Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand
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»Bildung einer bewaffneten Gruppe«<br />
Am 7. Juli 2012 wurden in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg<br />
die Wohnungen von Neonazis sowie die Räume eines Versandhandels<br />
durchsucht. <strong>Der</strong> Verdacht der Staatsanwaltschaft lautet auf »Bildung einer<br />
bewaffneten Gruppe«. Auslöser waren Waffen und Munition, die die<br />
Polizei zufällig am 22. März dieses Jahres in der Brandenburger Pension<br />
»Weißes Haus« gefunden hatte. Diese befanden sich im Zimmer<br />
des vermutlich an einem Herzinfarkt gestorbenen Jens Lange. Lange,<br />
der im jugoslawischen Bürgerkrieg als Freiwilliger für die kroatische Seite<br />
gekämpft hatte, wollte hier zusammen mit Meinolf Schönborn ein Schulungszentrum<br />
aufbauen. Pächterin war die Lebensgefährtin von Schönborn.<br />
Er selbst gehörte 1985 zu den Gründern der 1992 verbotenen<br />
»Nationalistischen Front« (NF). Seit Ende der 1980er Jahre betreibt er<br />
in Herzebrock-Clarholz in Nordrhein-Westfalen den neonazistischen »Z-<br />
Versand«.<br />
Messerangriff in Hannover<br />
Am 10. August hat die Kampagne »Nazis die Räume nehmen« einen Infostand<br />
am Opernplatz im Zentrum Hannovers durchgeführt. <strong>Der</strong> Bereich<br />
zwischen dem Opernplatz und dem Mahnmal für die im NS deportierten<br />
hannöverschen Jüdinnen und Juden ist ein beliebter Aufenthaltsort von<br />
Jugendlichen verschiedener Subkulturen. Aktive Nazis aus Hannover versuchten<br />
regelmäßig, dort Jugendliche zu agitieren und wollten sie an diesem<br />
Abend für eine Gegenaktion gewinnen. Beim Abbau des Infostands<br />
wurden die noch anwesenden AntifaschistInnen von eben diesen Nazis<br />
angegriffen. Einer der Angreifer zog ein Messer und versuchte – erfolglos<br />
– AntifaschistInnen zu verletzen. Die alarmierte Polizei ließ den Angreifer<br />
nach kurzer Zeit wieder frei. Wenige Stunden später griff eine Gruppe<br />
Nazis in der Barsinghäuser Innenstadt AntifaschistInnen an. Beteiligt war<br />
– wie am Angriff auf den Infostand wenige Stunden zuvor – Lukas R. Er<br />
zog ein Messer und verletzte eine Person im Gesicht und am Rücken. Die<br />
eintreffende Polizei stellte das Messer sicher, die Nazis waren – wie in<br />
Hannover – nach kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß.<br />
Messerangriff in Lüneburg<br />
Am Abend des 29. August 2012 wurde in Lüneburg ein Antifaschist nach<br />
Verlassen des örtlichen Gewerkschaftshauses von zwei Männern mit seinem<br />
Namen angesprochen und sogleich mit einem Messer attackiert.<br />
<strong>Der</strong> Angesprochene konnte den Angriff abwehren und zog sich dabei<br />
eine sechs Zentimeter lange Schnittwunde am Unterarm zu. 20 Minuten<br />
zuvor war ihm noch ein Auto aus dem Landkreis Ludwigslust aufgefallen,<br />
in dem vermutlich vier Neonazis saßen und ihn beobachteten. Es war<br />
nicht der erste Angriff auf ihn mit einem Messer – bereits Anfang der<br />
1990er Jahre hatten Neonazis versucht ihn niederzustechen.<br />
Urteil gegen Breivik<br />
Anders Behring Breivik ist am 24. August 2012 in Oslo wegen Terrorismus<br />
und vorsätzlichen Mordes zu 21 Jahren Haft mit anschließender<br />
Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Gericht erklärte ihn für<br />
zurechnungsfähig und verhängte die in Norwegen mögliche Höchststrafe.<br />
Am 22. Juli 2011 tötete der rechtsradikale Breivik im Osloer Regierungsviertel<br />
mit einer Autobombe acht Menschen (s. drr Nr. 136).<br />
Anschließend ermordete er auf der Insel Utøya bei einem Sommerlager<br />
der norwegischen Jungsozialisten 69 Menschen, zudem verletzte Breivik<br />
151 Menschen schwer. Die meisten seiner Opfer waren Jugendliche. <strong>Als</strong><br />
Tatmotive nannte der 33-Jährige Hass auf den Islam. Er wolle Norwegen<br />
gegen diesen sowie den »Kulturmarxismus« und die regierenden Sozialdemokraten<br />
verteidigen.<br />
Kjærsgaard tritt ab<br />
Am 08. August 2012 – nach 17 Jahren als Vorsitzende der »Dansk Folkeparti«<br />
(Dänische Volkspartei, DVP) – hat Pia Kjærsgaard bekannt gegeben,<br />
im September nicht mehr für den Vorsitz kandidieren zu wollen. <strong>Als</strong><br />
ihren Nachfolger empfahl die 65-jährige ihre rechte Hand, den 43-jährigen<br />
DVP-Fraktionschef Kristian Thulesen Dahl. <strong>Der</strong> Personalwechsel<br />
wurde parteiintern bereits im Januar beschlossen. Die Platzierung der<br />
Nachricht in der Sommerpause hat dann für die größtmögliche Aufmerksamkeit<br />
gesorgt. Anders als in der ausländischen Presse, die kritisch über<br />
die ausländerfeindliche und rechtspopulistische Politik von Kjærsgaard<br />
berichtete, wurde sie von der Inlandspresse als große Politikerin und Persönlichkeit<br />
gewürdigt. Pia Kjærsgaard wird zukünftig den eigens für sie<br />
geschaffenen Posten der »wertepolitischen Sprecherin« übernehmen.<br />
Kjærsgaard gilt als erfolgreichste Rechtspopulistin Europas: Von 2001 bis<br />
2011 duldeten die regierenden Konservativen und Liberalen den Rassismus<br />
der DVP, um ihre eigene Macht als Minderheitsregierung zu erhalten.<br />
Drastische Verschärfungen der Asyl- und Integrationspolitik waren<br />
die Folge (s. ddr Nr. 135).<br />
Holocaust-Leugner als Minister<br />
Victor Ponta, Ministerpräsident von Rumänien und Vorsitzender der »Sozialdemokratischen<br />
Partei« (PSD, »Partidul Social Democrat«), hat seinen<br />
Parteikollegen, Dan Sova, zum Minister für die Beziehungen zum<br />
Parlament ernannt – eine Schlüsselrolle in der rumänischen Innenpolitik.<br />
International sorgte die Personalie für Empörung, da Sova im März<br />
2012 die Ermordung hunderttausender Jüdinnen und Juden während<br />
des Zweiten Weltkrieges in Rumänien geleugnet hatte. In einem Interview<br />
mit dem rumänischen TV-Sender »Money channel« hatte er behauptet,<br />
»dank Marschall Antonescu«, dem rumänischen Diktator und Verbündeten<br />
der Nazis von 1940 bis 1944, sei »keinem Juden auf rumänischem<br />
Territorium ein Leid geschehen«. Tatsächlich wurden während seiner<br />
Zeit 280.000 bis 300.000 Jüdinnen und Juden im Land ermordet. Die<br />
Massenmorde waren teils in Zusammenarbeit mit der SS und deutschen<br />
Polizeieinheiten, teils auf rumänische Initiative erfolgt. Seit 2006 ist die<br />
Leugnung des Holocausts in Rumänien strafbar. Sollte die mittlerweile<br />
eingereichte Klage gegen Sova erfolgreich sein, drohen dem Minister<br />
sechs Monate bis zu fünf Jahren Haft.<br />
Neonazi-Amoklauf<br />
Am 5. August 2012 hat der 40-jährige ehemalige Soldat und Neonazi<br />
Wade Michael Page in Oak Creek im US-Bundesstaat Wisconsin ein<br />
blutiges Attentat verübt. Er stürmte einen Tempel der Sikh-Religionsgemeinschaft,<br />
erschoss sechs Menschen und tötete sich am Ende offenbar<br />
selbst. Spekuliert wird, dass Page die Sikhs fälschlich für Muslime hielt<br />
und sie deswegen als Ziel für seine rassistischen Morde aussuchte. Wade<br />
spielte in rassistischen Skinhead-Bands wie »End Apathy« und »Definite<br />
Hate«. Nach Angaben des »Southern Poverty Law Center« war Page Mitglied<br />
der neonazistischen »Hammerskin Nation«. Die Behörden gehen<br />
bislang von einem »Einzeltäter« aus und sprechen von einem Fall des<br />
»Inlands-Terrorismus«.<br />
der rechte rand 138/2012 19