(Frühe) Traumatisierung von Mädchen und Jungen - baerbel-benzel ...

(Frühe) Traumatisierung von Mädchen und Jungen - baerbel-benzel ... (Frühe) Traumatisierung von Mädchen und Jungen - baerbel-benzel ...

baerbel.benzel.de
von baerbel.benzel.de Mehr von diesem Publisher
04.11.2013 Aufrufe

(Frühe) Traumatisierung von Mädchen und Jungen – Wirkung auf den Körper und Konsequenzen für die psychotherapeutische Arbeit Workshop bei der Jahrestagung der DeGPT (Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie) Basel 2008 Teil II Zu den Auswirkungen von Traumatisierungen Der Panther Sein Blick ist im Vorübergehen der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf-. Dann geht ein Bild hinein, geht durch die Glieder angespannte Stille – und hört im Herz auf zu sein. Rainer Maria Rilke Das Bild, das Rilke von dem Gefühl „gefangen“ zu sein entwirft, kann nach einem traumatisierenden Ereignis Wirklichkeit werden - müde, ohnmächtig, unruhig, misstrauisch, angespannt, gereizt, reduziert….

(<strong>Frühe</strong>) <strong>Traumatisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> –<br />

Wirkung auf den Körper <strong>und</strong> Konsequenzen für die<br />

psychotherapeutische Arbeit<br />

Workshop bei der<br />

Jahrestagung der DeGPT<br />

(Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie)<br />

Basel 2008<br />

Teil II<br />

Zu den Auswirkungen <strong>von</strong> <strong>Traumatisierung</strong>en<br />

Der Panther<br />

Sein Blick ist im Vorübergehen der Stäbe<br />

so müd geworden, dass er nichts mehr hält.<br />

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe<br />

<strong>und</strong> hinter tausend Stäben keine Welt.<br />

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,<br />

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,<br />

ist wie ein Tanz <strong>von</strong> Kraft um eine Mitte,<br />

in der betäubt ein großer Wille steht<br />

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille<br />

sich lautlos auf-. Dann geht ein Bild hinein,<br />

geht durch die Glieder angespannte Stille –<br />

<strong>und</strong> hört im Herz auf zu sein.<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Das Bild, das Rilke <strong>von</strong> dem Gefühl „gefangen“ zu sein entwirft, kann nach einem<br />

traumatisierenden Ereignis Wirklichkeit werden - müde, ohnmächtig, unruhig,<br />

misstrauisch, angespannt, gereizt, reduziert….


Wie ist diese Wirkung bei Kindern?<br />

Und wie wirkt ein traumatisches Ereignis auf den Körper,<br />

während verschiedener Entwicklungsstufen bei <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Jungen</strong>?<br />

Die Wahrnehmung der Welt <strong>und</strong> unserer Umgebung findet über unsere Sinne statt.<br />

Meist nehmen wir zunächst visuell, auditiv <strong>und</strong> kognitiv wahr, was um uns herum<br />

geschieht<br />

Auf die anderen sensorischen Empfindungen achten wir Menschen weniger gut. Das<br />

Bewusstsein der Reizaufnahme über die körpernahen Sinne reduziert sich deutlich<br />

beim Erwachsen-werden, erhöht sich mit zunehmendem Alter bestenfalls wieder <strong>und</strong><br />

bedarf der Übung, des Innehaltens, sich-gewahr-werdens. Hier gibt es einen<br />

eklatanten Unterschied zwischen Frauen <strong>und</strong> Männern.<br />

Ein traumatisches Ereignis nun, (Bild 1) wirkt zunächst ganz unmittelbar <strong>und</strong> ohne<br />

Filter auf unsere Sinne über das sensorische Nervensystem. Alle Eindrücke <strong>und</strong><br />

Informationen werden über das exterozeptive (<strong>von</strong> außerhalb des Körpers) <strong>und</strong> das<br />

interozeptive (innerhalb des Körpers) System aufgenommen <strong>und</strong> übermittelt. Die<br />

unmittelbarsten <strong>und</strong> unwillkürlichsten Reaktionen im Sinne einer akuten<br />

Stressreaktion sind neurobiologischer <strong>und</strong> damit affektiver Natur: Flucht, Kampf oder,<br />

wenn beides erfolglos ist Dissoziation. Peter Levine (2004) spricht da<strong>von</strong>, dass ein<br />

Trauma zuerst physiologischer Natur <strong>und</strong> nicht psychologischer ist, sich – wie schon<br />

erwähnt – im Nervensystem befindet. Er spricht da<strong>von</strong>, dass Energie stecken bleibt,<br />

dass Handeln (im Sinne <strong>von</strong>, der Situation zu entfliehen oder sie zu verändern) nicht<br />

gelingt, bzw. Handlungen unterbrochen werden oder erfolglos sind. Folgen <strong>und</strong><br />

Verarbeitungsversuche psychischer Art sind nachfolgende oft langfristige Prozesse,<br />

Mechanismen oder Automatismen, die dann in eine posttraumatische Belastung<br />

münden können.<br />

2<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Bild 1<br />

Trauma <br />

Sensorisches<br />

Nervensystem<br />

<br />

exterozeptiv<br />

(visuell, auditiv, taktil,<br />

gustatorisch, olfaktorisch)<br />

interozeptiv<br />

(kinästhetisch, vestibulär)<br />

<br />

<br />

Motorisches<br />

Nervensystem<br />

<br />

unmittelbare<br />

Übernahme <strong>und</strong><br />

Speicherung<br />

Neurobiologisch<br />

<strong>und</strong><br />

affektiv<br />

Akute<br />

Stressreaktion<br />

<br />

− somatosensorisch<br />

− emotional<br />

− kognitiv<br />

− individuelle<br />

Prädiposition<br />

bestimmen die<br />

weitere<br />

Bewältigung<br />

FLUCHT<br />

oder<br />

KAMPF<br />

DISSOZIATION<br />

<br />

Traumakompensatorisches<br />

Schema<br />

<br />

PTBS<br />

+<br />

Traumaspezifische<br />

Symptomatik<br />

3<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Die Organisation des zentralen Nervensystems (nach Babette Rothschild, 2002)<br />

Nervensystem<br />

Zentrales Nervensystem<br />

Gehirn<br />

Rückenmark<br />

Peripheres Nervensystem<br />

Sensorischer Zweig<br />

Motorischer Zweig<br />

extereozeptiv interozeptiv somatisches autonomes<br />

(fünf Sinne) (vestibulär (willkürlich) (unwillkürlich)<br />

Kinästhethisch)<br />

Nervensystem<br />

Sympathikus<br />

Parasympathikus<br />

Was geschieht nun somatosensorisch? Ein wenig Wiederholung?<br />

Aktiviert vom limbischen System reagiert das motorische Nervensystem mit<br />

speziellen Hormonausschüttungen auf das autonome Nervensystem <strong>und</strong> setzt den<br />

Sympathikus unter höchste Alrambereitschaft. Der Körper reagiert entsprechend<br />

(beschleunigte Atmung, Erhöhung der Herzfrequenz, veränderte Blutzirkulation, bzw.<br />

-konzentration, etc.). Kampf oder Flucht werden vorbereitet <strong>und</strong> eingeleitet. Geht<br />

beides nicht, wird der Parasympathikus aktiviert, der seinerseits Erstarrung oder<br />

tonische Immobilität zur Folge hat. Reduziert sich die Alarmreaktion (wiederum durch<br />

entsprechende hormonelle Regulierung) nach dem Ereignis nicht dauerhaft <strong>und</strong><br />

balanciert sich wieder aus, ist eine posttraumatische Belastung wahrscheinlich.<br />

Parallel hierzu werden über das somatische Nervensystem muskuläre Reaktionen<br />

veranlasst.<br />

Alle folgenden neurobiologischen Vorgänge, unmittelbar ablaufenden<br />

Wahrnehmungen, visuelle, akustische <strong>und</strong> andere Sinneseindrücke<br />

Muskelkontraktionen <strong>und</strong> Bewegungsabläufe werden augenblicklich <strong>und</strong> sofort<br />

mehrfach parallel im Gedächtnis gespeichert im impliziten Gedächtnis (im<br />

sensorischen, motorischen <strong>und</strong> assoziativen Bereich) mehrfach abgespeichert <strong>und</strong><br />

kodiert.<br />

Weil die Eindrücke aber völlig überfordend sind, werden sie zusammenhangslos <strong>und</strong><br />

oft ohne direkten Bezug zur traumatischen Situation gespeichert, in unterschiedlichen<br />

Bereichen, jeweils aber analog der sensorischen Reize in entsprechenden<br />

Hirnbereichen.<br />

4<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Sie können später bei Bedarf abgerufen <strong>und</strong> wieder aktiviert werden. Flashbacks<br />

aktivieren diese Speicherungen aufgr<strong>und</strong> der reduzierten Erinnerungsfähigkeit nach<br />

einer <strong>Traumatisierung</strong> über entsprechende Trigger/Auslösereize willkürlich <strong>und</strong><br />

unkontrollierbar direkt wiederum über das implizite Gedächtnis.<br />

Der Überlebensmechanismus der Dissoziation ist nach Bessel van der Kolk (2000)<br />

…“eine Weise, Information zu organisieren.“ Dissoziation ist ein Schutz- <strong>und</strong><br />

Abwehrmechanismus, der <strong>von</strong> üblichen Erfahrungen (…nicht mehr zu wissen, was ich<br />

eigentlich in der Küche holen wollte…) bis zu ausgeprägter intrapersoneller<br />

Aufspaltung reicht. Sie ist hoch komplex <strong>und</strong> ein psychisch-physiologischer Prozess.<br />

Die Traumaerinnerung wird fragmentiert gespeichert: in Teile, nur die Fakten, die<br />

zeitliche Abfolge, räumliche Gegebenheiten, Schmerzempfinden, Emotionen,<br />

psychologische, physiologische Komponenten, etc. Dissoziation bezieht sich nicht nur<br />

auf psychische Vorgänge, die physiologischen, somatoformen müssen beachtet<br />

werden. Hier geht es um (Teil)Anästhesien für Körperfunktionen <strong>und</strong> im sensorischen<br />

Bereich, um Analgesie <strong>und</strong> motorische Beeinträchtigungen bis hin zu deren<br />

Kontrollverlust, oft in sehr komplexer Form (vgl. Nijenhuis, E. 2004).<br />

Robert Scaer (2006) spricht <strong>von</strong> „Dissoziativen Kapseln“:<br />

− In einer solchen „Kapsel“ werden einzelne dem Trauma assoziative Fragmente <strong>und</strong><br />

Elemente im Freeze-modus ohne mögliche Entladung gespeichert<br />

− Sie setzen sich aus somatosensorischen Botschaften, Muskelbewegungen,<br />

autonomen Zuständen, Affekten, Emotionen, etc. zusammen<br />

− Beispiele für dissoziative Kapselinhalte: Herzklopfen, Schmerz, Zittern, Lähmung,<br />

Betäubung, etc.<br />

− Sie sind ohne Verbindung zum Ursprung ihres Entstehens<br />

− Eine Aktivierung geschieht durch äußere oder innere Reize oder Trigger wiederum<br />

ohne Verbindung <strong>und</strong> Verständnis zu ihrem Ursprung<br />

− Je größer die Anzahl der dissoziativen Kapseln ist, desto weniger präsent ist die<br />

Person in der Gegenwart, im Hier <strong>und</strong> Jetzt<br />

Zwei Modelle verdeutlichen die unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung,<br />

Erfahrung <strong>und</strong> des Erlebens. Beide Modelle veranschaulichen jeweils w<strong>und</strong>erbar, auf<br />

welchen Ebenen oder Bereichen Dissoziation stattfinden kann. Diese Ebenen werden<br />

in der Psychotherapie <strong>und</strong> Behandlung wiederum zu wichtigen Indikatoren für<br />

gelungene Integration.<br />

5<br />

© Bärbel Benzel, 2008


BASK-Modell (nach Bennett Braun, 1988):<br />

B<br />

A<br />

S<br />

K<br />

behaviour/Verhalten: was ist wann, wie, wo geschehen? Fakten der Situation<br />

affect/Gefühl: welche Gefühle waren spürbar?<br />

sensation/Empfindungen: welche Körperempfindungen/Schmerzen/<br />

Körperlichen Bewegungen/Berührungen spielten eine Rolle?<br />

knowledge/Wissen: welche Gedanken gehören zu einer Situation <strong>und</strong> wie wird<br />

was bewertet?<br />

SIBAM-Modell (P. Levine, 1992):<br />

S<br />

I<br />

B<br />

A<br />

M<br />

sensation/Empfindung: welche Körperempfindungen/Schmerzen/<br />

Körperlichen Bewegungen/Berührungen spielten eine Rolle?<br />

image/Bild: welche Bilder <strong>von</strong> einer Situation tauchen auf?<br />

behaviour/Verhalten: was ist wann, wie, wo geschehen? Fakten der Situation<br />

affect/Gefühl: welche Gefühle waren spürbar?<br />

meaning/Sinn: wie wird eine Situation eingeschätzt <strong>und</strong> bewertet? Welche<br />

Bedeutung hat sie?<br />

Nach Braun, bzw. Levine (der das Modell erweitert) umfasst eine vollständige<br />

Erinnerung an eine Situation die Erinnerung aller Ebenen oder Elemente. Alle sind<br />

präsent <strong>und</strong> können abgerufen werden. Nach einer <strong>Traumatisierung</strong> können einzelne<br />

Ebenen dissoziiert werden.<br />

Kinder scheinen besonders häufig Gefühle <strong>und</strong> Bilder zu dissoziieren. Sie zeigen im<br />

traumatischen Spiel oft kaum Emotionen oder haben keine Erinnerungen (Bilder)<br />

mehr.<br />

Beide Modelle können hilfreich <strong>und</strong> nützlich sein, um heraus zu finden welche<br />

Elemente einer Erfahrung assoziiert <strong>und</strong> welche dissoziiert sind. Bsp.weise berichten<br />

KlientInnen, die an Angst <strong>und</strong> Panik leiden, häufig <strong>von</strong> massiven<br />

Körperempfindungen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Affekten ohne Bilder oder eine<br />

Zuordnung zu haben.<br />

Eine Entsprechung haben die jeweiligen Elemente mit dem Modell der strukturellen<br />

Dissoziation, das ja <strong>von</strong> emotionalen oder Aktionssystemen spricht, die aufgr<strong>und</strong><br />

spezifischer neuronaler Netzwerke in der frühen Kindheit entstanden sind <strong>und</strong><br />

analog dazu Verhalten <strong>und</strong> Agieren bestimmen. EPs (Emotionale<br />

Persönlichkeitsanteile) werden bestimmt <strong>von</strong> der sensation/affect-Ebene, ihre<br />

Aktionssysteme waren zum Zeitpunkt der <strong>Traumatisierung</strong> aktiviert. ANPs<br />

(Anscheinend normale Persönlichkeitsanteile) können auf der behaviour/meaning-<br />

Ebene ohne oder kaum Bezug zur Traumaerinnerung scheinbar normal weiter<br />

funktionieren.<br />

6<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Van der Kolk, van der Hart <strong>und</strong> Marmar (2000) unterscheiden zwei Kategorien der<br />

Bewältigung oder besser der Bewältigungsversuche nach traumatischem<br />

Erleben, ohne Differenzierung nach akuten <strong>und</strong> langfristigen Auswirkungen:<br />

− die auf das Problem bezogene <strong>und</strong><br />

− die auf Emotionen bezogene<br />

Die Problem bezogene oder kognitive Reaktion bedeutet, dass versucht wird, dem<br />

Ereignis einen Sinn zu geben, den Hergang zu erklären, Verständnis für das<br />

Verhalten der Personen gesucht wird, o.ä.<br />

Die emotionsbezogene umfasst Reaktionen die emotionaler Ausprägung sind,<br />

beispielsweise existenzielle Verunsicherung, Angst/Panik, Schuld, Scham, etc. In der<br />

Folge <strong>von</strong> posttraumatischer Symptomatik emotionale Störungen aller Art,<br />

Depressionen, bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen.<br />

Die dritte Kategorie, die ich hinzufügen möchte, ist die somatosensorische<br />

Kategorie, die Körper(miss)empfindungen umfasst, in der PTBSsymptomatik zu<br />

chronischem oder psychogenem Schmerz oder Somatisierung führen kann. Maggie<br />

Phillips (2007) nennt zwei hirnphysiologische Mechanismen als ausschlaggebend für<br />

die Entstehung <strong>von</strong> chronischem Schmerz: die Übererregung <strong>und</strong> Überflutung <strong>und</strong><br />

die fest steckende Erstarrung nach <strong>Traumatisierung</strong>, beides somatosensorische<br />

Vorgänge.<br />

Auch Babette Rothschild weist ausdrücklich auf die Zusammenhänge zwischen<br />

Emotionen <strong>und</strong> Körper hin. Körperempfindungen sind die Basis auf denen Emotionen<br />

entstehen, sie gehören untrennbar zusammen. Emotionen manifestieren<br />

Körperempfindungen.<br />

Wenn Sie erröten (Körperempfindung) welche Emotion mag dahinter stecken?<br />

Schüchternheit, Scham, Verliebtheit…??<br />

Emotionen <strong>und</strong> Empfindungen zu trennen fällt den meisten Menschen schwer. Beides<br />

wird gemeinhin als „Gefühle“ verstanden. Eine Differenzierung bedeutet des<br />

jeweiligen Ursprungs gerecht zu werden:<br />

Affekte - neurobiologischer Natur<br />

Empfindungen – somatischer Natur<br />

Emotionen/Gefühle – psychischer Natur<br />

All diese Prozesse, Abläufe, Wirkungen <strong>und</strong> Konsequenzen neurobiologischer,<br />

physischer <strong>und</strong> psychischer Art sind an erwachsenen Personen mittlerweile gut<br />

untersucht <strong>und</strong> erforscht.<br />

7<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Wie aber empfinden kleine Kinder, was fühlt <strong>und</strong> spürt ein Fötus?<br />

Was mögen die kleinen Babys gefühlt <strong>und</strong> gespürt haben, als sie nebeneinander<br />

gelegt wurden? Vorher schon, als sie getrennt wurden, nach der Geburt, die mit<br />

Sicherheit dramatisch war…<br />

Mit diesem anrührenden Bild wird deutlich, dass sich schon so ein kleines Kind mit<br />

fühlend, hilfreich <strong>und</strong> rettend verhalten kann <strong>und</strong> das andere <strong>Mädchen</strong> Hilfesignale<br />

aussendet, Wie? Und können wir da <strong>von</strong> „sich verhalten“ sprechen?<br />

Was mag hierfür der Beweggr<strong>und</strong> sein? Neun Monate gemeinsames Leben, Gedeihen<br />

<strong>und</strong> Wachsen in der Gebärmutter? Gewohnte Nähe suchend? Instinkt? Nicht<br />

(über)leben wollen ohne den Zwilling? Woher kommt/wie entsteht dieses „Handeln“?<br />

Gab es „Informationen“, „Signale“ über den Körper? Zwischen den Babys?<br />

Kommunikation auf ganz basalen Ebenen?<br />

Scheinbar braucht es dazu kein voll entwickeltes Gehirn <strong>und</strong> kognitives Einschätzen<br />

der Situation.<br />

8<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Wenn wir uns der <strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> ihren Auswirkungen auf <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong><br />

<strong>und</strong> vor allem der Frage warum <strong>und</strong> wie ist der Körper involviert, nähern wollen,<br />

müssen wir es auf der Folie der Entwicklungsstadien <strong>und</strong> dem jeweiligen Lebensalter<br />

tun.<br />

Zunächst ein Beispiel aus der Praxis:<br />

Mit Miriam (Name geändert) begann im Alter <strong>von</strong> 6 Jahren Psychotherapie, eingeleitet<br />

<strong>von</strong> den Pflegeeltern, bei denen sie seit dem 13.Monat lebte. Mit 10 Monaten wurde<br />

sie in lebensbedrohlichem Zustand, unterernährt <strong>und</strong> unterkühlt, in die Klinik<br />

gebracht. Nach 3-monatigem Aufenthalt, vielen wohl sehr belastenden<br />

Untersuchungen, kam sie für eine Woche in eine Bereitschaftspflegstelle, dann zu<br />

ihrer Pflegefamilie.<br />

Zur Symptomatik <strong>und</strong> körperlichen Auffälligkeit:<br />

− generelle Entwicklungsverzögerungen um ca. 1,5 J, bei der U6 als<br />

psychomotorische Retardierung fest gestellt<br />

− sicheres Greifen <strong>und</strong> Sitzen, sowie ansatzweise Robben konnte sie mit 13<br />

Monaten, erste Worte wurden mit 17 Monaten gesprochen, freies Gehen<br />

entwickelte sich ab dem 21. Monat<br />

− Teilleistungsstörungen im Bereich der komplexen visuellen <strong>und</strong> der akustischen<br />

Wahrnehmung <strong>und</strong> Sprache bei normalem IQ (=100)<br />

− motorische Koordinationsprobleme<br />

− leicht unsicherer Gang<br />

− einmal reduzierte Mimik, zum anderen völlig auffällige (als ob unkontrollierbare)<br />

Mimik <strong>und</strong> Gestik<br />

− ständig ange-/verspannte Muskulatur<br />

Spezielle psychotraumatische Symptomatik:<br />

− massive Ein/Schlafstörungen<br />

− zeitweise Essstörungen<br />

− massivste Angst <strong>und</strong> Panik davor verlassen zu werden, sie hing der Pflegemutter<br />

förmlich am Rockzipfel<br />

Das <strong>Mädchen</strong> verfügte über keinerlei Erinnerungen an die frühe Deprivation <strong>und</strong><br />

Vernachlässigung <strong>und</strong> die Situation im Krankenhaus. Alles, was sie wusste, hatte sie<br />

aus sich widersprechenden Erzählungen <strong>von</strong> der leiblichen Mutter (zu der<br />

Besuchskontakt bestand) <strong>und</strong> der Pflegemutter.<br />

Ihr direkter unmittelbarer Ausdruck blieb zunächst im affektiv-somatisch-motorischen<br />

Bereich , sie zeigte sich zwar unkompliziert, fröhlich, zugewandt <strong>und</strong> kooperativ,<br />

reagierte aber auf kleinste Anforderungen abwehrend, aggressiv, verweigernd,<br />

genervt bei stark expressiver Mimik <strong>und</strong> Gestik <strong>und</strong> entsprechenden<br />

Körperbewegungen.<br />

9<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Wie häufig <strong>und</strong> weit reichend <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> <strong>Traumatisierung</strong>en erleiden<br />

müssen, wird immer noch beinahe schon notorisch übersehen. Im ICD-10 fehlen bis<br />

heut entsprechende diagnostische Kriterien.<br />

Erst vor Kurzem hat der deutsche B<strong>und</strong>esgerichtshof eine Klage zurück gewiesen mit<br />

der Begründung, die 4-jährige Haftstrafe eines sexuell übergriffigen Mannes an<br />

einem Säugling zu reduzieren, da das Kind doch wohl zu jung sei, um etwas da<strong>von</strong><br />

mitbekommen zu haben.<br />

Wenn wir genau hinschauen, sehen wir, dass die Symptomatik bei <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Jungen</strong> ist gr<strong>und</strong>sätzlich mit der der Erwachsenen vergleichbar ist. Ihr Ausdruck ist<br />

anders: <strong>und</strong>ifferenzierter, direkter, weniger zuordenbar, körperlicher:<br />

Allgemein (nach ICD-10)<br />

auf Kinder bezogen<br />

Übererregung<br />

Schlafstörungen<br />

erhöhte Reizbarkeit<br />

heftige Emotionen<br />

Konzentrationsschwierigkeiten<br />

extreme Schreckhaftigkeit<br />

Hypervigilanz (übertriebene<br />

Wachsamkeit)<br />

Wiedererleben<br />

traumabezogene Affekte sind ständig<br />

präsent<br />

intrusive Erinnerungen<br />

Träume mit sich wiederholenden,<br />

intrusiven Inhalten<br />

Reinszenierungen<br />

Vermeiden<br />

Vermeiden <strong>von</strong> Gedanken, Gefühlen,<br />

Gesprächen, bestimmten Aktivitäten, etc.<br />

Dissoziative Symptomatik<br />

(Entfremdungsgefühle, eingeschränkte<br />

Affekte, Körperwahrnehmung, Amnesien,<br />

etc.)<br />

Hoffnungslosigkeit<br />

Beeinträchtigung sozialer Kontakte<br />

Ein-, Durchschlafstörungen<br />

Angst vorm Ins-Bett-gehen<br />

Hyperaktivität (vgl. ADHS)<br />

extreme Aggression <strong>und</strong> Ausagieren<br />

neu auftauchende Ängste <strong>und</strong><br />

Aggressionen<br />

extreme Stimmungswechsel<br />

extrem provozierendes Verhalten<br />

keine Akzeptanz <strong>von</strong> Grenzen<br />

Aufmerksamkeits- <strong>und</strong><br />

Konzentrationsstörungen<br />

(verändertes) Spielen mit sich ständig<br />

wiederholenden traumabezogenen<br />

Inhalten, oft mit Symbolcharakter<br />

wiederholte Erinnerung<br />

unspezifische Alpträume<br />

unspezifische oft permanente<br />

somatoforme Reaktionen<br />

Reduzierte allgemeine Reaktionsweise<br />

Eingeschränkte oder monotone<br />

Spielfähigkeit<br />

Sozialer Rückzug<br />

Eingeschränkte Bandbreite <strong>von</strong> Affekten<br />

Verlust bereits entwickelter Fähigkeiten<br />

oder Entwicklungsschritte (insbesondere<br />

im Bereich der Sprache <strong>und</strong> der<br />

Sauberkeit) bleiben aus/Regression<br />

Leben in Phantasiewelten(dissoziative<br />

Symptomatik<br />

Ständige Langeweile <strong>und</strong> Leere<br />

10<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Kinder erschließen sich die Welt über ständige Auseinandersetzung <strong>und</strong> Kontakt,<br />

über die ersten Beziehungen zu den sorgenden Erwachsenen, greifend, handelnd,<br />

agierend, sich in ihr bewegend, ausprobierend <strong>und</strong> aktiv. So entwickeln sich<br />

aufgr<strong>und</strong> der gemachten Erfahrungen ges<strong>und</strong>e neuronale Netzwerke, die sich<br />

stabilisieren <strong>und</strong> zunehmend differenzieren. Der Verlauf früher Entwicklungsprozesse<br />

ist bestimmend <strong>und</strong> weg weisend für das spätere Leben. Hier werden wichtige<br />

Gr<strong>und</strong>bedingungen fest gesetzt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt: Je jünger Kinder sind, je weniger die Gehirnentwicklung fort<br />

geschritten (das explizite Gedächtnis <strong>und</strong> der Hyppocampus bilden sich erst im<br />

zweiten Lebensalter) <strong>und</strong> entsprechend neuronale Netzwerke zur Verfügung stehen,<br />

desto „anfälliger sind sie für gravierende <strong>und</strong> verheerende Auswirkungen <strong>von</strong><br />

traumatisierenden Erfahrungen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ergeben sich folgende Hypothesen (Bruce Perry, 2003, Erfahrungen<br />

aus der Praxis):<br />

− Je jünger Kinder sind, je weniger die Gehirnentwicklung fort geschritten, desto<br />

„anfälliger“ sind sie.<br />

− Je jünger Kinder sind, desto heftiger reagieren Kinder dissoziativ, affektiv <strong>und</strong><br />

unspezifisch somatoform<br />

− Je massiver die körperlichen Schmerzen während eines traumatischen Ereignisses,<br />

desto dissoziativer reagieren Kinder<br />

− Je weniger mobil, hilf- <strong>und</strong> machtloser Kinder sind, desto eher sind dissoziative,<br />

affektive <strong>und</strong> somatoforme Reaktionen<br />

− Eine dissoziative Symptomatik lässt sich sehr viel häufiger bei <strong>Mädchen</strong> als bei<br />

<strong>Jungen</strong> feststellen Bleibendes Hyperarousel ist symptomatisch bei älteren Kindern<br />

<strong>und</strong> bei <strong>Jungen</strong><br />

Die Amygdala entwickelt sich bereits im letzten Drittel der Schwangerschaft <strong>und</strong> in<br />

den ersten Lebensmonaten. Da keine anderen Hirnstrukturen bis zu diesem<br />

Zeitpunkt ausgebildet sind, sind Föten <strong>und</strong> Säuglinge unmittelbarem Stress wie<br />

körperlichen Verletzungen, emotionalen <strong>und</strong> körperlichen Belastungen der Mutter<br />

besonders hilflos <strong>und</strong> eben nur körperlich <strong>und</strong> sensorisch ausgeliefert. Pränatale<br />

Untersuchungen haben gezeigt, dass Föten auf Außenreize reagieren. So weichen sie<br />

bsp.weise einer Fruchtwasserpunktionsnadel aus. Bedrohung wird bereits im<br />

Mutterleib sensorisch wahrgenommen.<br />

Gibt es für Föten, Säuglinge <strong>und</strong> Kleinkinder keine Linderung, keinen Trost <strong>und</strong><br />

schnelle Beendigung körperlicher Schmerzen <strong>und</strong> der sensorischer Überforderungen,<br />

bleibt nur noch eine dissoziative Reaktion, die uns Menschen am frühesten zur<br />

Verfügung steht. Säuglinge reagieren zunächst mit Schreien <strong>und</strong> Strampeln,<br />

Bekommen sie zeitnah keinen Trost, so gehen sie innerlich weg, zu beobachten am<br />

glasigen Blick der dann folgt. Diese extreme Überforderung <strong>und</strong> die folgenden<br />

Prozesse haben besonders massive Auswirkungen <strong>und</strong> Einschränkungen auf die<br />

weitere Strukturierung des Gehirns <strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>e körperliche, soziale <strong>und</strong><br />

kognitive Entwicklung. Es gibt keine verbale Ausdrucksmöglichkeit, außer Weinen,<br />

Schreien, etc. die sensomotorische Kodierung wird im impliziten Gedächtnis<br />

11<br />

© Bärbel Benzel, 2008


gespeichert, es gibt kein Bewusstsein, keine Integration. Diese sich früh prägenden<br />

Muster können im späteren Leben zu einer Generalisierung ohne Zuordnung zu ihrer<br />

Entstehung führen.<br />

In der nächsten Tabelle mache ich den Versuch einer Auflistung alters- u.<br />

entwicklungsbezogene Reaktionen <strong>und</strong> Wirkungen nach traumatischem<br />

Erleben unter Einbeziehung der Entwicklung der menschlichen Gehirnstruktur (aus<br />

einer vorigen Folie) <strong>und</strong> der jeweils spezifischen Reaktionsebenen <strong>und</strong> die<br />

Symptomatik des BASK-, bzw. SIBAM-Modells.<br />

Auch ältere Kinder, Klein- <strong>und</strong> Schulkinder reagieren eher diffus, wenig differenziert<br />

somatoform <strong>und</strong> agieren ihre Affekte.<br />

Erst mit zunehmendem Alter können Emotionen <strong>und</strong> andere Empfindungen<br />

deutlicher ausgedrückt, verständliche Erklärungen gef<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> die anderen<br />

Wahrnehmungsebenen aktiviert werden. Bis zum Alter <strong>von</strong> etwa acht Jahren ist es<br />

für <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> nicht möglich Erinnerungen im Hippocampus ordentlich <strong>und</strong><br />

damit zugänglich zu speichern. Das dafür zuständige System funktioniert noch nicht<br />

richtig, weshalb Kinder oft so vieles vergessen, sich z.B. schnell verlaufen, o.ä.<br />

Da wir immer mit bedenken müssen, wie lang anhaltend <strong>und</strong> wie massiv sich ganz<br />

frühe Überforderungen auswirken, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass besonderes<br />

oder auffälliges Verhalten nicht selten darauf zurück zu führen sind, Bsp.<br />

Lernschwierigkeiten, etc. Eine mögliche frühe <strong>Traumatisierung</strong> muss immer mit in<br />

Betracht gezogen werden. Erinnerung ist selten. Wir wissen alle um die schwierigen<br />

Therapien Erwachsener, die früh schreckliche Erlebnisse machen mussten.<br />

12<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Lebensalter<br />

Höchste Hirnentwicklungsaktivität<br />

Schlüsselfunktionen<br />

Traumaspezifische<br />

(nach Bruce Perry)<br />

(nach Bruce Perry, wann???)<br />

Reaktionen<br />

+<br />

Symptomatik<br />

vom Fötus<br />

bis ca. 2,5 Jahre<br />

Stammhirn<br />

Komplexität<br />

Plastizität<br />

Kern der basalen physiologischen<br />

Regulation, primäre sensorische<br />

Verarbeitung<br />

somatisch<br />

2 bis 4 Jahre Zwischen-/<br />

Mitelhirn<br />

3 bis 6 Jahre Limbisches<br />

System<br />

Motorische Kontrolle, sek<strong>und</strong>äre<br />

sensorische Verarbeitung<br />

Erinnerung, emotionale Regulation,<br />

Bindung Gefühlsregulation, primäre<br />

Integration der Wahrnehmung<br />

5 bis 9 Jahre Großhirn Nachdenken, Probleme lösen<br />

Abstraktion Sek<strong>und</strong>äre Integration der<br />

Wahrnehmung<br />

affektiv<br />

dissoziativ<br />

emotional<br />

kognitiv<br />

7 bis 12 Jahre<br />

Pubertät<br />

Erwachsenenalter<br />

13<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Konsequenzen für die psychotherapeutische Praxis oder was<br />

tun?<br />

(zusammen mit Malene Budde erstellt)<br />

In den letzten Jahren gab es wichtige Entwicklungen in der neurobiologischen<br />

Forschung <strong>und</strong> vielfältige Veränderungen/Modifizierungen <strong>von</strong> Therapiemethoden<br />

<strong>und</strong> –techniken zur möglichst effektiven Stabilisierung <strong>und</strong> Traumabearbeitung.<br />

Die Verbindung <strong>Traumatisierung</strong> – somatoforme Auswirkungen ist unübersehbar <strong>und</strong><br />

braucht unser Augenmerk.<br />

Wir brauchen verstärkt den Blick auf den Körper <strong>und</strong> somatoforme Prozesse <strong>und</strong> auf<br />

<strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong>.<br />

Wir brauchen körper- <strong>und</strong> handlungsbezogene psychotraumatologischen<br />

Therapieansätze.<br />

Wir brauchen Studien <strong>und</strong> Untersuchungen zu <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> in<br />

unterschiedlichen Lebensaltern bzgl. neurobiologischer Vorgänge, deren Wirkungen<br />

auf Entwicklung <strong>und</strong> Therapieansätze.<br />

Es soll nun kein neues <strong>und</strong> auch kein adaptiertes Therapiekonzept vorgestellt<br />

werden, sondern der Fokus darauf gerichtet,werden wie Körper, Sinne, Bewegung,<br />

Reaktionen <strong>und</strong> Blockaden Beachtung, mehr Beachtung in der Psychotherapie finden<br />

können. Somatoforme Symptomatik ist ein wichtiger Schlüssel zum individuellen<br />

traumakompensatorischen Schema, zur Traumarekonstruktion <strong>und</strong> ein Zugang zur<br />

schonenden <strong>und</strong> effektiven Bearbeitung.<br />

Wie kann das, was <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> in der Therapie anbieten aufgegriffen<br />

werden <strong>und</strong> wie über den Körper integrierendes Handeln, intensive <strong>und</strong> effektive<br />

Heilung erreicht werden?<br />

Maggie Phillips, eine <strong>von</strong> mir sehr geschätzte US-Forscherin <strong>und</strong> Therapeutin, die aus<br />

dem Somatic experiencing <strong>und</strong> der Energetischen Psychologie kommt mit<br />

Schwerpunkt “Chronischem Schmerz” (2007) spricht da<strong>von</strong>, dass „treatment doesn’t<br />

usually reach the reptilian brain“<br />

Genau das aber wollen wir, die entwicklungstechnisch älteste Hirnregion erreichen<br />

um wirkliche Linderung <strong>und</strong> Heilung möglichst frühzeitig zu erzielen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lagen der Psychotrauamatherapie werdenals bekannt voraus gesetzt.<br />

14<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Es gibt einen comic strip <strong>von</strong> Charlie Brown, in dem er sinngemäß sagt; wenn du<br />

depressiv sein willst, dann musst du unbedingt Kopf <strong>und</strong> Schultern hängen lassen<br />

<strong>und</strong> du darfst auf keinen Fall lachen<br />

ergo: achten Sie auf die Körpersprache, Körpersignale der Kinder u Jugendl (u auch<br />

Erwachsenen), die zu Ihnen kommen,<br />

auf Mimik, Gestik, Muskelspannung, Zittern, Bewegungsimpulse, Atmung, Zeichen<br />

<strong>von</strong> Erregung, Zeichen <strong>von</strong> Abwesenheit; Orientierungs-, Kampf-, Verteidigungs- <strong>und</strong><br />

Fluchtimpulse<br />

Kinder brauchen die Möglichkeit,<br />

im körperbetonten Spiel Regulation <strong>von</strong> Aufmerksamkeit, Selbstwirksamkeit <strong>und</strong><br />

Welterfahrung zu erwerben,<br />

Balance zwischen Nähe <strong>und</strong> Distanz zu finden,<br />

Balance zwischen Autonomiebedürfnis <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit zu entwickeln,<br />

Bindungssicherheit <strong>und</strong> Explorationsbedürfnis auszutarieren,<br />

Regulation <strong>von</strong> Grenzziehung <strong>und</strong> Grenzüberschreitung zu erlernen,<br />

emotionale Regulation, Impulskontrolle, Handlungskontrolle zu erfahren<br />

Klettern, springen, hüpfen, kämpfen, schaukeln, drehen ermöglichen, sich zu erproben,<br />

Anspannung <strong>und</strong> Entspannung, Balance <strong>und</strong> Ungleichgewicht, Bedürfnisse <strong>und</strong><br />

Grenzen zu erfahren,<br />

verstecken <strong>und</strong> wieder auftauchen, fressen <strong>und</strong> gefressen werden, fangen <strong>und</strong> gefangen<br />

werden, füllen <strong>und</strong> leeren, zerstören <strong>und</strong> wiederaufbauen berühren<br />

Gr<strong>und</strong>themen der sensumotorischen <strong>und</strong> psychischen Entwicklung:<br />

Verschmelzungssehnsucht, Autonomie, Aggressivität, Identität<br />

Symbolisches Spiel, szenisches Inszenieren <strong>und</strong> Imaginationen aktivieren<br />

über die Sinne die im impliziten Gedächtnis gespeicherten affektiven <strong>und</strong><br />

sensomotorischen Inhalte.<br />

Über die Ausgestaltung <strong>von</strong> Szenen, imaginären wie realen Räumen, in Bewegung,<br />

im Handeln findet eine nachträgliche Symbolisierung statt. Durch den Ausdruck, das<br />

Ausagieren eben auch vorsprachlicher Ereignisse, die mühelos erreichbar sind,<br />

drücken <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> körperlich, psychomotorisch sehr direkt <strong>und</strong><br />

unmittelbar ihre jeweils individuelle Geschichte in allen Facetten aus. Hierüber ist<br />

Bearbeitung <strong>und</strong> Veränderung möglich. Verschiedene, der Situation, der<br />

Befindlichkeit eines Kindes <strong>und</strong> der nötigen Heilung entsprechenden Rollen <strong>und</strong><br />

Szenen werden körperlich <strong>und</strong> in Bewegung gespielt. Ein symbolisches Spiel, eine<br />

Inszenierung kann viel umfassender <strong>und</strong> unmittelbarer Geschehnisse, Emotionen,<br />

Körperlichkeiten aufgreifen <strong>und</strong> aufzeigen, als das reine Sprechen. Im weiteren<br />

Inszenieren einer Spielsequenz <strong>und</strong> durch gezielte Interventionen wirken körperliche<br />

Aktion <strong>und</strong> handlungsorientierte Prozesse heilend <strong>und</strong> integrierend. So reagiert der<br />

Körper häufig schneller als das Denken, weil Wahrnehmungen ohne bewusstes<br />

Herbeiführen <strong>von</strong> Zusammenhängen mit vergleichbaren Erfahrungen verb<strong>und</strong>en<br />

werden <strong>und</strong> sich daraus Impulse entwickeln. <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> können im<br />

geschützten Rahmen neue Erfahrungen machen, ihren Körper neu erleben,<br />

15<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Sie können das, was sie nie bekommen haben nachholen, wahrnehmen <strong>und</strong><br />

ausagieren, was sie nie spüren <strong>und</strong> fühlen durften, sich auseinander setzen,<br />

abgebrochen Handlungen können im Sinne Peter Leveins abgeschlossen werden.<br />

„Der stumme Teil der Seele“ (Moreno, 1959) kann so ins Bewusstsein gehoben<br />

werden, „Handeln ist heilender als Reden“ (Moreno, 1933)<br />

Oder neurobiologisch ausgedrückt: es werden neuronale Netze verändert, aber auch<br />

neu ausgebildet, differenziert, gefestigt <strong>und</strong> mit Ressourcen verknüpft. Dasselbe<br />

geschieht übrigens beim der Imagination (nach Frau Reddemman, allerdings<br />

1000mal nötig, damit effektiv)<br />

Impulskontrollmethoden setzen beispielsweise kognitiv an <strong>und</strong> erreichen die<br />

affektiven, emotionalen Bereich nicht. Im Symbolspiel, der surplus-realitiy, dem sotun-als-ob,<br />

schaffen Kinder es erstaunlicherweise sehr wohl, Affekte zu regulieren,<br />

Regeln einzuhalten, Impulse zu kontrollieren, sich in anderen Rollen völlig konträr zu<br />

verhalten, etc.<br />

Über die psychodramatischen Methoden wie sharing <strong>und</strong> feedback können Gefühle,<br />

Situationen, Körpersensationen ins Bewusstsein <strong>und</strong> damit ins explizite (kortikale)<br />

Gedächtnis gelangen. In Kombination mit den Gr<strong>und</strong>regeln der Traumatherapie<br />

können Inszenierungen der Ausgangspunkt sein, um vertiefend z.B. EMDR in<br />

bestimmten Sequenzen einzusetzen. Eine neue positive Erfahrung kann bsp.weise<br />

verankert werden, ein neu erlebtes Gefühl eiunen spezifischen Ausdruck, einen<br />

Namen bekommen <strong>und</strong> mit zukünftigen Situationen verknüpft werden.<br />

Beispiel aus der Praxis:<br />

Miriam (inszenierend massiv Körper schädigende Erlebnisse zeigen, verkraften <strong>und</strong><br />

transformieren):<br />

Miriam (s.o.) spielte exzessiv Krankenhaussituationen, in allen möglichen Variationen<br />

<strong>und</strong> unterschiedlichen Settings <strong>und</strong> mit verschiedenen vielen Personen. Sie holte<br />

dazu die Möbel aus dem Puppenhaus <strong>und</strong> richtete das Krankenhaus auf dem Tisch<br />

ein.<br />

Sie wählte für sich immer die Rolle der Ärztin, ich war oft eine zweite Ärztin oder eine<br />

Krankenschwester, die ihre Anweisungen umsetzen mussten. Dies entsprach voll <strong>und</strong><br />

ganz ihrem Kontrollbedürfnis. Mit völliger Emotionslosigkeit wurden mehrere Kinder<br />

(Püppchen <strong>und</strong> kleiner Stofftiere) aus ihren Betten gerissen, hin <strong>und</strong> her gezerrt <strong>und</strong><br />

untersucht, schnell eine Diagnose gestellt, gespritzt, mit Pflaster <strong>und</strong> Verbänden<br />

(echten) versorgt wieder in die Betten geschmissen. Meine Einwände, dass das den<br />

Kindern doch weh tue, sie frieren würden oder hungrig seinen, wurden <strong>von</strong> ihr lange<br />

bagatellisiert <strong>und</strong> ignoriert. Als ich heimlich eine Decke auf ein Kind legte, wurde ich<br />

bestraft <strong>und</strong> musste nach Hause gehen. So oder ähnlich spielte sie lange lautstark,<br />

heftig schnaufend, sich oft beschwerend über die viele Arbeit, hektisch, mit vollem<br />

Körpereinsatz <strong>und</strong> heftiger Gestik <strong>und</strong> Mimik, die ich wiederholt sie spiegelnd<br />

ansprach ohne eine Reaktion <strong>von</strong> ihr zubekommen.<br />

Sie ahnen, was sie erlebt hat?<br />

Nach <strong>und</strong> nach konnte sie differenzierter inszenieren <strong>und</strong> meine Einwände <strong>und</strong><br />

Vorschläge aufgreifen, allerdings natürlich als ihre, die der Ärztin. Im Vertrauen fing<br />

sie an, mich als Kollegin zu fragen, was die Kinder denn spüren würden <strong>und</strong> was sie<br />

16<br />

© Bärbel Benzel, 2008


äuchten. Ihre Versorgung wurde zunehmend besser, liebevoller, tröstender,<br />

ruhiger…Hierüber fand sie einen neuen, veränderten Zugang zu Körper, auch ihrem<br />

Körper, denn parallel wurde jede minikleine Verletzung ausführlichst <strong>von</strong> ihr<br />

registriert, gezeigt, versorgt <strong>und</strong> ausgekostet (die Verletzung, sie zu spüren, genauso<br />

wie meine Versorgung). Zuhause nahm dies ausufernde Dimensionen an, die aber so<br />

nötig waren.<br />

Eine Zuspitzung in den Inszenierungen gab es dergestalt, dass in mehreren Szenen<br />

die Kinder sterben mussten <strong>und</strong> einfach entsorgt <strong>und</strong> in den Papierkorb weg<br />

geschmissen wurden. Während dieser Sequenz war sie über die Massen erregt <strong>und</strong><br />

aufgebracht. Dennoch war sie auf meine Intervention hin in der Lage, eine Art<br />

Beerdigungsritual für die gestorbenen Kinder zu gestalten, das sie mehrmals<br />

wiederholte. Unklar blieb für mich, wie sehr eigene Trauer hierüber ins Bewusstein<br />

gehoben wurde, bzw. wie sehr sie Trauer „spielte“. Immerhin hat sie die<br />

entsprechenden Rollen übernommen <strong>und</strong> gestaltet.<br />

Nach jeder St<strong>und</strong>e erfolgte eine imaginäre Distanzierung, der Gestalt, dass sie das<br />

Inszenierte im Keller des Krankenhauses verwahrte <strong>und</strong> ich darauf aufpasste, dass es<br />

dort bleiben soll.<br />

Eine Verbindung zu ihrer eigenen Geschichte ließ sie nie zu. Bemerkungen <strong>von</strong> mir in<br />

diese Richtung musste sie immer sehr schnell abwehren.<br />

Diese Art der Symbolspiele endete, als die äußere Situation sich änderte <strong>und</strong> die<br />

leibliche Mutter Sorge- <strong>und</strong> Besuchsrecht (wieder) beantragte. Dann ging der Fokus<br />

zur Gestaltung sicherer Räume <strong>und</strong> zur aktuellen Schulsituationen.<br />

Hier ein Bild, das sie selbst sein soll: „…ein Kind ohne Arme <strong>und</strong> Beine, die sind<br />

abgebrochen, die Arme auf den Rücken geb<strong>und</strong>en….“(völlige Handlungsunfähigkeit).<br />

Später malte sie Flügel dran….“Engel oder Schmetterling, dass ich da<strong>von</strong> fliegen<br />

kann…“(Dissoziation aber auch Metamorphose)<br />

Die massive Angstsymptomatik reduzierte sich im Verlauf der Therapie deutlich, ihre<br />

unkontrollierten affektiven Durchbrüche hielten jedoch an. Nach einer Therapiepause<br />

meldete die Pflegemutter sie erst kürzlich wieder für weitere Termine an.<br />

Kinder mit Traumafolgestörungen brauchen zum Erwerb <strong>von</strong><br />

funktionalen Bewältigungsstrategien:<br />

‣ die Fähigkeit, mit dem erhöhten Energielevel, der mit<br />

Stress/traumatischem Stress einhergeht , umgehen zu lernen:<br />

Erdung/ Sicherheit, ein Boden, auf dem man stehen kann, der einen trägt (ein<br />

Baum sein, Wurzel in den Boden, ein Wind kommt: alle Gelenke bewegen, bes. die<br />

großen; Füße <strong>von</strong> allen Seiten spüren, so laufen; auf dem Boden liegen, Bauch,<br />

Rücken, s. getragen fühlen, s eng in Decke wickeln…, Schwerpkt Füße, Beine)<br />

Containment, einen Körper, der in der Lage ist, Energie, auch Stressenergie zu<br />

halten – große Muskeln, gr Gelenke (Spannung/Entspannung: Beckenboden, Anus,<br />

Bauchnabel einziehen, Hände hinterm Rücken nach unten ziehen, Schultern<br />

17<br />

© Bärbel Benzel, 2008


zusammen, lockern, Spannung wieder aufbauen, Hände vor der Brust<br />

zusammendrücken, lockern, im Sitzen Arme v außen gegen Oberschenkel,<br />

Gegendruck u umgekehrt v innen; Rückenlage, Becken anheben, Spannung<br />

aufbauen, lockern, Liegestütz, Po hochstrecken, wieder fallen lassen, mit Ton –<br />

aktiviert alle großen Muskeln <strong>und</strong> macht sie bereit für containment der eigenen<br />

Energien)<br />

Zentrierung, bei sich sein, als Gegenstück zu außer sich sein, sich verlieren (die<br />

ganze WS spüren, r<strong>und</strong> um die Wirbelsäule lockern, auf dem Po sitzen, Beine & Arme<br />

weggestreckt, wackeln u ausbalancieren, im stehen Körpermitte finden, hinatmen,<br />

Gewicht v einem Fuß z anderen verlagern, „Mitte“ mitnehmen),<br />

‣ die Fähigkeit, in einen Ruhezustand zurückzukehren:<br />

dafür ist es hilfreich, die Atmung wahrnehmen <strong>und</strong> beeinflussen zu können, auf die<br />

Muskelspannung einzuwirken, zu wissen, welche Orte, Personen, Vorstellungen<br />

Sicherheit vermitteln, was beruhigend wirkt<br />

Kontakt haben zu können: emotional, sozial u physisch (bei Zärtlichkeiten scheidet<br />

der Körper Oxytocin in grösseren Mengen aus. Das Hormon wirkt, einer Droge nicht<br />

unähnlich, euphorisierend oder beruhigend. Das durch den Körperkontakt in erhöhter<br />

Dosis ausgeschüttete Oxytocin reduzierte also die Angst <strong>und</strong> den Stress in der<br />

Prüfungssituation. Was bei den Präriewühlmäusen aus der amerikanischen Steppe<br />

beobachtet wurde, scheint sich auch im Humanexperiment zu bestätigen: Zärtlichkeit<br />

<strong>und</strong> Sex stimulieren die Hormone aus der Hirnanhangdrüse. Diese wiederum machen<br />

uns sanftmütig <strong>und</strong> offen, sie fördern unsere Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen,<br />

soziale Nähe zuzulassen <strong>und</strong> Vertrauen zu anderen zu fassen. Hormon Oxytocin<br />

erhöht das Vertrauen in unsere Mitmenschen.<br />

Grenzen kennen <strong>und</strong> setzen zu können (physische Grenze: Haut reiben, wie Tisch<br />

polieren, klopfen mit hohler Hand, energetische Grenze: Hände in alle Richtungen<br />

strecken, spüren, territoriale Grenze: Seilkreis legen, spüren, jem nähert sich, stopp<br />

sagen usw.)<br />

Die Balance finden zwischen Spannung/Entspannung, Nähe/Distanz, körperlichem<br />

Gleichgewicht/Ungleichgewicht <strong>und</strong> seelischem Gleichgewicht.<br />

‣ die Fähigkeit, die augenblickliche Lebensrealität zu überprüfen:<br />

Generalisierungen entgegenzuwirken bzw. durch Traumabearbeitung aufzulösen,<br />

Schutz <strong>und</strong> Sicherheit gebende Personen <strong>und</strong> Orte, entsprechende selbstfürsorgliche<br />

Fähigkeiten finden/bemerken <strong>und</strong> ausreichend würdigen zu können (klassische<br />

Ressourcenarbeit)<br />

‣ die Möglichkeit, sich spontan, unzensiert mit all ihrer inneren<br />

Realität zeigen <strong>und</strong> ausdrücken zu können :<br />

Sensibilisierung, Ermutigung, der eigenen Wahrnehmung zu trauen<br />

18<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Ausdrucksmöglichkeiten für Gefühle, Empfindungen, innere Bilder, Impulse, etc. über<br />

den Körper in einem geschützten Raum <strong>und</strong> angeleitet mit fachlicher Kenntnis<br />

Ausdrucksmöglichkeiten f Gefühle, Empfindungen geben (körperlich, malen, tanzen,<br />

mit Wasser oder nassem Sand agieren)<br />

‣ unbewältigte Erlebnisse symbolisch abschließen zu können:<br />

neue Erfahrungen machen können, Selbstwirksamkeit erleben,<br />

sie <strong>und</strong> neu erfahrene Gefühle brauchen Beachtung <strong>und</strong> Verstärkung<br />

‣ sich zur Verfügung stellende, auch Körper einsetzende<br />

therapeutische Begleitung:<br />

einen geschützten Rahmen, eine Bühne, um im Symbolspiel was auch immer<br />

inszenieren zu können, allerdings als kontrolliertes, <strong>von</strong> der Therapeutin zu<br />

steuerndes Instrumentarium, ansonsten ist die Gefahr des rein traumatischen Spiels<br />

groß, in dem traumatische Inhalte nur wiederholt werden <strong>und</strong> möglicherweise<br />

retraumatisierend wirken<br />

die Therapeutin muss sich - auch mit ihrem Körper - zur Verfügung stellen, als<br />

Projektionsfläche, über die zu spüren ist, was <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> bewegt. Und als<br />

mit Spielende, als die die alles abbekommen kann (gefressen, verletzt, getötet, voll<br />

gespuckt werden, böse sein müssen, bestraft werden, etc.) Sie muss das aushalten<br />

können, was <strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> <strong>Jungen</strong> erlebt haben <strong>und</strong> stell vertretend – sprachlich, wie<br />

körperlich – ausdrücken, was sie nicht können <strong>und</strong> sich oft nicht trauen.<br />

Kinder bieten in ihrer besonderen Art der körperlichen Präsenz viele Anknüpfungspunkte,<br />

den Körper in die Psychotherapie einzubeziehen;<br />

sei es durch ihre Art, den Raum einzunehmen o sich im Raum zu verorten, sei es<br />

durch symbolisches Spiel, sei es durch körperbetonte Spielvorschläge ihrerseits etc<br />

19<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Literatur<br />

Damasio, Antonio R. Ich fühle, also bin ich, München 2002<br />

Downing, George Körper <strong>und</strong> Wort in der Psychotherapie, München 2000<br />

Nijenhuis, Ellert /<br />

van der Hart, Onno /<br />

Steele, Kathy<br />

Strukturelle Dissoziation der Persönlichkeitsstruktur,<br />

traumatischer Ursprung, phobische Residuen<br />

in: Reddemann, Luise / Hoffmann, Arne / Gast, Ursula:<br />

Psychotherapie der dissoziativen Störungen, Stuttgart New<br />

York 2004<br />

Levine, Peter A./<br />

Kline, Maggie Verw<strong>und</strong>ete Kinderseelen heilen, München 2004<br />

Moreno, J.L. Gruppenpsychotherapie <strong>und</strong> Psychodrama, Stuttgart 1959<br />

Nijenhuis, Ellert Somatoforme Dissoziation. Phänomene, Messung <strong>und</strong><br />

theoretische Aspekte,Paderborn 2004<br />

Perry, Bruce<br />

Children, Youth and Violence. The search for solutions,<br />

New York, 1997<br />

Veröffentlichungen über www.childtrauma.org<br />

Phillips, Maggie workshop-handouts 2007<br />

Putnam, Frank W. Dissoziation in Children and Adolescents, New York,<br />

London1997<br />

Pynoos, Robert S./<br />

Steinberg, Alan M./<br />

Goenjian, Armen<br />

Reddemann, Luise /<br />

Hoffmann, Arne /<br />

Gast, Ursula<br />

Rothschild, Babette<br />

Traumatische Belastungen in Kindheit <strong>und</strong> Jugendalter.<br />

Neuere Entwicklungen <strong>und</strong> aktuelle Kontroversen, in: Van<br />

der Kolk, Bessel / McFarlane, Alexander C. / Weisaeth,<br />

Lars (Hrsg): Traumatic Stress. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />

Behandlungsansätze, Paderborn, 2000<br />

Psychotherapie der dissoziativen Störungen, Stuttgart New<br />

York 2004<br />

Der Körper erinnert sich. Die Psychobiologie des Traumas<br />

<strong>und</strong> der Traumabehandlung, Essen 2002<br />

Stern, Daniel N. Die Lebenserfahrung des Säuglings, Stuttgart 1992<br />

Storch, M./<br />

Cantieni, B./Hüther, G./<br />

Tschacher, W. (Hrsg.)<br />

Van der Kolk, Bessel/<br />

Mcfarlane, Alexander/<br />

Weisaeth, Lars (Hrsg)<br />

Embodiment. Die Wechselwirkung <strong>von</strong> Körper <strong>und</strong> Psyche<br />

verstehen <strong>und</strong> nutzen, Bern (2006)<br />

Traumatic Stress. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Behandlungsansätze,<br />

Paderborn 2000<br />

20<br />

© Bärbel Benzel, 2008


Van der Kolk, Bessel<br />

Van der Kolk, Bessel/<br />

van der Hart, Onno/<br />

Marmar, Charles R.<br />

Van der Kolk, Bessel<br />

Der Körper vergisst nicht. Ansätze einer Psychophysiologie<br />

der posttraumatischen Belastungsstörung, in: Van der<br />

Kolk, Bessel / McFarlane, Alexander C. / Weisaeth, Lars<br />

(Hrsg): Traumatic Stress. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />

Behandlungsansätze, Paderborn, 2000<br />

Dissoziation <strong>und</strong> Informationsverarbeitung beim<br />

posttraumatischen Belastungssyndrom<br />

In: Van der Kolk, Bessel / McFarlane, Alexander C. /<br />

Weisaeth, Lars (Hrsg): Traumatic Stress Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />

Behandlungsansätze, Paderborn, 2000<br />

Developmental Trauma Disorder, Artikel in Psychiatric<br />

Annals 35 (5), 2005<br />

Weiß, Wilma Phillip sucht sein Ich, Weinheim, Berlin, Basel, 2003<br />

21<br />

© Bärbel Benzel, 2008

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!