Abschlußbericht - IZEA - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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<strong>Abschlußbericht</strong><br />

Selbstaufklärung der Aufklärung. Individual-, Gesellschafts- und<br />

Menschheitsentwürfe in der anthropologischen Wende der Spätaufklärung<br />

(1998-2003)<br />

DFG-Geschäftszeichen<br />

579/2-1; FOR 317/1-2; ZE 276/10-1


Inhalt<br />

1. Allgemeine Angaben 3<br />

2. Arbeits- und Ergebnisbericht 14<br />

3. Zusammenfassung 38


1. Allgemeine Angaben<br />

- DFG-Geschäftszeichen<br />

579/2-1; FOR 317/1-2; ZE 276/10-1<br />

- Antragsteller<br />

Prof. Dr. Heinz Thoma (Sprecher) (Institut für Romanistik)<br />

Prof. Dr. Manfred Beetz (Institut für Germanistik)<br />

Dr. Jörn Garber (IWZ Europäische Aufklärung)<br />

Prof. Dr. Monika Neugebauer-Wölk (Institut für Geschichte)<br />

Prof. Dr. Richard Saage (Institut für Politikwissenschaft)<br />

(als Forschergruppe organisiert am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der<br />

Europäischen Aufklärung der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

Prof. Dr. Carsten Zelle (Ruhr-<strong>Universität</strong> Bochum) (2. Förderphase 2001-2004)<br />

- Institut / Lehrstuhl<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong><br />

Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung<br />

Franckeplatz 1, Haus 54, 06110 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

- Thema des Projekts<br />

Selbstaufklärung der Aufklärung. Individual-, Gesellschafts- und Menschheitsentwürfe<br />

in der anthropologischen Wende der Spätaufklärung (1998-2003)<br />

Einzelprojekte:<br />

(0) „Vernünftige Ärzte“. <strong>Halle</strong>sche Psychomediziner und Ästhetiker in der<br />

anthropologischen Wende der Aufklärung unter besonderer Berücksichtigung des<br />

erfahrungswissenschaftlichen Werks von Johann Gottlob Krüger (1715-1759)<br />

(Prof. Dr. Carsten Zelle, Germanistik, <strong>Universität</strong> Bochum) (Verlängerungsantrag<br />

2001-2004)<br />

(1) Von der „Geschichte des Menschen“ zur „Geschichte der Menschheit“ – Biographik<br />

und Menscheitsgeschichte in der anthropologischen Wende der Spätaufklärung<br />

(Dr. Jörn Garber); der Antrag berührt folgende Disziplinen:<br />

Wissenschaftsgeschichte / Pädagogik / Historie (1998-2001)<br />

(2) Anthropologie – Kontraktualismus – Utopie: Zur Konvergenz von Vertragsdenken<br />

und Utopie im 18. Jahrhundert (Prof. Dr. Richard Saage, Politikwissenschaft)<br />

(3) Utopie – Anthropologie – Politik: Strukturen und Strategien des Geheimbunds<br />

der Illuminaten im Kontext der Spätaufklärung (Prof. Dr. Monika Neugebauer-<br />

Wölk, Geschichte)<br />

(4) Anthropologie – Erzählen – Verhalten: Narrativik und Verhaltensschrifttum in<br />

der französischen Spätaufklärung (Prof. Dr. Heinz Thoma, Romanistik / Literaturwissenschaft)<br />

(5) Vorurteile und Anthropologie in der Literatur der deutschen Aufklärung<br />

(Manfred Beetz, Germanistik)<br />

(5a) Vorurteile im Verhalten. Pragmatisierung der aufklärerischen Vorurteilsdiskussion<br />

im Verhaltensschrifttum nach der anthropologischen Wende (Verlängerungsantrag<br />

2001-2003)<br />

(6) Philosophie – Anthropologie – Ästhetik: Der anthropologische Diskurs in der<br />

Ästhetik des Scottish Enlightenment und sein Einfluß in Deutschland (Karl-Heinz<br />

Schwabe, Philosophie; formaler Antragsteller Prof. Dr.Heinz Thoma, Sprecher)<br />

3


- Berichtszeitraum<br />

- 1998-2003 1 bzw. 2001-2004 (ZE 276/10-1)<br />

- Liste der Publikationen (einschließlich der im Druck befindlichen)<br />

Kolloquien<br />

- Monika Neugebauer-Wölk / Richard Saage (Hg.), Die Politisierung des Utopischen<br />

im 18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 4). Tübingen<br />

1996. (Projektvorbereitung)<br />

- Richard Saage / Eva-Maria Seng (Hg.), Von der Geometrie zur Naturalisierung.<br />

Utopisches Denken im 18. Jahrhundert zwischen literarischer Fikton und frühneuzeitlicher<br />

Gartenkunst (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 10). Tübingen<br />

1999. (Projektvorbereitung)<br />

- Jörn Garber (Hg.), Wahrnehmung – Konstruktion – Text. Bilder des Wirklichen im<br />

Werk Georg Forsters (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 12).<br />

Tübingen 2000. (Projektvorbereitung)<br />

- Carsten Zelle (Hg.), „Vernünftige Ärzte“: <strong>Halle</strong>sche Psychomediziner und die Anfänge<br />

der Anthropologie in der deutschsprachigen Frühaufklärung (<strong>Halle</strong>sche Beiträge<br />

zur Europäischen Aufklärung 19). Tübingen 2001. (Projektvorbereitung)<br />

- Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung:<br />

Anthropologie im 18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung<br />

24). Tübingen 2004.<br />

- Jörn Garber / Tanja van Hoorn (Hg.), Natur – Mensch – Kultur: Georg Forster im<br />

Wissenschaftsfeld seiner Zeit. Hannover-Laatzen: Wehrhahn 2006.<br />

- [Manfred Beetz / Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Physis und Norm. Neue<br />

Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert. Akten der Jahrestagung der<br />

deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts 2003. Drucklegung<br />

2006, Wallstein].<br />

- [Jörn Garber (Hg.), Die Stammutter aller guten Schulen (I. Kant) – Das Dessauer<br />

Philanthropinum 1774-1793. Drucklegung 2006, <strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen<br />

Aufklärung].<br />

Zeitschriftenschwerpunkt:<br />

Aufklärung und Anthropologie, Schwerpunkt von Aufklärung, Interdisziplinäres<br />

Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte 14.<br />

Hamburg 2002 (Hg. von Karl Eibl, Norbert Hinske und Lothar Kreimendahl,<br />

Monika Neugebauer-Wölk), S. 7-258 (mit drei Beiträgen der Forschergruppe: siehe:<br />

Garber, Godel, Schwabe).<br />

1 Die fünfjährige Laufzeit statt der üblichen sechs Jahre erklärt sich aus der Absicht der Kontinuität des Projekts<br />

im Blick auf die Mitarbeiter und die damalige Arbeitsrechtsprechung, die Verträge über fünf Jahre<br />

dauerstellenpflichtig machte.<br />

4


Edition:<br />

- Reinhard Markner / Monika Neugebauer-Wölk / Hermann Schüttler (Hg.), Die<br />

Korrespondenz des Illuminatenordens. Bd. 1 (1776−1781). Tübingen: Niemeyer<br />

2005.<br />

- Tanja van Hoorn (Hg. und Nachwort), Johann August Unzer Gedancken vom<br />

Schlafe und denen Träumen nebst einem Schreiben an N.N. daß man ohne Kopf<br />

empfinden könne (<strong>Halle</strong> 1746), (Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts 43).<br />

St. Ingbert 2004.<br />

Publikationen der Einzelprojekte<br />

Projekt (0)<br />

Projektleiter<br />

Zelle, Carsten: Erfahrung, Ästhetik und mittleres Maß – die Stellung von Unzer, Krüger<br />

und E. A. Nicolai in der anthropologischen Wende um 1750 (mit einem Exkurs über<br />

ein Lehrgedichtfragment Moses Mendelssohns), in: Jörn Steigerwald / Daniela<br />

Watzke (Hg.), Reiz, Imagination, Aufmerksamkeit. Erregung und Steuerung von<br />

Einbildungskraft im klassischen Zeitalter (1680-1830). Würzburg: Königshausen<br />

und Neumann 2003. S. 203-224.<br />

- Nietzsches ästhetische Anthropologie, in: Marie Guthmüller / Wolfgang Klein (Hg.),<br />

Ästhetik von unten. Berlin: Akademie Verlag (= LiteraturForschung) [im Druck].<br />

Gekürzter Vorabdruck in: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literaturforschung<br />

Berlin 3 (2003), Nr. 6 (April), S. 26-34.<br />

- Johann August Unzers „Gedanken vom Träumen“ (1746) im Kontext der<br />

Anthropologie der „vernünftigen Ärzte“ in <strong>Halle</strong>, in: Jörn Garber / Heinz Thoma<br />

(Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 24). Tübingen:<br />

Niemeyer 2004, S. 19-30.<br />

- Anakreontik und Anthropologie. Zu Johann Arnold Eberts ‚Das Vergnügen‘ (1743),<br />

in: Manfred Beetz / Hans-Joachim Kertscher (Hg.), Anakreontische Aufklärung<br />

(<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 28). Tübingen: Niemeyer 2005,<br />

S. 93-105.<br />

- Friedrich Gottlieb Klopstock, das Erhabene und die Anthropologie um 1750. Erscheint<br />

in: Wort und Schrift: Das Werk von Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-<br />

1803). Hg. Kevin F. Hilliard / Katrin Kohl / Christian Soboth [im Druck].<br />

- Anthropologie und Ästhetik. Schillers frühe Schriften zum Theater (1782-1784). Erscheint<br />

in frz. Sprache in: Revue germanique internationale (2006) [im Druck].<br />

- Deutschsprachiger Vorabdruck u.d.T. ‚Schiller als Dramentheoretiker‘, erscheint in:<br />

Flandziu. Halbjahresblätter der Internationalen Wolfgang Koeppen Gesellschaft [im<br />

Druck].<br />

Mitarbeiterin<br />

van Hoorn, Tanja: Maschinenmodell, dynamischer Vitalismus, Seelenorgan. Neues zur<br />

Geschichte der Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Rezension von: Hans-Peter<br />

Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit.<br />

Berlin, New York 2003. In: IASLonline. URL: <br />

[26.11.2003].<br />

- Herausgeberin und Nachwort: Johann August Unzer Gedancken vom Schlafe und<br />

denen Träumen nebst einem Schreiben an N.N. daß man ohne Kopf empfinden<br />

könne (<strong>Halle</strong> 1746), (Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts 43). St. Ingbert<br />

2004.<br />

5


- Affektenlehre – rhetorisch und medizinisch. Zur Entstehung der Anthropologie um<br />

1750 in <strong>Halle</strong>, in: Manfred Beetz / Joachim Dyck / Wolfgang Neuber / Gert Ueding<br />

(Hg.), Rhetorik und Anthropologie 23. Tübingen 2004, S. 81-94.<br />

- (Sammelrezension) Wissenschaftsgeschichtliche Erforschung der Aufklärung – ein<br />

neues Periodikum. Rezension von: Wissen und Wissensvermittlung im<br />

18. Jahrhundert. Beiträge zur Sozialgeschichte der Naturwissenschaften zur Zeit der<br />

Aufklärung. Hg. Robert Seidel. Heidelberg 2001 (= Cardanus, 1 [2000]); Die exakten<br />

Wissenschaften zwischen Dilettantismus und Professionalität. Studien zur Herausbildung<br />

eines modernen Wissenschaftsbetriebs im Europa des 18. Jahrhunderts.<br />

Heidelberg 2002 (= Cardanus 2 [2001]). In: Das achtzehnte Jahrhundert 28 (2004),<br />

H. 1, S. 101-103.<br />

- Entwurf einer Psychophysiologie des ganzen Menschen. Johann Gottlob Krügers<br />

Grundriß eines neuen Lehrgebäudes der Artzneygelahrtheit (1745). Typoskript<br />

110 Seiten, Anhang 72 Seiten. Hannover-Laatzen: Wehrhahn 2006.<br />

- Hydra – Die Süßwasserpolypen und ihre Sprößlinge in der Anthropologie der<br />

Aufklärung, erscheint in: Manfred Beetz / Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Physis<br />

und Norm. Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert (= Das<br />

achtzehnte Jahrhundert. Supplementa). [Göttingen: Wallstein 2006].<br />

Projekt (1)<br />

Projektleiter<br />

Garber, Jörn: „Wahrheit ist das Verhältnis der Dinge unter einander und zu uns“.<br />

Empirismus – Konstruktion – „Gedankenbild“ (Georg Forster. 1754-1794), in:<br />

Barbara Friebershäuser / Annedore Prengel (Hg.), Handbuch Qualitative<br />

Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim und München 1997,<br />

S. 221-244.<br />

- Die „Schere im Kopf“ des Autors. Anthropomorphe Bewußtseinsgrenzen von<br />

Erfahrung (Georg Forster), in: Markus Bauer / Thomas Rahn (Hg.), Die Grenze.<br />

Begriff und Inszenierung. Berlin 1998, S. 13-36.<br />

- Antagonismus und Utopie: Georg Forsters Städtebilder im Spannungsfeld von<br />

,Wirklichkeit‘ und ,Utopie‘, in: Richard Saage / Eva-Maria Seng (Hg.), Von der<br />

Geometrie zur Naturalisierung. Utopisches Denken im 18. Jahrhundert zwischen<br />

literarischer Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur<br />

Europäischen Aufklärung 10). Tübingen 1999, S. 209-236.<br />

- Selbstreferenz und Objektivität: Organisationsmodelle von Menschheits- und<br />

Weltgeschichte in der deutschen Spätaufklärung, in: Hans Erich Bödeker u.a. (Hg.)<br />

Wissenschaft als kulturelle Praxis, 1750-1900. Göttingen 1999a, S. 137-186.<br />

- Von der „Geschichte des Menschen“ zur „Geschichte der Menschheit“.<br />

Anthropologie, Pädagogik und Zivilisationstheorie in der deutschen Spätaufklärung,<br />

in: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung Band 5. Bad Heilsbrunn/Obb 1999b,<br />

S. 31-54.<br />

- Wahrnehmung – Konstruktion – Text, Bilder des Wirklichen im Werk Georg<br />

Forsters. Tübingen 2000.<br />

- Georg Forster (1754-1794) über Vielfalt der Kulturen, Globalisierung und<br />

Pädagogik, in: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung Band 6. Bad Heilbrunn/<br />

Obb. 2000, S. 314-322.<br />

- Statt einer Einleitung: „Sphinx“ Forster, in: Jörn Garber (Hg.), Wahrnehmung-<br />

Konstruktion-Text. Bilder des Wirklichen im Werk Georg Forsters (<strong>Halle</strong>sche<br />

Beiträge zur Europäischen Aufklärung 12). Tübingen 2000, S. 1-19.<br />

6


- So sind also die Hauptbestimmungen des Menschen [...]. Anmerkungen zum<br />

Verhältnis von Geographie und Menschheitsgeschichte bei Georg Forster, in: Jörn<br />

Garber (Hg.), Wahrnehmung-Konstruktion-Text. Bilder des Wirklichen im Werk<br />

Georg Forsters (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 12). Tübingen<br />

2000, S. 193-230.<br />

- „Arkadien“ im Blickfeld der Aufklärungsethnologie. Anmerkungen zu Georg<br />

Forsters Tahiti-Schilderung, in: Günter Oesterle / Harald Tausch (Hg.), Der<br />

imaginäre Garten. Göttingen 2001, S. 93-114.<br />

- Begriff, Hypothesen, Faktum. Christoph <strong>Martin</strong> Wielands kulturalistische Kritik am<br />

Natur- und Staatsrecht, in: Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung. Hg. von<br />

Jörn Garber und Ulrich Kronauer (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung<br />

14). Tübingen 2001, S. 205-229.<br />

- Die Wirklichkeit als Idee. Das Utopische in der Utopiekritik der deutschen<br />

Spätaufklärung, in: <strong>Martin</strong> Kühnel [u.a.] (Hg.), Modell und Wirklichkeit. Anspruch<br />

und Wirkung politischen Denkens. Festschrift für Richard Saage zum 60.<br />

Geburtstag. <strong>Halle</strong> 2001, S. 50-66.<br />

- Die ,Bestimmung des Menschen‘ in der ethnologischen Kulturtheorie der deutschen<br />

und französischen Spätaufklärung, in: Aufklärung 14 (2002), S. 161-204.<br />

- ‚Innerliche Oekonomie‘ und funktionsständisches Bürgerkonzept: Der hallesche<br />

Aufklärer C. F. Bahrdt als Theoretiker individueller und gesellschaftlicher<br />

Eudämonie, in: expressis verbis. Philosophische Betrachtungen. Festschrift für<br />

Günter Schenk zum fünfundsechzigsten Geburtstag. <strong>Halle</strong> 2003, S. 177-200.<br />

- Herausgeber (gemeinsam mit Heinz Thoma): Zwischen Empirisierung und<br />

Konstruktionsleistung: Anthropologie im 18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur<br />

Europäischen Aufklärung 24). Tübingen 2004.<br />

- Vorwort (gemeinsam mit Heinz Thoma) zu Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.),<br />

Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 24). Tübingen<br />

2004, S. VII−X.<br />

- Von der „anthropologischen Geschichte des philosophierenden Geistes“ zur<br />

Geschichte der Menschheit (Friedrich August Carus), in: Jörn Garber / Heinz<br />

Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie<br />

im 18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 24). Tübingen<br />

2004, S. 219−261.<br />

- Die Stammutter aller guten Schulen (I. Kant) – Das Dessauer Philanthropinum<br />

1774-1793 [in Vorbereitung].<br />

Mitarbeiter<br />

Stöckmann, Ernst: ,Natur des Menschen‘ als ästhetisches Paradigma.<br />

Anthropologischer Perspektivenwechsel in der Ästhetiktheorie der deutschen<br />

Spätaufklärung, erscheint in: Karlheinz Barck / Wolfgang Klein (Hg.), Ästhetik von<br />

unten. [Berlin 2006].<br />

- Von der sinnlichen Erkenntnis zur Psychologie der Emotionen. Anthropologische<br />

und ästhetische Progression der Aisthesis in der vorkantischen Ästhetiktheorie,<br />

erscheint in: Manfred Beetz / Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Physis und Norm.<br />

[Wallstein 2006].<br />

- Sinnliche Natur und ästhetische Erfahrung. Anthropologie und Kunsttheorie der<br />

Emotionen in der Ästhetik der deutschen Spätaufklärung. Dissertation. [in<br />

Vorbereitung].<br />

7


Projekt (2)<br />

Projektleiter<br />

Monographie:<br />

Richard Saage, Utopische Profile, Bd. II. Münster u.a. 2002.<br />

Kolloquien:<br />

Richard Saage (Hg. mit M. Neugebauer-Wölk), Die Politisierung des Utopischen im 18.<br />

Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 4). Tübingen 1996.<br />

(Vorbereitung des Forschergruppenantrags)<br />

- Richard Saage (Hg. mit Eva-Maria Seng), Von der Geometrie zur Naturalisierung.<br />

Utopisches Denken im 18. Jahrhundert zwischen literarischer Fikton und<br />

frühneuzeitlicher Gartenkunst (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung<br />

10). Tübingen 1999. (Vorbereitung des Forschergruppenantrags)<br />

Aufsätze:<br />

Saage, Richard: Johann Gottfried Schnabels ,Insel Felsenburg‘ – ein Klassiker des<br />

Utopie-Diskurses im Zeitalter der Aufklärung?, in: Günter Damann / Dirk<br />

Sangmeister (Hg.), Das Werk Johann Gottfried Schnabels und die Romane und<br />

Diskurse des frühen 18. Jahrhunderts. Tübingen 2004, S. 178-188.<br />

- Die „anthropologische Wende“ im utopischen Diskurs der Aufklärung, in: Jörn<br />

Gaber / Heinz Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung:<br />

Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen 2004, S. 307-321.<br />

- Rousseaus Stellung zum utopischen Diskurs der Neuzeit (gemeinsam mit Andreas<br />

Heyer), in: Politische Vierteljahresschrift, 46. Jg. (2005), H. 3 [im Druck].<br />

- Zur Differenz und Konvergenz von Vertragsdenken und Utopie, in: Kreativität. XX.<br />

Deutscher Kongress für Philosophie. Hg. v. Günter Abel. Berlin 2005 [im Druck].<br />

Projekt (3)<br />

Projektleiterin<br />

Kolloquien:<br />

Monika Neugebauer-Wölk (Hg. mit Richard Saage), Die Politisierung des Utopischen<br />

im 18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 4). Tübingen<br />

1996. (Projektvorbereitung)<br />

- Aufklärung und Anthropologie, Schwerpunkt von ‚Aufklärung‘, Interdisziplinäres<br />

Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte 14.<br />

Hamburg 2002 (Hg. von Karl Eibl, Norbert Hinske und Lothar Kreimendahl,<br />

Monika Neugebauer-Wölk), S. 7-258.<br />

Edition:<br />

Reinhard Markner / Monika Neugebauer-Wölk / Hermann Schüttler (Hg.), Die<br />

Korrespondenz des Illuminatenordens, Bd. 1 (1776−1781). Tübingen: Niemeyer<br />

2005.<br />

Aufsätze:<br />

Projektleiterin<br />

Neugebauer-Wölk, Monika: Nicolai – Tiedemann – Herder. Texte und Kontroversen<br />

zum hermetischen Denken in der Spätaufklärung, in: A.-Ch. Trepp / H. Lehmann<br />

(Hg.), Antike Weisheit und kulturelle Praxis. Hermetismus in der Frühen Neuzeit.<br />

Göttingen 2001, S. 397-448.<br />

8


- Esoterik und Christentum vor 1800. Prolegomena zu einer Bestimmung ihrer<br />

Differenz, in: Aries. Journal for the Study of Western Esotericism 3 (2003), S. 127-<br />

165.<br />

- Arkanwelten im 18. Jahrhundert. Zur Struktur des Politischen im Kontext von<br />

Aufklärung und frühmoderner Staatlichkeit, in: Aufklärung. Interdisziplinäres<br />

Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte 15<br />

(2003), S. 7-65.<br />

- Esoterik als Element freimaurerischer Geschichte und Geschichtsforschung, in:<br />

Quatuor Coronati Jahrbuch 40 (2004), S. 1-24.<br />

- Praktische Anthropologie für ein utopisches Ziel: Menschenbeobachtung und<br />

Menschenbildung im Geheimbund der Illuminaten, in: J. Garber / H. Thoma (Hg.),<br />

Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert. Tübingen 2004, S. 323-338.<br />

Mitarbeiter<br />

Markner, Reinhard: ,Imakoromazypziloniakus‘: Mirabeau und der Niedergang der<br />

Berliner Rosenkreuzerei, in: M. Meumann / H. Zaunstöck (Hg.), Sozietäten –<br />

Netzwerke – Kommunikation. Neue Forschungen zur Vergesellschaftung im<br />

Jahrhundert der Aufklärung. Tübingen 2003, S. 215-230.<br />

Schüttler, Hermann: Der Wilhelmsbader Freimaurerkonvent im Spiegel der Illuminaten,<br />

in: J. Berger / K.-J. Grün (Hg.), Geheime Gesellschaft. Weimar und die deutsche<br />

Freimaurerei. Katalog zur Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik im Schiller-<br />

Museum Weimar 21. Juni bis 31. Dezember 2002. München / Wien 2002, S. 175-<br />

184.<br />

- Johann Friedrich Mieg und die Organisation des Illuminatenordens in der Kurpfalz,<br />

in: H. Zaunstöck / M. Meumann (Hg.), Sozietäten – Netzwerke – Kommunikation.<br />

Neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der Aufklärung. Tübingen<br />

2003, S. 143−57.<br />

- Über die schottischen Wurzeln der Freimaurerei (Vorabdruck), in: Monatsblatt der<br />

Freimaurerloge Zu den fünf Türmen am Salzquell im Orient <strong>Halle</strong> 9 (2003), Nr. 7,<br />

S. 3−8.<br />

- Ernst II. als Freimaurer und Illuminat, in: Stiftung Schloß Friedenstein Gotha (Hg.),<br />

Die Gothaer Residenz zur Zeit Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg<br />

(1772-1804). Gotha 2004, S. 137-146.<br />

- Zwote Warnung über die Freimaurer. Eine in Vergessenheit geratene Quelle zur<br />

Geschichte der ‚Illuminatenverschwörung‘, erscheint in: Zeitschrift für<br />

internationale Freimaurerforschung [im Druck].<br />

Projekt (4)<br />

Projektleiter<br />

Kolloquium:<br />

Heinz Thoma (Hg. mit Jörn Garber), Zwischen Empirisierung und<br />

Konstruktionsleistung: Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen 2004<br />

(<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 24), S. 145-176.<br />

- Vorwort (gemeinsam mit Jörn Garber) zu Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.),<br />

Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 24). Tübingen<br />

2004, S. VII−X.<br />

9


Aufsätze:<br />

Thoma, Heinz, Utopie und Erzählen: Rousseaus ‚Nouvelle Héloïse‘, in: Monika<br />

Neugebauer-Wölk / Richard Saage (Hg.), Die Politisierung des Utopischen im<br />

18. Jahrhundert (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 4). Tübingen<br />

1996, S. 56-69.<br />

- Philosophie – Anthropologie – Erzählen. Der Roman als Instrument der<br />

Selbstaufklärung der Aufklärung, in: RZLG 1997, H.1-2, S. 55-77.<br />

- Vorurteile und Urteilsbildung in der Narrativik der Spätaufklärung, in: R. Bach u.a.<br />

(Hg.), Formen der Aufklärung und ihre Rezeption. Festschrift Ricken. Tübingen<br />

1999a, S. 551-564.<br />

- Utopie, Naturzustand und Vertragsdenken bei Rousseau, in: Richard Saage / Eva-<br />

Maria Seng (Hg.), Von der Geometrie zur Naturalisierung. Utopisches Denken im<br />

18. Jahrhundert zwischen literarischer Fikton und frühneuzeitlicher Gartenkunst.<br />

Tübingen 1999b (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 10), S. 50-61.<br />

- Politesse und Kulturkritik: Rousseaus „Erster Discours“ im Kontext, in: Anne<br />

Amend-Söchting u.a. (Hg.), Das Schöne im Wirklichen – Das Wirkliche im<br />

Schönen. Festschrift für Dietmar Rieger zum 60. Geburtstag. Heidelberg 2002<br />

(Studia Romanica 110), S. 391-403.<br />

- Anthropologische Konstruktion, Wissenschaft, Ethik und Fiktion bei Diderot, in:<br />

Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung:<br />

Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen 2004 (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur<br />

Europäischen Aufklärung 24), S. 145-176.<br />

- Von der Geschichte des „menschlichen Geistes“ (esprit humain) zum französischen<br />

Geist (esprit français). – Anthropologie, kulturelle Ordnungsvorstellungen und<br />

Literaturgeschichtsschreibung in Frankreich im Epochenumbruch (Vortrag am<br />

Graduiertenkolleg Klassizsismus und Romantik Gießen Dezember 2003), erscheint<br />

in Hansjörg Bay / Kai Merten (Hg.), Ordnung der Kulturen um 1800. [Würzburg<br />

2006].<br />

Mitarbeiter<br />

Losfeld, Christophe: Verstand, Sinne und Politik in den Erziehungsschriften der<br />

französischen Spätaufklärung, in: Caroline Welsch / Christina Dongowski / Susanna<br />

Lulé (Hg.), Sinne und Verstand. Ästhetische Modellierungen der Wahrnehmung um<br />

1800. Würzburg 2001, S. 21-40.<br />

- Civilité, politesse et éducation nationale, in: Neohelicon XXIX, 2, S. 23-37.<br />

[reproduit dans, Thomas Bremer / Katalin Kurtösi (éds.), Borders, Nations,<br />

Contacts. Culture in Europe and the Americas. Contributions of an International<br />

Symposion of the Universities of Brno, <strong>Halle</strong> and Szeged, March 2001, Szeged<br />

2003, pp. 47-62.)]<br />

- ,Tout ce qui réjouit l’imagination facilite l’étude‘. Imagination und Pädagogik in<br />

Frankreich, in: Thomas Dewender / Thomas Welt (Hg.), Imagination – Fiktion –<br />

Kreation. Das kulturschaffende Vermögen der Phantasie. München 2003, S. 243-<br />

266.<br />

- Absolutisme, réforme et politesse : Antoine de Courtin, in: Henning Krauss /<br />

Christophe Losfeld / Kathrin Van der Meer / Anke Wortmann (Hg.), Psyche und<br />

Epochennorm. Festschrift für Heinz Thoma. Heidelberg 2005, S. 243-272.<br />

- L’imagination chez Morelly, in: Rudolf Behrens / Jörg Steigerwald (éds), Die Macht<br />

und das Imaginäre [erscheint 2006].<br />

- Esthétique et politesse dans la France classique, in: Pavle Sekerus (éd.): Littérature<br />

et média. Novi Sad 2005 [erscheint 2005].<br />

10


- Politique et politesse chez Lemaître de Claville, in: Manfred Beetz / Jörn Garber /<br />

Heinz Thoma (Hg.), Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert.<br />

Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des<br />

18. Jahrhunderts [erscheint 2006].<br />

- La Civilité de Claude Buffier, in: Ellisabeth Detis (éd.) Education au XVIIIe siècle,<br />

Montpellier [erscheint 2006].<br />

- Politesse, morale et construction sociale : pour une histoire des traités de<br />

comportement (1670-1789). Habilitationsschrift. [Einreichung: Herbst 2006].<br />

Schaff, Björn: Aufrichtigkeit im Kontext Marivaux’ Les sincères im Spiegel der<br />

zeitgenössischen Konversationstheorie, in: Henning Krauß / Christophe Losfeld /<br />

Kathrin van der Meer / Anke Wortmann (Hg.), Psyche und Epochennorm.<br />

Festschrift für Heinz Thoma zum 60. Geburtstag. Heidelberg: <strong>Universität</strong>s-Verlag<br />

Winter 2005, S. 135-148.<br />

- Konversation und Verhalten in der Literatur der französischen Frühaufklärung.<br />

Marivaux’ ,Paysan parvenu‘ im Kontext des ,Traité du vrai mérite‘ Lemaitre de<br />

Clavilles, in: Manfred Beetz / Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Neue Perspektiven<br />

der Anthropologie im 18. Jahrhundert. Wissenschaftliche Jahrestagung der<br />

Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts [erscheint 2006].<br />

Projekt (5)<br />

Projektleiter<br />

Beetz, Manfred: (Hg. mit Joachim Dyck, Wolfgang Neuber, Gert Ueding), Rhetorik. Ein<br />

internationales Jahrbuch. Bd. 23: Rhetorik und Anthropologie. Tübingen: Max<br />

Niemeyer Verlag 2004.<br />

- Die Körpersprache im Wandel der deutschen Rhetorik vom 17. und 18. Jahrhundert,<br />

in: Josef Kopperschmidt (Hg.), Rhetorische Anthropologie. München 2000, S. 39-<br />

65.<br />

- Von der galanten Poesie zur Rokokolyrik. Zur Umorientierung erotischer und<br />

anthropologischer Konzepte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Matthias<br />

Luserke / Reiner Marx / Reiner Wild (Hg.), Literatur und Kultur des Rokoko.<br />

Göttingen 2001, S. 33-61.<br />

- Wunschdenken und Realitätsprinzip. Zur Vorurteilsanalyse in Wielands ‚Agathon‘,<br />

in: Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung.<br />

Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer 2004, S. 263-286.<br />

- Hamanns Interesse an Anthropologie, in: Bernhard Gajek (Hg.), Die<br />

Gegenwärtigkeit Johann Georg Hamanns. Acta des 8. Internationalen Hamann-<br />

Kolloquiums (<strong>Halle</strong> 2002). Frankfurt a.M. / Berlin 2005, S. 111-132.<br />

- Anakreontik und Rokoko im Bezugsfeld der Aufklärung – Eine Forschungsbilanz, in:<br />

Manfred Beetz / Hans-Joachim Kertscher (Hg.), Anakreontische Aufklärung.<br />

Tübingen 2005, S. 1-17.<br />

- Die Höflichkeit des Körpers. Zum Wandel von Interaktionsnormen in der<br />

vormodernen Gesellschaftsethik, in: Henning Krauß, Christoph Losfeld u.a. (Hg.),<br />

Psyche und Epochennorm. Festschrift für Heinz Thoma zum 60. Geburtstag.<br />

Tübingen 2005, S. 205-226.<br />

- Aufklärung über Vorurteile in Engels Roman ‚Herr Lorenz Stark‘, in: Alexander<br />

Kosenina (Hg.), Johann Jakob Engel (1741-1802). Philosoph für die Welt,<br />

Ästhetiker und Dichter. Hannover 2005, S. 77-95.<br />

11


- (mit Rainer Godel), Entdeckte Vorurteile auf der Weltreise. Zu Georg Forsters<br />

empirischer Anthropologie und Anerkennung des Fremden, erscheint in: The Non-<br />

European Other in the Discourse of the Enlightenment. Hg. von Hans Erich Bödeker<br />

und Jörn Garber. [Baden-Baden 2005].<br />

- Aporien der Aufklärung. Wezels Diskussion von Vorurteilen in seiner Anthropologie<br />

und in Belphegor, erscheint in: Wezel-Jahrbuch 8 [2005].<br />

Mitarbeiter<br />

Godel, Rainer: Der Wilde als Aufklärer? Joseph von Sonnenfels’ Moralische<br />

Wochenschrift ‚Der Mann ohne Vorurtheil‘, in: Aufklärung. Interdisziplinäre<br />

Halbjahresschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner<br />

Wirkungsgeschichte 14 (2002), S. 209-236.<br />

- ‚Eine unendliche Menge dunkeler Vorstellungen‘. Zur Widerständigkeit von<br />

Empfindungen und Vorurteilen in der deutschen Spätaufklärung, in: Deutsche<br />

Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 76 (2002). H. 4,<br />

S. 542-576.<br />

- Rezension von Jutta Heinz / Cathrin Blöss (Hg.), Johann Karl Wezel. Versuch über<br />

die Kenntniß des Menschen. Rezensionen. Schriften zur Pädagogik. Heidelberg<br />

2001 (= Johann Karl Wezel. Gesamtausgabe in acht Bänden. Jenaer Ausgabe. Band<br />

7), in: Das Achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die<br />

Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 27 (2003), H. 2, S. 259-261.<br />

- Rendre l’historie de la philosophie populaire? Zu Christoph Böhr: Philosophie für<br />

die Welt. Zum Selbstverständnis der Popularphilosophie der deutschen Spätaufklärung.<br />

Stuttgart-Bad/ Cannstatt 2002, in: IASL-Online (http://iasl.unimuenchen.de/).<br />

Im Netz seit 11.01.2004.<br />

- (mit Gunhild Berg) Engels Modell aufklärerischer Selbstbefragung.<br />

Selbstreflexivität und Urteilsbildung in „Der Philosoph für die Welt“, in: Johann<br />

Jakob Engel (1741-1802). Philosoph für die Welt, Ästhetiker und Dichter. Hg. von<br />

Alexander Košenina. Hannover: Wehrhahn 2005, S. 47-76.<br />

- Anthropologie und Fiktion. Zur diskursiven Formation der Moralischen<br />

Wochenschrift ‚Der Mensch‘ (1751-56), in: Hans-Joachim Kertscher / Manfred<br />

Beetz (Hg.), Anakreontische Aufklärung, Tübingen: Niemeyer 2005, S. 123-143.<br />

- (mit Manfred Beetz) Entdeckte Vorurteile auf der Weltreise. Zu Georg Forsters<br />

empirischer Anthropologie und Anerkennung des Fremden, erscheint in: Hans Erich<br />

Bödeker / Jörn Garber (Hg.), The Non-European Other in the Discourse of the<br />

Enlightenment. [Berlin: BWV 2005].<br />

- The Progress of Enlightenment and the Rehabilitation of Prejudice. Arguments and<br />

Traditions of the German Debate about Prejudice in the 1750s and 1760s, erscheint<br />

in: Prejudice and Enlightenment. Proceedings of the 37 th Wisconsin Workshop. Hg.<br />

von Hans Adler [im Druck].<br />

- Der Mensch – ein „lächerliches Thier“? Eine psychophysische Theorie des Lachens<br />

bei Ernst Anton Nicolai und Georg Friedrich Meier und ihre Folgen, erscheint in:<br />

Aufklärung 17 (2005) [im Druck].<br />

- Vorurteil – Anthropologie – Literatur. Der Vorurteilsdiskurs als Modus der<br />

Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert. Habilitationsschrift [erscheint in: <strong>Halle</strong>sche<br />

Beiträge zur Europäischen Aufklärung 33].<br />

12


Projekt (5a)<br />

Berg, Gunhild: Schwierigkeiten der Gemütererkenntnis. Kritik und Funktionalisierung<br />

von Vorurteilen in der ‚Anthropognosie‘ Georg Friedrich Meiers, in: Das achtzehnte<br />

Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des<br />

achtzehnten Jahrhunderts 28 (2004), H. 1, S. 9-26.<br />

- Der Prozeß der ‚anthropologischen Zwänge‘ (Michel Foucault). Juristische,<br />

moralische und psychologische Verhandlungen am Beispiel der spätaufklärerischen<br />

Kriminalerzählungen August Gottlieb Meißners, in: Maximilian Bergengruen /<br />

Johannes F. Lehmann / Hubert Thüring (Hg.), Sexualität – Recht – Leben. Die<br />

Entstehung eines Dispositivs um 1800. München: Fink 2005, S. 195-216.<br />

- (mit Rainer Godel) Engels Modell aufklärerischer Selbstbefragung.<br />

Selbstreflexivität und Urteilsbildung in „Der Philosoph für die Welt“, in: Johann<br />

Jakob Engel (1741-1802). Philosoph für die Welt, Ästhetiker und Dichter. Hg. von<br />

Alexander Košenina. Hannover: Wehrhahn 2005, S. 47-76.<br />

- Erzählte Menschenkenntnis. Moralische Erzählungen und Verhaltensschriften der<br />

deutschsprachigen Spätaufklärung. Dissertation. (<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur<br />

Europäischen Aufklärung 30). Tübingen: Niemeyer 2006.<br />

- Beiträge zur Menschenerkenntnis. ‚Anthropologisierte‘ Erzählstrategien in<br />

Moralischen Erzählungen der deutschsprachigen Spätaufklärung; erscheint im Band<br />

zur Jahrestagung 2003 „Physis und Norm. Neue Perspektiven der Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert“ der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten<br />

Jahrhunderts, Göttingen (Wallstein) [im Druck, vorauss. 2006].<br />

Projekt (6)<br />

Schwabe, Karl-Heinz: ,Science of man‘ und ,Criticism‘. Zur anthropologischen<br />

Grundlegung der Ästhetik bei David Hume und Henry Home, Lord Kames, in: Karl<br />

Eibl / Norbert Hinske / Lothar Kreimendahl / Monika Neugebauer-Wölk (Hg.),<br />

Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und<br />

seiner Wirkungsgeschichte 14. Hamburg 2002, S. 233-257.<br />

- Rezension zu: Barbara Schmidt-Haberkamp, Die Kunst der Kritik, in: Das 18. Jahrhundert,<br />

H. 2. Wolfenbüttel 2003.<br />

- Philosophie „science of man“ und „moral sciences“ in der Schottischen<br />

Aufklärung, in: Jörn Garber / Heinz Thoma (Hg.), Zwischen Empirisierung und<br />

Konstruktionsleistung: Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen 2004, S. 101-<br />

143.<br />

13


2. Arbeits- und Ergebnisbericht (Bericht des Sprechers der Forschergruppe,<br />

in Verbindung mit Dr. Jörn Garber, Leiter des Projekts [1])<br />

Erstantrag<br />

Das Projekt hatte zum Ziel, das Paradigma der Anthropologie in der Deutung der<br />

Aufklärungsepoche zu befestigen. Gegenüber der lange Zeit dominanten politgeschichtlichen<br />

Deutung und der sie ablösenden strukturgeschichtlichen Sehweise (Annales, historische<br />

Sozialwissenschaft der Bielefelder Schule, Mikrohistorie), die auf qualitative Fragestellungen<br />

verzichtet, verband sich der Forschergruppenantrag, was die qualitative Fragestellung angeht,<br />

mit dem Verfahren der Begriffsgeschichte und ihrer Konzeption der Sattelzeit, speziell mit<br />

dem Konzept Erfahrung und Erwartung. An die Stelle eines vorwiegend ökonomisch-sozialen<br />

Fokus, der bei Kaselleck die Semantik des 19. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt nahm, rückte<br />

der Deutungsansatz des Forschergruppenantrags in den Mittelpunkt die so genannte<br />

anthropologische Wende der Aufklärung mit den Koordinaten der Naturalisierung,<br />

Empirisierung und Historisierung des Menschen und seiner Geschichte. In der Konzentration<br />

auf die Deutungsmuster der im Konventionsbegriff Spätaufklärung genannten Epoche selbst<br />

ordnete das Projekt sein Untersuchungsfeld durch die Unterscheidung zweier<br />

anthropologischer Denkformen: a) einer dem Muster der Naturgeschichte (Buffon) und dem<br />

englischen gesellschaftlichen Beispiel folgenden Autoregulierungshypothese (Beispiel:<br />

Ferguson, Iselin) von Individuum, Subjekt und Geschichte (nichtnormative Anthropologie)<br />

sowie b) einem Denkverfahren, das dem Selbstregulierungsprozeß nicht vertraut, mit<br />

normativen Naturzustandskonstruktionen operiert und Sollgeltungen an Individuum,<br />

Gesellschaft und Geschichte formuliert (Beispiel: Rousseau). Im Spannungsfeld von<br />

Erfahrung und Erwartung wird je nach gesellschaftlicher Situation die<br />

Autoregulierungshypothese auch zur Sollgeltung, sind Sollgeltungshypothesen auch Resultat<br />

von Erfahrung.<br />

Die leitende Forschungshypothese war, daß sich in der Konkurrenz dieser beiden<br />

Grundauffassungen eine als Selbstaufklärung der Aufklärung bezeichnete Steigerung der<br />

Selbstreflexivität in den Denkformen der Epoche, konkretisiert in Individual-, Gesellschaftsund<br />

Menschheitsentwürfen vollzieht.<br />

Der hermeneutische Einsatzpunkt dieser Konzentration auf das anthropologische Feld des<br />

18. Jahrhunderts und seiner naturwüchsig interdisziplinären Frageweise beruhte nicht zuletzt<br />

auf der Infragestellung der Resultate der industriellen Moderne des 19. und 20. Jahrhunderts<br />

und der gewachsenen „Asymmetrie von Problementwicklung und disziplinärer Entwicklung“<br />

(Mittelstraß), die sich seit ca. 1980 in einer verstärkten anthropologischen und<br />

interdisziplinären Frageweise der Wissenschaften niederschlug. Insofern verstand sich das<br />

Projekt auch als Beitrag zur Überwindung der Zersplitterung der Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften (DFG-Pressemitteilung „Hilfe für die Geisteswissenschaften“<br />

28.6.1995).<br />

In der Binnensituation des Anthropologie-Paradigmas unterschied sich der Forschergruppenantrag<br />

von<br />

- den auf die epistemologische Zäsur zum Empirismus abhebenden, älteren Arbeiten<br />

von Sergio Moravia,<br />

- dem auf Ethnologie zentrierten Ansatz von Michèle Duchet,<br />

- den disziplinären Rekonstruktionen des Typs „Anthropologie und Medizin“,<br />

„Anthropologie und Geschichte“ etc.,<br />

- dem in einer additiven Form von Interdisziplinarität verbleibenden Ansatz des<br />

Symposions „Der ganze Mensch“ (Hg. Hans-Jürgen Schings), der die in<br />

Anthropologie- und Naturdeutung eingelassenen normativen bzw. kulturellen<br />

Dimensionen weitgehend außer acht ließ.<br />

14


Die neue Konzeption des Forschergruppenantrags, die sich in der Präambel des Erstantrags<br />

niederschlug, erwuchs, wie auch die Präambel des Fortsetzungsantrags, aus enger<br />

Kooperation des Forschergruppensprechers mit dem Leiter des Anthropologie-Projekts im<br />

engeren Sinn (1) (Dr. Jörn Garber). Hinzu kamen Beiträge der Forschergruppe in diversen<br />

Vortragsreihen und Kolloquien, in denen interdisziplinäre Schnittstellen erprobt wurden.<br />

Diese Veranstaltungen wurden z.T. mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung finanziert.<br />

- Südesee-Übersee. Gegenwelten zwischen Utopie und Gesellschaftskritik,<br />

Vortragsreihe <strong>IZEA</strong> 1995<br />

- Anthropologie, Vortragsreihe <strong>IZEA</strong>1996<br />

- Anthropologie und Epistemenwechsel in der Spätaufklärung), Vortragsreihe <strong>IZEA</strong><br />

1997<br />

- Wahrnehmung-Konstruktion-Text. Bilder des Wirklichen im Werk Georg Forsters,<br />

Kolloquium, <strong>Halle</strong> 1994<br />

- Die Politisierung des Utopischen im 18. Jahrhundert, Kolloquium <strong>Halle</strong> 1995<br />

(organisiert von Projekt 2 u. 3.)<br />

- Von der Geometrie zur Naturalisierung. Utopisches Denken im 18. Jahrhundert<br />

zwischen literarischer Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst, Kolloquium <strong>Halle</strong><br />

1997 (organisiert von Projekt 2)<br />

- Das Kolloquium „<strong>Halle</strong>sche Psychomediziner und die Anfänge der Anthropologie in<br />

der deutschsprachigen Frühaufklärung“, <strong>Halle</strong>, Oktober 1997 (verantwortlich Carsten<br />

Zelle) diente zur Prüfung der Erweiterung des Erstantrags in der Verlängerungsphase<br />

(Projekt 0).<br />

Die Einzelprojekte [(1)-(6)] gliederten sich um die untereinander verzahnten Themenfelder<br />

und Denkformen Individuum / Menschheit (1) Utopie / Sozietät (2, 3) Philosophie / Literatur<br />

[(4),(5),(6)]. Es ging um<br />

- Lehren vom neuen Menschen (1)<br />

- Entwürfe der Menschheitsgeschichte (1)<br />

- politisch-philosophische Optimierungsstrategien (2)<br />

- Organisation und Programmatik von Sozietäten (3)<br />

- diskursive und narrative Verhaltensentwürfe (4)<br />

- Kritik und Rehabilitierung des Vorurteils (5)<br />

- ästhetische Vermittlung von Sinnlichkeit / Vernunft, Individuum und Gesellschaft (6)<br />

Fortsetzungsantrag<br />

Im Blick auf den Fortsetzungsantrag reagierten die Einzelprojekte zunächst jeweils auf die<br />

ihnen eigenen Resultate und Voraussetzungen (siehe Berichte der Einzelanträge).<br />

Da das Projekt (1) sich aus z.T. personellen, aber auch aus sachlichen Gründen zunehmend<br />

auf die Wissenschaftsgattung ‚Anthropologie‘ konzentrierte, war es sinnvoll, einen Antrag zur<br />

Psychomedizin aufzunehmen, um die Vorgeschichte der Gattung und ggf. die Hypothese<br />

einer Vorverlagerung der anthropologischen Wende einzubeziehen [Projekt (0)]. Dies hatte<br />

auch bereits die Gutachtergruppe angeraten. Einen Erweiterungsantrag gab es ebenfalls im<br />

Projektbereich Vorurteil (5), der das Verhaltensschrifttum einbezog (5a), was den Vorteil<br />

einer möglichen intensiveren Verzahnung mit dem Projekt (4) beinhaltete, das selbst<br />

wiederum den Schwerpunkt von der Narrativik auf das Verhaltensschrifttum verschob.<br />

Projekt (6) hatte sich vorerst auf Hume und dessen Verhältnis von Philosophie und<br />

Anthropologie konzentriert. Insgesamt war damit von den Zielen her eine größere<br />

Homogenität und Vertiefung im Projekt erreicht.<br />

Die Gutachtergruppe reagierte unterschiedlich auf den Verlängerungsantrag. Dem<br />

Projekt (0) wurde stattgegeben, nicht jedoch dem Antrag (1), der als Kernantrag im<br />

Anthropologiefeld ausgewiesen war. Hier konnte die Forschergruppe mit ihrem<br />

15


<strong>Universität</strong>sbonus für eingeworbene Drittmittel sowie der allgemeinen Unterstützung der<br />

beantragenden Institution die Weiterarbeit an diesem Projekt ermöglichen, so daß gute<br />

Aussicht besteht, daß die Dokumentationen, speziell jene zur Gattung ‚Anthropologie‘, noch<br />

erscheinen können. Umgekehrt wurde der Antrag (6) verlängert, wiewohl hier die<br />

Ergebnisabschätzung und Publikationsfrequenz des Projektbearbeiters Anlaß zur Skepsis<br />

hätte geben können und im Blick auf den abschließenden Ertrag auch müssen. Der etwas<br />

gekürzte Antrag (2) wurde offensichtlich so eingeschätzt, daß der Projektleiter die<br />

wesentlichen Forschungsergebnisse auch mit geringerer Unterstützung im Mitarbeiterbereich<br />

erzielen könne. Hier liegt auch inzwischen eine Monographie des Antragstellers vor.<br />

Arbeitsweise der Forschergruppe<br />

Theoretisch-methodisch waren die EinzelwissenschaftlerInnen der Forschergruppe vor das<br />

Problem gestellt, ihre Erklärungsreichweite an einem nicht fachwissenschaftlichen<br />

Bezugsrahmen (Anthropologie) zu messen. Untersuchungsgegenstand war nicht ein Thema<br />

aus unterschiedlicher disziplinärer Perspektive, sondern unterschiedliche Disziplinen<br />

untersuchten einen für sie repräsentativen Gegenstand der Sattelzeit im Prisma der<br />

Anthropologie als eine die bisherigen Semantiken umwälzende Denkform (cf. Erstantrag<br />

24f.). Gemeinsame Quellenbereiche, sich überschneidende Fragestellungen und ein<br />

System wechselseitiger Kontrolle und Korrektur in der Organisation der Forschung und der<br />

Themen sowie die Berücksichtigung der europäischen Dimension dienten als weitere<br />

Katalysatoren zur Verflüssigung eingefahrener Gewohnheiten. Es war aufschlußreich, wie<br />

etwa die Sozietätenforschung nun andere Quellenbereiche als bisher üblich erschloß, wie die<br />

politische Utopieforschung neben der Systematisierung nun auch die Literarizität der Gattung<br />

Utopie stärker dimensionierte, wie der Zugang von der Anthropologie auch der<br />

Einzeldisziplin neue Quellenfelder erschloß, bekannte Quellen neu perspektivierte und<br />

insgesamt ein von der Disziplin her nicht notwendig gewohntes Suchverfahren die<br />

Deutungsgewohnheiten änderte.<br />

Technisch begann die Arbeit als Gruppe mit der gemeinsamen Lektüre und Erörterung von<br />

Großdeutungen der Frühen Neuzeit (Cassirer, Blumenberg, Lovejoy, Foucault, Husserl, W.<br />

Schneiders, Kant und die Anthropologie) und der Quellengattung Anthropologie, um die<br />

Gruppe, speziell die Mitarbeiter, zu integrieren und das Forschungsprogramm zu präzisieren.<br />

Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, bis ansatzweise so etwas wie eine Corporate identity<br />

entstand.<br />

Dies hängt u.a. damit zusammen, daß Mitarbeiter mancher Disziplinen resistenter<br />

gegenüber interdisziplinärer Arbeit sind als andere, zugleich schwächt das interdisziplinäre<br />

Arbeiten jedoch auch das Zeitbudget zur disziplinären Vertiefung, was für manche störend,<br />

auch laufbahnabträglich erscheinen kann. Schließlich hängt die Befindlichkeit der Mitarbeiter<br />

nicht nur von wissenschaftlichen Sachverhalten ab, sondern insgesamt von ihren Laufbahnund<br />

Bezahlungserwartungen, wie die Bevorzugung einer Asistentenstelle am Lehrstuhl, der<br />

Drang zu einer ganzen Stelle statt einer halben etc. Insgesamt blieb die Fluktuation mit drei<br />

wissenschaftlichen Mitarbeitern auf halben Stellen noch in erträglichem Rahmen (siehe<br />

Verlängerunsgantrag S. 15).<br />

Die Forschergruppe tagte in der Regel einmal im Monat, der Sprecher bot wöchentlich<br />

Sprechstunde an und führte regelmäßig Gespräche mit den Mitarbeitern der einzelnen<br />

Gruppen. Nach eineinhalb Jahren erfolgte eine ausführliche Besprechung mit den<br />

ProjektleiterInnen und den MitarbeiterInnen im Blick auf den Antrag zur Weiterförderung. Es<br />

wurde ein Kolloquium zur Vorstellung des Antrags vorbereitet und durchgeführt (Herbst<br />

2000). Projektleiter und Mitarbeiter stellten ihre Ergebnisse in Vorträgen vor. Zu den<br />

Sonderbedingungen im Projekt (0) siehe den Einzelbericht.<br />

Ein Archivierungsprogramm zur Erfassung aller für die Forschergruppe relevanten Primärund<br />

Sekundärwerke wurde eingerichtet.<br />

16


Lehre:<br />

Die ProjektleiterInnen implementierten regelmäßig Themen des Forschergruppenantrags in<br />

die Lehre (Cf. Verlängerungsantrag, S. 43.)<br />

Qualifikationsarbeiten:<br />

Im engeren und weiteren Kontext des Projekts sind mehrer Staats- und Diplomarbeiten<br />

entstanden (siehe Fortsetzungsantrag, S. 42 und Bericht Projekt [0]). Zu beachten ist, daß<br />

nicht alle Projektleiter regulär in der Ausbildung tätig waren.<br />

Der derzeitige Stand:<br />

Abgeschlossene Dissertationen<br />

- Andreas Heyer, Materialien zum politischen Denken Diderots. Hamburg 2004 – im<br />

weiteren Kontext des Projekts (2)<br />

- Renko Geffarth, Hierarchie und arkane Religion. Der Orden der Gold- und Rosenkreuzer<br />

als Geheime Kirche im 18. Jahrhundert. Leyden: Brill 2006 – im weiteren Kontext des<br />

Projekt (3)<br />

- Gunhild Berg, Erzählte Menschenkenntnis. Moralische Erzählungen und<br />

Verhaltensschriften der deutschsprachigen Spätaufklärung. Tübingen: Niemeyer 2006.<br />

(<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 30) – Projekt (5a)<br />

Laufende Dissertationen:<br />

- Brian McInnis, Reading the Moral Code: Theories of Mind and Body in Eighteenth-<br />

Century Germany (PhD-Arbeit, gemeinsame Betreuung mit John McCarthy, Vanderbilt<br />

University, Nashville TN) – Projekt (0)<br />

- Anne Hegemann, Wissen und Form – diskursive Darstellungsformen anthropologischen<br />

Wissens zwischen 1750 und 1800 – Projekt (0)<br />

- Ernst Stöckmann, Sinnliche Natur und ästhetische Erfahrung. Anthropologie und<br />

Kunsttheorie der Emotionen in der Ästhetik der deutschen Spätaufklärung – Projekt (1)<br />

- Aicke Bittner, Die anthropologische Wende in der politischen Theorie – Projekt (3)<br />

- Björn Schaff, Mimesis und Moral: Verhalten und Konversation in der franösischen<br />

Aufklärung (1740-1770) – Projekt (4)<br />

Abgeschlossene Habilitationen:<br />

- Rainer Godel, Vorurteil-Anthropologie-Literatur. Der Vorurteilsdiskurs als Modus der<br />

Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert [erscheint in: <strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen<br />

Aufklärung 33] – Projekt (5)<br />

Laufende Habilitationen:<br />

- Christophe Losfeld, Politesse, morale et construction sociale : pour une histoire des traités<br />

de comportement (1670-1789) [Einreichung: Herbst 2006] – Projekt (4)<br />

Quantitativer Ertrag (Zusammenfassung):<br />

Die Projektergebnisse sind quantitativ relativ gleichmäßig verteilt. Lediglich das Projekt (6)<br />

fällt in der Leistung deutlich ab, jedoch ist insbesondere die im Sammelband Garber / Thoma<br />

(2004) veröffentlichte Studie von guter Qualität. Zu den Forschungsergebnissen des Projekts<br />

haben die MitarbeiterInnen quantitativ mindest ebenso stark beigetragen wie die Projektleiter.<br />

Dies sagt jedoch nicht notwendig etwas über die qualitative Steuerung, die letztlich auf die<br />

Projektleiter zurückgeht. In den Qualifikationsarbeiten erhöht sich selbstverständlich der<br />

Eigenanteil der Mitarbeiter.<br />

17


Derzeitiger Stand (siehe Liste der Publikationen):<br />

- acht aus Kolloquien resultierende Sammelbände (davon erscheinen sechs in der Reihe<br />

<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung)<br />

- eine projektnahe Monographie zur Utopie<br />

- eine einschlägiger Zeitschriftenschwerpunkt (Mitherausgeberschaft, drei Beiträge)<br />

- zwei Editionen<br />

- drei Dissertationen<br />

- zwei Habilitationsschriften<br />

- ca. 90 Aufsätze<br />

- fünf laufende Dissertationen<br />

Qualitative Resultate:<br />

Im Gesamtverbund ergaben sich durch das Projekt (0) differenziertere<br />

Beschreibungsmöglichkeiten für die Entstehung von anthropologischen Taxonomien in der<br />

Frühaufklärung sowie der nun vom Projektleiter im Verhältnis zum Antrag offener gesehenen<br />

Gruppe der sogenannten vernünftigen Ärzte, schließlich das interessante Resultat eines<br />

ästhetischen Programms auf bereits dem Verfall anheim gegebenen wissenschaftlichen<br />

Grundlagen. Die intendierte Vorverlagerung der anthropologischen Wende vor die<br />

naturgeschichtliche und kulturkritische Zäsur um 1750 bleibt aus der Sicht des Projektleiters<br />

nach wie vor stützungsbedürftig, jedoch bedeutet die nun besser sichtbare Komplexität der<br />

‚<strong>Halle</strong>schen Konstellation‘ im Wissensfeld von Medizin / Philosophie / Theologie einen<br />

deutlichen Zugewinn an Wissen und Strukturierungsmöglichkeiten.<br />

Schaut man auf die beiden Projekte (0) und (1) im Zusammenhang, insbesondere auch auf<br />

die Arbeiten zur Gattung ‚Anthropologie‘, die das Projekt (1) vorangetrieben hat, könnte<br />

eines der Ergebnisse der Arbeiten der Forschergruppe sein, den Gesamtkomplex der<br />

medizinischen Anthropologie und der späteren Wissenschaftsgattung noch einmal als<br />

Langzeitentwicklung ins Auge zu fassen. Die scheiternde Konkurrenz der ‚Anthropologie‘<br />

zur Philosophie, das nun in den Projektergebnissen von (1) unterstrichene<br />

Kulturalisierungspotential der Gattung (Beziehung zur ‚Menschheitsgeschichte‘,<br />

Kulturgeographie) sowie ihre Verzweigung in die sich herausbildenden<br />

Wissenschaftsdisziplinen, ein Prozeß der ins 19. Jahrhundert hineinragt, wären noch genauer<br />

zu verfolgen, um eine proto- bzw. interdisziplinäre Situation und Konstellation zu<br />

rekonstruieren, aus der für die Gegenwart noch Erhellung erwachsen kann. Hierzu bedürfte es<br />

eines im Verhältnis zur Forschergruppe größeren und erweiterten Forschungszusammenhangs<br />

(Naturgeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Kulturgeschichte, ggf. Ethnologie und<br />

Philosophie).<br />

Einen eigenen thematischen Raum von Utopie und arkaner Sozietät besetzten die beiden<br />

Projekte (2) und (3), die schon im Vorfeld des Antrags kooperierten und gemeinsam ein<br />

Kolloquium zur „Politisierung des Utopischen“, ausrichteten. Der Ansatz, daß das normative<br />

anthropologische Denken auch Rückwirkungen auf Kontraktualismus und Utopie haben<br />

könne und beide sich in einer reflexiven Bewegung der Selbstaufklärung tangential<br />

aufeinander zu bewegten, scheint nach den bisherigen Ergebnissen sehr wohl bei Rousseau in<br />

Personalunion nachweisbar, ob dieser Vorgang „schulemachend“ in Europa gewirkt hat, muß<br />

noch vertiefter erwiesen werden, wie der Projektleiter in seinem Bericht deutlich macht. Hier<br />

wird man nach den Ansatzpunkten der Monographie des Projektleiters zur Utopie jene zweite<br />

zum Kontraktualismus abwarten müssen.<br />

Im anthropologisch-normativen Rahmen bewegte sich auch das Projekt zum<br />

Illuminatenorden (2) und seiner utopischen Programmatik sowie seinen Verfahren der<br />

Menschenbeobachtung bzw. Menschenformung, die als thematischer Aspekt im<br />

Projektverlauf, so die Berichterstatterin, deutlicher nach vorne rückten und Anschlußstellen<br />

zu Projekt (1) sichtbar werden ließen. In diese Richtung weist der Beitrag der Projektleiterin<br />

18


zum Sammelband der Forschergruppe (siehe Neugebauer-Wölk, in: Garber / Thoma (Hg.),<br />

2004). Die kommentierte Edition des ersten Bandes des illuminatischen Briefwechsels macht<br />

deutlich, daß das Projekt natürlich auch die Komplettierung unseres Wissens über die<br />

Organisation des Ordens befördert. Die DFG hat die Edition der weiteren Bände als<br />

Einzelprojekt über den Zeitraum der Forschergruppe hinaus weitergefördert.<br />

In engem Zusammenhang standen auch die Projekte (4) und (5), in denen sich die<br />

anthropologisch relevante Frage Verhalten und Vorurteil / Urteil bündelte und zugleich<br />

‚nationale‘ bzw. kulturelle Vergleiche ermöglichte. Dies hing nicht zuletzt mit den<br />

respektiven Interessen der Projektleiter zusammen, die an der narrativen Komplexierung der<br />

Verhaltensproblematik interessiert waren und Studien u.a. zu Wieland, Wezel und Diderot in<br />

dieser Richtung vorlegten. Die französische Verhaltensdebatte zeigt eine Wegbewegung von<br />

der Distinktion Stand hin zu Erziehung und Nation, die deutsche Debatte weist ähnliche<br />

Tendenzen auf. Die Dissertation (5a) wie die Habilitationsschrift (4), welche vermutlich eine<br />

Art französisches Pendant zur „Frühmodernen Höflichkeit“ von Manfred Beetz darstellen<br />

wird, bestätigen einen frühen Hinweis von Beetz, daß es eine hohe Stabilität der Normen im<br />

einzelnen gibt und der Wandel in ihrer Konstellation und Begründung liegt. Das moralische<br />

Erzählen, das in beiden Projektbereichen verhandelt wurde, ist in Frankreich (4) eher<br />

Illustration und Ausgleich sozialer Verhaltensweisen bzw. Spannungen als Kompensation<br />

eines Nicht-Wissens, wie es im deutschen, vor allem auf Menschenkenntnis zielenden<br />

Korpus, der Fall ist. Menschenkenntnis und Vorurteil sind das Bindeglied zur<br />

Habilitationsschrift des Projekts (5) über das Vorurteil, die sich auf vielfältige Weise mit der<br />

Dissertation (5a) zum Verhaltensschrifttum und der moralischen Erzählung verknüpft und<br />

zugleich an den vier Hauptmodi des Umgangs mit dem Vorurteil – Vorurteilskritik,<br />

Rehabilitierung des Vorurteils, literarische Transformierung, politische Instrumentalisierung –<br />

die bisherige Forschung erheblich erweitert und zeigt, wie vielfältig die reflexiven<br />

Möglichkeiten im Diskursfeld von Volksaufklärung und Literatur der deutschsprachigen<br />

Aufklärung sind und wo sich wieder Grenzen dieser Selbstaufklärung der Aufklärung durch<br />

Empirisierung und Dialog auftun, solange die Ziele der Aufklärung nicht erreicht scheinen.<br />

Während in Frankreich die Vorurteilsdebatte in naturrechtlichen und politischen Dimensionen<br />

verharrt, scheint die theologisch und auch universitär geprägte deutsche Diskussion über<br />

weite Strecken Simplifizierung und Politisierung zu vermeiden, wodurch<br />

Erklärungsstrukturen des Urteils entstehen, die neben der Philosophie auf längere Sicht<br />

Gegenstand von spezialisierten <strong>Universität</strong>sdisziplinen sein werden. Hier schließt sich wieder<br />

ein Kreis zu den Resultaten des Projekts (1).<br />

Das Projekt (6) schließlich wollte vor allem am Beispiel der Ästhetik den Einfluß der<br />

schottischen Schule in Deutschland nachweisen, blieb aber, so ist es zumindest bis heute<br />

erkennbar, im Bereich von Vorstudien zu Hume, was z.T. an unterschiedlichen<br />

Wissenschaftskulturen gelegen haben mag, die in der gegebenen Zeit nicht einzuebnen waren.<br />

Gleichwohl sind die Resultate insofern nach vorne weisend, als die erste Studie Humes<br />

Begründung des Geschmacks aus dem Blickwinkel der Science of man beleuchtet und die<br />

zweite, bedeutendere Studie die Funktion der Anthropologie detailliert nachweist. Spitzt man<br />

deren Resultate zu, kann man zeigen, daß Hume Geschichte, Religion, Erkenntnistheorie und<br />

Ästhetik anthropomorphisiert und eine anthropologische Vermögenslehre zum letzten Grund<br />

der Philosophie wird. Mit diesen Ergebnissen läßt sich die These einer Zäsur um 1750<br />

möglicherweise relativieren und die Periodisierung der Epoche der Aufklärung im Medium<br />

der Schübe des anthropologischen Denkens grundsätzlicher zur Debatte stellen als bisher.<br />

Das Projekt im Forschungskontext:<br />

Das DFG-Projekt hat ältere physiologisch-epistemologische Zugänge überprüft und insgesamt<br />

die Fixierung des Commercium-mentis-et-corporis-Komplexes durch den Bezug auf die<br />

Kantische Fragestellung einer pragmatischen Anthropologie reflexiv überboten.<br />

19


Naturalisierung, Empirisierung und Historisierung sowie die Spannung zwischen normativer<br />

Anthropologie und einer Anthropologie der Selbstregulierung waren die Zugangsannahmen<br />

zur Erschließung eines Selbstaufklärung der Aufklärung genannten Prozesses, die<br />

verschüttete Quellenbereiche wieder sichtbar machten, neue Periodisierungen der Epoche der<br />

Aufklärung erlaubten, unterschiedliche Denkkulturen (Frankreich / Deutschland) besser<br />

erkennten und Interdisziplinarität praktisch werden ließen.<br />

Analoge Forschungstendenzen in einzelnen Themenschwerpunkten fanden sich im<br />

Kolloquiumsprojekt der European Science Foundation „Man and Nature“ (1997-2002), an<br />

dem der Leiter des Projekts (1) der Forschergruppe maßgeblich beteiligt war. Der<br />

Wissenschaftsgeschichtler Peter Hanns Reill (University of California Los Angeles, Center<br />

for 17th and 18th Century) hat unser Konzept exklusiv vom Naturbegriff aus strukturiert. Die<br />

Literaturwissenschaft verbleibt in der Regel im engeren Raum der literarischen Anthropologie<br />

bzw. konzentriert sich seit einiger Zeit auf den Komplex Ästhetik / Einbildungskraft. Hier<br />

stand die Forschergruppe in persönlichem Kontakt zum traditioneller strukturierten SFB<br />

Literatur und Anthropologie (Konstanz) bzw. zur Forschungsgruppe Einbildungskraft<br />

(Bochum), die sich aus nicht in unserer Forschergruppe liegenden Gründen nicht verstetigen<br />

ließen.<br />

Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Projektansatz personell und von der Zahl der<br />

Zugänge zu gering ausgelegt war (was mit der Zufälligkeit der Situation einer <strong>Universität</strong> im<br />

Osten 1994f. zusammenhing) und in einer größeren Dimension wieder aufgenommen werden<br />

müßte.<br />

Aus heutiger Sicht wäre ein größeres Cluster, ggf. an zwei Standorten, die richtige<br />

Organisationsform für unsere Fragestellung gewesen.<br />

Forschungspräsentation:<br />

Neben den üblichen Präsentationsverfahren im Internet hat der Projektleiter das Projekt<br />

national und international vorgestellt: RZLG H. 1/2 1999, 29-31 und La recherche dixhuitièmiste.<br />

Objets, méthodes et institutions. Michel Delon et Jochen Schlobach (Hg.), Paris<br />

1998, S. 139-148. Ferner auf der Tagung „Innovation und Transfer – Naturwissenschaften,<br />

Anthopologie und Literatur im 18. Jahrhundert (Kamenz 1998). Schließlich in einer<br />

Erörterung zu kulturwissenschaftlichen Fragestellungen in der RZLG 2002, H. 1, S. 115-132.<br />

Die Forschergruppe präsentierte ihre Projekte und deren erste Ergebnisse auf dem von ihr<br />

veranstalteten Kolloquium: Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung:<br />

Anthropologie im 18. Jahrhundert, 18.-19. September 2000 (siehe Programm im<br />

Verlängerungsantrag S. 41). Eingeladen waren Spezialisten aus ähnlichen Bereichen und z.T.<br />

themenverwandten Gruppen (Literatur und Anthropologie SFB Konstanz, AG Histoire des<br />

traités du savoir-vivre, Clermont-Ferrand).<br />

Das Kolloquium ist als Band 24 der <strong>Halle</strong>schen Beiträge zur Europäischen Aufklärung<br />

(Niemeyer) publiziert, in dem auch die Qualifikationsarbeiten und die Kolloquien der<br />

Forschergruppe (siehe Liste der Publikationen) erscheinen.<br />

In die internationale Forschung hinein wirkte besonders nachhaltig der Projektleiter von<br />

Projekt (1), der mehrere Tagungen der European Science Foundation zum Thema „Man and<br />

nature“ inspirierte und betreute (siehe Einzelbericht).<br />

Die nationale Wirkung belegt das Kolloquium „Aufklärung und Anthropologie in<br />

Kooperation mit der Zeitschrift „Aufklärung“ (s.o., Liste der Publikationen) sowie die<br />

Ausrichtung durch die Projektleiter (1), (4), (5) der vorletzten Tagung der deutschen<br />

Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts zum Thema „Physis und Norm. Neue<br />

Forschungen zur Anthropologie“ (2003, Publikation 2006, bei Wallstein).<br />

20


Arbeits- und Ergebnisberichte der Projektleiter (Einzelprojekte)<br />

Bericht Projekt (0)<br />

‚Vernünftige Ärzte‘. <strong>Halle</strong>sche Psychomediziner und Ästhetiker in der<br />

anthropologischen Wende der Aufklärung unter besonderer Berücksichtigung des<br />

erfahrungswissenschaftlichen Werks von Johann Gottlob Krüger (1715-1759)<br />

Projektleiter: Carsten Zelle (Germanistisches Institut der Ruhr-<strong>Universität</strong> Bochum)<br />

wiss. Projektmitarbeiter:<br />

- Dr. Tanja van Hoorn (April 2002 bis Sept. 2004)<br />

- Dr. Rainer Godel (Okt. 2004 bis März 2005)<br />

stud. Projekthilfskräfte:<br />

- Brian McInnes (Sept. 2002 bis Febr. 2003)<br />

- Anne Hegemann (April 2003 bis März 2004)<br />

Laufzeit: April 2002 bis März 2005 (DFG Az ZE 276/10-1 und DFG Az ZE 276/10-2)<br />

1. Inhaltliche Darstellung<br />

Das Projekt zielte darauf, die anthropologische Wende vor der sog. anthropologischen Wende<br />

aufzuarbeiten, d.h. die entscheidende Umschaltung von – wie der Rahmenantrag formulierte –<br />

Systemdenken auf Empirie (mit den drei Kriterien: Empirisierung, Naturalisierung,<br />

Historisierung) von der Spätaufklärung nach 1770 in den Kontext der sog. ‚<strong>Halle</strong>schen<br />

Konstellation‘ um 1740/ 50 vorzudatieren. In den Blick notwendig Fachgrenzen<br />

übergreifender Forschungsarbeit geriet dadurch die komplexe institutionelle, disziplinäre und<br />

ideengeschichtliche ‚Gemengelage‘, die in <strong>Halle</strong> in der bipolaren Dynamik von preußischer<br />

Reformuniversität (seit 1694) und pietistischem Reformzentrum (Franckesche Anstalten, seit<br />

1695) zu einer intellektuellen ‚Brutstätte‘ paradigmatischer Umbrüche (empirische<br />

Psychologie bei Krüger, Psychotherapie bei Bolten, physiologischer Vitalismus bei Unzer,<br />

Ästhetik bei Baumgarten / Meier) und – im Blick auf das literaturwissenschaftliche Fachinteresse<br />

des Antragsstellers – neuer literarisierender und popularisierender Schreib- und<br />

Stilformen der Wissensdarstellung (u.a. Krügers Träume; Meier / Langes Moralische<br />

Wochenschriften, Unzers medizinische Wochenschrift Der Arzt) führte.<br />

Die zum Zeitpunkt der Antragstellung unterschätzte Komplexität der ‚<strong>Halle</strong>schen<br />

Konstellation‘ (die Wissensfelder Medizin, Philosophie und Theologie waren nicht nur durch<br />

die institutionelle Bipoloarität von Reformuniversiät und pietistischem Reformzentrum<br />

gepägt, sondern allein schon auf Seiten der <strong>Universität</strong> doppelt ‚besetzt‘: philosophisch:<br />

Wolffianismus / Thomasianismus, theologisch: Orthodoxie / Pietismus, medizinisch:<br />

Animismus (Stahl und Nachfolger) / Mechanismus (Hoffmann) zwang in der konkreten<br />

Projektarbeit zur Eingrenzung der Konstellation auf exemplarische Fälle. Für die<br />

Projektmitarbeit konnte zunächst Frau Dr. Tanja van Hoorn (April 2002 bis Sept. 2004)<br />

gewonnen werden, die aufgrund ihrer einschlägigen Dissertation zur (physischen)<br />

Anthropologie bei Georg Forster mit dem Forschungsparadigma der historischen<br />

germanistischen Anthropologieforschung vertraut war (und daher wenig eingearbeitet werden<br />

mußte). Nach dem Ausscheiden von Frau van Hoorn, die durch ein Förderstipendium des<br />

Landes Sachsen-Anhalt die Möglichkeit erhielt, ein eigenes Forschungsprojekt aufzubauen,<br />

konnte kurzfristig Herr Dr. Rainer Godel, mit dem bereits zuvor in Hinsicht auf die<br />

Anthropologie des 18. Jahrhunderts ein enger Diskussionszusammenhang bestand, eingestellt<br />

21


werden (Okt. 2004 bis März 2005), so daß der Personalwechsel kurz vor Abschluß des<br />

Projekts ohne größere Friktionen vonstatten gehen konnte.<br />

Im Einzelnen standen folgende Arbeitsschritte im Vordergrund:<br />

- Arrondierung und Auswertung der einschlägigen Forschungsliteratur zur Anthropologie<br />

der Aufklärung, zur geistes- und ideengeschichtlichen Situation in <strong>Halle</strong> um 1750, zum<br />

Kreis der ‚vernünftigen Ärzte‘ um Johann Gottlob Krüger in Abgrenzung zu anderen<br />

Konzepten der zeitgenössischen Medizin.<br />

- Aufarbeitung der Fakultätslandschaft der Fridericiana und ideengeschichtliche<br />

Positionierung ihrer Mitglieder, ca. 1720-1750; diesbezügliche Auswertung der halleschen<br />

Vorlesungsverzeichnisse in den Wöchentlichen Hallischen Anzeigen bzw. des Index<br />

lectionum (<strong>Universität</strong>sarchiv), 1729-ca. 1750.<br />

- Studien zur Situierung der ‚vernünftigen Ärzte‘ innerhalb der ideengeschichtlichen<br />

Konstellation von Thomasianismus, Wolffianismus, Stahlianismus, Hoffmannianismus,<br />

Pietismus und Orthodoxie. Herausarbeiten des bislang vernachlässigten, wesentlichen<br />

Einflusses Friedrich Hoffmanns auf die ‚vernünftigen Ärzte‘.<br />

- Vertiefung der medizingeschichtlichen Aufarbeitung des Komplexes ‚Mechanismus vs.<br />

Stahlianismus‘ sowie Fixierung der Epochenwende um 1750: die mechanistische<br />

Irritabilitätslehre <strong>Halle</strong>rs, das konkurrierende vitalistische Modell Whytts, die<br />

vermittelnden, neurophysiologischen Ansätze bei Krüger und Unzer.<br />

- Studien zur vergleichenden Analyse der Affektenlehre des Ästhetikers Meier (1744)<br />

gegenüber der Neuen Affektenlehre des ‚vernünftigen Arztes‘ Unzer (1746);<br />

Konturierung, Kontrastierung und Positionierung von Anthropologie und Ästhetik<br />

innerhalb der <strong>Halle</strong>schen Konstellation unter Berücksichtigung der rhetorischen Affektenund<br />

der medizinischen Temperamentenlehre. Vertiefung dieses Gesichtspunkts durch<br />

Erstellung einer Kontrollstudie zum Affekt des Lachens in der Psychophysik E. A.<br />

Nicolais und der metaphysischen Pathologie Meiers.<br />

- Recherchen zur Wissenschaftsgeschichte der ab 1740 von Abraham Trembley<br />

experimentell erforschten Süßwasserpolypen, mit denen sich u.a. der <strong>Halle</strong>sche<br />

Medizinstudent und spätere berühmte Experimentalphysiker Johann Gottlob Kratzenstein<br />

vor dem Hintergrund der Stahlschen Theorie einer den Körper belebenden Seele<br />

beschäftigt.<br />

- Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden innerhalb der Gruppe der<br />

‚vernünftigen Ärzte‘, Analyse der Bezugnahmen der Ärzte untereinander (insbes. Krüger,<br />

Unzer, Nicolai) sowie der Ärzte auf Ästhetiker (Baumgarten, Meier) und Philosophen<br />

(Wolff).<br />

- Aufarbeitung des wissenschaftshistorischen und philosophiegeschichtlichen<br />

Anspielungshorizontes von Krügers programmatischem Text Grundriß eines neuen<br />

Lehrgebäudes der Artzneygelahrtheit (1745).<br />

Daneben konnten, teilweise getragen durch die beiden studentischen Projekthilfskräfte Brian<br />

McInnes (Sept. 2002 bis Febr. 2003) und Anne Hegemann (April 2003 bis März 2004), u.a.<br />

(a) aufgrund der Auswertung gedruckter Vorlesungsverzeichnisse das Lehrangebot<br />

ausgewählter Professoren an der medizinischen bzw. philosophischen Fakultät der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Halle</strong> (1735-1755) sowie der <strong>Universität</strong> Helmstadt (1715-1759) tabellarisch erfaßt, (b) die<br />

vier Auflagen von Krügers Werk Träume (<strong>Halle</strong> 1754, 2 1758, ³1764, 4 1785) synoptisch<br />

verglichen, (c) Unzers Wochenschrift Der Arzt mit Hilfe von image-Dateien dokumentiert<br />

sowie (d) eine augenblicklich 24 Ordner umfassende, u.a. durch Register erschlossene<br />

Quellen- und Forschungsliteratursammlung zu den ‚vernünftigen Ärzten‘, insbesondere zu<br />

Krüger, angelegt werden. Die Korrespondenz <strong>Halle</strong>r / Krüger (1748-1752) wurde transkribiert<br />

(Kopie der Handschrift durch das Berner Brieferschließungsprojekt zu <strong>Halle</strong>r), Krüger<br />

22


etreffende Archivalien für die Helmstedter Zeit (u.a. Vorlesungszettel, Fakultätsvorgänge)<br />

wurden im Wolfenbütteler Staatsarchiv eingesehen und dokumentiert. Eine weitere, von Frau<br />

van Hoorn angelegte Quellen- und Forschungssammlung wird mit der eben erwähnten<br />

zusammengeführt und in den Büroräumen der Professur des Antragsstellers aufgestellt.<br />

Die Forschungsarbeit war örtlich gesplittet (van Hoorn / Godel: <strong>IZEA</strong> / <strong>Halle</strong>; Antragssteller /<br />

Hilfskräfte: Ruhr <strong>Universität</strong> Bochum), die Kooperation wurde durch Forschungsaufenthalte,<br />

moderne Kommunikationsmittel, ein gemeinsam mit Frau van Hoorn veranstaltetes<br />

Forschungsseminar und Vorträge / Seminarsitzungen im Rahmen der einschlägigen<br />

Lehrveranstaltungen des Antragsstellers gewährleistet.<br />

Wie erwartet führten diese exemplarischen Studien zur Enthomogenisierung kurrenter<br />

Deutungsmuster. Z.B. entpuppte sich der Gegensatz von Stahlschem Animismus und<br />

Hoffmannschem Mechanismus als weit weniger dramatisch, als es sich zunächst in der<br />

einschlägigen medizinhistorischen Forschung darstellte. Vielmehr stellte sich heraus, daß<br />

Hoffmann, namentlich durch seinen diätetischen, Gewohnheit und Affekt in den Vordergrund<br />

rückenden Ansatz sowie durch seine späten, popularmedizinischen Publikationen, die<br />

erstmals systematisch ausgewertet wurden, entscheidend zur Ausbildung einer (bisher dem<br />

Stahleinfluß zugeschriebenen) anthropologischen Taxonomie (z.B. bei Unzer / E. A. Nicolai)<br />

beigetragen hat. Auch die zur Pointierung benutzte Gruppenformel ‚vernünftige Ärzte‘ mußte<br />

zugunsten der Einbindung des thematisierten Personenkreises in eine freilich vielfältig<br />

kontextualisierbare Dynamik medizinisch-philosophischer, d.h. anthropologischer<br />

Wissensentfaltung in der europäischen Frühaufklärung abgeschwächt werden.<br />

Insgesamt mußte die aus heuristischen Gründen forcierte Anfangshypothese eines auch<br />

personell eng verbundenen ‚<strong>Halle</strong>schen Kreises‘ von Anthropologen und Ästhetikern<br />

zugunsten lockerer Koppelungen, d.h. einer wechselseitigen Positionsbeobachtung und eines<br />

unterschiedliche Paradigmen (Psychophysik vs. Metaphysik) übergreifenden<br />

Diskussionsprozesses relativiert werden. Die Leistung der ‚vernünftigen Ärzte‘, namentlich<br />

Krügers, bestand – so die von van Hoorn abschließend formulierte These – darin, eine<br />

Psychophysiologie des ‚ganzen Menschen‘ am Vorabend von <strong>Halle</strong>rs Lehre einer<br />

seelenunabhängigen Irritabilität zu entwerfen. Obwohl dieses ‚Lückenparadigma‘, wie<br />

rückblickend geurteilt werden kann, durch den Göttinger Vitalismus als umfassendes<br />

anthropologisches Modell schnell innerwissenschaftlich außer Kurs gerät, prägte es doch die<br />

physiologischen bzw. psychologischen Anschauungen der aufklärerischen und<br />

spätaufklärerischen Schriftstellergeneration, z.B. bei Klopstock, Winckelmann (der – wie die<br />

Kooperation mit Elisabeth Décultot von der ENS [Paris] ergeben wird – das<br />

Empfindungskapitel von Krügers Naturlehre ausführlich exzerpierte), Herder oder Schiller.<br />

2. Abschlußarbeiten<br />

Anne Hegemann: Leib-Seele-Problematik in diskursiven und literarischen Texten um 1750<br />

bis 1770 (Staatsexamensarbeit)<br />

Oliver Grenz: Die Anthropologie des Erzählers Schiller (Staatsexamensarbeit)<br />

Silvia Leunig: Der Traum in der neueren deutschen Literatur an signifikanten Beispielen<br />

(Staatsexamensarbeit)<br />

23


3. Lehrveranstaltungen<br />

Carsten Zelle:<br />

WS 2002/2003 Literarische Träume der Aufklärung (Hauptseminar)<br />

SS 2003 Anthropologische Erzählungen der Goethezeit (Proseminar)<br />

SS 2003 Affektenlehre und Ästhetik um 1750 (Hauptseminar)<br />

WS 2003/2004 Literarische Anthropologie im 18. Jahrhundert (Vorlesung)<br />

WS 2004/2005 Literatur und Anthropologie im Zeitalter der Aufklärung (Oberseminar,<br />

gemeinsam mit Tanja van Hoorn)<br />

4. Vorträge<br />

Carsten Zelle:<br />

13.-14. Juni 2002 „Johann August Unzers Gedanken vom Träumen (1746) im Kontext der<br />

Anthropologie der ‚vernünftigen Ärzte‘ in <strong>Halle</strong>“. Vortrag auf dem Kolloquium<br />

„Rethinking ‚The Sleep of Reason‘. Enlightenment Imagination“, Berlin, Max Planck-<br />

Institut für Wissenschaftsgeschichte und Northwestern University / Program for the Study<br />

of Imagination (Leitung: Fernando Vidal/Claudia Swan).<br />

28.-30. Juni 2002 „Erfahrung, Ästhetik und mittleres Maß – die Stellung von Unzer, Krüger<br />

und E.A. Nicolai in der anthropologischen Wende um 1750“. Vortrag auf der<br />

Internationalen Tagung „Natur und Natürlichkeit. Anthropologie und Ästhetik im Umkreis<br />

des Pietismus“ des Interdisziplinären Zentrums für Pietismusforschung, <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>, in Verbindung mit den Franckeschen Stiftungen in <strong>Halle</strong><br />

(Leitung: Josef N. Neumann, Wolfgang Ruf).<br />

22.-23. Nov. 2002 „Nietzsches ästhetische Anthropologie“. Vortrag auf der Arbeitstagung der<br />

Projektgruppe Ästhetik und Wissenschaftsgeschichte „Ästhetik von unten. Spekulation und<br />

Empirie im ästhetischen Wissen“ am Zentrum für Literaturforschung, Berlin (Leitung:<br />

Wolfgang Klein, Waltraud Naumann-Beyer).<br />

8.-11. Juli 2003 „Klopstock, das Erhabene und die Anthropologie um 1750“.<br />

Eröffnungsvortrag der Internationalen Fachkonferenz „Wort und Schrift. Das Werk von<br />

F. G. Klopstock (1724-1803)“ an den Franckeschen Stiftungen zu <strong>Halle</strong> / Saale (Leitung:<br />

Kevin Hilliard, Katrin Kohl, Christian Soboth).<br />

1.-4. Mai 2005 „Anthropologie im 18. Jahrhundert und das Textkorpus der ‚vernünftigen<br />

Ärzte‘“. Vortrag und Workshop im Rahmen des Doktorandenforums der Studienstiftung<br />

des deutschen Volkes in Weil der Stadt zum Thema „Anthropologie – der Blick des<br />

Menschen auf sich selbst. Gemeinsame Tagung der Foren ‚Literatur‘/‚Natur und<br />

Wissenschaft‘“.<br />

11.-12. Juli 2005 „Klopstocks Diät. Modellierung der Sinnlichkeit durch Ästhetik,<br />

Affektenlehre und Anthropologie um 1750“. Vortrag und Workshop am Gießener<br />

Graduiertenkolleg ‚Klassizismus und Romantik‘ (Leitung: Ansgar Nünning, Günter<br />

Oesterle).<br />

28. Aug. bis 1. Sept. 2005 „Zur Idee des ‚ganzen Menschen‘ im 18. Jahrhundert“.<br />

Hauptvortrag im Plenum des II. Internationalen Kongreß für Pietismusforschung. „Die<br />

‚Neue Kreatur‘ – Pietismus und Anthropologie“. Veranstaltet vom Internationalen<br />

Zentrum für Pietismusforschung (IZP) der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong> in<br />

Verbindung mit den Franckeschen Stiftungen zu <strong>Halle</strong> und der Historischen Kommission<br />

zur Erforschung des Pietismus (Einladung: Udo Sträter).<br />

30. Sept. bis 1. Okt. 2005 „Anthropologie und Ästhetik. Schillers frühe Schriften zum Theater<br />

(1782-1784)“. Vortrag auf dem Kolloquium „Esthétique de l’Aufklärung (1720-1780)“ an<br />

der École Normale Superière, Paris (Veranstalter: UMR du CNRS/ENS ‚Pays<br />

Germaniques/Équipe Transferts Culturels‘ / Leitung: Élisabeth Décultot, Stefanie<br />

Buchenau).<br />

24


Tanja van Hoorn:<br />

3.-10. Aug. 2003 „Rhetorical and Medical Theory of Passions: The Rise of Anthropology in<br />

the 1740s in <strong>Halle</strong>“. Eleventh International Congress on the Enlightenment, Los Angeles<br />

CA.<br />

9. Okt. 2003 „Hydra – der Süßwasserpolyp und die Commercium-Debatte des Anthropologie-<br />

Diskurses“. Jahrestagung der DGEJ (Tagungsthema: ‚Physis und Norm. Neue<br />

Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert‘), <strong>IZEA</strong>, <strong>Halle</strong> / Saale.<br />

Brian McInnes:<br />

Mai 2003 „Lebensgeschichte und Wissen vom Menschen um 1750“. <strong>IZEA</strong>, <strong>Halle</strong> / Saale.<br />

Juni 2003 „Lebensgeschichte und Wissen vom Menschen in Der Mensch“. Ruhr-<strong>Universität</strong><br />

Bochum.<br />

Nov. 2003 „Before Moritz: Anthropology and Moral Narrative around 1750“. German Studies<br />

Colloquium, Vanderbilt University, Nashville TN.<br />

März 2004 „Mitleid in <strong>Halle</strong>“. American Society for Eighteenth-Century Studies Annual<br />

Meeting, Boston MA.<br />

Nov. 2004 „Narrative Self-Discipline in Pietist Periodicals and Medical and Moral Weeklies“.<br />

Center for the Study of Religion and Culture Summer Fellows Symposium, Vanderbilt<br />

University, Nashville TN.<br />

5. Entstehende Promotionen<br />

Brian McInnis: Reading the Moral Code: Theories of Mind and Body in Eighteenth-Century<br />

Germany (PhD-Arbeit, gemeinsame Betreuung mit John McCarthy, Vanderbilt University,<br />

Nashville TN)<br />

Anne Hegemann: Wissen und Form – diskursive Darstellungsformen anthropologischen<br />

Wissens zwischen 1750 und 1800<br />

6. Arbeitskontakte<br />

Im Rahmen von Vortragstätigkeit / Arbeitskooperation sind Kontakte hergestellt worden mit:<br />

- German Dept. (Vanderbilt University, Nashville TN), namentlich mit John McCarthy<br />

- Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (Berlin), namentlich mit Vernando Vidal<br />

- Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> (<strong>Halle</strong>)<br />

- Zentrum für Literaturforschung (Berlin)<br />

- Graduiertenkolleg ‚Klassizismus und Romantik‘ (Gießen)<br />

- École Normale Superieure (Paris), namentlich mit Élisabeth Décultot, Stefanie Buchenau<br />

(UMR du CNRS/ENS ‚Pays Germaniques / Équipe Transferts Culturels‘).<br />

7. Publikationen (siehe Liste der Publikationen).<br />

25


Bericht Projekt (1)<br />

„Geschichte des Menschen“ / „Geschichte der Menschheit“<br />

Projektleiter: Dr. Jörn Garber (Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der<br />

europäischen Aufklärung der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

wiss. Projektmitarbeiter:<br />

- Gideon Stiening / Ernst Stöckmann: Die wissenschaftliche Gattung ‚Anthropologie‘<br />

- Jan Steinhaußen: Die pädagogische Anthropologie<br />

- Projektleiter Jörn Garber (mit wiss. Hilfskraft, Marianne Schröter):<br />

Menschheitsgeschichte<br />

Laufzeit 1998-2001<br />

1. Inhaltliche Darstellung<br />

Ziel des Projekts waren mehrere kommentierte Quellendokumentationen: Da Herr Dr.<br />

Steinhaußen vor Ablauf der ersten Bewilligungsphase das Projekt verließ, um in der<br />

Erwachsenenbildung eine Dauerstelle zu übernehmen, wurde das Projekt „Pädagogische<br />

Anthropologie“ nicht weiter verfolgt. Zu diesem Thema hat der Projektleiter einige Studien<br />

publiziert und ein Kolloquium „Stammutter aller guten Schulen. Der Dessauer<br />

Philanthropismus und die Erziehungstheorie der deutschen Aufklärung“ abgehalten, dessen<br />

Beiträge (insgesamt 15 Aufsätze) im Frühjahr 2006 in der Publikationsreihe des <strong>IZEA</strong><br />

(<strong>Halle</strong>sche Beiträge zur Europäischen Aufklärung) erscheinen werden.<br />

Die Fragestellung des gesamten Teilprojekts hat sich im Verlauf der Projektbearbeitung in<br />

folgender Weise verschoben: Die ursprünglich geplante Komplementäruntersuchung von<br />

individualbiographischen und gattungsbiographischen Konzeptionen (Mensch / Menschheit)<br />

wurde aufgegeben zugunsten einer wissenschaftsgeschichtlichen Dokumentation der<br />

Schriftgattung ‚Anthropologie’. Zugleich wurde die engere Menschheitsgeschichte (im Sinne<br />

einer physischen Anthropologie) erweitert um eine allgemeine Kulturgeschichte der<br />

Menschheit. Dieses Konzept wurde aus der ethnologischen Fundierung der<br />

Menschheitsgeschichte herausgenommen und an das kantische Projekt einer „pragmatischen<br />

Anthropologie“ angeschlossen. Diese Veränderung der Themenkonstruktion führte zur<br />

Ausgliederung bzw. Ausdifferenzierung eines dritten, für die zweite Förderphase<br />

vorgesehenen Dokumentationsprojekts, der Präsentation der Ethnologiekonzeptionen der<br />

deutschen Spätaufklärung (Dokumentationszeitraum: 1763-1820).<br />

Fortgeführt wurden nach Auslaufen der Förderung die Arbeiten an den beiden<br />

Quellendokumentationen 1. zur wissenschaftlichen Gattung ‚Anthropologie’ und 2. zur<br />

‚Menschheitsgeschichte’. Beide Dokumentationen sind im Korpus der ausgewählten Texte<br />

abgeschlossen, die Einzeltexte wurden kommentiert. Da der frühere Mitbearbeiter des Bandes<br />

‚Anthropologie’ gegenwärtig seine Dissertation zum Thema „Aisthesis und Ästhetik. Die<br />

anthropologische Grundlegung ästhetischer Theorie in der Spätaufklärung“ abschließt, konnte<br />

der Dokumentationsband zur Gattung Anthropologie noch nicht publiziert werden. Den<br />

zweiten Band zur Menschheitsgeschichte hat der Projektleiter selbst fertiggestellt. Er wird<br />

2007 unter dem Titel: „Anthropologie – Naturgeschichte – Menschheitsgeschichte (1750-<br />

1820)“ erscheinen. Ein Parallelband zur deutschen Aufklärungsethnologie, herausgegeben<br />

vom Projektleiter, ist in Vorbereitung und soll unter dem Titel: „Die Naturgeschichte der<br />

Kulturen. Ethnologische Theorien der deutschen Spätaufklärung“ (2009) erscheinen.<br />

Zu den besonders hervorzuhebenden Innovationen in den projektbezogenen Publikationen des<br />

Verfassers gehört die Wiederentdeckung der Vermögenslehre Villaumes und der Nachweis,<br />

daß die Menschheitsgeschichte aus dieser Art anthropologischer Konstruktion hervorgeht<br />

26


(Garber 1999b) und die Herausarbeitung der vorhegelschen Konstruktion einer Evolution des<br />

menschlichen Geistes aus dem Geist der Anthropologie bei Carus (Garber 2004).<br />

2. Arbeitskontakte, Kooperation und Außenwirkung<br />

Der Projektleiter hat in den Jahren 1997-2002 die Kolloquienreihe der Eureopean Science<br />

Foundation zum Thema “ Man and Nature „ inhaltlich betreut, und einige dieser Kolloquien<br />

selbst ausgerichtet. Drei dieser Kolloquien stehen vor der Publikation:<br />

- Tier und Mensch in der Aufklärung (Florenz), (mit Peter H. Reill)<br />

- Mensch, Menschheit, Menschheitsgeschichte (Wassenaar), (mit Wolfgang Pross, Hans-<br />

Erich Boedeker)<br />

- Mensch, Natur, Kultur (Lissabon), (mit Hans-Erich Boedeker)<br />

3. Vorträge<br />

Jörn Garber<br />

29. Jan. 1998 „Transformation von Rechtskategorien in Kulturkonzepte: Wielands poetische<br />

Zivilisationstheorie“. Vortrag auf der Tagung „Recht und Sprache in der Aufklärung“,<br />

Heidelberger Akademie der Wissenschaften.<br />

22. Mai 1998 „Von der Natur- zur Kulturgeschichte: Zivilisationstheorien der Europäischen<br />

Spätaufklärung“. Vortrag auf der Tagung „Aufklärung und Konservativismus“, Einstein-<br />

Forum Potsdam.<br />

23. Okt. 1998 „Natur und Kultur im Spiegel räumlicher Beschreibungssysteme des<br />

ausgehenden 18. Jahrhunderts“. Vortrag auf der Tagung „Landschaft und Text“,<br />

<strong>Universität</strong> Gießen, SFB „Gedächtniskulturen“ (Mitveranstalter Jörn Garber).<br />

22. März 1999 „Der Philanthropismus als pädagogische Bewegung“ Vortrag, Pädagogisches<br />

Seminar Hildesheim.<br />

26. April 1999 „Die Utopiekonzeption der „anthropologischen Wende““. Vortrag, Seminar<br />

für Politische Wissenschaften der <strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>.<br />

22. Juni 1999 „Lavaters und Goethes Auseinandersetzungen über die Physiognomik“.<br />

Vortrag, Franckesche Stiftungen <strong>Halle</strong>.<br />

23.-24. Sept. 1999 „Kameralismus und Philanthropismus: Technische Gesellschaftskonzeptionen<br />

der deutschen Spätaufklärung“. Tagungs- und Ausstellungseröffnung „Die<br />

Stammutter aller guten Schulen (I. Kant) Das Dessauer Philanthropinium 1774-1793“.<br />

19. April 2001 „Anthropologie und Historie um 1800“ Vortrag, Historisches Seminar der<br />

<strong>Universität</strong> Marburg,<br />

5. Okt. 2001 „Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt“, Leitung<br />

des Graduiertenworkshops auf der Jahrestagung 2001 der Deutsche Gesellschaft für<br />

die Erforschung des 18. Jahrhunderts.<br />

30. Nov. 2001 „Das 18. Jahrhundert als kulturhistorische Epoche“. Vortrag Deutsche<br />

Bankstiftung Frankfurt/Main.<br />

26. April 2002 „Geographie und Anthropologie im ausgehenden 18. Jahrhundert“. Vortrag<br />

beim Arbeitsgespräch an der <strong>Universität</strong> Marburg.<br />

12. Okt. 2002 „Die Anthropologie im Rahmen der frühneuzeitlichen Naturtheorie“. Vortrag<br />

auf dem Kolloquium „Die Veränderbarkeit des Menschen“, Institut für Geschichte der<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>.<br />

18. Nov. 2002 „Anthropologie und Soziologie um 1800“. Vortrag auf dem Kolloquium zum<br />

80. Geburtstag von Rudolf Vierhaus, MPI für Geschichte in Göttingen.<br />

28. März 2003 „Kants physische Geographie im Kontext der geographischen Aufklärungsdiskussion“.<br />

Vortrag an der <strong>Universität</strong> Marburg.<br />

9. Juli 2003 „L’histoire des etre vivants et le néo – natualisme (1750-1830)“ Vortrag auf der<br />

Tagung „La Nature humaine et l’Ideée d’Evolution“ an der <strong>Universität</strong> Löwen (Belgien).<br />

27


17. Okt. 2003 „Die Aufklärungsanthropologie – ein Vorläufer der modernen ‚historischen<br />

Anthropologie‘?“ Vortrag am Historisches Seminar der <strong>Universität</strong> Erfurt.<br />

21. Sept. 2004 „Das Korrespondentennetz des Dessauer Philanthropinums“ Vortrag,<br />

Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung Berlin.<br />

17. Nov. 2004 „Die Frühgeschichte der Menschheit im Zeitalter der Aufklärung und die<br />

moderne Anthropologieforschung“. Vortrag an der <strong>Universität</strong> Stuttgart (Studium<br />

generale: Werner Krauss-Vorlesung)<br />

4. Nachwuchsförderung<br />

Innerhalb des Projekts hat auch Nachwuchsförderung stattgefunden durch die Veranstaltung<br />

kleiner Kolloquien mit der naturwissenschaftlich-philosophisch inspirierten Projektgruppe des<br />

SFB Ereignis Weimar – Jena.<br />

Bericht Projekt (2)<br />

Anthropologie – Kontraktualismus – Utopie: Zur Konvergenz von Vertragsdenken und<br />

Utopie im 18. Jahrhundert.<br />

Projektleiter: Richard Saage (Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der<br />

europäischen Aufklärung, Institut für Politikwissenschaften der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong> <strong>Wittenberg</strong>)<br />

Wiss. Projektmitarbeiter<br />

- Dr. Klaus-Gert Lutterbeck<br />

- Axel Rüdiger,<br />

- Aicke Bittner M.A.<br />

1. Inhaltliche Darstellung<br />

Eine zentrale Prämisse des Gruppenantrages bestand in der Annahme, daß es um die Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts im aufklärerischen Diskurs zu einem Wechsel von der Leitwissenschaft<br />

der Mathematik („Geometrie“) zum Vorrang der Erfahrungswissenschaften mit eindeutiger<br />

Fokussierung auf die Anthropologie gekommen ist. Im Licht dieser Hypothese verfolgte mein<br />

Forschungsvorhaben ein doppeltes Ziel. Einerseits wollte es klären, ob sich und mit welchen<br />

Konsequenzen für das kontraktualistische und das utopische Denken die Aufklärung im Zuge<br />

dieses Paradigmenwechsels ihrer eigenen instrumentellen Verkürzung in Gestalt des<br />

utopischen Antiindividualismus bzw. des vertragstheoretischen Egoismus bewußt wurde.<br />

Andererseits sollte herausgefunden werden, ob und wie sich diese „anthropologische Wende“<br />

auf das utopische Denken selbst in Gestalt einer „Naturalisierung“ ausgewirkt hat, die die<br />

liberale Herrschaftsrepräsentation des englischen Landschaftsgartens ebenso prägte wie die<br />

anarchistische Vision des „Bon sauvage“. Die forschungsrelevante Frage war also, inwiefern<br />

diese beiden nur analytisch zu trennenden Denkbewegungen in ihrem Bezug aufeinander als<br />

Ausdruck einer anthropologisch fundierten „Selbstaufklärung der Aufklärung“ interpretiert<br />

werden können.<br />

Diese Hypothesen habe ich im Rahmen zweier Kolloquien zur „Politisierung des Utopischen<br />

im 18. Jahrhundert“ (mit Monika Neugebauer-Wölk) bzw. zum Thema „Von der Geometrie<br />

zur Naturalisierung. Utopisches Denken im 18. Jahrhundert zwischen literarischer Fikton und<br />

frühneuzeitlicher Gartenkunst“ (mit Eva -Maria Seng) zur Erörterung gestellt.<br />

28


In meinem Zwischenbericht im Rahmen des Verlängerungsantrages der Forschergruppe<br />

„Selbstaufklärung der Aufklärung“ vom März 2001 konnte ich erste Resultate nach der<br />

Auswertung von elf klassischen Utopien von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts bis zum<br />

Ausbruch der Französischen Revolution vorlegen. Sie ließen erkennen, daß die ihnen<br />

zugrunde liegenden politischen Vergesellschaftungsmuster fast durchgehend individualistische<br />

Elemente des modernen Naturrechts enthalten. Ferner konnte die Untersuchung zeigen,<br />

daß sie nicht nur die politische Sozialisation, sondern auch die Struktur der aus ihr<br />

hervorgehenden „idealen Gesellschaft“ kennzeichnen. Parallel zu diesen Individualisierungstendenzen<br />

des utopischen Diskurses konnten aber auch Spuren der anthropologischen Wende<br />

ausgemacht werden. Zwar im 17. Jahrhundert nur schwach ausgeprägt, beginnt sich mit dem<br />

Bätica-Entwurf Fénelons allmählich um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Hinwendung des<br />

utopischen Denkens zur Naturalisierung abzuzeichnen, die sich aber nur mühsam der<br />

Vorherrschaft des utopischen Systemrationalismus zu entziehen vermag und über<br />

„Mischformen“ kaum hinausgelangt. Der hegemoniale Durchbruch ist erst seit den 70er<br />

Jahren des 18. Jahrhunderts nachweisbar.<br />

In dem Zwischenbericht vom März 2001 wurde ferner festgestellt, daß die Beantwortung der<br />

Frage noch ausstehe, ob sich neben der „Kontraktualisierung“ des utopischen Denkens<br />

umgekehrt eine Utopisierung des kontraktualistischen Denkens abzeichnet. In der Perspektive<br />

dieser Fragestellung hat der Verf. Einzelstudien am Beispiel von Hobbes’ „Leviathan“,<br />

Lockes „Zweiter Abhandlung“, Spinozas „Theologisch-Politischem Traktat“ und „Polischem<br />

Traktat“, Pufendorfs „Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der<br />

Natur“, Wolffs „Grundsätzen des Natur- und Völkerrechts“ sowie Rousseaus „Contrat Social“<br />

und dessen „Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“ durchgeführt. Bis zur<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts verharren diese Autoren in kritischer Distanz zum utopischen<br />

Diskurs, legen sich auf die egoistische Natur des Menschen fest und deduzieren ihre<br />

systematischen Schlüsse more geometrico. Erst mit Rousseaus „Contrat social“ gewinnt die<br />

Konvergenz von Vertragsdenken und Utopie an Boden: Jetzt aber mit schulemachender<br />

Intensität.<br />

Auch wenn sich Rousseau als Utopiekritiker und damit als Kontraktualist profilierte, zeigt die<br />

Analyse des „Contrat social“, daß trotzdem utopische Elemente in dieses Muster<br />

stillschweigend Eingang gefunden haben: Sie reichen von seiner Konzeption des „neuen<br />

Menschen“ und seinem Ansatz der holistischen Nutzenmaximierung über die<br />

Perhorreszierung des individuellen und sozialen Konflikts bis hin zu seinem<br />

antipluralistischen Gesellschaftsmodell. Weitere Forschungen, die im nächsten Jahr<br />

abschließend in Angriff genommen werden sollen, sind notwendig, um folgende Fragen zu<br />

klären: Was mag den Kontraktualisten Rousseau bewogen haben, das vertragstheoretische<br />

Muster mit utopischen Elementen anzureichern? Worin bestand sein Motiv, die sich seit dem<br />

16. Jahrhundert herausbildende Konfrontation zwischen einem individualistischen und einem<br />

kollektiven Weg in die Moderne aufzubrechen? Hat Rousseaus Konvergenz-Modell<br />

schulemachend in Europa gewirkt? Wenn dies der Fall ist: Welche praktischen Konsquenzen<br />

trieb dieser Vorgang vor allem im Blick auf die Französische Revolution aus sich heraus?<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich die im ursprünglichen Projektpapier<br />

dargelegte Hypothese einer möglichen Konvergenz von Vertragsdenken und Utopie als<br />

fruchtbar und weiterführend erwiesen hat, gleichgültig, ob die Problematik von dem einen<br />

oder dem anderen Pol her aufgerollt wird. Allerdings sind in der Fortführung des Projekts<br />

noch eine Reihe von Defiziten zu beheben. So ist bei dem bisherigen Forschungsstand primär<br />

auf die Auswertung der Quellen Wert gelegt, die Forschungsliteratur aber nur gelegentlich<br />

berücksichtigt worden. Auch ist im Falle Rousseaus und Diderots die Quellenlage unbedingt<br />

29


durch die einschlägigen Romane zu erweitern, die wichtige Aspekte der lebensweltlichen<br />

Umsetzung der Konvergenz-Problematik enthalten könnten. Es ist geplant, die Monographie<br />

2007 abzuschließen und im LIT-Verlag Münster zu veröffentlichen.<br />

2. Publikationen (siehe Liste der Publikationen).<br />

Bericht Projekt (3)<br />

Utopie−Anthropologie−Politik. Strukturen und Strategien des Geheimbunds der<br />

Illuminaten im Kontext der Spätaufklärung<br />

Projektleiterin: Prof. Dr. Monika Neugebauer-Wölk (Institut für Geschichte der <strong>Martin</strong>-<br />

<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

Wiss. Projektmitarbeiter:<br />

- Dr. Hermann Schüttler<br />

- Reinhard Markner, M. A.<br />

Inhaltliche Darstellung<br />

Der Erstantrag (1998) enthielt zwei Projektschwerpunkte: 1. Aufbereitung und Erschließung<br />

des umfangreichen (weitgehend ungedruckten) Quellenmaterials der illuminatischen<br />

Ordenskorrespondenzen bzw. völlige Neubearbeitung, Ergänzung und Korrektur des<br />

Mitgliederverzeichnisses, 2. die Auswertung dieses Materials in Bezug auf das Rahmenthema<br />

der Forschergruppe. − In den ersten drei Arbeitsjahre verschob sich das zunächst<br />

gleichgewichtig geplante Verhältnis beider Projektaufgaben zugunsten der Quellenarbeit, da<br />

es sich bald erwies, daß die zunächst geplante Form einer exemplarischen Dokumentation<br />

nicht geeignet war, als zuverlässige Grundlage der Gruppenarbeit, aber vor allem auch der<br />

weiteren Forschung insgesamt zu dienen. So entwickelte sich das Projekt einer umfassenden<br />

Edition, angelegt auf zwei Bände mit sachgerechter und detailbezogener Kommentierung.<br />

Der Schwerpunkt der auswertend-thematischen Arbeit verschob sich im Fortgang der Arbeit<br />

ebenfalls, und zwar zugunsten einer deutlicheren Integration des Teilprojekts in das<br />

Rahmenthema. War die Antragstellerin zunächst entsprechend der Wahrnehmung des<br />

Illuminatenordens nach dem Forschungsstand davon ausgegangen, daß es sich um ein primär<br />

politikgeschichtliches Projekt der Spätaufklärung handelt, so ließ die Erschließung des<br />

Briefmaterials bald erkennen, daß die Komponenten utopischen und anthropologiebezogenen<br />

Denkens weit stärker ausgeprägt waren. Die Antragstellerin hat den politikrelevanten Aspekt<br />

der ursprünglichen Fragestellung daher aus dem Projekt im engeren Sinne ausgegliedert und<br />

im Juni 2003 in einem eigenen Workshop behandelt (M. Neugebauer-Wölk [Hg.]:<br />

„Arkanwelten im politischen Kontext“, erschienen als Themenheft der Zeitschrift<br />

„Aufklärung“, Bd. 15, 2003). Für das Teilprojekt der Forschergruppe hat die Projektleiterin<br />

bereits in ihrem Beitrag zur Forschergruppentagung vom September 2000 eine entsprechende<br />

Neuakzentuierung eingeleitet („Praktische Anthropologie für ein utopisches Ziel:<br />

Menschenbeobachtung und Menschenbildung im Geheimbund der Illuminaten“). Der<br />

Fortsetzungsantrag vom März 2001 dokumentierte diese Präzisierung durch den neuen<br />

Haupttitel des Projekts, der sich nun auf das Verhältnis von „Utopie und Anthropologie im<br />

arkanen Netzwerk“ bezog. Insgesamt traten für die Arbeit der Gruppe jetzt Fragestellungen in<br />

den Mittelpunkt, die auf das Verständnis der ordensinternen Ausbildung des „Ganzen<br />

Menschen“ angelegt waren: der Niederschlag anthropologischen Denkens in der<br />

Alltagskommunikation des illuminatischen Netzwerks erwies sich als völliges Neuland der<br />

30


Forschung. Zahlreiche Einzelhinweise und weiterführende Belege zu diesem Kontext sind<br />

bereits in die Kommentierung zum ersten Band der Korrespondenzedition eingegangen. Im<br />

Juli 2003 hat Hermann Schüttler im Rahmen einer Forschergruppensitzung einen Überblick<br />

zu den Resultaten der themenspezifischen Arbeit gegeben: „Die geheime Weisheitsschule. Zu<br />

den pädagogisch-anthropologischen Grundsätzen des Illuminatenordens“ (MS). Die Studien<br />

zum arkanen Netzwerk des Ordens wurden im Ergebnis der fünfjährigen Arbeitsphase der<br />

Neuausgabe des Mitgliederverzeichnisses zugeordnet. Hermann Schüttler hat dazu bereits<br />

eine Vorstudie vorgelegt: „Johann Friedrich Mieg und die Organisation des Illuminatenordens<br />

in der Kurpfalz“ (erschienen 2003). Ebenfalls in den Netzwerkkontext gehört Schüttlers<br />

Untersuchung zum Verhältnis zwischen Freimaurerei und Illuminatenorden im<br />

Zusammenhang mit dem Freimaurerkonvent von 1782: „Der Wilhelmsbader<br />

Freimaurerkonvent im Spiegel der Illuminaten“ (erschienen 2002).<br />

Die Gutachter der DFG haben im Juli 2004 die Relevanz der Ergebnisse dieses Teilprojekts<br />

dadurch anerkannt, daß sie einem zweiten Fortsetzungsantrag der Projektleiterin in vollem<br />

Umfang entsprochen haben. Die Arbeiten daran laufen seit Oktober 2004 zum Thema<br />

„Praktische Anthropologie für ein utopisches Ziel. Das Netzwerk der Illuminaten in der<br />

‚Zweiten anthropologischen Wende’ der Aufklärung“. Im August 2005 ist der erste<br />

Editionsband erschienen: Reinhard Markner / Monika Neugebauer-Wölk / Hermann Schüttler<br />

(Hg.), Die Korrespondenz des Illuminatenordens, Bd. 1 (1776-1781), Tübingen. Eine<br />

ausführliche Einleitung von Reinhard Markner ordnet diese Materialbearbeitung in die<br />

Überlieferungsgeschichte des Ordens selbst und die bisherige Quellenforschung ein. (Das<br />

breite öffentliche Interesse an dieser Thematik dokumentiert ein darauf repliziender Artikel<br />

im SPIEGEL: Johannes Saltzwedel: „Post von Spartacus“, Nr. 40 v. 1. Okt. 2005, S. 204-<br />

206). Noch in der Bewilligungsphase der fünfjährigen Forschergruppenarbeit hatten die<br />

Arbeiten am zweiten Band der Edition begonnen, der jetzt bereits im Dokumententeil<br />

fertiggestellt ist: die Kommentierung wird im Laufe des kommenden Jahres ebenfalls<br />

abgeschlossen sein.<br />

Bericht Projekt (4)<br />

Anthropologie – Erzählen – Verhalten: Narrativik und Verhaltensschrifttum in der<br />

französischen Spätaufklärung<br />

Projektleiter: Prof. Dr. Heinz Thoma (Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung<br />

der europäischen Aufklärung, Institut für Romanistik der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong><br />

<strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

Wiss. Projektmitarbeiter<br />

- Dr. Christophe Losfeld BAT IIa, halbe Stelle 9/1998-2001, ganze Stelle 10/2001-4/2003,<br />

ersetzt durch Michael Schneider M.A. für den Rest der Laufzeit (10 Monate BAT IIa,<br />

halbe Stelle)<br />

- Björn Schaff BAT IIa, halbe Stelle, 9/1998-8/2001<br />

1. Inhaltliche Darstellung<br />

Im Rahmen des Gesamtprojekts hatte das Vorhaben zum Ziel, die Narrativik der Aufklärung<br />

im Spannungsfeld von Erfahrung und Erwartung, Natur und Geschichte, Privatheit und<br />

Öffentlichkeit zu untersuchen und diese Untersuchung durch eine Analyse des<br />

Verhaltensschrifttums zu begleiten. Das Projekt bewegte sich damit auf der Ebene der<br />

31


Hypothesenbildung innerhalb des Gesamtprojekts auf dem Feld der normativen<br />

Anthropologie (siehe Erstantrag S.16-17).<br />

1.1. Projektbereich Narrativik:<br />

Die Arbeiten der ersten Förderphase privilegierten am Beispiel eines Corpus von 200<br />

Erzählungen (Bearbeiter Björn Schaff) zunächst die Gattung des Conte moral, die nach<br />

Abschluß der Untersuchung als Ausweg der aus der Krise der Gattung Civilité mit narrativen<br />

Mitteln, in einem weiteren Rahmen als Versuch der Ablösung der Moral aus einem religiösen<br />

Begründungszusammenhang interpretiert werden kann. Im einzelnen erschien als Resultat: im<br />

Plot die Dominanz von Bekehrung und Prüfung, eine extreme Typisierung des Personals<br />

sowie eine Tugend- bzw. Lastersemantik aus antiken und christlichen sowie höfischen<br />

Quellen. Psyche und Norm fallen in dieser Erzählweise wesentlich zusammen. Die Verteilung<br />

der Semantik auf das Personal ergab das Modell einer transständisch intendierten Elite, einer<br />

narrierten säkularen Moral, eines habituellen Angebots, das zwischen Rousseaus „nature“ und<br />

der „politesse“ thematisch-stilistisch Brücken baut. Marmontel ist der Prototyp dieses<br />

Erzählens.<br />

Der Antragsteller hat diese Arbeiten zum Conte moral durch eigene Beiträge vorbereitet und<br />

begleitet und gezeigt, wie die großen Autoren das moralische Erzählen parodieren,<br />

destruieren, aber auch im Ton zu heben versuchen (1997, 1999a, 1999b, 2000, 2004). Die<br />

Avantgarde der Aufklärung nutzt also den Typ der moralischen Erzählung zum Experiment<br />

für die Selbstaufklärung der Aufklärung.<br />

Mit dem nahenden Ende der ersten Förderphase war eine Entscheidung zu treffen, ob dieser<br />

Projektteil fortgesetzt werden sollte. Die von den Gutachtern geltend gemachten Reserven<br />

zum quantitativen Teil des Erstantrags haben sich insofern bestätigt, als bereits in einem<br />

Korpus von 200 Texten die Befunde sich zu wiederholen begannen.<br />

Das zeitintensivere und letztlich ergebnisträchtigere Quellenkorpus des Verhaltensschrifttums<br />

ließ es angeraten sein, für den zweiten Mitarbeiter zum Verhaltensschrifttum eine ganze Stelle<br />

zu beantragen, den Mitarbeiter zum Thema Narrativik zur höheren Konkretion auf das Thema<br />

der Konversation zu orientieren und in anderer Form weiter zu beschäftigen (erste Ergebnisse:<br />

Schaff 2005, 2006).<br />

Im Blick auf die geplante Monographie des Projektleiters hat dieser eine größere Studie zu<br />

Diderot veröffentlicht (Thoma 2004). Für weitere Studien dieser Art hat der wiss. Mitarbeiter<br />

Schneider nach dem Ausscheiden von Herrn Losfeld, der ein halbes Jahr vor Vertragsende<br />

eine kurzfristig angebotene Beamtenstelle im Schuldienst annahm, bibliographische und<br />

inhaltliche Vorarbeiten geleistet.<br />

1.2. Projektbereich Verhaltensschrifttum:<br />

Die Entscheidung, diesen Projektbereich gegenüber der Narrativik zu stärken und den<br />

promovierten Mitarbeiter (Christophe Losfeld) mit einer ganzen Stelle zu betrauen, hat sich<br />

von der Effizienz her als gerechtfertigt erwiesen. Der Mitarbeiter, der derzeit im Schuldienst<br />

ist, hat im wesentlichen seinen Arbeitsplan aus dem Verlängerungsantrag inhaltlich ausgefüllt<br />

und reicht im Dezember 2005 eine Habilitationsschrift ein, deren Resultate hier knapp in<br />

deutscher Sprache zusammengefaßt werden.<br />

Die 400 Seiten umfassende Arbeit unterscheidet für den Zeitraum von 1660-1789 drei große<br />

konkurrierende Typen der Verhaltensschriften: einen christlichen und katholischen Typus mit<br />

dem anthropologischen Grundargument des Sündenfalls (1); einen zweiten, der die Tugend<br />

bzw. das richtige Verhalten wesentlich auf die Monarchie hinlenkt (2); einen dritten, der<br />

weiterhin und verstärkt auf Distinktion setzt (3). Die Studie, die davon ausgeht, daß die<br />

Präzeptistik im einzelnen sich wenig ändert, wohl aber ihre Konstellation, innoviert auf<br />

mehreren Ebenen: sie kann Erfolgsautoren (Courtin, Claville) präzise als Kompromißbildner<br />

zwischen der ersten und zweiten Strömung in unterschiedlichen Ausgangslagen beschreiben.<br />

32


Sie zeichnet den langsamen Verlust des Geltungsanspruchs der ersten Strömung nach, den sie,<br />

ohne daß er je völlig verschwände, an eine Strömung abgibt, die im Namen einer „loi<br />

naturelle“ die christlichen Werte säkularisiert und ‚verbürgerlicht‘ (Toussaint). Im Blick auf<br />

die Annahme einer anthropologischen Wende deuten die Ergebnisse der Habilitationsschrift<br />

darauf, daß auch die normative Anthropologie im engeren Sinn in ein neues<br />

Koordinatensystem eintritt, indem die Zentralstellung des Menschen als Teil der Natur und<br />

der damit verknüpfte Beginn der Kulturkritik (Thoma 2002) die gesellschaftlichen<br />

Begründungen des Handelns und damit auch das Verhaltensschrifttum qualitativ verändern:<br />

Es beginnt eine radikalere Debatte als zuvor um die Überformung des Verhaltens durch die<br />

Politesse (Toussaint, Rousseau u.a.), um die Authentizität und Relativität von Normen<br />

(Duclos, Soubeyan de Scopon), um eine neue Begründung der Universalität von Pflichten.<br />

Diese Debatte zeigt, wie sich die Präzeptistik in der Tendenz weg von Distinktion, Stand und<br />

Monarchie bewegt und wie sie, unter der Annahme einer positiv gesetzten Soziabilität des<br />

Menschen (die auch die christliche Reflexion ergreift) sich hin zu neuen Parametern wie<br />

Funktion, Erziehung und Nation zu orientieren beginnt (Rousseau, La Chalotais). Mit diesem<br />

Übergang bereitet sich eine letzte Etappe vor, in der zur Verbesserung von gesellschaftlichem<br />

Verhalten nach gesetzgeberischen Maßnahmen verlangt wird. Distinktionsfragen<br />

transformieren sich in nun öffentlich erörterte Fragen nach der richtigen Ordnung der<br />

Gesellschaft und die Politesse verengt sich zu einem Thema der Geselligkeit bzw. der<br />

Etikette.<br />

1.3. Zusammenschau der beiden Projektteile<br />

Das Projekt hat für den Bereich des Verhaltensschrifttums und seiner Entwicklung auch<br />

gegenüber der erfolgreichen Equipe um Alain Montandon (Clermont-Ferrand) und im<br />

Kontakt mit ihr zu innovieren gewußt. Mit der Habilitationsschrift von Herrn Losfeld wird im<br />

Ansatz ein französisches Pendant zu Manfred Beetz’ Frühmoderne Höflichkeit vorliegen,<br />

dessen Andersartigkeit auch für den Kulturvergleich interessant ist. Losfelds Studie wird die<br />

These erlauben, daß selbst eine so stabile Gattung wie die Präzeptistik auf die<br />

anthropologische Zäsur von 1750 reagiert. Auch die moralische Erzählung ist Teil dieser<br />

anthropologischen Wende und lenkt ihr Radikalisierungspotential in versöhnliche Bahnen. Im<br />

weiteren scheinen moralische Erzählung und Verhaltensschrifttum nach einer Phase der<br />

synergetischen Kovivenz, die vor allem in Toussaints zwischen fiktiven Situationen und<br />

Traktatstil sich bewegendem Les moeurs (1748) zum Ausdruck kommt, in der Spannweite der<br />

Parameter schließlich auseinanderzutreten. Jedoch ist beiden normativen Gattungen zu eigen,<br />

daß sie an Geltung und Substanz in dem Maße verlieren, wie ihre Sollgeltungen Realität<br />

werden oder Illusion bleiben, die Religion wieder in Geltung tritt und ihre Gegenstände<br />

professionalisierter Beobachtung und Deutung unterzogen bzw. vom entstehenden<br />

Wissenschafts- und Fakultätensystem (Philosophie, Psychologie, Soziologie) in eigene<br />

Domänen übergeführt werden. Eine solche Sicht auf das Verhaltensschrifttum und die<br />

Narrativik der Aufklärung wurde wesentlich durch die anthropologische Perspektive<br />

geschärft. Diese wirft auch ein Licht auf das Ende der Moralistik als Verbindung von<br />

Wissenschafts- und Kunstform (Thoma 2002).<br />

2. Kooperation<br />

Forschergruppe:<br />

Innerhalb der Forschergruppe gab es eine enge Kooperation zum Projekt (5) über das<br />

Vorurteil, wobei sich am Beispiel der Studie von Berg (Projekt 5a) Parallelen zum<br />

Verhaltensschrifttum (Dominanz der Konstellation vor den gleichbleibenden Inhalten im<br />

Verhaltensschrifttum, Erzähltypologie) und einige substantielle Unterschiede zum<br />

französischen Bereich zeigten, der bekanntlich die Entwicklung zum Bildungsroman nicht<br />

33


kennt. Arbeitszusammenhänge gab es auch zum Projekt (2) „Zur Konvergenz von Utopie und<br />

Vertragsdenken“, speziell am Beispiel Rousseaus zum Problemfeld Utopie als literarische und<br />

Gattung versus politiktheoretische Systembildung.<br />

3. Vorträge<br />

Der Projektleiter hat zum Romanistentag 2001 (München) seine Studie zu Rousseau (2002)<br />

vorgetragen.<br />

Der Projektmitarbeiter Losfeld stellte seine Arbeit zu Morelly vor der DFG-Forschergruppe<br />

zur Einbildungskraft im 18. Jahrhundert (<strong>Universität</strong> Bochum, Leitung Rudolf Behrens) vor.<br />

Weitere Vorträge von Herrn Losfeld erfolgten im Rahmen von Kolloquien zum<br />

18. Jahrhundert: Civilité, politesse et éducation nationale (<strong>Universität</strong> Brno); Esthétique et<br />

politique (<strong>Universität</strong> Novi Sad); La civilité de Claude Buffier (<strong>Universität</strong> Montpellier).<br />

Beide Projektmitarbeiter trugen beim DGEJ-Kolloquium „Physis und Norm“ (2003) vor. Herr<br />

Schaff im Workshop für Nachwuchswissenschaftler.<br />

4. Publikationen (siehe oben Bibliographie nach Projekten)<br />

Bericht Projekt (5) und (5a)<br />

Vorurteile und Anthropologie in der Literatur der deutschen Aufklärung<br />

Vorurteile im Verhalten<br />

Projektleiter: Prof. Dr. Manfred Beetz (Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung<br />

der europäischen Aufklärung, Germanistisches Institut der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong><br />

<strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

Wiss. Projektmitarbeiter:<br />

- Dr. Rainer Godel,<br />

- Gunhild Berg M.A., seit 2005 Dr. des.<br />

1. Projektbericht<br />

Mit dem Projekt „Vorurteile und Anthropologie in der Literatur der deutschen Aufklärung“<br />

war ein weites Forschungsfeld umrissen, das aufgrund seiner Vielfalt an Problemstellungen<br />

und Untersuchungsperspektiven zunächst zu präzisieren war. Der Bearbeiter Dr. Rainer Godel<br />

wandte sich dem theoretischen Vorurteilsdiskurs und der deutschen Vorurteilsdiskussion<br />

vorwiegend in der Popularphilosophie der Aufklärung zu, während der Projektleiter sich auf<br />

die literarische Verarbeitung und Umsetzung der Vorurteilsanalyse in Romanen und<br />

Reiseberichten konzentrierte.<br />

Dr. Rainer Godel legte als wichtigstes Ergebnis im Juni 2005 an der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong> seine aus dem DFG-Projekt erwachsene Habilitationsschrift vor,<br />

daneben publizierte er sieben weitere Beiträge zum Vorurteilsdiskurs der deutschen<br />

Aufklärung, u.a. den in der aktuellen Forschung mehrfach beachteten Beitrag in der DVjs<br />

2002 „Eine unendliche Menge dunckeler Vorstellungen“. In seiner 475 Seiten umfassenden,<br />

methodisch anspruchsvollen Habilitationsschrift „Vorurteil – Anthropologie – Literatur. Der<br />

Vorurteilsdiskurs als Modus der Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert“ erarbeitet Godel auf<br />

breiter Textbasis grundlegend die Vorurteilsdebatte auf ihren popularphilosophischen und<br />

literarischen Feldern. Er definiert unterschiedliche Vorurteilsbegriffe, geht auf die<br />

Konnexionen von Aufklärung, Anthropologie- und Vorurteilsdiskurs ein, behandelt<br />

34


verschiedene Formen der Rehabilitierung und Instrumentalisierung des Vorurteils sowie der<br />

literarischen Transformierung der Vorurteilsdiskussion.<br />

Dr. des. Gunhild Berg hat als Bearbeiterin des Projektteils (5a) „Vorurteile im Verhalten“ vier<br />

einschlägige Aufsätze publiziert und ihre Promotion abgeschlossen. Derzeit richtet sie ihre<br />

Dissertation unter dem Titel „Erzählte Menschenkenntnis. Moralische Erzählungen und<br />

Verhaltensschriften der deutschsprachigen Spätaufklärung“ (Tübingen 2006) für den Druck<br />

im Niemeyer Verlag ein. Die Dissertation untersucht, in welchem wechselseitigen Verhältnis<br />

Richtlinien der Moral, des Umgangs und der Menschenkenntnis stehen und wie sie in<br />

moralischen Erzählungen umgesetzt werden. Bei der Problematisierung des Urteils über<br />

andere gehen Autoren wie Garve oder Feder auf nationale, politische und religiöse Vorurteile<br />

ein, denen Urteile über Sitten ausgesetzt sind. Wichtige Teilergebnisse der Dissertation sind<br />

mithin dem Forschungsprojekt „Vorurteile im Verhalten“ geschuldet.<br />

Ich selbst habe in vier Aufsätzen die Umsetzung der Vorurteilsreflexion in Erzähltexten der<br />

Aufklärung untersucht: an Wielands „Agathon“ (2004), an J. J. Engels Roman „Herr Lorenz<br />

Stark“ (2005), an Wezels Anthropologie und seinem Roman „Belphegor“ und zusammen mit<br />

R. Godel an Georg Forsters Beschreibung seiner Weltreise. Auf anthropologische<br />

Fragestellungen bin ich in weiteren Beiträgen zur Rokokolyrik (2001), zu Anakreontik und<br />

Rokoko im Bezugsfeld der Aufklärung (2005), zur Körpersprache im Wandel der deutschen<br />

Rhetorik vom 17. zum 18. Jahrhundert (2000), zur Höflichkeit des Körpers (2005) und zu<br />

Hamann (2005) eingegangen, bin auch Mitherausgeber des Rhetorik-Jahrbuchs zu Rhetorik<br />

und Anthropologie (Bd. 23, 2004).<br />

Zusammenfassend laßt sich resümieren, daß die Forschungsprojekte nicht nur erfolgreich zur<br />

Profilierung des wissenschaftlichen Nachwuchses beigetragen haben, sondern auch Resonanz<br />

in der internationalen Germanistik gefunden haben: Der Projektleiter besuchte mit Dr. Godel<br />

den 11 th International Congress on the Enlightenment in Los Angeles 3.-10.8.2003 und leitete<br />

eine Session über „Prejudice and Enlightenment“, er wurde ferner mit Rainer Godel von Hans<br />

Adler und Simone Zurbuchen zum 37 th International Wisconsin Workshop (16.-19.9.2004)<br />

„Prejudice and Enlightenment“ nach Madison / Wiconsin eingeladen. Die englischen Beiträge<br />

werden in den Tagungsakten publiziert. Herr Godel ist derzeit Stipendiat der<br />

Humboldtstiftung in Madison.<br />

2. Publikationen (siehe oben Bibliographie der Einzelprojekte)<br />

Bericht Projekt (6)<br />

Philosophie – Anthropologie – Ästhetik: Der anthropologische Diskurs in der Ästhetik<br />

des Scottish Enlightenment und sein Einfluß in Deutschland<br />

Projektleiter (formal): Prof. Dr. Heinz Thoma (Interdisziplinäres Zentrum für die<br />

Erforschung der europäischen Aufklärung, Institut für Romanistik der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>)<br />

wiss. Projektmitarbeiter:<br />

Prof. Dr. Karl-Heinz Schwabe<br />

35


Projektbericht<br />

Ausgehend von der im Gruppenantrag thematisierten anthropologischen Wende der<br />

Spätaufklärung, wurde in dem Teilprojekt „Der anthropologische Diskurs in der Ästhetik des<br />

Scottish Enlightenment und sein Einfluß in Deutschland“ nach der Bedeutung<br />

anthropologischer Prämissen für die Neuformulierung der theoretischen Fundamente und<br />

methodischen Leitlinien in der Philosophie und speziell in der Ästhetik der schottischen<br />

Aufklärung sowie nach ihrer Wirkung im europäischen Kontext gefragt. Ziel der<br />

Untersuchungen war es, die spezifischen Aspekte der anthropologischen<br />

Argumentationsstruktur in Schottland zu erfassen. Zu diesem Zweck wurden vor allem<br />

Werke, Briefe und Manuskripte von David Hume, Henry Home (Lord Kames), Thomas Reid,<br />

James Beattie, Adam Ferguson, Adam Smith und weiteren Autoren in ihrem Umfeld<br />

analysiert.<br />

Im Ergebnis der durchgeführten Arbeiten konnte gezeigt werden, daß die Frage nach der<br />

Natur des Menschen in Schottland vor allem mit Humes Frühwerk „A Treatise of Human<br />

Nature“ ins Zentrum philosophischer Überlegungen rückt. Hume greift dabei auf die englischschottischen<br />

Traditionen von Hobbes, Locke, Shaftesbury, Mandeville, Berkeley, Butler und<br />

Hutcheson zurück, durch deren kritische Verarbeitung er zu einem philosophischen<br />

Neuansatz gelangt. Diese lange Traditionslinie weist darauf hin, daß die anthropologische<br />

Fragestellung in Britannien keine zeitlich eng umgrenzte Geisteshaltung ist. Hume hat ihr<br />

aber in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts eine neue Richtung gegeben, indem er sich<br />

von der teleologischen Weltvorstellung Shaftesburys abgrenzt, einen veränderten Naturbegriff<br />

zugrunde legt und seine empiristische Methode auf einem neuen Erfahrungsbegriff gründet.<br />

Im Unterschied zu Bestrebungen in Deutschland münden Humes Überlegungen aber nicht in<br />

eine Anthropologie als spezifische Wissenschaftsdisziplin, sondern sie stehen in einem<br />

interdisziplinären Kontext. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß Hume die Natur des<br />

Menschen nicht nur aus geistigen Vermögen und psychophysischen Anlagen erklärt, sondern<br />

den historisch-sozialen Zusammenhang einbezieht. Damit geht Hume über eine bloß<br />

sensualistisch argumentierende Rationalismuskritik hinaus. Neben seinen gnoseologischpsychologischen<br />

Überlegungen fließen auch historische, ökonomische, politische, ästhetische,<br />

ethische und handlungstheoretische Aspekte in sein Konzept ein. Daraus ergibt sich ein<br />

anthropologisches Programm, das das Hauptaugenmerk auf geisteswissenschaftliche<br />

Fragestellungen und Methoden richtet und das über die angenommenen Konstanten der<br />

menschlichen Natur hinaus auch die historischen Variablen und die kontingenten Momente<br />

menschlicher Lebenspraxis berücksichtigt. Damit gibt Hume nicht nur den Anstoß für eine<br />

erkenntniskritische Neufundierung der Philosophie. Er legt auch wichtige Fundamente für<br />

eine historische Anthropologie, die neben den allgemeinen Eigenschaften des Menschen die<br />

kulturelle Differenz, die Individualität und Subjektivität der menschlichen Lebensformen ins<br />

Auge faßt. Die Wirkungen seiner Anthropologie sind daher auch in der Entwicklung der<br />

Geschichtsphilosophie, der Ökonomie, Politik, Soziologie und in subjekttheoretischen<br />

Konzepten zu suchen.<br />

Mit einem solchen Philosophiekonzept erhält die moderne, nicht mehr auf normative<br />

Geschmacksnormen, sondern auf individuelle Gestaltung und subjektives Urteil zielende<br />

Ästhetik einen neuen Stellenwert. Sie richtet ihr theoretisches Interesse auf jene menschlichen<br />

Lebensäußerungen, die gleichsam als Muster individueller Lebensgestaltung gelten. In der<br />

Durchführung dieses Ästhetikprogramms in der schottischen Aufklärung werden allerdings<br />

Inkonsequenzen und Differenzen deutlich, die sich in den Auffassungen über die Regeln des<br />

Geschmacks zeigen. Sie betreffen insbesondere die Frage, ob und inwieweit<br />

Geschmacksregeln normativen Charakter tragen und wie diese Normativität im Rahmen einer<br />

empirisch ausgerichteten Wissenschaft begründet werden kann. Hierin werden die<br />

36


Unterschiede zwischen Hume, Kames und Reid deutlich sichtbar. Grundzüge dieser<br />

Differenzen wurden in einem Beitrag der Zeitschrift „Aufklärung“ (Bd. 14, 2002) erörtert.<br />

Der spezifisch interdisziplinäre Ansatz der Humeschen Anthropologie wurde in dem Beitrag<br />

zu dem Sammelband „Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im<br />

18. Jahrhundert“ ausführlicher dargestellt. Die dort vertretene Grundidee bildete auch die<br />

Basis für die Untersuchung der Rezeption schottischer Schriften zur Anthropologie und<br />

Ästhetik in Deutschland. Hier zeigt sich allerdings, daß die Schriften Humes und Kames’<br />

vorrangig unter dem Gesichtspunkt des empirisch- psychologischen Herangehens gewürdigt<br />

werden (u.a. bei Sulzer und Platner). Aspekte der Geschichte und des sozial-kulturellen<br />

Zusammenhangs der Kunstentwicklung werden weniger häufig beachtet, weisen aber deutlich<br />

Spuren eines Einflusses schottischer Denker auf (z.B. bei Herder, Hamann, Jacobi und<br />

W. Humboldt).<br />

Die spezifische Ausprägung der schottischen Anthropologie und ihrer Rezeption in<br />

Deutschland sollte in der geplanten Monographie ausführlicher und im Kontext des<br />

schottischen Aufklärungsdiskurses entwickelt werden. Dazu waren nochmalige<br />

Archivarbeiten in Schottland geplant und notwendig, insbesondere zur nochmaligen Prüfung<br />

einiger Quellen und zur Sichtung weiterer Quellen, die die kritische Aufnahme der Arbeiten<br />

von Hume und Kames in der schottischen Öffentlichkeit betreffen. Diese Arbeit konnte<br />

aufgrund längerer Krankheit nicht im Forschungszeitraum abgeschlossen werden. Die von der<br />

DFG eingeräumte Möglichkeit, die dafür vorgesehenen Reisegelder noch über den<br />

Forschungszeitraum hinaus zu nutzen, konnte nicht realisiert werden, da diese Gelder durch<br />

die <strong>Universität</strong> aus rechtlichen Gründen nicht bereitgestellt wurden. Es ist daher vorgesehen,<br />

die Arbeiten an der Monographie mit einer privaten oder anderweitigen Finanzierung im<br />

kommenden Jahr abzuschließen.<br />

Kooperationspartner im Rahmen der Forschungsarbeit:<br />

- <strong>Universität</strong> Aberdeen, Reid Project und Manuskriptabteilung der <strong>Universität</strong>sbibliothek,<br />

- <strong>Universität</strong> Edinburgh, Philosophisches Institut<br />

- Scottish Record Office Edinburgh<br />

- Public Record Office London<br />

37


3. Zusammenfassung<br />

Selbstaufklärung der Aufklärung. Individual-, Gesellschafts- und Menschheitsentwürfe<br />

in der anthropologischen Wende der Spätaufklärung (1998–2004) (FOR 317)<br />

Die naturwüchsige Interdisziplinarität des anthropologischen Denkens der Aufklärung wirft<br />

ein Licht auf die „Asymmetrie von Problementwicklung und disziplinärer Entwicklung“<br />

(Mittelstrass) der Gegenwart. Das Projekt „Selbstaufklärung der Aufklärung“, vertreten durch<br />

Germanistik, Romanistik, Geschichts- und Politikwissenschaft, Philosophie / Ästhetik, rückte<br />

in den Deutungsansatz die so genannte anthropologische Wende der Aufklärung mit den<br />

Koordinaten der Naturalisierung, Empirisierung und Historisierung des Menschen und seiner<br />

Geschichte. Unterschieden wurde eine Autoregulierungshypothese (z.B. Ferguson, Iselin) von<br />

Individuum Subjekt und Geschichte sowie ein normativer Denkansatz mit Konstruktionen der<br />

Sollgeltung zu Naturzustand, Individuum, Gesellschaft und Geschichte (z.B. Rousseau). In<br />

der Konkurrenz beider Auffassungen vollzieht sich nach der Projekthypothese die<br />

Selbstaufklärung der Aufklärung.<br />

Innerhalb der Forschung unterschied sich der Forschergruppenantrag von<br />

epistemologischen (Moravia) und ethnologischen (Duchet) Engführungen sowie von<br />

additiven Formen von Interdisziplinarität (Schings). Jede Disziplin untersuchten einen für sie<br />

repräsentativen Gegenstand im Prisma der Anthropologie als eine die bisherigen Klassifikationssemantiken<br />

umwälzende Denkform. Das Projekt (1) war auf die Anthropologie im<br />

engeren Sinn gerichtet.<br />

Das sich über Individuum / Menschheit, Utopie / Sozietät und das Problem der<br />

Darstellungsformen (Philosophie / Literatur) vernetzende Projekt hat versucht, ältere<br />

physiologisch-epistemologische Zugänge durch den Bezug auf die Kantische Fragestellung<br />

einer pragmatischen Anthropologie reflexiv aufzulösen<br />

- Verschüttete Quellenbereiche wurden wieder sichtbar gemacht (Cf. Dokumentation<br />

am IWZ Europäische Aufklärung, <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>).<br />

- Es wurde eine zeitweilige Konkurrenz der Anthropologie zur Philosophie deutlich, die<br />

scheitert und zu neuen Wissenschaften führt.<br />

- Andere Periodisierungen der Epoche der Aufklärung als bisher sind nun ins Auge zu<br />

fassen.<br />

- Ästhetik und Literatur sind nun präziser im Anthropologiefeld inseriert und rücken<br />

weg von der bisherigen Dominanz des anthropologischen Zugangs über pathologische<br />

Erscheinungen.<br />

- ‚Nationale‘ Denkkulturen sowie zeitliche Prioritäten im Anthropologiefeld sind nun<br />

besser bestimmbar (England, Frankreich/ Deutschland).<br />

Die wesentlichen Resultate der Einzelprojekte sind:<br />

- neue Schreib- und Stilformen der Wissensdarstellung sowie eine neue Ästhetik<br />

(Klopstock) aus überholten psychomedizinischem Paradigmen (vernünftige Ärzte)<br />

(Projekt 0)<br />

- eine zeitweilige epistemische Konkurrenz zur Philosophie sowie die langsame<br />

Kulturalisierung der Wissenschaftsgattung Anthropologie (Projekt 1),<br />

- die Bedeutung der Menschenbeobachtung und –steuerung im Illuminatenorden<br />

(Projekt 2)<br />

- eine aus normativer Spannung rührende Tangentialbewegung von Kontraktualismus<br />

und Utopie (Projekt 3)<br />

- die Rücknahme der Distinktion im Verhaltensdiskurs zugunsten von Funktion, Natur<br />

und Nation (Projekt 4)<br />

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- die narrative Komplexierung von Fragestellungen der praktischen Philosophie sowie<br />

der Aporien der Menschenkenntnis in der Präzeptistik (Projekte 4, 5a)<br />

- die Vorurteilsrehabilitierung durch Empirisierung in der deutschen Spätaufklärung<br />

(Projekt 5)<br />

- eine anthropologische Vermögenslehre als letzter Grund der Philosophie bei Hume<br />

(Projekt 6).<br />

Die Resultate zeigen neben fundierenden Seitenblicken auf England und Frankreich, eine<br />

Gesamtschau von den Vernünftigen Ärzten bis zur vorhegelschen Geschichte der Evolution<br />

des Geistes aus dem Geist der Anthropologie bei Carus, in die sich Fragestellungen von<br />

Praxis und Politik in anthropologischer Sicht einschreiben.<br />

Insgesamt war die Gruppe zu klein, um die Dimension des Themas auszuschöpfen (s.o.<br />

Bericht). Die gesamte Thematik wäre in einem SFB noch einmal aufzurollen.<br />

Forschungszusammenarbeit:<br />

European Science Foundation „Man and Nature“ (1997-2002), Peter Reill, Wissenschaftsgeschichte<br />

(USA), SFB Literatur und Anthropologie (Konstanz); Forschergruppe<br />

Einbildungskraft (Bochum), Forscherverbund „Traités de savoir-vivre“ (Clermont-Ferrand).<br />

Forschungspräsentation:<br />

RZLG H. 1-2, 1999; H.1, 2002; La recherche dix-huitièmiste (éds M. Delon / J. Schlobach)<br />

1998; Anthropologie im 18. Jahrhundert, 2004.<br />

Nachwuchsförderung:<br />

Workshop SFB Weimar-Jena-Forschergruppe, Workshop im Rahmen der Jahrestagung der<br />

DGEJ, Physis und Norm 2003<br />

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