiner jetzigen Form zwischen 1938 und 1943 gestaltet<br />

und erhielt die Bezeichnung »Obergruppenführersaal«, damals der<br />

höchste Rang der SS. Er ist ein Ziel unseres Ausflugs in die Wewelsburg,<br />

die zwischen 1934 und 1945 von der SS genutzt wurde, und lange Zeit<br />

ein negatives Musterbeispiel in Sachen deutsche Erinnerungskultur war.<br />

Das Museum will verhindern, dass um das Mosaik ein ehrerbietender<br />

Sitzkreis entsteht. So gehört es zu der Aufgabe der MitarbeiterInnen, regelmäßig<br />

den Raum zu überprüfen. »Hätten wir die Kissen nicht hier,<br />

würden sicherlich mehr rechte Besucher kommen«, meint der Angestellte<br />

und erzählt weiter, das Personal sei darin geschult, neonazistische<br />

Symboliken bei BesucherInnen zu erkennen.<br />

Ausflugsziel für Neonazis<br />

Tatsächlich übt der Ort auf Neonazis enorme Anziehungskraft aus und<br />

hat sich zu einer Wallfahrtsstätte für Neonazis und rechte EsoterikerInnen<br />

entwickelt. Das Ornament selbst wurde in abgewandelter Form als<br />

»Schwarze Sonne« äußerst populär und ziert seitdem T-Shirts, Anhänger<br />

und Logos der extremen <strong>Rechte</strong>n. Bis heute ist die Wewelsburg beliebtes<br />

Reiseziel für Neonazis, nicht zuletzt für »private« Ausflüge, bei denen sie<br />

sich der offen zur Schau gestellten NS-Symbole erfreuen, wie in diversen<br />

Reiseberichten zu lesen ist. Mit den rund 600 extrem rechten BesucherInnen,<br />

die offiziellen Zählungen zufolge jährlich kamen, ging die Museumsleitung<br />

in der Vergangenheit häufig hilflos um. Man versuchte, der<br />

Attraktivität des Ortes nicht inhaltlich etwas entgegen zu setzen, sondern<br />

mit Restriktionen: So konnte zum Beispiel der »Obergruppenführersaal«<br />

wie die ebenso mystisch aufgeladene »Gruft« nur im Rahmen von Führungen<br />

besucht werden. <strong>Der</strong> Saal selbst blieb aber wie er war, und so zeigen<br />

die hohen Decken, das hereinfallende Licht durch die zwölf Fenster<br />

und der glatte Marmorstein ihre Wirkung.<br />

Aber auch heute dauert es keine zehn Minuten, bis uns im Saal die ersten<br />

rechten BesucherInnen begegnen: Ein junges Pärchen, er mit kurzen<br />

Hosen, Sportjacke, »Tunnel«-Ohrringen und Käppi, hat eine Rune auf<br />

den Unterarm tätowiert. Sie trägt schwarze Kleidung, eine Gürteltasche<br />

und Piercings im Gesicht. Überhaupt dominieren den Saal junge Männer<br />

und Frauen in schwarzer Kleidung. Das Fotografierverbot missachten die<br />

meisten, sie versuchen vom <strong>Rand</strong> eine möglichst gute Perspektive auf<br />

das Symbol zu bekommen, ohne dass die Überwachungskamera sie erfasst.<br />

Die Wewelsburg ist immer noch ein attraktives Ziel für <strong>Rechte</strong>, dennoch:<br />

Mit missbilligenden Mienen stehen die BesucherInnen am <strong>Rand</strong><br />

und schütteln den Kopf über die Sitzkissen.<br />

Zentrum der SS<br />

In den 1930er Jahren mietete der Reichsführer-SS Heinrich Himmler<br />

die Wewelsburg an, ein dreieckiges Schloss aus der Renaissancezeit bei<br />

Paderborn, um dort eine Akademie für SS-Führer zu errichten. Obwohl<br />

weder die Schule realisiert, noch die Burg als weltanschauliches Zentrum<br />

und »Kultstätte« der SS genutzt wurde, entwickelte sich das Schloss zu<br />

einem Versammlungsort für Himmler und seine höchsten SS-Offiziere<br />

und wurde Objekt gigantischer Umbaupläne. An wenigen Orten treten so<br />

deutlich die Geschichtsmythen der SS und insbesondere Himmlers zutage,<br />

ihre das Germanentum verklärenden Vorstellungen und gleichzeitig<br />

die Allgegenwärtigkeit ihrer Verbrechen: Die architektonischen Umbauten<br />

am Schloss waren ebenso wie die Gestaltung des »Obergruppenführersaals«<br />

Resultat der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen, die in einem eigens<br />

dafür eingerichteten Lager im Dorf inhaftiert waren.<br />

Das Mosaik in der Wewelsburg bedient sich einer frühmittelalterlichen<br />

germanischen Sonnendarstellung. Wer das Ornament in der Wewelsburg<br />

gestaltete, ist unbekannt, auch gibt es keine Informationen über die Nutzung<br />

des Symbols in der Zeit davor. Die Tatsache, dass die SS damit ein<br />

Kunstprodukt erzeugte, verdeutlicht umso mehr, dass der Saal mitnichten<br />

ein »sakraler« Raum ist, der Ehrfurcht gebieten soll.<br />

Umdenken im Museum<br />

Nun betreten neue BesucherInnen den Raum, zwei Familien mit Kindern.<br />

Die Stimmung ändert sich völlig, denn die Kinder nehmen sofort<br />

die Kissen in Beschlag und blättern in den ausliegenden Beiheften, ohne<br />

24 der rechte rand 138/2012

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