Last oder Lust? - Frauenarztpraxis C.Friedrich und I.Elste ...
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256 mm<br />
Mit fre<strong>und</strong>licher Unterstützung von<br />
FG0514/2009.05 (verwendbar bis 05/2011)<br />
Prof. Kurt Starke <strong>und</strong> Prof. Hans-Joachim Ahrendt <strong>Last</strong> <strong>oder</strong> <strong>Lust</strong>? Sexualität in der Postmenopause<br />
<strong>Last</strong> <strong>oder</strong> <strong>Lust</strong>?<br />
Sexualität in der Postmenopause<br />
Der exklusive Ratgeber von Prof. Kurt Starke <strong>und</strong> Prof. Hans-Joachim Ahrendt<br />
216 mm 10<br />
216 mm
256 mm<br />
216 mm 10<br />
216 mm
Vorsatzblatt & Schmutztitel
<strong>Last</strong> <strong>oder</strong> <strong>Lust</strong>?<br />
Sexualität in der Postmenopause<br />
TEIL 1: Postmenopause <strong>und</strong> Sexualität<br />
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Prof. Kurt Starke<br />
TEIL 2: Sexualstörungen in der Peri- <strong>und</strong> Postmenopause<br />
Wissen <strong>und</strong> Unterstützung für die tägliche Praxis von Prof. Hans-Joachim Ahrendt
Zum Geleit<br />
Die beiden Teile dieser Handreichung sind nur äußerlich geschieden. Innerlich gehören<br />
sie zusammen <strong>und</strong> ergänzen sich, eben wie zwei Hände <strong>oder</strong> Hand in Hand. Das trifft<br />
auch auf uns Autoren zu. Wir kennen uns schon sehr lange. Der eine, der sexuologisch<br />
ambitionierte Mediziner, hat seine Habilarbeit über Jugendsexualität geschrieben, <strong>und</strong><br />
der andere, der sexualmedizinisch interessierte Jugendforscher, hat dieses empirisch<br />
angelegte Vorhaben an seinem Forschungsinstitut unterstützt. Wir gehörten beide der<br />
interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Sexualität an, die von der Leipziger Medizinprofessorin<br />
Lykke Aresin, Gründerin der ersten Ehe- <strong>und</strong> Sexualberatungsstelle, geleitet wurde.<br />
Aus dieser Arbeitsgemeinschaft entstand die Gesellschaft für Sexualwissenschaft, in<br />
deren Vorstand wir lange Jahre zusammengearbeitet haben. Wir waren gemeinsam auf<br />
Konferenzen <strong>und</strong> Weiterbildungsveranstaltungen aktiv <strong>und</strong> gestalteten auch diese <strong>oder</strong><br />
jene Fernseh- <strong>oder</strong> Funksendung <strong>und</strong> manches andere gemeinsam. Die fachliche Kompetenz<br />
des anderen achtend, gingen wir stets davon aus, dass es sich lohnt, furchtlos über<br />
den Rand der eigenen Disziplin hinauszuschauen <strong>und</strong> die Erkenntnisse des anderen zu<br />
nutzen <strong>und</strong> zu stützen.<br />
Wir freuen uns darüber, dass wir dem Wunsch von Kollegen nachkommen können,<br />
wesentliche Ergebnisse der Studie aus sexualwissenschaftlicher Sicht zu dokumentieren<br />
<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Erkenntnisse aus sexualmedizintheoretischer <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
aus medizinpraktischer Sicht mitzuteilen. Anerkennung verdient Jenapharm, das das<br />
ungewöhnliche Projekt in Gang gebracht hat. Dankbar sind wir allen Mitwirkenden:<br />
Der eine den befragten Frauen, die offen <strong>und</strong> ehrlich über sich Auskunft gegeben haben.<br />
Der andere bedankt sich vor allem bei den Patientinnen, von denen immer zu lernen ist<br />
<strong>und</strong> denen letztlich die Konsequenzen zugutekommen sollen.<br />
Bei aller Ernsthaftigkeit des Anliegens wäre es schön, wenn das Lesen wenigstens ab <strong>und</strong> an<br />
vergnüglich wäre. Das würde dann auch unserer Auffassung von Sexualität entsprechen.<br />
Kurt Starke<br />
Hans-Joachim Ahrendt
Prof. Dr. habil. Kurt Starke<br />
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Ahrendt<br />
Prof. Dr. habil. Kurt Starke, Jg. 1938, studierte in Leipzig <strong>und</strong> promovierte über<br />
öffent liche Meinung. 1967 wechselte er zum eben gegründeten Zentralinstitut für<br />
Jugendforschung Leipzig. Er leitete die Abteilung Studentenforschung <strong>und</strong> die Abteilung<br />
Partner- <strong>und</strong> Sexualforschung <strong>und</strong> war Forschungsdirektor. Nach Schließung des<br />
Instituts 1990 gründete er die Forschungsstelle Partner- <strong>und</strong> Sexualforschung Leipzig.<br />
Er war Gründungsvorsitzender der Gesellschaft für Sexualwissenschaft Leipzig<br />
<strong>und</strong> der Gesellschaft für Jugend- <strong>und</strong> Sozialforschung Leipzig. 1981 war er von der<br />
Humboldt-Universität zu Berlin, an der er sich 1977 habilitiert hatte, zum Professor<br />
für Soziologie berufen worden. Seit 1987 ist er Full member der International<br />
Academy of Sex Research <strong>und</strong> der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung.<br />
Seit 1972 hat Kurt Starke empirische Untersuchungen zu Liebe, Partnerschaft <strong>und</strong><br />
Sexualität unter mehr als 80.000 Personen beiderlei Geschlechts <strong>und</strong> verschiedener<br />
Generationen in Ost <strong>und</strong> West durchgeführt, meist in nationaler <strong>oder</strong> internationaler<br />
Kooperation, insbesondere mit dem Institut für Sexualforschung der Universität<br />
Hamburg. Aus seiner Feder stammen zahlreiche wissenschaftliche <strong>und</strong> populäre<br />
Publikationen, zuletzt die Bücher „Mehr <strong>Lust</strong> an der <strong>Lust</strong>. Ein Ratgeber nicht nur fürs<br />
Bett“, „Nichts als die reine Liebe. Beziehungsbiographien <strong>und</strong> Sexualität im sozialen<br />
<strong>und</strong> psychologischen Wandel: Ost-West-Unterschiede“ <strong>und</strong> (gemeinsam mit Gunter<br />
Schmidt, Silja Matthiesen <strong>und</strong> Arne Dekker) „Spätm<strong>oder</strong>ne Beziehungswelten. Report<br />
über Partnerschaft <strong>und</strong> Sexualität in drei Generationen.“ Das „Lexikon der Erotik“<br />
(mit Lykke Aresin) erschien in mehreren Auflagen <strong>und</strong> auch im Ausland.<br />
Der Soziologe <strong>und</strong> Sexualwissenschaftler ist in den Medien präsent, als Kolumnist,<br />
Interviewpartner <strong>und</strong> Experte. Bei MDR 1 Radio Sachsen ist er seit 1994 14-täglich<br />
in seiner Sendung „Liebe, Liebe…“ zu hören.<br />
Kurt Starke ist seit 51 Jahren verheiratet, seine Frau, PD Dr. habil. Uta Starke, lehrt<br />
am Institut für Soziologie der Universität Leipzig. Sie haben drei Kinder <strong>und</strong> drei<br />
Enkel <strong>und</strong> wohnen in Zeuckritz bei Leipzig.<br />
Leiter Praxis für Frauenheilk<strong>und</strong>e,<br />
Klinische Forschung <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Facharzt für Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Geburtshilfe mit Praxis <strong>und</strong> Tagesklinik<br />
Lehrauftrag an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg<br />
Prof. Ahrendt arbeitet als Facharzt für Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Geburtshilfe in eigener<br />
Praxis mit Tagesklinik. Seine Schwerpunkte sind die gynäkologische Endokrinologie<br />
<strong>und</strong> Sexualmedizin. Neben dem unmittelbar klinischen Arbeitsbereich gehört zur<br />
Praxis auch eine Abteilung für Klinische Forschung <strong>und</strong> Weiterbildung.<br />
Das Medizinstudium absolvierte er an der Medizinischen Akademie (jetzt Otto-von-<br />
Guericke-Universität) in Magdeburg. Danach arbeitete er 20 Jahre an der Universitäts-<br />
Frauenklinik in Magdeburg. Dort machte er seine Facharztausbildung, Promotion <strong>und</strong><br />
Habilitation. Sein fachliches <strong>und</strong> wissenschaftliches Interesse galt seit jeher der<br />
hormonalen Kontrazeption, der Endokrinologie <strong>und</strong> Sexualmedizin. Seine Habi litationsschrift<br />
beschäftigte sich mit dem Sexualverhalten <strong>und</strong> der Kontrazeption von<br />
Teenagern. Er war Mitbegründer der Teenager-Sprechst<strong>und</strong>en in der Gynäkologie<br />
<strong>und</strong> hat dazu auch sehr viel populärwissenschaftliche Arbeit in Schulen <strong>und</strong> Medien<br />
geleistet. In dieser Zeit etablierte er auch sexualmedizinische Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen<br />
in der Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> hat dazu einen Lehrauftrag an der Medizinischen<br />
Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.<br />
In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt er sich einerseits mit soziologischen<br />
Studien zum sozialen, sexuellen <strong>und</strong> kontrazeptiven Verhalten <strong>und</strong> andererseits mit<br />
klinischen Studien insbesondere zur Entwicklung von hormonalen Kontrazeptiva,<br />
zur Hormonersatztherapie, zur nichthormonellen Behandlung des klimakterischen<br />
Syndroms, zu Störungen der sexuellen <strong>Lust</strong> u. Ä. Zu diesen Themen hat er mehr<br />
als 100 wissenschaftliche <strong>und</strong> allgemeine Publikationen verfasst <strong>und</strong> weit über<br />
400 wissenschaftliche Vorträge auf Fachtagungen <strong>und</strong> Kongressen gehalten.<br />
Prof. Ahrendt ist stellvertretender Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt des Berufsverbandes<br />
der Frauenärzte e. V.
Prof. Dr. habil. Kurt Starke<br />
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Ahrendt<br />
Prof. Dr. habil. Kurt Starke, Jg. 1938, studierte in Leipzig <strong>und</strong> promovierte über<br />
öffent liche Meinung. 1967 wechselte er zum eben gegründeten Zentralinstitut für<br />
Jugendforschung Leipzig. Er leitete die Abteilung Studentenforschung <strong>und</strong> die Abteilung<br />
Partner- <strong>und</strong> Sexualforschung <strong>und</strong> war Forschungsdirektor. Nach Schließung des<br />
Instituts 1990 gründete er die Forschungsstelle Partner- <strong>und</strong> Sexualforschung Leipzig.<br />
Er war Gründungsvorsitzender der Gesellschaft für Sexualwissenschaft Leipzig<br />
<strong>und</strong> der Gesellschaft für Jugend- <strong>und</strong> Sozialforschung Leipzig. 1981 war er von der<br />
Humboldt-Universität zu Berlin, an der er sich 1977 habilitiert hatte, zum Professor<br />
für Soziologie berufen worden. Seit 1987 ist er Full member der International<br />
Academy of Sex Research <strong>und</strong> der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung.<br />
Seit 1972 hat Kurt Starke empirische Untersuchungen zu Liebe, Partnerschaft <strong>und</strong><br />
Sexualität unter mehr als 80.000 Personen beiderlei Geschlechts <strong>und</strong> verschiedener<br />
Generationen in Ost <strong>und</strong> West durchgeführt, meist in nationaler <strong>oder</strong> internationaler<br />
Kooperation, insbesondere mit dem Institut für Sexualforschung der Universität<br />
Hamburg. Aus seiner Feder stammen zahlreiche wissenschaftliche <strong>und</strong> populäre<br />
Publikationen, zuletzt die Bücher „Mehr <strong>Lust</strong> an der <strong>Lust</strong>. Ein Ratgeber nicht nur fürs<br />
Bett“, „Nichts als die reine Liebe. Beziehungsbiographien <strong>und</strong> Sexualität im sozialen<br />
<strong>und</strong> psychologischen Wandel: Ost-West-Unterschiede“ <strong>und</strong> (gemeinsam mit Gunter<br />
Schmidt, Silja Matthiesen <strong>und</strong> Arne Dekker) „Spätm<strong>oder</strong>ne Beziehungswelten. Report<br />
über Partnerschaft <strong>und</strong> Sexualität in drei Generationen.“ Das „Lexikon der Erotik“<br />
(mit Lykke Aresin) erschien in mehreren Auflagen <strong>und</strong> auch im Ausland.<br />
Der Soziologe <strong>und</strong> Sexualwissenschaftler ist in den Medien präsent, als Kolumnist,<br />
Interviewpartner <strong>und</strong> Experte. Bei MDR 1 Radio Sachsen ist er seit 1994 14-täglich<br />
in seiner Sendung „Liebe, Liebe…“ zu hören.<br />
Kurt Starke ist seit 51 Jahren verheiratet, seine Frau, PD Dr. habil. Uta Starke, lehrt<br />
am Institut für Soziologie der Universität Leipzig. Sie haben drei Kinder <strong>und</strong> drei<br />
Enkel <strong>und</strong> wohnen in Zeuckritz bei Leipzig.<br />
Leiter Praxis für Frauenheilk<strong>und</strong>e,<br />
Klinische Forschung <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
Facharzt für Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Geburtshilfe mit Praxis <strong>und</strong> Tagesklinik<br />
Lehrauftrag an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg<br />
Prof. Ahrendt arbeitet als Facharzt für Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Geburtshilfe in eigener<br />
Praxis mit Tagesklinik. Seine Schwerpunkte sind die gynäkologische Endokrinologie<br />
<strong>und</strong> Sexualmedizin. Neben dem unmittelbar klinischen Arbeitsbereich gehört zur<br />
Praxis auch eine Abteilung für Klinische Forschung <strong>und</strong> Weiterbildung.<br />
Das Medizinstudium absolvierte er an der Medizinischen Akademie (jetzt Otto-von-<br />
Guericke-Universität) in Magdeburg. Danach arbeitete er 20 Jahre an der Universitäts-<br />
Frauenklinik in Magdeburg. Dort machte er seine Facharztausbildung, Promotion <strong>und</strong><br />
Habilitation. Sein fachliches <strong>und</strong> wissenschaftliches Interesse galt seit jeher der<br />
hormonalen Kontrazeption, der Endokrinologie <strong>und</strong> Sexualmedizin. Seine Habi litationsschrift<br />
beschäftigte sich mit dem Sexualverhalten <strong>und</strong> der Kontrazeption von<br />
Teenagern. Er war Mitbegründer der Teenager-Sprechst<strong>und</strong>en in der Gynäkologie<br />
<strong>und</strong> hat dazu auch sehr viel populärwissenschaftliche Arbeit in Schulen <strong>und</strong> Medien<br />
geleistet. In dieser Zeit etablierte er auch sexualmedizinische Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen<br />
in der Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> hat dazu einen Lehrauftrag an der Medizinischen<br />
Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.<br />
In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt er sich einerseits mit soziologischen<br />
Studien zum sozialen, sexuellen <strong>und</strong> kontrazeptiven Verhalten <strong>und</strong> andererseits mit<br />
klinischen Studien insbesondere zur Entwicklung von hormonalen Kontrazeptiva,<br />
zur Hormonersatztherapie, zur nichthormonellen Behandlung des klimakterischen<br />
Syndroms, zu Störungen der sexuellen <strong>Lust</strong> u. Ä. Zu diesen Themen hat er mehr<br />
als 100 wissenschaftliche <strong>und</strong> allgemeine Publikationen verfasst <strong>und</strong> weit über<br />
400 wissenschaftliche Vorträge auf Fachtagungen <strong>und</strong> Kongressen gehalten.<br />
Prof. Ahrendt ist stellvertretender Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt des Berufsverbandes<br />
der Frauenärzte e. V.
TEIL 1:<br />
Postmenopause <strong>und</strong> Sexualität<br />
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung<br />
von Prof. Kurt Starke
Postmenopause <strong>und</strong> Sexualität<br />
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Prof. Kurt Starke<br />
Stichwortverzeichnis<br />
Familienstand Seite 21<br />
Figur Seite 20<br />
Fremdgehen Seite 23<br />
Funktionen der Sexualität Seite 11<br />
Gefühl, begehrt zu werden Seite 20<br />
Geschlechtsverkehr Seite 10<br />
Ges<strong>und</strong>heitszustand Seite 14<br />
Häufigkeit von Geschlechtsverkehr Seite 12<br />
Hormone Seite 10<br />
Humor Seite 19<br />
Keine <strong>Lust</strong> auf Sex Seite 15<br />
Koituspartner Seite 26<br />
Körpergewicht Seite 20<br />
Kuss Seite 10<br />
Langzeitbeziehungen Seite 22<br />
Lebenszufriedenheit Seite 19<br />
Liebe Seite 23<br />
Orgasmusraten Seite 13<br />
Partnermobilität Seite 25<br />
Partnerstand: feste Beziehung Seite 21<br />
Partnerstand: keine feste Beziehung Seite 24<br />
Potenzschwierigkeiten Seite 15<br />
Selbstbewusste Generation Seite 17<br />
Selbstbildtest Seite 17<br />
Selbstwertgefühl Seite 19<br />
Sexuelles Verlangen Seite 18<br />
Sinnlich Seite 18<br />
Stellenwert des Sexuellen Seite 10<br />
Wohlbefinden <strong>und</strong> sexuelle Aktivität Seite 14<br />
Wohlfühlen in der Beziehung Seite 22<br />
Wünsche <strong>und</strong> Hoffnungen Seite 26<br />
Zärtlichkeit Seite 15<br />
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 1040 Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren<br />
R<strong>und</strong> 5 Millionen 50- bis 60-jährige Frauen leben in von den Medien nicht geliebt wird, scheint sie liebesunfähig.<br />
Weil sie in die Wechseljahre gekommen ist,<br />
Deutschland. Sie stellen eine bedeutende Altersgruppe<br />
der Bevölkerung dar. Das wird sich in den nächsten scheint ihr Alltag von unverwechselbaren Leiden beherrscht<br />
zu sein. Weil Anmut, Glanz <strong>und</strong> Schönheit mit<br />
Jahrzehnten zunächst noch verstärken. Diese Frauenkohorte<br />
ist nicht nur quantitativ von Bedeutung, sondern<br />
sie hat qualitative Besonderheiten, zum einen als Lebensabschnitt traditionell als defizitär.<br />
50+ nicht dieselben sind wie mit 15+, erscheint dieser<br />
Altersgruppe auf Gr<strong>und</strong> des höheren Alters <strong>und</strong> der<br />
Postmenopause, zum anderen als Generation. Sie ist Dem folgenden Text liegen Ergebnisse der empirischen<br />
unter ganz anderen gesellschaftlichen <strong>und</strong> familiären Studie „Postmenopause <strong>und</strong> Sexualität“ unter 1040<br />
Bedingungen sozialisiert worden als ihre Eltern <strong>und</strong> Frauen zu Gr<strong>und</strong>e. Die anonyme schriftliche postalische<br />
wurde mit den Werten <strong>und</strong> Normen der Nachkriegszeit<br />
<strong>und</strong> der beiden deutschen Staaten konfrontiert, standardisiertem Fragebogen vom 20. Mai bis zum<br />
Befragung wurde im TPI Panel von TNS Infratest per<br />
auch in Bezug auf Partnerschaft <strong>und</strong> Sexualität. Für 21. Juni 2007 vom TestPanel-Institut Wetzlar/TNS<br />
diese Generation waren die sexuelle Liberalisierung in Healthcare GmbH, München, durchgeführt. Die<br />
den 70er Jahren <strong>und</strong> die emanzipatorischen Prozesse Rücklaufquote betrug 70,3%. Fragebogen <strong>und</strong> Forschungsbericht:<br />
Kurt Starke. Die Untersuchung ist<br />
selbstverständliche Zeiterscheinungen, die zu ihrem<br />
jetzigen Selbstbild beigetragen haben.<br />
repräsentativ für Frauen in Deutschland im Alter von<br />
50 bis 60 Jahren (nur deutsche Staatsbürgerschaft).<br />
Die Forschung hat sich bisher kaum für diese Frauen<br />
<strong>und</strong> für dieses Alter interessiert. Komplexe sexualwissenschaftliche<br />
Studien sind kaum zu finden, gleich nachgesagt, sie verlören schnell die <strong>Lust</strong> am Sexuellen.<br />
Frauen jenseits der letzten Regelblutung wird gern<br />
gar nicht solche mit inhaltlichen Aspekten wie Postmenopause,<br />
Selbstbild, Körperlichkeit, Ges<strong>und</strong>heit So heißt es in einem Gedicht von Martin Opitz vor<br />
„Der Augen Feuer weichet, die Brunst wird Eis.“<br />
<strong>und</strong> Hormontherapie. Stattdessen bestehen Vorurteile 380 Jahren. Diese Frauen, so wird angenommen,<br />
über das Sexualleben der Frauen dieses Alters. Sie sähen sich selbst nicht mehr als Sexualwesen. Sie<br />
reichen von sexueller Hyperaktivität bis zu sexueller wären keine sinnlichen, liebesfähigen Frauen mehr<br />
Verödung, von der lustigen Witwe bis zum lustlosen <strong>und</strong>, von Leiden aller Art geplagt, untauglich fürs<br />
Neutrum. Weil sie ihre Fertilität verloren hat, scheint Küssen <strong>und</strong> Kosen.<br />
sie als Frau verloren. Weil sie ihre Jugend hinter sich<br />
hat, scheint sie ihr Leben hinter sich zu haben. Weil sie<br />
8 9
Abbildung<br />
1<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
55 %<br />
in der<br />
letzten<br />
Woche<br />
Wann haben Sie das letzte Mal<br />
„richtig“ geküsst?<br />
22 %<br />
6 % 6 %<br />
in den<br />
letzten vier<br />
Wochen<br />
9 %<br />
16 %<br />
im letzten<br />
Jahr<br />
in fester<br />
Beziehung<br />
Singles<br />
Dem ist keineswegs so. Für die meisten Frauen liegt<br />
der letzte „richtige“ Kuss nicht länger als eine Woche<br />
zurück. Das ist freilich nur für Frauen in fester Beziehung<br />
so. Für 70% der Singles liegt der letzte „richtige“<br />
Kuss über ein Jahr zurück. Bei den Partnergeb<strong>und</strong>enen<br />
sind es 13% (Abbildung 1). Die Frauen dieser Altersgruppe<br />
sind eine Kussgeneration <strong>und</strong> haben das Küssen<br />
weder in der Ehe <strong>oder</strong> in einer anderen Beziehung<br />
noch mit zunehmendem Alter ganz aufgegeben <strong>oder</strong><br />
verlernt. Genauso ist es mit dem Geschlechtsverkehr.<br />
51% der Partnergeb<strong>und</strong>enen (6% der Singles)<br />
hatten in der letzten Woche Geschlechtsverkehr <strong>und</strong><br />
weitere 26% in den letzten vier Wochen (Abbildung 2).<br />
Stellenwert des Sexuellen. Wie wichtig ist Sexualität<br />
für die Frauen zwischen 50 <strong>und</strong> 60? Nur ganz<br />
wenige Frauen meinen, die Sexualität sei für die Liebesbeziehung<br />
unwichtig (Abbildung 3). Sie wird aber<br />
auch nicht als das Absolute betrachtet, nicht als das<br />
Einzige, was zählt. Diese Relativierung findet sich nicht<br />
nur in dieser Altersgruppe, sondern auch bei Jüngeren<br />
(Schmidt, 2000; Starke, 2005). Partnerschaftliche Sexualität<br />
gehört für Frauen <strong>und</strong> Männer sehr wohl zu<br />
den invarianten Elementen der Liebesbeziehung. Sie ist<br />
aber nicht allein das, was die Beziehung zusammenhält.<br />
13 %<br />
70 %<br />
vor über<br />
einem Jahr<br />
1 % 2 %<br />
noch nie<br />
Abbildung<br />
2<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
51 %<br />
in der<br />
letzten<br />
Woche<br />
Wann hatten Sie den letzten<br />
Geschlechtsverkehr?<br />
26 %<br />
6 % 6 %<br />
in den<br />
letzten vier<br />
Wochen<br />
10 % 12 % 13 %<br />
im letzten<br />
Jahr<br />
vor über<br />
einem Jahr<br />
noch nie<br />
in fester<br />
Beziehung<br />
Singles<br />
Die Beziehung wird zwar als idealer <strong>und</strong> geschützter<br />
Raum auch für Sexualität geschätzt. Aber Sexualität<br />
gilt nicht <strong>oder</strong> nur augenblickhaft als die Hauptsache<br />
einer Beziehung. Sie ist eingebettet in das Insgesamt<br />
der Lebensaktivitäten des Paares. Das schließt nicht<br />
aus, dass das Sexuelle die schönsten Gefühle auslösen<br />
<strong>und</strong> zu den größten Glücksmomenten im Leben<br />
führen kann, nicht nur im Stadium des Verliebtseins,<br />
das temporär alles überflutet, <strong>oder</strong> in einer spontanen<br />
Begegnung, sondern auch in der Vertrautheit der langen<br />
Liebe.<br />
Frauen, die im Zusammenhang mit den Wechseljahren<br />
Hormone nehmen, bezeichnen häufiger als Frauen,<br />
Abbildung<br />
3<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
11 %<br />
76 %<br />
Wie wichtig ist die Sexualität<br />
gegenwärtig für Ihre Beziehung?<br />
41 %<br />
39 %<br />
sehr wichtig wichtig weniger<br />
wichtig<br />
9 %<br />
überhaupt<br />
nicht wichtig<br />
die noch nie Hormone genommen haben, <strong>und</strong> häufiger<br />
als Abbrecherinnen die Sexualität als „sehr wichtig“<br />
für ihre Beziehung. Das deutet darauf hin, dass bei<br />
einer HRT-Überlegung der Stellenwert des Sexuellen<br />
nicht ohne Bedeutung ist. Generell messen HRT-Verwenderinnen<br />
dem Sexuellen einen größeren Stellenwert<br />
zu als Nichtverwenderinnen. Sie haben häufiger<br />
sexuelles Verlangen. Sie sind sexuell aktiver <strong>und</strong> haben<br />
mehr davon. Sie finden Sexualität etwas häufiger<br />
belebend als Frauen, die keine Hormone nehmen<br />
(Abbildung 4). Der Unterschied ist zwar nicht über -<br />
groß, aber doch deutlich, <strong>und</strong> zwar bei allen Parametern<br />
zur Sexualität.<br />
Funktionen der Sexualität. Sexuelles bedeutet für<br />
nur wenige Frauen Pflicht <strong>und</strong> Stress, für die allermeisten<br />
aber Lebensfreude, <strong>Lust</strong>, körperliches Vergnügen<br />
<strong>und</strong> vor allem Zärtlichkeit <strong>und</strong> Nähe (Abbildung 5). In<br />
dem sexuellen Miteinander sehen sie ihre Weiblichkeit<br />
bestätigt <strong>und</strong> fühlen sich begehrt. Das Sexualverhalten<br />
auf Triebbefriedigung <strong>und</strong> Orgasmus zu reduzieren,<br />
widerspricht den vielfältigen Funktionen der menschlichen<br />
Sexualität. Sie wird mit Liebe <strong>und</strong> Zärtlichkeit<br />
assoziiert. Die Intimfunktion <strong>oder</strong> Nähefunktion ist<br />
Abbildung<br />
5<br />
Zärtlichkeit<br />
der geliebten Person nah sein<br />
begehrt werden<br />
körperliches Vergnügen<br />
<strong>Lust</strong><br />
Bestätigung meiner Weiblichkeit<br />
Lebensfreude<br />
Pflicht<br />
Stress<br />
4 % 7 %<br />
3 % 7 %<br />
Abbildung<br />
4<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
55 %<br />
Sexualität bedeutet für mich …<br />
Sexualität als „eher belebend“<br />
HRT-Patientinnen HRT-Aussteigerinnen HRT-Neutrale<br />
in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt. Mittels des Sexuellen<br />
wird eine Intimität hergestellt <strong>und</strong> eine Vertrautheit<br />
gewünscht, werden Nähe, Wärme <strong>und</strong> Geborgenheit<br />
gesucht, die anders so nicht zu finden sind <strong>und</strong><br />
die die Isoliertheit zweier Individuen aufheben. Das<br />
ist schon in jungen Jahren wichtig <strong>und</strong> gewinnt mit<br />
zunehmendem Alter eher noch an Bedeutung. Freilich<br />
finden sich auch Frauen zwischen 50 <strong>und</strong> 60, die<br />
körperlich genug von ihrem Mann <strong>oder</strong> von Männern<br />
haben, die körperliche Berührungen scheuen, die<br />
Erotisches in ihrem Alter als unpassend betrachten,<br />
die den Sex der Not gehorchend ad acta legen <strong>und</strong><br />
dem eigenen Triebe entsagen. Aber sie sind die Ausnahme,<br />
<strong>und</strong> selten die glückliche.<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 %<br />
46 % 48 %<br />
45 % 48 %<br />
32 % 57 %<br />
23 % 64 %<br />
28 % 58 %<br />
24 % 54 %<br />
23 % 52 %<br />
Pos. 1: trifft voll <strong>und</strong> ganz zu<br />
Pos. 2: trifft zu<br />
39 %<br />
100 %<br />
43 %<br />
10 11
Abbildung<br />
6<br />
Geschlechtsverkehr<br />
in der letzten Woche<br />
Abbildung<br />
7<br />
Monatliche Koitushäufigkeit<br />
nach Liebe<br />
sogar im Gegenteil: Ältere Frauen in Langzeitbeziehungen<br />
kommen häufiger zum Orgasmus als jüngere in<br />
Frauen mit hohem Selbstwertgefühl kommen häufiger<br />
zum Orgasmus als andere, Frauen, die gern <strong>und</strong> oft<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
61 %<br />
52 %<br />
38 %<br />
28 %<br />
20 %<br />
5 %<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Partner wird geliebt …<br />
6,2-mal<br />
4,4-mal<br />
2,5-mal<br />
1,5-mal<br />
kürzeren Beziehungen. Sie haben zwar nach <strong>und</strong> nach<br />
etwas seltener Verkehr (aber immer noch weit häufi ger<br />
als Singlefrauen, auch als die ganz jungen). Aber ihre sex<br />
uelle Reaktionsfähigkeit schwindet keineswegs dahin.<br />
Genau drei Viertel der befragten Frauen (75%) sagen,<br />
dass sie beim jüngsten Mal zum Orgasmus gelangt sind,<br />
59% einmal <strong>und</strong> 16% mehrmals (Abbildung 10).<br />
küssen, häufiger als Frauen, die weniger gern küssen.<br />
Ein allgemeiner Zusammenhang findet sich in unserem<br />
Material zwischen der Orgasmusrate <strong>und</strong> dem Sichr<strong>und</strong>um-glücklich-Fühlen.<br />
Von den glücklichen Frauen<br />
hatten 87% beim letzten Mal (mindestens) einen<br />
Orgasmus, von den weniger <strong>oder</strong> nicht glücklichen<br />
nur 58%.<br />
0 %<br />
1 2<br />
sehr Glückliche<br />
3 4 5<br />
6<br />
nicht Glückliche<br />
0<br />
über alle<br />
Maßen<br />
sehr etwas überhaupt<br />
nicht<br />
Die Orgasmusraten liegen bei den Frauen 50+ über<br />
Die meisten Frauen zwischen 50 <strong>und</strong> 60 identifizieren<br />
dem Durchschnitt. Der Orgasmus wird mit der Dau-<br />
sich mit der Häufigkeit koitaler Kontakte. Für 70% war<br />
Das Verlangen nach sexuellem Austausch <strong>und</strong> die<br />
nur 2,5-mal (Abbildung 7). Eine gute Beziehung zu ha-<br />
er der Beziehung (<strong>und</strong> dem Alter) eher stabiler. Dafür<br />
die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs im letz-<br />
Häufigkeit von Geschlechtsverkehr sind je nach<br />
ben <strong>und</strong> sich in ihr wohl zu fühlen, ist die wichtigste<br />
spricht auch der hohe Anteil an Mehrfachorgasmen.<br />
ten Monat „gerade richtig“, nur für 6% war es „eher<br />
Temperament <strong>und</strong> Laune <strong>und</strong> den aktuellen Befindlich-<br />
Bedingung für sexuelle Aktivität <strong>und</strong> bleibt es auch in<br />
Von herausragender Bedeutung ist das emotionale<br />
zu oft“ (Abbildung 11). Ein „eher zu oft“ in Partnerbe-<br />
keiten von vielen Bedingungen abhängig. Frauen mit<br />
den meist langen Beziehungen in diesem Alter. Freilich<br />
Verhältnis zum Partner. Bei sehr großer Liebe steigt<br />
ziehungen ist selten, auch weil diese Frauen nicht dazu<br />
hohem Selbstwertgefühl haben häufiger Geschlechts-<br />
lassen mit zunehmendem Alter Koitusfrequenz <strong>und</strong><br />
die Orgasmusrate auf 86% (<strong>und</strong> die der Mehrfachor-<br />
neigen, dem Verlangen des Mannes nachzugeben, wenn<br />
verkehr als Frauen mit niedrigem Selbstwertgefühl,<br />
sexuelles Verlangen etwas nach. Beides ist zu Beginn<br />
gasmen auf 23%). Singles haben eine etwas niedrigere<br />
sie selber nicht wollen. Dagegen bewertet ein Viertel<br />
Mütter etwas häufiger als Nichtmütter. Glückliche<br />
der Beziehung am größten, vor allem in den ersten<br />
Orgasmusrate, vor allem dann, wenn der Partner<br />
der befragten Frauen (24%) die reale Koitusfrequenz<br />
sind sexuell erheblich reger als nicht Glückliche (<strong>und</strong><br />
beiden Jahren, <strong>und</strong> sinkt nach fünf bis zehn Jahren,<br />
nicht gerade die große Liebe <strong>oder</strong> nicht gut bekannt<br />
als „eher zu selten“. Dass Frauen von 50 bis 60 se-<br />
umgekehrt) (Abbildung 6). Frauen, die ihren Partner<br />
um sich dann auf einem bestimmten <strong>und</strong> individuell<br />
ist. Neben der Qualität der Beziehung der beiden<br />
xuell mehr wollen, als sie haben, auch in Form von<br />
sehr lieben – <strong>und</strong> das sind die meisten (Abbildung 31),<br />
sehr unterschiedlichen Niveau zu stabilisieren (Ab-<br />
Geschlechtspartner spielen selbstverständlich die Ein-<br />
Geschlechtsverkehr, gehört zu den beeindruckenden<br />
haben im Durchschnitt 6,2-mal Geschlechtsverkehr<br />
bildung 8, 9). Ganz geht die <strong>Lust</strong> auch nach 20 <strong>oder</strong><br />
stellung zur Sexualität <strong>und</strong> die orgastische Potenz der<br />
Ergebnissen unserer Studie. Das wird durch einen wei-<br />
im Monat, diejenigen, die ihn nur etwas lieben, aber<br />
40 Ehejahren nicht verloren, in gewisser Hinsicht<br />
jeweiligen Frau eine Rolle. Sinnliche <strong>und</strong> genussfähige<br />
teren, etwas differenzierteren Bef<strong>und</strong> bestätigt. Nur<br />
Abbildung<br />
8<br />
Koitusfrequenz nach<br />
Beziehungsdauer (Gesamtgruppe)<br />
Abbildung<br />
9<br />
Sexuelles Verlangen<br />
nach Beziehungsdauer<br />
Abbildung<br />
10<br />
Sind Sie während des letzten sexuellen Zusammenseins<br />
zum Orgasmus gekommen?<br />
Abbildung<br />
11<br />
War die Häufigkeit des<br />
Geschlechtsverkehrs für Sie …<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
6,5-mal im<br />
Monat<br />
3,6<br />
4,6 4,5<br />
4,2<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
45 %<br />
31 %<br />
32 %<br />
22 %<br />
25 %<br />
ja, einmal<br />
59 %<br />
nein<br />
25 %<br />
ja, mehrmals<br />
16 %<br />
eher zu oft 6 %<br />
eher zu<br />
selten<br />
24 %<br />
gerade<br />
richtig<br />
70 %<br />
0<br />
1–10<br />
Jahre<br />
11–20<br />
Jahre<br />
21–30<br />
Jahre<br />
31–35<br />
Jahre<br />
mehr als<br />
35 Jahre<br />
0 %<br />
1–10<br />
Jahre<br />
11–20<br />
Jahre<br />
21–30<br />
Jahre<br />
31–35<br />
Jahre<br />
mehr als<br />
35 Jahre<br />
12 13
Abbildung<br />
12<br />
Zufriedenheit mit der<br />
Häufigkeit von Geschlechtsverkehr<br />
Abbildung<br />
13<br />
Koitusfrequenz (ø pro Monat)<br />
nach Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
selten mindert das dann auch die Beschwerden. Ein<br />
Beispiel dafür ist in unserer Studie die Schlaflosigkeit –<br />
Abbildung<br />
15<br />
Ist Sexualität für Sie …<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
16 %<br />
3 %<br />
sehr zufrieden<br />
57 %<br />
16 %<br />
zufrieden<br />
23 %<br />
19 %<br />
weniger<br />
zufrieden<br />
58 %<br />
8 %<br />
überhaupt nicht<br />
zufrieden<br />
in fester<br />
Beziehung<br />
Singles<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Ges<strong>und</strong>heitszustand …<br />
5,7<br />
2,2<br />
sehr gut<br />
4,5<br />
gut<br />
4,2<br />
0,6 0,6<br />
weniger gut<br />
2,7<br />
0,0<br />
überhaupt<br />
nicht gut<br />
in fester<br />
Beziehung<br />
Singles<br />
nach Gelenk- <strong>und</strong> Muskelbeschwerden <strong>und</strong> noch vor<br />
Hitzewallungen <strong>und</strong> Schwitzen das zweithäufigste Ges<strong>und</strong>heitsproblem<br />
in den Wechseljahren: Sexuell aktive<br />
Frauen leiden deutlich weniger <strong>oder</strong> überhaupt nicht<br />
unter Schlafstörungen.<br />
Ein erfülltes Sexualleben strahlt auf die Ges<strong>und</strong>heit,<br />
das allgemeine Wohlbefinden, die Lebenszugewandtheit,<br />
das Selbstwertgefühl <strong>und</strong> viele andere Bereiche<br />
mal so,<br />
mal so<br />
40 %<br />
keines von<br />
beiden<br />
14 %<br />
eher<br />
belebend<br />
43 %<br />
eher belastend 3 %<br />
des Lebens positiv aus. Für die meisten Frauen ist<br />
14% sind mit der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs<br />
sondern beschreibt auch im Selbstverständnis der be-<br />
Sexualität ein belebendes, lebensfreudiges, lustvolles,<br />
über Potenzschwierigkeiten ihres Partners – ein<br />
in ihrer Beziehung sehr zufrieden, weitere 51% zufrie-<br />
fragten Frauen eine Balance zwischen physischen, psy-<br />
vitalisierendes Element ihres Lebens. Nur 3% sagen,<br />
erheblicher Prozentsatz (Abbildung 16). Bei großen<br />
den <strong>und</strong> 35% weniger <strong>oder</strong> überhaupt nicht zufrie-<br />
chischen <strong>und</strong> sozialen Faktoren, zu denen signifikant<br />
dass Sexualität für sie eher belastend ist (Abbildung<br />
Unterschieden zwischen Frauen mit <strong>und</strong> Frauen ohne<br />
den – darunter auch einige von den Frauen, die in den<br />
Liebe <strong>und</strong> Sexualität gehören.<br />
15). Sexualität belebt nicht nur die Beziehung, sondern<br />
Partner haben 26% im Moment keine <strong>Lust</strong> auf Sex.<br />
letzten vier Wochen mehr als achtmal Geschlechts-<br />
das ganze Selbst. Sexualität ist für Frauen dieses Alters<br />
14% verspüren Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.<br />
verkehr hatten (Abbildung 12). Noch weit größer ist<br />
Beim statistischen Zusammenhang zwischen Wohl-<br />
nichts, was sie tendenziell belastet. Für die meisten ist<br />
Mindestens 20% leiden unter dem für dieses Alter ty-<br />
freilich das Defiziterleben bei den Frauen ohne feste<br />
befinden <strong>und</strong> sexueller Aktivität ist daher eine<br />
sie ein Lebenselixier <strong>und</strong> kein Lebensproblem.<br />
pischen Problem der trockenen Scheide. 22% fühlen<br />
Beziehung.<br />
intervenierende Variable von besonderer Bedeutung:<br />
sich zu wenig begehrt. 33% sagen, sie hätten zu wenig<br />
der Partnerstand. In guten Partnerbeziehungen kommt<br />
Realistischerweise idealisieren sie Sexualität nicht.<br />
Sex – <strong>und</strong> 38% klagen über zu wenig Zärtlichkeit, 29%<br />
Zu den Faktoren, die das Sexualleben beeinflussen,<br />
auch bei nicht so gutem Ges<strong>und</strong>heitszustand die sexu-<br />
Sie wissen auf Gr<strong>und</strong> ihrer Lebens- <strong>und</strong> Liebeserfah-<br />
der Frauen mit <strong>und</strong> 78% der Frauen ohne feste Be-<br />
gehört selbstverständlich der Ges<strong>und</strong>heitszustand.<br />
elle Aktivität nicht zum Erliegen, die ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
rung, dass Sexuelles nicht immer gleich ist <strong>und</strong> Höhen<br />
ziehung (Abbildung 17). Vor allem die Frauen, die sich<br />
R<strong>und</strong> die Hälfte der Frauen fühlte sich in diesem Jahr<br />
Probleme werden in der Partnerschaft aufgefangen.<br />
<strong>und</strong> Tiefen in sich birgt. 17% sagen, ihr Partner ver-<br />
selbst als zärtlich betrachten, leiden darunter, wenn<br />
mehr <strong>oder</strong> weniger häufig durch Krankheiten <strong>und</strong> Be-<br />
Nicht so in einer schlechten <strong>oder</strong> bei gar keiner Be-<br />
stehe sie sexuell nicht. Bei 8% will der Partner sexu-<br />
die Fähigkeit zur Zärtlichkeit nicht abgerufen wird.<br />
schwerden in ihrem Sexualleben beeinflusst: 8% sehr<br />
ziehung (Abbildung 13). Generell bestätigt sich die alte<br />
ell nichts mehr von seiner Frau wissen. 26 % klagen<br />
Zärtlichkeit ist ein überlebensnotwendiges Verhal-<br />
häufig, 10 % häufig <strong>und</strong> 30 % manchmal, die andere<br />
Erkenntnis: Wer sich ges<strong>und</strong> fühlt, ist sexuell aktiver,<br />
ten, eine Sehnsucht, eine Reaktion auf die Rauheit der<br />
Hälfte (52%) überhaupt nicht. Zwischen Krankheiten<br />
bzw. Beschwerden <strong>und</strong> sexueller Aktivität besteht<br />
ein spannungsreiches Verhältnis, das gr<strong>und</strong>legend –<br />
<strong>und</strong> wer sexuell aktiv ist, fühlt sich gesünder (<strong>und</strong> ist<br />
es auch), gerade mit zunehmendem Alter (Abbildung<br />
14). Allerdings finden sich auch Ausnahmen: Manche<br />
Abbildung<br />
14<br />
Fühlen Sie sich häufig krank?<br />
„Trifft zu“ in %<br />
Welt. Zärtlichkeit hat einen selbständigen Wert für<br />
die Persönlichkeit <strong>und</strong> bei den meisten zugleich eine<br />
partnerschaftliche Dimension. Geht diese Dimension<br />
aber nicht nur – von Art, Schwere <strong>und</strong> Häufigkeit<br />
Frauen sind zwar kernges<strong>und</strong> <strong>und</strong> haben <strong>Lust</strong> – aber<br />
60 %<br />
verloren, dann verkümmert auch die Zärtlichkeit.<br />
der Krankheiten/Beschwerden bestimmt ist. Manche<br />
Frauen, die objektiv ges<strong>und</strong>heitliche Probleme haben,<br />
lassen sich davon nicht allzu sehr in ihrer sexuellen<br />
Aktivität beeinträchtigen, andere reagieren mit sexueller<br />
Regression <strong>oder</strong> Abstinenz. Ges<strong>und</strong>heit ist nicht<br />
allein durch Abwesenheit von Krankheit zu erklären,<br />
sie haben keinen Partner <strong>oder</strong> nicht den richtigen.<br />
Oder: Manche Frauen haben zwar allerlei <strong>Lust</strong>, aber<br />
nicht auf Sex <strong>und</strong> fühlen sich trotzdem ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> zufrieden.<br />
Oder: Manche Frauen haben zwar Beschwerden,<br />
aber trotzdem sexuelles Verlangen <strong>und</strong> einen lieben<br />
Partner –, <strong>und</strong> so schlafen sie miteinander. Nicht<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
6 %<br />
sexuell sehr Aktive<br />
36 %<br />
sexuell weniger Aktive<br />
Ef e u un d ei n zä r t l i c h Ge m ü t<br />
Hef t e t si c h an un d gr ü n t un d b l ü h t .<br />
Kan n es we d e r St a m m no c h Ma u e r fi n d e n ,<br />
Es m u s s ve rd o r re n, e s m u s s ve r s c h w i n d e n.<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
14 15
Abbildung<br />
16<br />
Mein Partner versteht mich sexuell nicht<br />
Mein Partner will mehr Sex als ich<br />
Mein Partner zwingt mich zum Sex<br />
Ich will mehr Sex als mein Partner<br />
Mein Partner hat Potenzschwierigkeiten<br />
Mein Partner will sexuell nichts mehr von mir wissen<br />
Abbildung<br />
17<br />
Ich habe Schmerzen beim<br />
Geschlechtsverkehr<br />
Ich habe keine <strong>Lust</strong> auf Sex<br />
Sexuelle Probleme in der Partnerschaft<br />
8 %<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 %<br />
15 %<br />
1 %<br />
25 %<br />
29 %<br />
8 %<br />
13 %<br />
17 %<br />
26 %<br />
Sexuelle Probleme: 50- bis 60-jährige Frauen<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 %<br />
36 %<br />
100 %<br />
in fester<br />
Beziehung<br />
Singles<br />
Gerade das Berührtwerden, der intime Körperkontakt,<br />
ist zusammen mit dem zärtlichen Wort <strong>und</strong> der<br />
zärtlichen Geste für sie von besonderer Beutung: Sie<br />
sind sinnlich.<br />
Unsere Studie enthält einen Selbstbildtest, der diesbezüglich<br />
überraschende Ergebnisse erbringt. Wer annimmt,<br />
dass sich Frauen jenseits der 50 krank, traurig,<br />
angstvoll, überflüssig, einsam, minderwertig fühlen, der<br />
irrt. Dass es solche Gefühle gibt, temporär <strong>oder</strong> auch<br />
chronisch, ist unbestritten. Aktuell benennen sie etwa<br />
15 bis 25% der Frauen (Abbildung 18). Manchmal sind<br />
diese Merkmale miteinander gekoppelt, so dass ein<br />
bestimmtes Gefühlssyndrom entsteht. Der Korrelationskoeffizient<br />
ist am höchsten bei „einsam – traurig“<br />
<strong>und</strong> „einsam – überflüssig“ sowie „traurig – angstvoll“.<br />
Nur 2% meinen, alle sechs der genannten leidvollen<br />
Gefühle träfen auf sie zu. Dagegen leiden 63% unter<br />
keinem dieser Gefühlszustände.<br />
Die befragte Generation, zwischen 1946 <strong>und</strong> 1956<br />
geboren <strong>und</strong> emanzipatorisch sozialisiert, ist eine<br />
selbstbewusste Generation <strong>und</strong> empfindet sich<br />
auch so. Sie ist <strong>und</strong> betrachtet sich als kontaktfreudig,<br />
attraktiv, genussfähig, fraulich, humorvoll, zärtlich,<br />
schön <strong>und</strong> begehrenswert. Sie hat keine Scheu, dies<br />
zum Ausdruck zu bringen. Die befragten Frauen haben<br />
in den meisten Fällen zwar kein euphorisches, aber<br />
doch ein positives Bild von sich selbst. Sie geben sich<br />
zwar meist nicht die Note 1, aber doch überwiegend<br />
die Note 2 <strong>oder</strong> 3. Kaum 10% benoten sich mit 5<br />
<strong>und</strong> 6, was zu recht guten Durchschnittsnoten führt<br />
(Abbildung 19).<br />
Ich werde zu wenig begehrt<br />
16 %<br />
51 %<br />
Ich habe zu wenig Sex<br />
25 %<br />
73 %<br />
Ich erfahre zu wenig Zärtlichkeit<br />
29 %<br />
78 %<br />
Abbildung<br />
19<br />
Selbstbild: ø-Note<br />
Abbildung<br />
18<br />
Ich fühle mich häufig …<br />
zärtlich<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
2,2<br />
traurig<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 %<br />
27 %<br />
kontaktfreudig<br />
humorvoll<br />
genussfähig<br />
2,2<br />
2,3<br />
2,3<br />
krank<br />
27 %<br />
fraulich<br />
2,4<br />
angstvoll<br />
18 %<br />
selbstbewusst<br />
2,4<br />
einsam<br />
minderwertig<br />
16 %<br />
16 %<br />
sinnlich<br />
attraktiv<br />
begehrenswert<br />
3,0<br />
3,1<br />
3,2<br />
überflüssig<br />
13 %<br />
schön<br />
3,3<br />
16 17
Abbildung<br />
20<br />
Ich bin schön<br />
Sie finden sich nicht uneingeschränkt schön (Abbildung<br />
20). Aber ganz gewiss zärtlich (Abbildung 21). Fast alle<br />
Abbildung<br />
23<br />
Sexuelles Verlangen nach Selbstbild:<br />
Ich bin begehrenswert<br />
Abbildung<br />
24<br />
Humor (Note 1)<br />
nach sexueller Aktivität<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
2 %<br />
17 %<br />
Note 1 Note 2<br />
sehr schön<br />
42 %<br />
27 %<br />
9 %<br />
3 %<br />
Note 3 Note 4 Note 5 Note 6<br />
nicht schön<br />
der befragten Frauen (98%) bezeichnen sich als mehr<br />
<strong>oder</strong> weniger sinnlich (Abbildung 22). Das ist im Zeitalter<br />
beschworener Entsinnlichung <strong>und</strong> Unlust eine<br />
Sensation. Selbst die Frauen, die im Moment keine <strong>Lust</strong><br />
auf Sex haben, bezeichnen sich kaum als völlig unsinnlich<br />
(nur 7% von ihnen). Die genannten Eigenschaften<br />
stehen miteinander in Verbindung. Besonders eng ist<br />
der korrelative Zusammenhang zwischen attraktiv <strong>und</strong><br />
begehrenswert, sinnlich <strong>und</strong> begehrenswert, sinnlich<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
52 %<br />
36 %<br />
Note 1 Note 2<br />
sehr begehrenswert<br />
24 %<br />
27 %<br />
18 %<br />
9 %<br />
Note 3 Note 4 Note 5 Note 6<br />
nicht begehrenswert<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
63 %<br />
27 %<br />
Note 1 Note 2<br />
sexuell sehr aktiv<br />
19 %<br />
17 %<br />
11 %<br />
23 %<br />
Note 3 Note 4 Note 5 Note 6<br />
sexuell nicht aktiv<br />
<strong>und</strong> schön, sinnlich <strong>und</strong> zärtlich, humorvoll <strong>und</strong> fraulich,<br />
humorvoll <strong>und</strong> zärtlich, selbstbewusst <strong>und</strong> kon-<br />
zuschreiben (Abbildung 23). Das sexuelle Verlangen<br />
gibt es im Grad der Zufriedenheit Unterschiede, teil-<br />
Abbildung<br />
21<br />
Ich bin zärtlich<br />
taktfreudig.<br />
ist eben keine rein physiologische Größe. Ein anderes<br />
Beispiel ist der Humor. Zwar haben viele der Frauen,<br />
weise auch größere. So sind die sexuell aktiven Frauen<br />
in weit höherem Maße mit ihrem Leben „sehr“ zufrie-<br />
50 %<br />
40 %<br />
46 %<br />
Bildet man aus dieser Selbstbenotung einen Gesamtpunktwert,<br />
dann ergibt sich ein hervorragendes Korrelat<br />
für fast alle Parameter unserer Untersuchung,<br />
die sexuell nicht aktiv sind, Humor, manchmal sogar<br />
sehr viel, wohl auch als Kompensation für sexuelle<br />
Defizite. Aber bei denjenigen, die sexuell besonders<br />
den als die sexuell inaktiven (41% zu 13 %), ebenso<br />
verständlicherweise auch die Frauen, die ihren Partner<br />
sehr lieben, versus diejenigen, die ihren Partner<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
24 %<br />
Note 1 Note 2<br />
sehr zärtlich<br />
22 %<br />
6 %<br />
2 %<br />
0 %<br />
Note 3 Note 4 Note 5 Note 6<br />
überhaupt nicht zärtlich<br />
das zeigt, wie wichtig das Selbstbild ist, auch in Bezug<br />
auf Sexualität. Ein Beispiel ist das sexuelle Verlangen.<br />
Frauen, die sich schön, begehrenswert, genussfähig<br />
finden <strong>und</strong> mit ihrem Körper im Einklang stehen, äußern<br />
weit häufiger sexuelles Verlangen als die Frauen,<br />
die sich die genannten Eigenschaften nicht so sehr<br />
aktiv sind, ist Humor mit Abstand am stärksten ausgeprägt<br />
(Abbildung 24). Glückliche sind humorvoller als<br />
Unglückliche, Zärtliche haben mehr Humor als nicht<br />
Zärtliche. Humor, Fröhlichkeit, Freude, Frohsinn,<br />
Lachen <strong>und</strong> Lächeln sind sexuologisch überaus wesentliche<br />
Einflussgrößen, auch wenn sie in der sexuologi-<br />
weniger lieben (42% zu 5%). Frauen mit sehr starken<br />
klimakterischen Beschwerden sind selten „sehr“ zufrieden<br />
mit ihrem Leben insgesamt (7 %) gegenüber<br />
den beschwerdelosen Frauen (24%).<br />
schen Literatur fehlen. Sie drücken eine bestimmte<br />
Lebenshaltung <strong>und</strong> eine bestimmte Souveränität aus<br />
Abbildung<br />
22<br />
Ich bin sinnlich<br />
<strong>und</strong> finden gemeinsam mit den anderen genannten <strong>und</strong><br />
weiteren Eigenschaften ihr Zentrum in dem großen<br />
Abbildung<br />
25<br />
Zufriedenheit mit<br />
meinem Leben insgesamt<br />
50 %<br />
40 %<br />
35 %<br />
Selbstwertgefühl <strong>und</strong> dem hohen Selbstbewusstsein<br />
dieser Frauengeneration.<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
66 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
7 %<br />
30 %<br />
Note 1 Note 2<br />
sehr sinnlich<br />
19 %<br />
7 %<br />
2 %<br />
Note 3 Note 4 Note 5 Note 6<br />
nicht sinnlich<br />
Lebenszufriedenheit. Die meisten Frauen von 50 bis<br />
60 sind ihres Lebens ziemlich froh. 19% sind sehr zufrieden,<br />
66% zufrieden, nur 13% weniger zufrieden <strong>und</strong><br />
2% überhaupt nicht zufrieden (Abbildung 25). Die postmenopausale<br />
Lebensphase ist für die meisten Frauen<br />
keine Zeit einer besonderen Unzufriedenheit. Freilich<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
19 %<br />
sehr<br />
zufrieden<br />
zufrieden<br />
13 %<br />
weniger<br />
zufrieden<br />
2 %<br />
überhaupt nicht<br />
zufrieden<br />
18 19
Kritische Größen für das Lebensgefühl der Frauen in<br />
diesem Alter sind vor allem drei:<br />
Abbildung<br />
27<br />
Zufriedenheit mit meiner Figur<br />
Der beste Prädiktor für das Sexualleben ist nicht das<br />
Alter an sich, es sind auch nicht demografische Merk-<br />
haben <strong>und</strong> in deren Leben die Familie eine primäre<br />
Bedeutung hat. Auf ihr Ehefrauendasein kann man sie<br />
Erstens das Körpergewicht. Nur 22% akzeptieren ihr<br />
Körpergewicht <strong>und</strong> möchten so sein, wie sie sind. 1%<br />
will mehr wiegen. Aber 77% möchten gern weniger<br />
wiegen. Erklärlicherweise sind das vor allem die Übergewichtigen<br />
(97%). Aber auch 6% der Untergewichtigen<br />
möchten weniger wiegen (Abbildung 26). Der<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
38 %<br />
43 %<br />
14 %<br />
male wie territoriale Herkunft, Bildung, Beruf <strong>oder</strong><br />
aktuelle Befindlichkeiten wie körperliche Beschwerden,<br />
sondern – wie wieder <strong>und</strong> wieder betont werden<br />
soll – die Existenz einer Partnerbeziehung <strong>und</strong> deren<br />
Qualität.<br />
freilich nicht reduzieren. Sie sind <strong>oder</strong> waren überwiegend<br />
berufstätig, sie sind reich an Lebenserfahrung<br />
<strong>und</strong> schauen keineswegs resignierend in die Zukunft.<br />
Zweifellos gehören sie wesentlich zu den stabilisierenden<br />
Bevölkerungsgruppen unserer Gesellschaft.<br />
dringende Wunsch der meisten Frauen, weniger zu<br />
10 %<br />
5 %<br />
In welchem familiären Kontext leben die Frauen zwi-<br />
Sortiert man nach Frauen mit <strong>und</strong> Frauen ohne der-<br />
wiegen <strong>oder</strong> doch wenigstens nicht weiter zuzunehmen,<br />
ist ein Phänomen nicht nur somatischer, sondern<br />
0 %<br />
sehr<br />
zufrieden<br />
zufrieden<br />
weniger<br />
zufrieden<br />
überhaupt nicht<br />
zufrieden<br />
schen 50 <strong>und</strong> 60? Hinsichtlich ihres Familienstands<br />
sind 70% der befragten Frauen zwischen 50 <strong>und</strong> 60<br />
zeit feste Zweierbeziehung, so zeigt sich:<br />
Partnerstand: feste Beziehung. 81% der von uns<br />
auch <strong>und</strong> vor allem psychischer <strong>und</strong> psychosozialer<br />
verheiratet, 19% geschieden, 6% verwitwet <strong>und</strong> 5%<br />
befragten Frauen haben gegenwärtig eine feste Part-<br />
Dimension. Wohl keine Frau steht ganz abseits vom<br />
weniger zufrieden <strong>und</strong> 14% überhaupt nicht zufrieden<br />
ledig. Damit haben fast alle Frauen dieser Generati-<br />
nerbeziehung (Abbildung 28). Die meisten von ihnen<br />
Terror der herrschenden Schlankheitsideale <strong>und</strong> der<br />
(Abbildung 27). Die Unterschiede nach Körpergewicht<br />
on Eheerfahrung. 91% haben eigene Kinder <strong>und</strong> 38%<br />
(86%) sind verheiratet <strong>und</strong> wohnen zu 99% mit ih-<br />
Abnahmeagitation. Für diese Altersgruppe kommt der<br />
sind erwartungsgemäß extrem. Bei einem BMI über 32<br />
Enkel. Der Anteil der Großmütter ist in den neuen<br />
rem Mann zusammen. 9% sind geschieden <strong>oder</strong> ge-<br />
Druck hinzu, die biologisch meist unvermeidbare Ge-<br />
geht die Zufriedenheit mit der Figur gen null.<br />
B<strong>und</strong>esländern erheblich größer, insbesondere bei<br />
trennt lebend, 3% verwitwet <strong>und</strong> 2% ledig. Damit ist<br />
wichtszunahme nicht akzeptieren zu können.<br />
höher gebildeten Frauen: Im Osten haben 55 % der<br />
klar, dass Partnerbeziehung in dieser Altersgruppe fast<br />
Drittens das Gefühl, begehrt zu werden. Geben<br />
Frauen mit Abitur bereits Enkel, im Westen nur 12 %.<br />
ausschließlich Ehe bedeutet <strong>oder</strong> bedeutet hat. Die<br />
Zweitens die Figur als problematische Größe. Eng<br />
sich ganz junge Frauen eher cool <strong>und</strong> die Frauen in<br />
Zugleich sind in den alten B<strong>und</strong>esländern 30 % der<br />
Vielfalt von Familienformen, wie sie sich bei jüngeren<br />
verb<strong>und</strong>en mit Gewichtsproblemen sehen viele Frauen<br />
mittlerem Alter eher souverän, so erwartet man von<br />
Frauen dieses Alters die überwiegende Zeit ihres Le-<br />
Generationen <strong>und</strong> vor allem in Großstädten heraus-<br />
ihre Schönheit, ihr Aussehen, ihre Attraktivität <strong>und</strong><br />
älteren Frauen eher Neutralität. Doch zeigt unse-<br />
bens Hausfrau gewesen, in den neuen nur 5%. Aktu-<br />
bildet, ist für die Generation der 50- bis 60-jährigen<br />
ihre erotische Ausstrahlung durch ihre Figur gefährdet.<br />
re Studie, dass Frauen von 50 bis 60 keineswegs die<br />
ell sind 79% noch berufstätig, überwiegend in Teilzeit,<br />
Frauen nicht charakteristisch, genauso wenig wie eine<br />
Nur 5% der Frauen dieses Alters sind mit ihrer Fi-<br />
Dimensionen Attraktivität <strong>und</strong> Ausstrahlung aus den<br />
vor allem in den alten B<strong>und</strong>esländern. Im den neuen<br />
Sequenz von Beziehungen im Lebenslauf. Nur 9% der<br />
gur sehr zufrieden (weitere 38% zufrieden), aber 43%<br />
Augen verloren haben <strong>oder</strong> sie in den Augen der an-<br />
B<strong>und</strong>esländern arbeiten 47% in Vollzeit, in den alten<br />
Verheirateten hatten mehr als drei Beziehungen.<br />
deren nicht finden wollen. Begehrt zu werden <strong>und</strong><br />
28% – bei gleichzeitig höherer Arbeitslosigkeit im Os-<br />
sich körperlich angenommen zu sehen – darin drü-<br />
ten (19% im Vergleich zu 6% im Westen). 17% dieser<br />
Abbildung<br />
26<br />
Möchten Sie gern …<br />
cken sich nicht nur ein Ich-Bezug <strong>und</strong> ein Selbstwertanspruch<br />
aus, sondern auch eine kommunikative,<br />
Frauen haben einen Hoch-, Fachhochschul- <strong>oder</strong> Fachschulabschluss,<br />
9% keinen beruflichen Abschluss. 19%<br />
Abbildung<br />
28<br />
Haben Sie gegenwärtig<br />
eine feste Partnerbeziehung?<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
Untergewichtige<br />
Normalgewichtige<br />
Übergewichtige<br />
6 %<br />
0 % 0 %<br />
19 %<br />
76 %<br />
97 %<br />
75 %<br />
23 %<br />
mehr wiegen weniger wiegen sein, wie Sie sind<br />
3 %<br />
interaktive Haltung, eine Außengerichtetheit. Begehrt<br />
zu werden bedeutet ja immer, dass man von anderen<br />
Menschen <strong>oder</strong> einem bestimmten Menschen begehrt<br />
wird. Dieses emotionale Spannungsverhältnis wird als<br />
wichtig, wohltuend <strong>und</strong> selbststärkend empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
auch in der Sexualität als funktionell herausragend betrachtet.<br />
Frauen dieses Alters stellen sich nicht auf ein<br />
Weniger ein, sondern wollen mehr, nicht zuletzt in der<br />
der 50- bis 60-Jährigen leben allein im Haushalt, 32%<br />
zu zweit <strong>und</strong> die restlichen 49% zu mehreren (zumeist<br />
mit Kindern).<br />
Die deutschen Frauen in einem Alter von 50 bis 60<br />
Jahren kann man sich also vornehmlich <strong>und</strong> in typischer<br />
Weise als verheiratete (<strong>oder</strong> verheiratet gewesene)<br />
Mütter <strong>und</strong> teilweise schon Großmütter vor-<br />
nein<br />
19 %<br />
ja<br />
81 %<br />
Sexualität.<br />
stellen, die mit ihrem Mann immer zusammengewohnt<br />
20 21
Für genau 50% der Ehefrauen in dieser Altersgruppe<br />
ist die bestehende Ehe die erste <strong>und</strong> bislang einzige<br />
Abbildung<br />
30<br />
Sich-sehr-wohl-Fühlen in der Beziehung<br />
nach Dauer<br />
dass eine Beziehung nur dann eingegangen wurde <strong>und</strong><br />
aufrechterhalten wird, wenn sie auf Liebe gegründet<br />
Fremdgehen. 11% der Frauen in fester Beziehung<br />
sagen, dass sie mit einem anderen Mann <strong>und</strong> 5%, dass<br />
feste Beziehung. Sie sind im Durchschnitt bereits seit<br />
34,8 Jahren verheiratet (32,7 Jahre bei den unter<br />
55-Jährigen <strong>und</strong> 37,4 Jahre bei den über 55-Jährigen).<br />
Die meisten der bestehenden Beziehungen sind Langzeitbeziehungen.<br />
Kurzzeitbeziehungen sind in diesem<br />
Alter selten. Nur bei 11 % beträgt die Beziehung ein<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
50 %<br />
51 % 51 %<br />
40 %<br />
38 %<br />
ist, wenn ihr das Prädikat Liebe verliehen werden<br />
kann. Entweder es ist eine Liebesbeziehung – <strong>oder</strong> es<br />
ist keine Beziehung. Fast niemand hält eine lieblose<br />
Partnerschaft aufrecht, <strong>und</strong> gerade Frauen sind darin<br />
konsequent.<br />
sie mit mehr als einem anderen Mann geschlafen haben,<br />
seit sie mit ihrem jetzigen Partner zusammen<br />
sind. Damit ergibt sich ein Anteil von Frauen mit sexuellen<br />
Außenkontakten von 16%. Die Beziehungsdauer<br />
spielt dabei keine Rolle. Langzeitbeziehungen sind<br />
keineswegs seitensprunggefährdeter als Kurzzeitbezie-<br />
bis zehn Jahre. Insgesamt haben 89% der Verheirateten<br />
10 %<br />
Nimmt man eine weitere Größe hinzu – die Sexualität –,<br />
hungen. In den meisten Langzeitbeziehungen sind die<br />
die Silberhochzeit hinter sich.<br />
0 %<br />
1–10<br />
Jahre<br />
11–20<br />
Jahre<br />
21–30<br />
Jahre<br />
31–35<br />
Jahre<br />
mehr als<br />
35 Jahre<br />
dann zeigt sich auch hier ein Zusammendenken <strong>und</strong><br />
Zusammenfühlen von Liebe, Partnerschaft, Beziehung<br />
Frauen nie fremdgegangen, <strong>und</strong> es spricht auch nichts<br />
dafür, dass das noch kommt – die sexuelle Treue ist<br />
Wohlfühlen in der Beziehung. Fühlen sich die<br />
<strong>und</strong> Sexualität. In unserer Untersuchung fühlen sich<br />
habitualisiert, die Tür zum sexuellen Außen ist nicht<br />
Frauen von 50 bis 60 in ihrer derzeitigen Beziehung,<br />
Dem griechischen Mythos folgend, nennt er dies das<br />
eindeutig diejenigen Frauen in ihrer Beziehung be-<br />
nur verschlossen, sondern gar nicht vorhanden. Zwi-<br />
die ja meist eine schon eine sehr lange ist, wohl? Das<br />
„Philemon-<strong>und</strong>-Baucis-Syndrom“ (Otten, 2008, S. 121 f.).<br />
sonders wohl, die ein reges Sexualleben haben. Den<br />
schen der Qualität der derzeitigen Beziehung <strong>und</strong> dem<br />
ist eindeutig der Fall. 90% der Frauen fühlen sich sehr<br />
Wahrscheinlich würden es die Frauen nicht aushalten<br />
Frauen jenseits der 50 <strong>und</strong> in meistens langen Bezie-<br />
Fremdgehen bestehen komplizierte Zusammenhänge.<br />
wohl bzw. wohl. Nur 9% fühlen sich weniger wohl <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> sich trennen, wenn es ihnen nicht gelänge, sich in<br />
hungen ist die starke Liebe zu ihrem Partner nicht<br />
Eine lineare Kausalität kann nicht angenommen wer-<br />
1 % fühlt sich überhaupt nicht wohl (Abbildung 29).<br />
der Beziehung wohl zu fühlen, <strong>und</strong> die Beziehung ist ja<br />
verloren gegangen. Nur 1% sagt, dass sie ihren Part-<br />
den. Nicht zu unterschlagen ist, dass auch Frauen aus<br />
Das ist immer wieder ein erstaunliches Ergebnis, ob-<br />
dazu da, um sich in ihr wohl zu fühlen.<br />
ner überhaupt nicht lieben (Abbildung 31). Diese Liebe<br />
völlig intakten, harmonischen <strong>und</strong> glücklichen Bezie-<br />
wohl so <strong>oder</strong> so ähnlich aus anderen eigenen Unter-<br />
wird im Regelfall erwidert <strong>und</strong> als invariantes Merk-<br />
hungen sexuelle Außenkontakte haben. Das ist sogar<br />
suchungen bekannt (Starke 2005). Jüngst hat Dieter<br />
Das Wohlfühlen in der Langzeitbeziehung schwächt<br />
mal der Beziehung betrachtet. Sie ist in ihrem Ausmaß<br />
der häufigere Fall. Die meisten begründen das damit,<br />
Otten in der Oldenburger „50+ Studie“ Ähnliches he-<br />
sich nach 20 Jahren etwas ab, um dann wieder auf das<br />
wesentlich vom Selbstwertgefühl der Frau bestimmt.<br />
dass es einfach so passiert ist, <strong>und</strong> meistens war eine<br />
rausgef<strong>und</strong>en. Er spricht von einem „Trend zu älteren,<br />
Ausgangsniveau zu steigen (Abbildung 30). Es ist ein-<br />
Dabei finden sich lebhafter Sex <strong>und</strong> gelebte Liebe bei<br />
Verliebtheit dabei, die anders als die Liebe zum festen<br />
sich liebenden Ehepaaren“, die sich gut verstehen <strong>und</strong><br />
fach eine Fehlannahme, dass Ehen im Laufe der Zeit<br />
den meisten glücklich zueinander.<br />
Partner erlebt wurde <strong>und</strong> diese nicht tangiert.<br />
ihre Zeit gern zusammen verbringen.<br />
ungemütlich <strong>und</strong> unerträglich werden. Das kommt vor,<br />
aber dieser Alptraum ist die Ausnahmewirklichkeit.<br />
Abbildung<br />
29<br />
Wie wohl fühlen Sie sich<br />
zurzeit in Ihrer Beziehung?<br />
Das Wohlfühlen in der Paargruppe geht mit deren<br />
emotionaler Qualität einher. Zwar ist theoretisch klar,<br />
Abbildung<br />
31<br />
Lieben Sie Ihren Partner?<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
44 %<br />
sehr<br />
wohl<br />
46 %<br />
wohl<br />
9 %<br />
weniger<br />
wohl<br />
1 %<br />
überhaupt<br />
nicht wohl<br />
dass Liebe <strong>und</strong> Partnerschaft nicht dasselbe sind. Praktisch<br />
kommt es auch vor, dass jemand leidenschaftlich<br />
liebt, aber beziehungsuntauglich ist <strong>und</strong> mit der geliebten<br />
Person nicht zusammenleben kann. Aber beziehungstauglich<br />
zu sein <strong>und</strong> nicht zu lieben, ist kaum<br />
vorstellbar für eine dauerhafte Beziehung. Der Regelfall<br />
im Denken <strong>und</strong> Fühlen der meisten Frauen ist, dass<br />
Beziehung <strong>und</strong> Liebe zusammengehören, dass eine Liebesbeziehung<br />
gelebt wird. Das hängt damit zusammen,<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
22 %<br />
über alle<br />
Maßen<br />
65 %<br />
12 %<br />
1 %<br />
sehr etwas überhaupt<br />
nicht<br />
22 23
Abbildung<br />
32<br />
Wie stehen Sie zu dem Partner<br />
des letzten Zusammenseins? Er ist …<br />
mein fester<br />
Partner 96 %<br />
ein anderer<br />
fester Partner<br />
2 %<br />
jemand, der<br />
mir vorher<br />
schon bekannt<br />
war 2 %<br />
jemand, der mir<br />
vorher nicht bekannt<br />
war 0,2 %<br />
Dass sexuelle Außenbeziehungen ein höchst seltenes<br />
Ereignis sind, zeigt sich auch darin, dass beim letzten<br />
sexuellen Zusammensein bei 96% der Frauen in fester<br />
Partnerschaft ihr fester Partner es war, mit dem sie<br />
sexuell zusammen waren. 2 % geben einen anderen<br />
festen Partner an (haben also eine Parallelbeziehung<br />
<strong>oder</strong> ein festes Verhältnis), bei 2% war es kein fester,<br />
aber ein vorher bekannter Partner. Nur 0,2% Frauen<br />
sagen, sie hätten den Mann vorher nicht gekannt. Nur<br />
höchst selten gehen Frauen auch dieses Alters mit<br />
einem Mann ins Bett, den sie vorher nicht kannten.<br />
Das ist auch bei derzeit Partnerlosen so. Die allermeisten<br />
nehmen den Mann aus ihrer festen Beziehung<br />
(sofern sie eine haben) <strong>oder</strong> sie machen aus dieser<br />
Begegnung temporär eine feste (Sexual-)Partnerschaft<br />
(Abbildung 32).<br />
Partnerstand: keine feste Beziehung. Beziehungserfahrung<br />
haben so gut wie alle befragten Frauen in<br />
diesem Alter, auch diejenigen, die derzeit keinen festen<br />
Partner haben. Die letzte Beziehung war zumeist eine<br />
Ehe <strong>und</strong> liegt im Durchschnitt 8,7 Jahre zurück. Bei<br />
den Geschiedenen sind es 8,9 Jahre <strong>und</strong> bei den Verwitweten<br />
9,7 Jahre. Die Streuung ist erheblich. Ein Teil<br />
dieser Frauen lebt schon lange allein, 15% länger als<br />
Abbildung<br />
33<br />
Würden Sie gern wieder eine<br />
feste Partnerbeziehung eingehen?<br />
kommt drauf an<br />
60 %<br />
nein<br />
16 %<br />
ja<br />
24 %<br />
20 Jahre, ein Viertel (25%) aber noch keine fünf Jahre.<br />
Insbesondere die Witwen haben ihre Ehe in guter Erinnerung,<br />
auch in Bezug auf das Sexualleben. Sie haben<br />
sich in ihrer Beziehung wohl gefühlt <strong>und</strong> ihren Mann<br />
sehr geliebt, jedenfalls soweit sie sich jetzt erinnern.<br />
Der jetzt partnerlose Zustand wird von den allermeisten<br />
nicht als ideal betrachtet. Nur 16 % denken im<br />
Moment nicht an eine neue Beziehung. Das sind vor<br />
allem Frauen, die ihren Mann gerade erst durch Tod<br />
verloren haben, <strong>und</strong> diejenigen, die sich keine Chancen<br />
mehr ausrechnen <strong>oder</strong> sich mit dem Alleinsein abgef<strong>und</strong>en<br />
haben. Auch die schwer Enttäuschten gehören<br />
dazu. Die meisten wollen unbedingt wieder eine feste<br />
Partnerbeziehung <strong>oder</strong> schließen sie nicht aus (Abbildung<br />
33).<br />
Die fröhliche Singlefrau, die immer <strong>oder</strong> fast immer allein<br />
war <strong>und</strong> weiter allein bleiben möchte – sie gibt es.<br />
Aber sie ist selten. Für diese Generation ist sie jedenfalls<br />
in keiner Weise charakteristisch. Was gelegentliche<br />
sexuelle Abenteuer betrifft, so überwiegen die<br />
Frauen, die es für nicht allzu schwierig halten, „einen<br />
Mann fürs Bett“ zu kriegen (Abbildung 34). Aber nicht<br />
alle haben Gelegenheit dazu <strong>und</strong> nicht alle wollen <strong>und</strong><br />
suchen das. Nur 7% der Frauen, die gegenwärtig keine<br />
feste Partnerbeziehung haben, können sich entschließen,<br />
diese Frage, ob sie gern einen Partner für ein sexuelles<br />
Erlebnis finden würden, mit ja zu beantworten.<br />
49% möchten das nicht. 44% schließen ein sexuelles<br />
Erlebnis nicht von vornherein aus, machen es aber von<br />
den konkreten Umständen abhängig. Die partnerlosen<br />
Frauen von 50 bis 60 sehnen sich mehr nach einer<br />
festen Beziehung (plus Sexualität) als nach losem Sex.<br />
Partnermobilität. Wie viele Partnerbeziehungen<br />
hatten die 50- bis 60-jährigen Frauen in ihrem Leben?<br />
Astronomische Zahlen werden da nicht erreicht.<br />
In unserer Studie sind eine (39 %), zwei (29 %) <strong>und</strong><br />
drei (17%) Beziehungen am relativ häufigsten vertreten<br />
(zusammen 85 %). Sechs <strong>und</strong> mehr Beziehungen<br />
hatten nur 3% der befragten Frauen. Eine Frau gibt<br />
13(!) bisherige Beziehungen an, <strong>und</strong> drei Frauen sagen,<br />
sie hätten bisher noch keine feste Beziehung gehabt.<br />
Insgesamt ergibt das einen Durchschnitt von 2,2<br />
Beziehungen. Partnermobilität ist vor allem in einem<br />
westlich großstädtisch-intellektuellen Milieu (mit<br />
mehr kinderlosen Frauen) anzutreffen. Das hat auch<br />
die Studie „Beziehungsgraphien“ gezeigt (Schmidt et al.,<br />
2006; Starke, 2005; Matthiesen, 2007). Im Allgemeinen<br />
Abbildung<br />
34<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
Wäre es für Sie schwierig, einen Partner<br />
für ein sexuelles Erlebnis zu finden?<br />
21 % 21 %<br />
33 %<br />
25 %<br />
ja teils, teils nein weiß nicht<br />
ist häufiger Partnerwechsel für die Frauen dieser Altersgruppe<br />
nicht charakteristisch <strong>und</strong> wird es auch<br />
nicht mehr werden.<br />
Sind nun diejenigen mit bisher nur einer Beziehung<br />
glücklicher <strong>oder</strong> unglücklicher als die mit mehreren<br />
Beziehungen? In der Tendenz betrachten sich Frauen<br />
mit bisher nur einer Beziehung als ein wenig glücklicher.<br />
Doch sind die Unterschiede sehr klein. Der<br />
Korrelationskoeffizient beträgt 0,14! Das bedeutet<br />
einen fast völlig fehlenden Zusammenhang. Das heißt:<br />
Die Zahl der Beziehungen allein macht nicht glücklich<br />
<strong>oder</strong> unglücklich. Es gibt glückliche Frauen, die bisher<br />
nur eine Beziehung hatten, <strong>und</strong> unglückliche auch nach<br />
der fünften <strong>oder</strong> zehnten Beziehung. Partnerwechsel<br />
bringt nicht automatisch das größere Glück. Nimmt<br />
man Frauen mit gegenwärtig fester Beziehung, dann<br />
bezeichnen sich von denen, für die diese die bisher<br />
einzige ist, 58% als sehr glücklich (Note 1 <strong>und</strong> 2),<br />
diejenigen, für die diese Beziehung mindestens die<br />
vierte ist, zu 47 % (Abbildung 35).<br />
Abbildung<br />
35<br />
partnerlose Frauen 70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
58 %<br />
1<br />
Beziehung<br />
Sehr Glückliche<br />
nach Beziehungszahl<br />
49 %<br />
52 %<br />
47 %<br />
2 3 4<br />
<strong>und</strong> mehr<br />
24 25
Koituspartner. Knapp ein Viertel der Frauen dieses<br />
Alters, nämlich 23%, hatte bisher nur mit einem einzigen<br />
Mann Geschlechtsverkehr. Das sind vor allem<br />
Frauen, für die die bisherige Beziehung die einzige ist.<br />
Am zweithäufigsten werden mit 17% zwei Sexualpartner<br />
erwähnt, am dritthäufigsten drei mit 13%. Diese<br />
ersten drei Gruppen erfassen bereits die Hälfte der<br />
Population (53%). Weitere 20% nennen vier bis sechs<br />
Partner, 15% sieben bis zehn Partner, 5% 11 bis 15<br />
Partner, 3% 16 bis 20 Partner <strong>und</strong> die restlichen 4%<br />
21 <strong>und</strong> mehr Partner. Insgesamt ergibt sich eine durchschnittliche<br />
Koituspartnerzahl von 5,2 (Abbildung 36).<br />
Die Koituspartnerzahlen variieren je nach Lebenslauf<br />
<strong>und</strong> individuellen Bedingungen erheblich. Für keineswegs<br />
alle Frauen dieser Generation ist eine hohe Sexualpartnermobilität<br />
charakteristisch, obwohl sie in<br />
jungen Jahren die sexuelle Liberalisierung erlebt haben.<br />
Größere sexuelle Freiheiten <strong>und</strong> ein größerer Spielraum<br />
für individuelle Entscheidungen bedeuten nicht<br />
automatisch Promiskuität – bei allen Wechselfällen<br />
des Lebens <strong>und</strong> aller Spontanität –, nicht Verpflichtung<br />
zu sexuellen Abenteuern aller Art, zum Sammeln von<br />
Partnern. Im Gegenteil, die meisten Frauen belassen<br />
Abbildung<br />
36<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
23 %<br />
Anzahl bisheriger Koituspartner<br />
17 %<br />
13 %<br />
9 %<br />
7 %<br />
19 %<br />
8 %<br />
4 %<br />
es bei einem <strong>oder</strong> einigen wenigen Sexualpartnern.<br />
Koituspartnermobilität hat meist keinen polygamen<br />
Hintergr<strong>und</strong>, sondern ergibt sich durch die Abfolge<br />
von Partnerschaften im Lebenslauf.<br />
Diese Frauen genießen Sex, sie sehen sich nicht als<br />
Objekte, sondern als Subjekte der sexuellen Interaktion.<br />
Sie sind selbstbestimmt. Aber ihre sexuelle<br />
Aktivität ist nicht primär auf sich selbst bezogen,<br />
sondern partnerschaftlich orientiert. Es ist eine stark<br />
verhäuslichte Sexualität, was aber nicht Biederkeit,<br />
Einfallslosigkeit, bloße Routine, Langeweile <strong>und</strong><br />
Bravheit bedeuten muss.<br />
Wünsche <strong>und</strong> Hoffnungen. „Sie haben drei<br />
Wünsche in Liebe, Sexualität <strong>und</strong> Partnerschaft frei:<br />
Was wünschen Sie sich?“ Der eine große Wunsch<br />
der befragten Frauen zwischen 50 <strong>und</strong> 60 ist, „dass<br />
alles so bleibt, wie es ist“, nicht selten mit Aspekten<br />
des Altwerdens verb<strong>und</strong>en, meist in der Form „mit<br />
meinem Partner gemeinsam alt werden“. Ein anderer<br />
großer Wunsch ist die Ges<strong>und</strong>heit, sehr oft auf die<br />
Partnerschaft bezogen: „dass ich mit meinem Partner<br />
noch lange ges<strong>und</strong> zusammen sein kann!“ Was ist es<br />
nun, was ewig währen soll <strong>und</strong> was für diese Frauen<br />
im Vordergr<strong>und</strong> steht? „Dass die Liebe immer gegenwärtig<br />
ist.“ Liebe ist der am häufigsten genannte Inhalt,<br />
gefolgt von Zärtlichkeit, sodann von Verständnis,<br />
Treue, Vertrauen, Ehrlichkeit <strong>und</strong> Verlässlichkeit. Bei<br />
Frauen, die ihren Partner durch Trennung/Scheidung<br />
<strong>oder</strong> Tod verloren haben <strong>und</strong> nun allein sind, ist der<br />
überragende Wunsch der nach einer dauerhaften Beziehung:<br />
„einen festen Partner finden für den Rest des<br />
Lebens.“<br />
Das Wünschen <strong>und</strong> Zukunftsdenken der Frauen im<br />
Alter von 50 bis 60 Jahren in Bezug auf Liebe, Sexualität<br />
<strong>und</strong> Partnerschaft ist nicht exotisch <strong>oder</strong> alternativ.<br />
Es spiegelt im Wesentlichen auch nicht geheime,<br />
unerfüllte Sehnsüchte wider. Und es ist – wie alle<br />
Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen – weder<br />
männerfeindlich noch beziehungsfeindlich noch sexualfeindlich.<br />
Es ist vielmehr auf Stabilität <strong>und</strong> Qualität<br />
der Partnerbeziehung gerichtet: eine feste, sichere,<br />
liebevolle, erfüllte, glückliche Partnerschaft bei möglichst<br />
guter Ges<strong>und</strong>heit. Das ist es, was das seelische<br />
<strong>und</strong> lebenspraktische Zentrum dieser meist selbstbewussten<br />
Frauen in allen Lebenslagen ausmacht.<br />
0 %<br />
1 2 3 4 5 6<br />
bis<br />
10<br />
11<br />
bis<br />
20<br />
21<br />
<strong>und</strong><br />
mehr<br />
26 27
Schmidt, Gunter (Hg.): Die sexuelle Revolution <strong>und</strong> ihre Kinder. Kontinuität <strong>und</strong> Wandel im<br />
studentischen Sexualverhalten 1966–1996. Gießen: Psychosozial, 2000<br />
Schmidt, Gunter, Silja Matthiesen, Arne Dekker, Kurt Starke: Spätm<strong>oder</strong>ne Beziehungswelten.<br />
Report über Partnerschaft <strong>und</strong> Sexualität in drei Generationen. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, 2006<br />
Literatur<br />
Schrader, Christiane, Helmut Luft, Meinolf Peters (Hg.): Liebe, <strong>Lust</strong> <strong>und</strong> andere Leidenschaften –<br />
vergänglich, wandelbar, zeitlos? Psychotherapie im Alter. Gießen: Psychosozial, 2005<br />
Alter <strong>und</strong> Sexualität. Köln: BZgA, 2003<br />
Berberich, Hermann, <strong>und</strong> Elmar Brähler: Sexualität <strong>und</strong> Partnerschaft in der<br />
zweiten Lebenshälfte. Gießen: Psychosozial, 2001<br />
Brähler, Elmar, <strong>und</strong> Hermann Berberich: Sexualität <strong>und</strong> Partnerschaft im Alter.<br />
Gießen: Psychosozial, 2008<br />
Starke, Kurt: Nichts als die reine Liebe. Beziehungsbiographien <strong>und</strong> Sexualität im sozialen <strong>und</strong><br />
psychologischen Wandel. Lengerich: Pabst Science Publishers, 2005<br />
Starke, Kurt: Sexualität im Erwachsenenalter. In: Renate-Berenike Schmidt <strong>und</strong> Uwe Sielert:<br />
Handbuch Sexualpädagogik <strong>und</strong> sexuelle Bildung. München: Juventa, 2008. S. 399–414<br />
Sydow, Kirsten von: Die <strong>Lust</strong> auf Liebe bei älteren Menschen. München: von Reinhardt, 1994<br />
Ebberfeld, Ingelore: Sexualität von Frauen im Alter. Münster: Lit, 2005<br />
Kolle, Oswalt: Die Liebe altert nicht. Erfüllte Sexualität ein Leben lang.<br />
Tübingen: Econ, 1997<br />
Matthiesen, Silja: Wandel von Liebesbeziehungen <strong>und</strong> Sexualität.<br />
Empirische <strong>und</strong> theoretische Analysen. Gießen: Psychosozial, 2007<br />
Otten, Dieter: Die 50+ Studie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2008
TEIL 2:<br />
Sexualstörungen in der Peri<strong>und</strong><br />
Postmenopause<br />
Wissen <strong>und</strong> Unterstützung für die tägliche Praxis<br />
von Prof. Hans-Joachim Ahrendt<br />
unter Mitarbeit von Cornelia <strong>Friedrich</strong> Köthen*<br />
*Fachärztin für Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe, Sexualmedizin
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung Seite 33<br />
2 Ursachen <strong>und</strong> Erscheinungsformen<br />
der häufigsten Sexualstörungen<br />
der Frau in der Peri<strong>und</strong><br />
Postmenopause Seite 34<br />
2 .1 Störungen der sexuellen Appetenz Seite 34<br />
2.2 Störungen der sexuellen Erregung Seite 36<br />
2.3 Störungen des Orgasmus Seite 36<br />
2.4 Schmerzen beim Sex:<br />
Dyspareunie <strong>und</strong> Vaginismus Seite 38<br />
3 Diagnostik sexueller Störungen<br />
der Frau in der gynäkologischen<br />
Sprechst<strong>und</strong>e Seite 40<br />
3 .1 Sexualmedizinische Aktualanamnese Seite 40<br />
3.2 Sexuelle Eigenanamnese Seite 40<br />
3.3 Soziokulturelle Anamnese Seite 40<br />
3.4 Allgemeine medizinische Anamnese<br />
<strong>und</strong> Untersuchung Seite 41<br />
3.5 Fragebögen zur Erfassung der<br />
Sexualstörung Seite 41<br />
4 Therapie sexueller<br />
Funktionsstörungen Seite 41<br />
4 .1 Sexualberatung Seite 42<br />
4.2 Gesprächsführung Seite 43<br />
4.3 Sexualtherapie Seite 45<br />
5 Hormonelle Therapie<br />
von Sexualstörungen Seite 46<br />
5 .1 Lokale Östrogentherapie Seite 47<br />
5.2 Systemische Östrogentherapie Seite 48<br />
5.3 Therapie mit Gestagenen Seite 49<br />
5.4 Therapie mit Testosteron, transdermal Seite 49<br />
5.5 Therapie mit DHEA Seite 50<br />
5.6 Bedeutung von Oxytocin,<br />
Prolaktin <strong>und</strong> Dopamin Seite 51<br />
5.7 Therapie mit Östrogen-Gestagen-<br />
Kombinationen Seite 51<br />
6 Typisierung sexueller Störungen<br />
bei Frauen in der Peri- <strong>und</strong><br />
Postmenopause nach Kriterien<br />
der gynäkologischen Praxis Seite 54<br />
Anhang<br />
Patienten-Kurzfragebogen „B-PFSF“ Seite 58<br />
Fragebogen für das vertiefende Gespräch<br />
bei Sexualproblemen im Klimakterium Seite 59<br />
Literatur Seite 60<br />
Sexualstörungen in der Peri<strong>und</strong><br />
Postmenopause<br />
Wissen <strong>und</strong> Unterstützung für die tägliche Praxis von Prof. Hans-Joachim Ahrendt<br />
unter Mitarbeit von Cornelia <strong>Friedrich</strong> Köthen<br />
1 Einleitung<br />
Die Menopause stellt einen deutlichen Einschnitt im<br />
Leben einer jeden Frau dar, bedeutet sie doch das<br />
Ende der fertilen Phase. Klimakterium <strong>und</strong> Menopause<br />
werden mit negativen Werten assoziiert: mit dem<br />
Altwerden im Allgemeinen, mit der Abnahme der<br />
körperlichen Attraktivität <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit, mit<br />
der Abnahme der sexuellen Attraktivität <strong>und</strong> dem<br />
Verlust der sexuellen Appetenz, mit dem Auftreten<br />
von Krankheiten u.Ä.<br />
Die Ursachen für das Eintreten der Menopause liegen<br />
in dem Nachlassen der endokrinen Funktionen. Vor<br />
allem ist sie bedingt durch das Nichtvorhandensein<br />
von Follikeln <strong>und</strong> den abrupten Rückgang der Bildung<br />
von Östrogenen in den Ovarien um das 50. Lebensjahr<br />
herum. Eingeleitet wird sie aber schon viel früher,<br />
nämlich dann, wenn sich ab etwa dem 40. Lebensjahr<br />
die Bildung des Progesterons verringert.<br />
Auch wenn es sich hierbei um physiologische Vorgänge<br />
handelt, haben sie bei vielen Frauen pathologische Folgen.<br />
Einerseits führen sie zu akuten Hormonmangelsymptomen,<br />
den Symptomen des sogenannten klimakterischen<br />
Syndroms, <strong>und</strong> andererseits sind dadurch<br />
se kun där oft chronische Erkrankungen zu erwarten.<br />
Zu den akuten Symptomen des klimakterischen<br />
Syndroms zählen vor allem die Hitzewallungen <strong>und</strong><br />
Schweißausbrüche, die oft <strong>und</strong> besonders nachts<br />
auftreten können. Sie bedingen Schlaflosigkeit, Übermüdung<br />
<strong>und</strong> mangelnde Leistungsfähigkeit. Nicht<br />
selten führt dies sek<strong>und</strong>är zu Angstzuständen <strong>und</strong><br />
einem Burnout. Begleitend kommen oft vegetative<br />
Verstimmungen <strong>oder</strong> gar Depressionen hinzu. Auch<br />
Schmerzen insbesondere der Fingergelenke, aber auch<br />
der Knie werden häufig von den Frauen in dieser akuten<br />
Umstellungsphase beklagt. Sek<strong>und</strong>är, oft erst nach<br />
Monaten <strong>oder</strong> Jahren, treten kardiovaskuläre Erkrankungen<br />
<strong>oder</strong> Osteoporose auf.<br />
Sehr besorgt äußern sich Patientinnen in den gynäkologischen<br />
Sprechst<strong>und</strong>en auch immer wieder über<br />
körperliche Veränderungen, die oftmals als „Lifestyle“<br />
negativ abgetan werden: über die nachteiligen Veränderungen<br />
von Haut <strong>und</strong> Haaren, über die Zunahme an<br />
Köpergewicht <strong>und</strong> die Veränderungen ihrer Körperproportionen.<br />
Ebenso klagen Frauen häufig über sexuelle Probleme.<br />
Etwa 30% der Frauen nach der Menopause klagen<br />
über einen Mangel an <strong>und</strong> Verlust von sexueller Appetenz<br />
<strong>und</strong> etwa 20% über eine mangelnde Feuchtigkeit<br />
<strong>und</strong> Lubrikation der Scheide, die oft eine Dyspareunie<br />
bedingt.<br />
33
Zunehmend äußern die Patientinnen von selbst<br />
es uns danken. Und dies ist unter dem Gesichtspunkt<br />
wisse „Neutralität“ gegenüber der Sexualität. Die<br />
Die Ursachen für ein Nachlassen der Libido sind vielfältig.<br />
diese Beschwerden. Andere aber haben auch heute<br />
der steten Zunahme der Bevölkerung dieser Alters-<br />
betroffenen Frauen beschreiben Sexualität oft als<br />
1. Probleme in der Partnerschaft:<br />
immer noch eine Scheu, bei ihrem Frauenarzt <strong>oder</strong><br />
gruppe für uns Ärzte von besonderer Bedeutung.<br />
etwas Fremdes, Überflüssiges, „der Motor springe<br />
offene <strong>oder</strong> latente Beziehungskonflikte hinsichtlich<br />
ihrer Frauenärztin diese Probleme von sich aus an-<br />
nicht an“ <strong>und</strong> sie könnten auch gut ohne Sex auskom-<br />
Nähe <strong>und</strong> Distanz, Dominanz <strong>und</strong> Unterwerfung,<br />
zusprechen. Hier liegt es also an uns, die Initiative zu<br />
men. Leidensdruck entsteht bei diesen Frauen mit<br />
Autonomiestreben <strong>und</strong> Unabhängigkeit, Vertraut-<br />
ergreifen, das Eis zu brechen, das Gespräch zu eröff-<br />
2<br />
Ursachen <strong>und</strong> Erscheinungsformen der<br />
Appetenzstörung im Wesentlichen aus zwei Gründen:<br />
sein <strong>und</strong> Fremdheit <strong>oder</strong> Diskrepanz des sexuellen<br />
nen. Aber auch wir haben natürlich unsere Ängste<br />
häufigsten Sexualstörungen der Frau in<br />
1. Die Libido war primär gut ausgeprägt, ist aber ver-<br />
Interesses beider Partner (Beier, 2005)<br />
<strong>und</strong> Hemmungen <strong>und</strong> viele Fragen:<br />
der Peri- <strong>und</strong> Postmenopause<br />
loren gegangen durch verschiedene Lebensumstän-<br />
2. Schwere allgemeine <strong>und</strong> chronische Erkran-<br />
1. Die Kompetenzfrage<br />
de <strong>oder</strong> auch durch gynäkologische Operationen<br />
kungen:<br />
Habe ich die notwendige Kompetenz, mich der<br />
2.1 Störungen der sexuellen Appetenz<br />
(beidseitige Oophorektomie).<br />
chronische Schmerzen, Diabetes mellitus, Hypothy-<br />
Sexualproblematik anzunehmen? Wie erhebe ich<br />
2. Die Appetenzstörung wirkt sich nachhaltig negativ<br />
reose, gynäkologische Operationen (Ovarektomie,<br />
eine Sexualanamnese? Wie artikuliere ich mich?<br />
Eine Störung der sexuellen Appetenz ist definiert als<br />
auf das eigene Selbstwertgefühl <strong>oder</strong> die Partner-<br />
Hysterektomie), gynäkologische <strong>und</strong> andere Karzi-<br />
Welches Beratungsziel strebe ich an? Welche<br />
Mangel an <strong>oder</strong> Verlust von sexuellem Verlangen, der<br />
schaft aus. Oftmals fühlen sich diese Frauen unter<br />
nome, andere Krebserkrankungen, Depressionen,<br />
therapeutischen Optionen gibt es?<br />
zu einer seltenen Initiierung von sexuellen Kontakten<br />
Druck gesetzt. Sie haben Angst, verlassen zu wer-<br />
Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Stress-<br />
2. Die Zeitfrage<br />
führt. Sie beinhaltet eine verminderte Suche nach se-<br />
den. Der Partner seinerseits ist frustriert, weil er<br />
<strong>und</strong> Erschöpfungszustände, Alkoholabhängigkeit<br />
Welches Zeitmanagement brauche ich? Habe<br />
xuellen Reizen, ein Nachlassen des Denkens an Sexu-<br />
seiner Partnerin keine erfüllende Sexualität geben<br />
u.Ä. (Beier, 2005; Bitzer, 2008)<br />
ich die nötige Zeit <strong>und</strong> Ruhe dazu in der frau-<br />
alität mit Verlangen <strong>oder</strong> <strong>Lust</strong> <strong>und</strong> die Verminderung<br />
kann, <strong>und</strong> fühlt sich möglicherweise als Mann ent-<br />
3. Hormonelle Störungen:<br />
enärztlichen Sprechst<strong>und</strong>e? Habe ich nicht<br />
von sexuellen Fantasien.<br />
wertet (Hartmann, 2008).<br />
Verringerung der Serumspiegel von Östrogen <strong>und</strong><br />
schon sowieso eine volle Sprechst<strong>und</strong>e – muss<br />
Testosteron, physiologisch-altersbedingt (Meno-<br />
ich mir das auch noch antun?<br />
Die Folge davon ist meist ein Mangel an sexueller Er-<br />
Das Paar befindet sich in einem Teufelskreis aus nicht<br />
pause), chirurgisch bedingt (beidseitige Oophorek-<br />
3. Die Frage nach der Honorierung<br />
regung <strong>und</strong> Befriedigung. Davon abzugrenzen ist eine<br />
erfüllten Gr<strong>und</strong>bedürfnissen <strong>und</strong> fehlender Bestäti-<br />
tomie), bedingt durch Karzinom-Therapie: Chemo-<br />
Wie <strong>und</strong> in welchem Umfang werden diese zeit-<br />
sexuelle Aversion, bei der die Vorstellung von sexu-<br />
gung durch den Partner.<br />
therapie, Radiatio, Hyperprolaktinämie, Behandlung<br />
intensiven ärztlichen Leistungen honoriert?<br />
ellen Kontakten mit negativen Gefühlen verb<strong>und</strong>en<br />
mit Antiöstrogenen <strong>und</strong> Antiandrogenen<br />
ist <strong>und</strong> Angst erzeugt. Dies führt zu einer Vermeidung<br />
Die Lebensqualität kann durch sexuelle Funktionsstö-<br />
Dies sind alles wichtige Fragen <strong>und</strong> Probleme, die un-<br />
sexueller Kontakte <strong>und</strong> im Extremfall zu einer Sexual-<br />
rungen eine starke Einschränkung erfahren. Personen,<br />
Die Häufigkeit sexueller Appetenzstörungen ist nur<br />
ser unmittelbares Tun in der gynäkologischen Sprech-<br />
phobie (Hartmann, 2008).<br />
die nicht sexuell aktiv sind, haben eine deutlich gerin-<br />
schwer erfassbar. Verschiedene Autoren geben unter-<br />
st<strong>und</strong>e berühren, die immer einen Spagat zwischen<br />
gere Lebensqualität.<br />
schiedliche Häufungen an. Sie reichen von 10% (PRE-<br />
interessanten fachlichen Herausforderungen <strong>und</strong> dem<br />
Eine sexuelle Appetenzstörung kann primär (lebens-<br />
SIDiE-Studie, Frauenarzt 49/2008) bis 51% (Buddeberg<br />
wirtschaftlichen Führen einer Arztpraxis bedeuten.<br />
lang) <strong>oder</strong> sek<strong>und</strong>är (erworben) vorliegen. Sie kann<br />
Bei Frauen äußert sich das in verminderter Leistungs-<br />
et al., 2006; Hartmann, 2008). Sie korreliert mit dem<br />
generalisiert <strong>oder</strong> situativ auftreten <strong>und</strong> auf einen<br />
fähigkeit, verminderter Befriedigung im interpersona-<br />
Lebensalter. Der relative Anstieg ist jedoch geringer,<br />
Mehr denn je aber ist es für uns Gynäkologen <strong>und</strong> Gy-<br />
bestimmten Partner <strong>oder</strong> eine bestimmte Situation<br />
len, beruflichen <strong>und</strong> emotionalen Bereich.<br />
da mit zunehmendem Alter der Leidensdruck sinkt<br />
näkologinnen wichtig, sich den wichtigen sexualmedi-<br />
begrenzt sein (Beier, 2005).<br />
(Hartmann, 2008).<br />
zinischen Fragen <strong>und</strong> Problemen unserer Patientinnen<br />
Die Reduktion der sexuellen Störungen führte in klinischen<br />
insbesondere nach der Menopause zuzuwenden. Es<br />
Bei der leichten Form der sexuellen Appetenzstö-<br />
Studien zu einer signifikanten Verbesserung der Lebenszu-<br />
bedeutet, ein neues, notwendiges Kompetenzfeld zu<br />
rung besteht bei der Frau kein aktives Interesse an<br />
friedenheit <strong>und</strong> psychischen Ges<strong>und</strong>heit, zur Verminderung<br />
erschließen <strong>und</strong> die Patientin umfassend durch das Kli-<br />
Sexualität. Sexuelle Kontakte werden aber durchaus<br />
von Ängsten <strong>und</strong> Depressionen sowie zu interpersonaler<br />
makterium zu begleiten. Unsere Patientinnen werden<br />
als angenehm <strong>und</strong> lustvoll erlebt. Es besteht eine ge-<br />
Sensibilität <strong>und</strong> Selbstachtung (Hartmann, 2008).<br />
34 35
2.2 Störungen der sexuellen Erregung<br />
Lubrikation mit bedingt. Die Frauen klagen dann typi-<br />
Jüngere Frauen berichten häufiger über Orgasmusstö-<br />
Können Sie durch sexuelle Selbstbefriedigung einen<br />
scherweise über eine „trockene Scheide“. Kommt es<br />
rungen als ältere. Das kann daran liegen, dass Frauen<br />
Höhepunkt erleben?<br />
Eine sexuelle Erregungsstörung bei der Frau ist im<br />
dennoch zum Koitus, führt das zu Schmerzen, die sich<br />
im Laufe ihres Lebens ihren Körper besser kennen-<br />
In welchen Situationen können Sie einen Orgasmus<br />
Gegensatz zu der beim Mann nur schwer nachweisbar.<br />
wiederum negativ auf die sexuelle Appetenz <strong>und</strong> Erre-<br />
lernen <strong>und</strong> um die Möglichkeiten befriedigender<br />
erreichen <strong>und</strong> durch welche wird er verhindert?<br />
Sie ist gekennzeichnet durch das Fehlen von subjek-<br />
gung auswirken.<br />
sexueller Stimulationen wissen. Allerdings sind<br />
Wie war es bei früheren Partnern?<br />
tivem Erregungsempfinden <strong>und</strong> körperlichen Reakti-<br />
Wiederholen sich diese Schmerzen beim Koitus, kommt<br />
Orgasmusstörungen nicht selten auch das Symptom<br />
onen wie dem Anschwellen der Klitoris, der Labien<br />
es nach <strong>und</strong> nach zu einem Vermeidungsverhalten, <strong>und</strong><br />
für schwerwiegendere Sexualkonflikte.<br />
Können fassbare Ursachen nicht erkannt werden, ist<br />
<strong>und</strong> der Scheide, der vaginalen Lubrikation <strong>und</strong> ver-<br />
jegliche sexuellen Kontakte werden schließlich aus<br />
eine gezielte Sexualtherapie notwendig.<br />
mehrten Durchblutung des paravaginalen Gewebes.<br />
Angst vor weiteren Schmerzen abgelehnt. Es beginnt<br />
Ursachen für Orgasmusstörungen können durch kör-<br />
ein Teufelskreis, der schließlich auch zu Störungen der<br />
perliche <strong>und</strong> psychische Faktoren bedingt sein. In der<br />
Eine isolierte sexuelle Erregungsstörung ist bei Frauen<br />
sexuellen Appetenz <strong>und</strong> Erregung führen <strong>und</strong> die Part-<br />
Anamnese sollte u.a. nach Krankheiten gefragt wer-<br />
eher selten. Meist tritt sie im Zusammenhang mit<br />
nerschaft stark beeinträchtigen kann.<br />
den, die Ursache für Durchblutungsstörungen sein<br />
<strong>oder</strong> infolge einer Störung der sexuellen Appetenz<br />
können, wie etwa Diabetes mellitus, arterielle Hyper-<br />
auf. Ursächlich können sowohl psychische als auch<br />
2.3 Störungen des Orgasmus<br />
tonie, Hyperlipidämie, Arteriosklerose. Schädigungen<br />
somatische Faktoren beteiligt sein. Sie gleichen den<br />
der Nerven durch Traumata, Tumoren, entzündliche<br />
Ursachen der sexuellen Appetenzstörungen <strong>und</strong><br />
Eine reine Orgasmusstörung wird in der gynäkolo-<br />
<strong>oder</strong> neurologische Krankheiten führen gegebenen-<br />
Orgasmusstörungen.<br />
gischen Sprechst<strong>und</strong>e von Frauen in der Peri- <strong>und</strong><br />
falls zu einer mangelnden Erregungsweiterleitung, was<br />
Postmenopause eher selten beklagt. Die vorliegende<br />
sich im Ausbleiben eines Orgasmus äußert.<br />
Häufig finden sich psychische Faktoren, da das <strong>Lust</strong>-<br />
Studie über Frauen zwischen dem 50. <strong>und</strong> 60. Lebens-<br />
empfinden <strong>und</strong> der Erregungsaufbau bei Frauen sehr<br />
jahr zeigt, dass eine Anorgasmie in der jüngeren<br />
An der neuronalen Entstehung eines Orgasmus sind<br />
stark von Gefühlen <strong>und</strong> Fantasien abhängig sind. Diese<br />
Altersgruppe häufiger auftritt.<br />
bestimmte Hirnareale wie etwa das limbische System,<br />
können durch psychischen Stress empfindlich gestört<br />
der Hypothalamus <strong>und</strong> der Mandelkern beteiligt sowie<br />
werden.<br />
Meist sind Störungen des Orgasmus Teil einer komple-<br />
die Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Noradre-<br />
xeren Störung, die auch die Beeinträchtigung der<br />
nalin, endogene Opiode <strong>und</strong> die Hormone der<br />
Eine große Rolle spielt dabei der Partner, der unab-<br />
sexuellen Appetenz <strong>und</strong> Erregung beinhaltet. Störungen<br />
Schilddrüse, der Nebenniere, der Hypophyse, das<br />
hängig von äußeren Faktoren die Symptomatik in eine<br />
des Orgasmus können primär auftreten <strong>oder</strong> sek<strong>und</strong>är,<br />
Testosteron <strong>und</strong> indirekt auch die Östrogene.<br />
positive <strong>oder</strong> negative Richtung beeinflussen kann.<br />
infolge einer Appetenz- <strong>und</strong> Erregungsstörung.<br />
Deshalb ist es wichtig, bei der Anamnese die Paarbe-<br />
Medikamente, insbesondere Psychopharmaka, Dro-<br />
ziehung zu erfragen <strong>und</strong> möglichst den Partner mit<br />
Zu unterscheiden ist die generalisierte Anorgasmie,<br />
gen-, Nikotin- <strong>und</strong> Alkoholabusus können das Orgas-<br />
einzubeziehen.<br />
bei der zu keinem Zeitpunkt ein Orgasmus auftritt –<br />
muserleben beeinträchtigen.<br />
trotz vorhandener Erregung <strong>und</strong> Stimulation –, von<br />
Auch hierbei ist es hilfreich zu erfragen, seit wann<br />
einer situativ bedingten Anorgasmie. 22 bis 28 %<br />
Um eine entsprechende Therapie einzuleiten, ist eine<br />
diese Störung besteht, ob sie ständig auftritt, partner-<br />
der Frauen erleben selten <strong>oder</strong> nie einen Orgasmus<br />
genaue Anamnese wichtig. Dabei können folgende<br />
<strong>oder</strong> situationsabhängig ist. Die Frau sollte ermutigt<br />
(Bitzer, 2008). Dies muss nicht zwangsläufig zu einem<br />
Fragen hilfreich sein:<br />
werden, eine typische intime Situation mit ihrem<br />
Desinteresse an Sexualität führen, da oft die sexuelle<br />
Partner zu schildern. Peri- <strong>und</strong> postmenopausal sind<br />
Erregung <strong>und</strong> damit auch die sexuelle Erlebnisfähigkeit<br />
Erregungsstörungen häufig durch fehlende vaginale<br />
<strong>und</strong> Zufriedenheit uneingeschränkt vorhanden sind.<br />
36 37
2.4 Schmerzen beim Sex:<br />
Beim Vaginismus arrangieren sich die Paare meist mit<br />
1. Äußere Dyspareunie:<br />
die Schmerzen aber permanent auf, können sie durch<br />
Dyspareunie <strong>und</strong> Vaginismus<br />
dem Problem. Sie suchen <strong>und</strong> finden oft alternative<br />
Schmerzen im Bereich der Vulva,<br />
akute <strong>oder</strong> chronische Krankheiten bedingt sein <strong>und</strong><br />
sexuelle Handlungen <strong>oder</strong> sie haben längere asexuelle<br />
des Introitus vaginae <strong>und</strong> der Scheide<br />
müssen durch übliche Organdiagnostik (u.a. Palpati-<br />
Störungen mit sexuell bedingten Schmerzen finden<br />
Phasen. Ein echter Leidensdruck entsteht oft bei Kin-<br />
Die Patientin gibt dabei besonders Schmerzen beim<br />
on, Sonographie, Pelviskopie) abgeklärt werden:<br />
sich in jeder Altersgruppe. Dazu gehören die Dyspare-<br />
derwunsch <strong>oder</strong> größeren Partnerschaftskonflikten<br />
Eindringen des Penis in die Scheide an (als Bren-<br />
Adhäsionen<br />
unie <strong>und</strong> der Vaginismus.<br />
mit Trennungsabsichten.<br />
nen, Stechen, Ziehen, Druckgefühl) <strong>oder</strong> während<br />
Endometriose<br />
des Sexualverkehrs in der Scheide. Dies kann meist<br />
Ovarialtumoren<br />
Schmerzen stellen eine einschneidende Belastung für<br />
Vaginismus kann allerdings auch eine sek<strong>und</strong>äre Reak-<br />
leicht durch gynäkologische Diagnostik, einschließ-<br />
Uterus myomatosus<br />
das Sexualleben dar. Sie verhindern <strong>oder</strong> schränken<br />
tion auf Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sein.<br />
lich Mikrobiologie u. Ä., geklärt werden.<br />
Adnexitis<br />
<strong>Lust</strong> <strong>und</strong> Erregung ein. Das kann sich sek<strong>und</strong>är in wei-<br />
Der Fokus bei der gynäkologischen Untersuchung<br />
Appendizitis<br />
teren Störungen wie Libidomangel äußern <strong>und</strong> kann<br />
sollte auf dem lokalen genitalen Status, dem Beckenbo-<br />
Folgende Erkrankungen können eine äußere Dyspa-<br />
Retroflexio uteri fixata<br />
durch Vermeidungsverhalten zu Partnerschafts kon-<br />
den, dem allgemeinen Schmerzerleben, dem sexuellen<br />
reunie bedingen:<br />
Gynäkologische Karzinome<br />
flikten führen.<br />
Verhalten der Paarbeziehung liegen. Die emotionale<br />
Trockenheit der Scheide<br />
Colon irritabile<br />
Situation muss hinterfragt werden <strong>und</strong> die Anamnese<br />
Vulvovestibulitissyndrom, Vulvitis, Vulvovaginitis<br />
Die Dyspareunie ist definiert als wiederholt auf-<br />
muss auf eventuelle traumatische sexuelle Erfahrungen<br />
Interstitielle Zystitis, Urethritis<br />
Gesprächsalgorithmus<br />
tretende <strong>oder</strong> ständige genitale Schmerzen beim Ge-<br />
ausgerichtet sein (Hartmann, 2008).<br />
Dermatologische Erkrankungen, Kondylome,<br />
Äußert die Patientin Schmerzen beim Sex, sollte un-<br />
schlechtsverkehr, die persönliches Leid verursachen<br />
Ekzeme<br />
sere erste Frage sein: „Wo tut es weh – im Bauch<br />
(Bitzer, 2008).<br />
Für den Frauenarzt ist die Dyspareunie praxisrele-<br />
Epitheliale Defekte, Episiotomie-Narbe<br />
<strong>oder</strong> im Bereich von Vulva <strong>und</strong> Scheide?“<br />
vanter. Sie wird in der gynäkologischen Praxis von den<br />
Veränderungen nach gynäkologischer OP <strong>oder</strong><br />
Die zweite Frage sollte dann lauten: „Zu welchem<br />
Beim Vaginismus ist das Eindringen des Penis in die<br />
Patientinnen meist täglich angesprochen. Die Prävalenz<br />
Radiatio: verkürzte Scheide, Stenose der Scheide<br />
Zeitpunkt tut es weh beim Sex – beim Eindringen des<br />
Scheide nicht möglich. Bedingt durch eine starke An-<br />
wird mit 3 bis 43% angegeben (Basson et al., 2004).<br />
Anatomische Variationen: enge Scheide,<br />
Penis in die Scheide <strong>oder</strong> beim Geschlechtsverkehr<br />
spannung <strong>oder</strong> Verkrampfung der Scheidenmuskulatur<br />
Man unterscheidet zwischen psychisch bedingter <strong>und</strong><br />
Vaginalseptum, Hymenalreste, Probleme mit<br />
selbst?“ Lokalisiert die Patientin die Beschwerden<br />
wird die Immissio penis unmöglich, manchmal sogar<br />
organpathologisch bedingter Dyspareunie.<br />
der Penisgröße<br />
im Bauchraum, folgt die dritte Frage: „Treten die<br />
trotz des ausdrücklichen Wunsches der Frau, dies zu<br />
Schmerzen bei jeder sexuellen Stellung auf <strong>oder</strong> nur<br />
tun. Auch die gynäkologische Untersuchung <strong>oder</strong> das<br />
Psychisch bedingte Dyspareunie<br />
Die Dyspareunie bei Frauen in der Peri- <strong>und</strong> Post-<br />
bei bestimmten Positionen?“<br />
Einführen eines Tampons gelingen häufig nicht (Hart-<br />
Hierbei spielen Sexualängste, phobische <strong>und</strong> sexuelle<br />
menopause ist meist durch eine östrogenbedingte<br />
mann, 2008).<br />
aversive Reaktionen, Schuldgefühle, Partnerschaftskon-<br />
trockene Scheide verursacht. Gegebenenfalls se-<br />
Ausmaß <strong>und</strong> Ursache der Dyspareunie sind entschei-<br />
flikte, negative Erfahrungen, sexualfeindliche Erziehung<br />
k<strong>und</strong>är begleitet von einer Vulvovaginitis.<br />
dend für das resultierende sexuelle Verhalten des<br />
Eine klare Unterscheidung zwischen Dyspareunie <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> sexuelle Traumata eine Rolle. Gleiches trifft auch<br />
Paares. Dies kann ein kurzzeitiges bewusstes Verzich-<br />
Vaginismus ist in praxi manchmal nicht eindeutig mög-<br />
für den Vaginismus zu.<br />
2. Innere Dyspareunie:<br />
ten auf Sex bedingen <strong>oder</strong> ein permanentes Vermei-<br />
lich. Beiden gemeinsam sind:<br />
Schmerzen im Bauchraum<br />
den von sexuellen Kontakten <strong>oder</strong> Beziehungen nach<br />
1. Probleme mit der Muskelanspannung<br />
Organpathologisch bedingte Dyspareunie<br />
Schmerzen im Bauchraum sind durch das Aufsto-<br />
sich ziehen.<br />
2. Angst vor Schmerzen beim Sex<br />
Aus praktischen Gesichtspunkten unterscheiden wir<br />
ßen des Penis auf die Portio vaginalis uteri <strong>und</strong> das<br />
3. Neigung zu Annäherungs- versus Vermeidungsver-<br />
in der gynäkologischen Sprechst<strong>und</strong>e die äußere von<br />
„Hochschieben“ des Uterus bedingt. Diese Schmer-<br />
halten (Hartmann, 2008).<br />
der inneren Dyspareunie.<br />
zen sind durchaus als „physiologisch“ anzusehen,<br />
wenn sie nur in einigen wenigen sexuellen Stellungen<br />
auftreten bei sonstiger Beschwerdefreiheit. Treten<br />
38 39
Therapie der Dyspareunie<br />
Wann tritt diese Störung auf, wie oft, in welchen<br />
3.4 Allgemeine medizinische Anamnese<br />
Je nach Art <strong>und</strong> Ausmaß der Störung kommen psycho-<br />
Die Behandlung von organisch bedingten Schmerzen<br />
Situationen, mit welchem Partner?<br />
<strong>und</strong> Untersuchung<br />
therapeutische <strong>oder</strong> somatische Interventionen <strong>oder</strong><br />
beim Sexualverkehr richtet sich nach dem Krankheits-<br />
Welche Auswirkungen hat das Problem auf die<br />
die Kombination beider in Betracht. Jeder von uns<br />
bild. Je nach Untersuchungsbef<strong>und</strong> wird die entspre-<br />
Partnerschaft?<br />
Eigenanamnese<br />
benannte Störungstyp bedarf in der gynäkologischen<br />
chende Behandlung eingeleitet. Dies kann eine lokale<br />
Gab es bereits Lösungsversuche?<br />
Familienanamnese<br />
Sprechst<strong>und</strong>e einer anderen Herangehensweise. Des-<br />
Gabe von Hormoncremes <strong>oder</strong> -salben sein, Gleitmit-<br />
Welches Ziel, welche Vision hat die Patientin?<br />
Gynäkologische Anamnese<br />
halb wird die Art der Therapie auch immer unter-<br />
tel, Schmerzmittel, Antibiotika <strong>oder</strong> gar operative Inter-<br />
Besteht bei der Patientin <strong>oder</strong>/<strong>und</strong> beim Partner<br />
Urologische Anamnese<br />
schiedlich gewichtet sein.<br />
ventionen bei narbigen Veränderungen <strong>oder</strong> Stenosen.<br />
ein Leidensdruck?<br />
Gynäkologischer Untersuchungsbef<strong>und</strong><br />
Die östrogenmangelbedingt trockene Scheide wird<br />
Besteht bei der Patientin eine Therapiemotivation?<br />
Allgemeinmedizinischer Untersuchungsbef<strong>und</strong><br />
Immer muss dabei aber das Paar im Mittelpunkt der<br />
entsprechend mit Östradiol- <strong>oder</strong> Östriolsalben wirk-<br />
Medikamentenanamnese<br />
Betrachtung stehen. Oft ist die Frau nur Trägerin des<br />
sam behandelt.<br />
3.2 Sexuelle Eigenanamnese<br />
Psychologischer Bef<strong>und</strong><br />
Symptoms. Immer aber hat die Störung Auswirkungen<br />
auf das Sexualleben beider Partner.<br />
Psychisch bedingte Dyspareunie <strong>und</strong> Vaginismus müs-<br />
Sexualerziehung<br />
3.5 Fragebögen zur Erfassung der<br />
sen immer sexualtherapeutisch als Einzel- <strong>oder</strong> Paar-<br />
Sexuelle Entwicklung: Pubarche, Ejakularche,<br />
Sexualstörung<br />
Nicht immer führt eine Störung zu Leidensdruck, etwa<br />
therapie behandelt werden. Beim Vaginismus werden<br />
Masturbarche, erstes Petting, Kohabitarche<br />
wenn eine Abnahme sexueller Appetenz gleichzeitig<br />
zusätzlich eine Desensibilisierung mit Dilatatoren,<br />
Sexuelle Aktivitäten, geschlechtliches <strong>und</strong> sexuelles<br />
Patienten-Kurzfragebogen „B-PFSF“ (siehe Anhang)<br />
bei beiden Partnern besteht <strong>und</strong> dies nicht als Mangel<br />
Entspannungstherapie <strong>und</strong> begleitende Behandlung<br />
Erleben im Erwachsenenalter:<br />
Fragebogen für das vertiefende Gespräch bei Sexu-<br />
empf<strong>und</strong>en wird. In anderen Fällen ist eine Einbezie-<br />
von möglichen Phobien empfohlen (Bitzer, 2008).<br />
Welche Sexualpraktiken, Frequenzen, Selbst-<br />
alproblemen im Klimakterium (siehe Anhang)<br />
hung des Partners nicht möglich, da der Partner selbst<br />
befriedigung, Fantasien, Vorlieben, Abneigungen<br />
keinen Leidensdruck empfindet <strong>oder</strong> sich scheut, sich<br />
(Paraphilien), sexuelle Appetenz, Erleben von<br />
in diesbezügliche Behandlung zu begeben. Oder aber<br />
3<br />
Diagnostik sexueller Störungen der Frau<br />
<strong>Lust</strong>, Erregung <strong>und</strong> Orgasmus?<br />
4<br />
Therapie sexueller Funktionsstörungen<br />
die Patientin lebt als Single. In den meisten Fällen fin-<br />
in der gynäkologischen Sprechst<strong>und</strong>e<br />
Entwicklung der aktuellen Partnerschaft<br />
det der erste Kontakt in der frauenärztlichen Sprech-<br />
Kinderwunsch, Verhütung, Familiengründung,<br />
Die Behandlung von Sexualstörungen ist immer sehr<br />
st<strong>und</strong>e statt.<br />
Zur Diagnostik der sexuellen Störung haben wir in<br />
Besonderheiten<br />
individuell. Sie hängt ab von Art <strong>und</strong> Ausmaß der Stö-<br />
der frauenärztlichen Sprechst<strong>und</strong>e folgende Instru-<br />
rung, der Stärke des dadurch entstandenen Leidens-<br />
Die Herangehensweise <strong>und</strong> Behandlung in der gy-<br />
mentarien zur Verfügung:<br />
3.3 Soziokulturelle Anamnese<br />
drucks, den Ursachen <strong>und</strong> Bedingungen dieser Störung<br />
näkologischen Sprechst<strong>und</strong>e wird dabei sehr unter-<br />
Das diagnostische Gespräch<br />
<strong>und</strong> der Art der Partnerbeziehung der Patientin.<br />
schiedlich sein. In einigen Fällen bedarf es nur weniger<br />
Die gezielte Sexualanamnese<br />
Aktuelle Lebenssituation<br />
klärender Worte, öfter jedoch umfassender <strong>oder</strong> auch<br />
Fragebögen zur Erfassung der sexuellen Störung<br />
Partnerschaft, Familie, Kinder<br />
Jegliche sexualmedizinische Intervention beruht auf<br />
wiederholter Beratungen mit <strong>oder</strong> ohne Einbeziehung<br />
Konfession, religiöse Bindungen<br />
dem (Beier, 2005) biopsychosozialen Verständnis von<br />
des Partners. Anderen kann nur mit einer Paartherapie<br />
3.1 Sexualmedizinische Aktualanamnese<br />
Beruf, eigene berufliche Situation<br />
Geschlechtlichkeit.<br />
<strong>oder</strong> einer längeren psychotherapeutischen Interven-<br />
Berufliche Situation des Partners<br />
Eine Sexualstörung ist immer im Kontext mit dem<br />
tion geholfen werden. Nicht selten können wir gerade<br />
Spontanangaben der Patientin: Schilderung der<br />
Wirtschaftliche Situation<br />
Partner <strong>und</strong> der Beziehung zu sehen. Daraus ergibt<br />
in der Gynäkologie neben der Beratung auch medika-<br />
Symptomatik<br />
Wohnverhältnisse<br />
sich die Wichtigkeit der Einbeziehung des Partners in<br />
mentöse Behandlungen nutzbringend einsetzen.<br />
Warum gerade jetzt der Arztbesuch?<br />
Freizeitsituation<br />
die Anamnese <strong>und</strong> die Therapie. Zielsetzung muss es<br />
Von wem wurde die Patientin geschickt?<br />
sein, für beide Partner durch sexuelle Kommunikation<br />
Seit wann besteht die Störung?<br />
die Sexualstörung zu beheben.<br />
40 41
Entsprechend der Art <strong>und</strong> Ausprägung der Sexualstö-<br />
Wiederholte Einzel- <strong>oder</strong> Paarberatungen, die 30 bis<br />
Das sexuelle Selbstbewusstsein der Patientin/des<br />
konkrete Hilfe bei ihren Problemen. Vor allem möch-<br />
rung kommen im Wesentlichen dabei Hormone zur<br />
60 Minuten in Anspruch nehmen, sollten privatärzt-<br />
Paares wird gestärkt durch die Vermittlung von Wis-<br />
ten sie ernst genommen werden <strong>und</strong> sich vom Arzt<br />
Anwendung: Östrogene, lokal <strong>oder</strong> systemisch; Östro-<br />
lich in Rechnung gestellt werden (IGEL-Leistung). Um<br />
sen <strong>oder</strong> die Aufklärung über Besonderheiten der<br />
mit ihrem Sexualproblem angenommen fühlen. Er soll<br />
gen-Gestagen-Kombinationen; Testosteron, transder-<br />
Missverständnisse zu vermeiden, muss der zeitliche<br />
Sexualität bei jedem Einzelnen <strong>und</strong> in bestimmten Le-<br />
sensibel mit ihren Ängsten <strong>und</strong> ihrer Schamgrenze<br />
mal – außerdem noch verschiedene Dermatika <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> finanzielle Rahmen mit der Patientin vorher ge-<br />
bensabschnitten.<br />
umgehen. Die Patientin erwartet auch, dass sich der<br />
Gleitmittel.<br />
nau besprochen werden.<br />
Arzt die entsprechende Zeit nimmt <strong>und</strong> sie kompe-<br />
Dazu gehören eventuell auch Tipps zur Lebensführung,<br />
tent berät.<br />
4.1 Sexualberatungen<br />
Dies stellt selbstverständlich für die Patientin <strong>oder</strong><br />
wie etwa Umgang mit Alkohol, Nikotin, Übergewicht<br />
das Paar eine große, manchmal auch unüberwindliche<br />
<strong>und</strong> körperlicher Aktivität. Manchmal geht es um die<br />
Ärztlicherseits stellen sich dem sowohl einige subjek-<br />
Individuelle Beratungen sind permanenter Bestandteil<br />
Hürde dar, ist aber gleichermaßen auch eine Nagel-<br />
partnerschaftliche Situation allgemein, um Kommuni-<br />
tive als auch objektive Bedingungen entgegen. Es be-<br />
unserer frauenärztlichen Arbeit, <strong>und</strong> dies nicht nur bei<br />
probe für die Größe des Leidensdrucks, kompetente<br />
kationsprobleme, Konfliktverhalten, um körperlichen<br />
stehen nicht selten Bedenken bezüglich der eigenen<br />
Krankheiten unserer Patientinnen. Frauenärzte <strong>und</strong><br />
ärztliche Hilfe tatsächlich zu benötigen <strong>und</strong> zu wollen.<br />
<strong>oder</strong> psychischen Stress durch externe Faktoren.<br />
sexualmedizinischen Kompetenz. Die meisten Gynäko-<br />
Frauenärztinnen sind Ansprechpartner der Frauen in<br />
logen verfügen jedoch über eine zertifizierte psycho-<br />
vielen Lebenssituationen, auch bei Beziehungs- <strong>und</strong><br />
Frauenärzte sollten diese Beratungen dezidiert als ge-<br />
Eine Sexualberatung muss nicht zwangsläufig mehrere<br />
somatische Ausbildung <strong>und</strong> umfangreiche praktische<br />
Sexualproblemen.<br />
sonderte Sprechst<strong>und</strong>e „Sexualberatung“ ausweisen,<br />
Sitzungen umfassen. Viele in der frauenärztlichen<br />
frauenärztliche Erfahrungen, die ihnen eine kompe-<br />
um damit auch nach außen sichtbar ihre diesbezüg-<br />
Sprechst<strong>und</strong>e vorgetragenen Probleme können durch<br />
tente Sexualberatung ermöglichen.<br />
Vor jeglicher medikamentösen Therapie steht so auch<br />
liche Kompetenz zu unterstreichen.<br />
den in der Beratung <strong>und</strong> Therapie erfahrenen Gynäko-<br />
bei sexuellen Funktionsstörungen immer eine ein-<br />
logen während einer einmaligen Konsultation geklärt<br />
Die Gesprächseröffnung kann auf drei Wegen erfolgen:<br />
gehende Beratung. Für gewöhnlich findet diese er-<br />
Nur in einer solchen „Sexualberatung“ ist es möglich,<br />
werden.<br />
1. Die Patientin trägt ihr Problem primär selbst vor.<br />
ste Beratung mit der Patientin allein statt, da sie ihr<br />
tiefer liegende Sexualstörungen zu erfassen, umfassend<br />
Dieses Problem ist der Hauptgr<strong>und</strong> für den Besuch<br />
Sexualproblem meist in der „normalen“ gynäkolo-<br />
darüber zu beraten <strong>und</strong> sie adäquat zu behandeln.<br />
4.2 Gesprächsführung<br />
in der frauenärztlichen Sprechst<strong>und</strong>e.<br />
gischen Sprechst<strong>und</strong>e vorträgt. Handelt es sich dabei<br />
Das Einfühlen in die spezifische Situation der Patientin<br />
2. Die Patientin gibt Schmerzen bei der Untersuchung<br />
z.B. „nur“ um ein aufklärendes Gespräch wegen ei-<br />
<strong>oder</strong> des Paares mit seinen individuellen Vorstellungen<br />
Nicht wenige Frauen haben sexuelle Probleme, sind<br />
an, die einen Gr<strong>und</strong> darstellen, nach sexuellen Pro-<br />
ner kolpitisbedingten Dyspareunie, sind die Beratung<br />
von Liebe, Zärtlichkeit, Intimität, Paarbeziehung <strong>und</strong><br />
aber gehemmt, diese beim Frauenarzt anzusprechen.<br />
blemen zu fragen.<br />
<strong>und</strong> Behandlung innerhalb einer Sprechst<strong>und</strong>e gut<br />
sexueller Leidenschaft wird so für den Gynäkologen<br />
Laut einer aktuellen Studie (Women’s International<br />
3. Der Arzt eröffnet das Gespräch ohne konkreten<br />
möglich. Eine Einbeziehung des Partners ist in die-<br />
besser möglich.<br />
Sexuality and Health Survey) wünschen sich 87% der<br />
Anlass, da das Fragen nach der Sexualität zu seinem<br />
sen Fällen meist nicht nötig. Bei schwerwiegenderen<br />
befragten Frauen, dass sie der Frauenarzt direkt zu<br />
„normalen“ Anamnese-Ritual gehört. Dabei haben<br />
Problemen sollte der Partner immer mit einbezogen<br />
Während der Sexualberatung geht es um Aufklärung<br />
ihrem Sexualleben befragt. Es ist also die Aufgabe von<br />
sich sogenannte offene Fragen bewährt, etwa so:<br />
werden. Dann auch ist das Problem mit einem einma-<br />
über normale physiologische Abläufe, Information<br />
uns Frauenärztinnen <strong>und</strong> Frauenärzten, das Gespräch<br />
„Wie steht es mit Ihrem Sexualleben? Haben Sie<br />
ligen Besuch in der Sprechst<strong>und</strong>e nicht zu lösen. Wir<br />
über das individuelle Erleben der Sexualität, Ausräu-<br />
auch auf die Sexualität zu lenken. Es wird nicht nur<br />
diesbezüglich Fragen, Wünsche <strong>oder</strong> Probleme?“<br />
„müssen“ die Patientin bzw. das Paar noch ein- <strong>oder</strong><br />
men von Sexualmythen, Häufigkeit von Problemen<br />
von uns erwartet, sondern ist essentieller Teil unserer<br />
mehrmals einbestellen <strong>und</strong> der Paarberatung einen<br />
(z.B. Lubrikationsstörungen in der Peri- <strong>und</strong> Postme-<br />
ärztlichen Aufgabe.<br />
Natürlich kann man solche Fragen nicht als Standard<br />
zeitlich größeren Rahmen geben. Dies stößt oft auf<br />
nopause) <strong>und</strong> deren häufige Ursachen, aber auch um<br />
vorgeben. Jeder Kollege, jede Kollegin wird dies modi-<br />
zeitliche Grenzen <strong>und</strong> erfährt in der Honorierung des<br />
Ähnlichkeiten <strong>und</strong> Unterschiede im sexuellen Erleben<br />
Dabei haben unsere Patientinnen unterschiedliche Er-<br />
fizieren müssen. Hängt dies doch von verschiedenen<br />
Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) keine adä-<br />
bei Mann <strong>und</strong> Frau.<br />
wartungen an ein solches Gespräch. Manche möchten<br />
ärztlichen Faktoren ab: Arzt <strong>oder</strong> Ärztin, Art der se-<br />
quate Berücksichtigung.<br />
einfach nur einmal darüber sprechen <strong>und</strong> die Meinung<br />
xualmedizinischen Ausbildung <strong>und</strong> Kompetenz, eigene<br />
des Arztes dazu hören, andere erwarten sich aber<br />
Einstellung zur Sexualität, eigene sexuelle <strong>und</strong> Lebens-<br />
42 43
erfahrungen, eigene innere Unbefangenheit, offen über<br />
Dies trifft besonders auch für die Selbstbefriedigung<br />
Im Einzelgespräch hören wir die Sichtweise eines Part-<br />
finden von sexuellen Störungen betroffene Frauen<br />
Sexualität reden zu können. Außerdem hängt es von<br />
zu. Zur Beurteilung von Appetenz- <strong>und</strong> Erregungsstö-<br />
ners, haben Zugang zu seiner individuellen Körperlich-<br />
kompetente Gesprächspartner, wobei weder telefo-<br />
der Patientin ab: Alter, Lebenssituation, Bildungsgrad,<br />
rungen ist es wichtig zu wissen, ob die Patientin sich<br />
keit, seiner seelischen Verfassung <strong>und</strong> seiner sozialen<br />
nische Diagnosen gestellt, noch Therapieempfehlungen<br />
soziokultureller Hintergr<strong>und</strong>, religiöse Bindung, sexu-<br />
selbst befriedigt <strong>und</strong> welche sexuellen Reaktionen da-<br />
Integration <strong>und</strong> können uns die Paarsituation nur an-<br />
gegeben werden.<br />
elle Erfahrungen, Vermögen, über Sexualität sprechen<br />
bei ablaufen. Oft sind Patientinnen verunsichert, ob es<br />
hand dieser Informationen vorzustellen versuchen.<br />
zu können.<br />
sich überhaupt „geziemt“, sich selbst zu befriedigen<br />
4.3 Sexualtherapie<br />
<strong>und</strong> erst recht, offen darüber zu reden.<br />
Im Gegensatz dazu haben wir beim Paargespräch die<br />
Beim Thema Sexualität ist es sehr wichtig, die richtige<br />
Möglichkeit, die Sichtweisen beider Partner zu erfah-<br />
Eine Sexualtherapie ist immer dann indiziert, wenn die<br />
Sprache zu finden. Die Skala reicht von der Benutzung<br />
Dabei hat sich folgende Frage bewährt: „Und wie ist<br />
ren, deren individuellen Leidensdruck kennenzulernen,<br />
Sexualstörung durch langanhaltende, tiefer greifen-<br />
wissenschaftlicher Termini bis hin zur Trivial- <strong>und</strong> Vul-<br />
es, wenn Sie sich selbst befriedigen?“ Diese Frage<br />
<strong>und</strong> haben einen Einblick in die Interaktion des Paares.<br />
de Probleme der Patientin <strong>oder</strong> des Paares bedingt<br />
gärsprache. Leicht kann es dabei zu Irritationen kom-<br />
impliziert, dass es „normal“ ist, dies zu tun, <strong>und</strong> dass<br />
Gleichzeitig bietet sich uns die Möglichkeit, schon<br />
ist. Sie wird durch speziell ausgebildete Sexualthera-<br />
men, einerseits wird man vielleicht nicht verstanden<br />
der Arzt davon ausgeht, dass die Patientin dies auch<br />
beim ersten Kontakt therapeutisch einzugreifen.<br />
peuten durchgeführt, die aus verschiedenen medizi-<br />
<strong>und</strong> andererseits könnte man kränkend wirken.<br />
tatsächlich macht. Das erleichtert ihr die Antwort.<br />
nischen Fachrichtungen wie etwa der Gynäkologie,<br />
Schwierigkeiten bei dem Gespräch über Sexualität fin-<br />
Urologie <strong>oder</strong> inneren Medizin kommen <strong>oder</strong> spezi-<br />
Junge Patientinnen erwarten meist eine einfache, un-<br />
Beim Zuhören ist es uns möglich, auf die Gestik <strong>und</strong><br />
den sich nicht nur seitens der Patientin. Es kann bei-<br />
alisierte Psychotherapeuten sind.Eine Sexualtherapie<br />
komplizierte Sprache: „Und wie steht’s mit dem Sex?“<br />
Mimik der Patientin zu achten <strong>und</strong> dabei unsere eige-<br />
den Seiten unangenehm sein, darüber zu reden. Auch<br />
kann einzeln erfolgen, jedoch ist sie deutlich effektiver,<br />
Da bricht das Eis schnell <strong>und</strong> sie sind überrascht, wie<br />
nen Emotionen zu hinterfragen. Um die Patientin bes-<br />
wir Ärzte haben Ängste <strong>und</strong> Schamgefühle. Diese sind<br />
wenn beide Partner einbezogen werden.<br />
natürlich auch in der ärztlichen Sprechst<strong>und</strong>e über Se-<br />
ser verstehen zu können <strong>und</strong> klare Aussagen treffen<br />
individuell unterschiedlich, je nach eigener Partner-<br />
Im Wesentlichen unterscheidet man die klassische Se-<br />
xualität gesprochen werden kann.<br />
zu können, ist es hin <strong>und</strong> wieder wichtig, ihre eigenen<br />
situation, Sozialisierung <strong>und</strong> Persönlichkeit. Oftmals<br />
xualtherapie nach Masters <strong>und</strong> Johnson <strong>und</strong> die syn-<br />
Aussagen zu wiederholen, zu spiegeln <strong>und</strong> hinterher<br />
verstecken Ärzte ihre eigene Unsicherheit <strong>und</strong> Angst<br />
dyastische Paartherapie. Darüber hinaus gibt es noch<br />
Geht die Patientin auf das Thema ein, sollten wir sie<br />
zusammenzufassen, damit die Patientin diese eventuell<br />
hinter lateinischen Begriffen wie Masturbation, Onanie<br />
einige andere Therapieansätze, die modifizierte Tech-<br />
ermutigen, von ihren Wünschen <strong>und</strong> Problemen zu er-<br />
noch korrigieren kann.<br />
<strong>oder</strong> Koitus. Da die Patientin diese Begriffe oft nicht<br />
niken anwenden.<br />
zählen. Wir hören ihr offen zu, stellen gezielt Fragen<br />
versteht, kann es sie davon abhalten, von ihrem sexu-<br />
Die klassische Sexualtherapie nach Masters <strong>und</strong> John-<br />
<strong>und</strong> können Hilfestellung geben.<br />
Das Besondere bei sexuellen Funktionsstörungen ist,<br />
ellen Problem zu erzählen.<br />
son hat als Schwerpunkt die Sexualität <strong>und</strong> die se-<br />
dass die Störung nicht nur die Patientin betrifft, son-<br />
xuellen Funktionen. Sie betrachtet die Sexualität als<br />
Besonders dankbar sind die Patientinnen, die schon<br />
dern immer das Paar, also ihren Partner ebenfalls. Die<br />
Es besteht auch für uns ein großer Unterschied zwi-<br />
eigenen, abgespaltenen Erlebensbereich <strong>und</strong> fokussiert<br />
lange ein Problem mit sich herumtragen, aber nie den<br />
Patientin ist dabei möglicherweise nur die Trägerin<br />
schen einem Gespräch über alltägliche gynäkologische<br />
primär auf die Wiederherstellung der gestörten Sexu-<br />
Mut gef<strong>und</strong>en haben, es anzusprechen. Sie sind froh,<br />
der Symptome eines größeren Paarkonfliktes, dessen<br />
Erkrankungen, bei denen wir Routine haben, <strong>und</strong><br />
alfunktion. Dabei werden etablierte psychotherapeu-<br />
dass sie sich nun endlich vertrauensvoll öffnen kön-<br />
Ursache beispielsweise in Kommunikationsproblemen<br />
einem Gespräch über Sexualität, das möglicherweise<br />
tische <strong>und</strong>/<strong>oder</strong> medikamentöse Methoden beim Ein-<br />
nen. Oft ist die Patientin dabei unsicher, die richtigen<br />
<strong>oder</strong> unterschiedlichen Ansichten beider Partner zu<br />
an unsere eigenen intimen Grenzen herangeht. Des-<br />
zelnen <strong>oder</strong> beim Paar angewendet. Außerdem wird<br />
Worte für bestimmte sexuelle Handlungen zu finden<br />
suchen ist.<br />
halb ist so ein Gespräch auch nicht exemplarisch er-<br />
das Paar angeleitet, bestimmte körperliche „Übungen“<br />
<strong>oder</strong> Organe zu benennen. Besonders peinlich ist es<br />
lernbar, sondern stets individuell.<br />
zur Wiedererlangung der sexuellen Erlebnisfähigkeit<br />
den meisten natürlich, über ihre individuellen sexuel-<br />
Idealerweise ist deshalb bei einer Sexualberatung auch<br />
durchzuführen (Sensate Focus). Der Therapieerfolg<br />
len Neigungen <strong>und</strong> Praktiken zu reden. Hierbei sollten<br />
der Partner mit einzubeziehen. Auch im Falle eines<br />
Eine Möglichkeit bei ausführlichem Gesprächsbedarf<br />
stellt sich am Ende der einzelnen Übungsschritte ein.<br />
wir ihnen auch immer wieder verbal Hilfestellungen<br />
Einzelgespräches ist also nicht ein Individuum der Pa-<br />
von Seiten der Patientin ist auch der Verweis an die<br />
anbieten.<br />
tient, sondern das Paar.<br />
Infoline (0180-5558484) des Informationszentrums für<br />
Sexualität <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit e.V. (ISG) in Freiburg. Dort<br />
44 45
Demgegenüber setzt die syndyastische Sexualtherapie<br />
die psychosozialen Gr<strong>und</strong>bedürfnisse <strong>und</strong> ihre Bedeutung<br />
für den Einzelnen <strong>und</strong> das Paar als Schwerpunkt.<br />
Sexualität wird als Verkörperung der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />
nach Nähe, Wärme, Intimität, Zuwendung <strong>und</strong><br />
Akzeptanz betrachtet. Die Beziehung des Paares steht<br />
im Mittelpunkt. Somit wird primär auf die (Wieder-)<br />
Erfüllung dieser Gr<strong>und</strong>bedürfnisse <strong>und</strong> die Verbesserung<br />
der Beziehung fokussiert. Dabei dient auch die<br />
sexuelle Kommunikation der Erfüllung der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />
<strong>und</strong> nicht allein dem <strong>Lust</strong>gewinn. Um dies zu<br />
erreichen, lernt das Paar, wieder miteinander zu kommunizieren,<br />
auch auf körpersprachlicher Ebene, um<br />
insgesamt die Beziehungszufriedenheit zu verbessern.<br />
Nach jeder Stufe der „Einübungen“ ist ein Therapieerfolg<br />
spürbar (Beier et al., 2008).<br />
Patientinnen, bei denen die Sexualstörung auf schwerwiegenderen<br />
Persönlichkeitsstörungen, tiefer liegenden<br />
(sexuellen) Traumata, Angststörungen <strong>oder</strong> Psychosen<br />
basiert, sollten vor einer möglichen Sexualtherapie<br />
eher psychotherapeutisch behandelt werden.<br />
5 Hormonelle Therapie<br />
von Sexualstörungen<br />
Die physiologischen sexuellen Reaktionsabläufe vollziehen<br />
sich nach einem strengen Funktionsplan. Im<br />
Neokortex erfolgt die kognitive Steuerung, im Hypothalamus<br />
<strong>und</strong> limbischen System die emotionale <strong>und</strong><br />
<strong>Lust</strong>steuerung <strong>und</strong> im Stammhirn <strong>und</strong> in der Hypophyse<br />
die endokrine <strong>und</strong> vegetative sexuelle Steuerung.<br />
Erregung <strong>und</strong> Orgasmus werden peripher auf<br />
der spinalen Ebene reguliert.<br />
Man nimmt an, dass die sexuelle Erregung primär<br />
sympathisch vermittelt wird. Besonders sind aber<br />
sogenannte nicht cholinerge, nicht adrenerge Neurotransmitter<br />
(NANC), z.B. vasoaktives intestinales<br />
Polypeptid (VIP) <strong>und</strong> Stickoxid (NO), von Bedeutung.<br />
Diese bewirken eine Relaxation der glatten Muskulatur<br />
<strong>und</strong> damit eine Steigerung der Durchblutung im<br />
Bereich des Genitales (Marthol, H, M.J. Hilz, 2004).<br />
Östrogene <strong>und</strong> vor allem Androgene sind für die Sexualität<br />
der Frau von großer Bedeutung. Sie sind entscheidend<br />
insbesondere für die Libido <strong>und</strong> die sexuelle<br />
Erregung. Meist sinkt der Östrogen-Serumspiegel<br />
um das 50. Lebensjahr abrupt, der Testosteronspiegel<br />
nach <strong>und</strong> nach schleichend. Dies bewirkt sowohl direkte<br />
als auch indirekte Veränderungen der Sexualität.<br />
Direkte Veränderungen der Sexualität:<br />
Abnahme der sexuellen Appetenz <strong>und</strong> des sexuellen<br />
Interesses<br />
Verminderung der Durchblutung der Vulva <strong>und</strong><br />
Scheide, dadurch Verminderung der Feuchtigkeit<br />
der Scheide<br />
Indirekte Veränderungen der Sexualität:<br />
Abnahme der körperlichen Attraktivität<br />
(Veränderung von Haut <strong>und</strong> Haaren,<br />
Gewichts zunahme,Veränderung der<br />
Körperproportionen)<br />
Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit<br />
Zunahme körperlicher Beschwerden (klimakterisches<br />
Syndrom: Hitzewellen, Schweißausbrüche,<br />
zusätzlich Gelenkschmerzen, depressive Verstimmung,<br />
Schlafprobleme, Harninkontinenz)<br />
Zunahme von Krankheiten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Risiken, insbesondere KHK<br />
Negative Auswirkungen auf die Paarbeziehung<br />
5.1 Lokale Östrogentherapie<br />
Das Hauptanwendungsgebiet für die lokale Östrogentherapie<br />
ist die trockene Scheide, die zu Schmerzen,<br />
zur Dyspareunie, führen kann. Der peri- <strong>und</strong> postmenopausale<br />
Östrogenmangel führt zu vaginaler Atrophie<br />
<strong>und</strong> bedingt dadurch die Beschwerden. Weit über die<br />
Hälfte aller Frauen im Klimakterium leidet unter dieser<br />
Symptomatik. Zur Anwendung kommt vor allem<br />
Östriol in verschiedenen Dosierungen als Salbe <strong>oder</strong><br />
Scheidenovulum, aber auch Östradiol.<br />
Zur Linderung der Beschwerden der trockenen Scheide<br />
<strong>und</strong> der Dyspareunie reichen Dosierungen von<br />
0,5 bis 1 mg Östriol aus. So führt die Anwendung von<br />
Xapro Creme ® (1 mg Östriol/1 g Creme), zwei- bis<br />
dreimal pro Woche appliziert, zu ausreichender Feuchtigkeit<br />
<strong>und</strong> Lubrikation.<br />
Abbildung<br />
1<br />
Acetat<br />
Cholesterin<br />
Pregnenolon<br />
17α-Hydroxy-<br />
Pregnenolon<br />
Dehydro-<br />
Epiandrosteron<br />
DHEA<br />
Androstendiol<br />
Biosynthese der Steroidhormone<br />
Progesteron<br />
17α-Hydroxy-<br />
Progesteron<br />
Androstendion<br />
Testosteron<br />
5α-Dehydro-<br />
Testosteron<br />
Es handelt sich hierbei um eine überwiegend lokale<br />
Wirkung am Scheidenepithel. Die systemische Wirkung<br />
ist sehr gering, so dass auf eine zusätzliche Anwendung<br />
von Gestagenen verzichtet werden kann.<br />
Östron<br />
Östradiol<br />
46 47
5.2 Systemische Östrogentherapie<br />
Östradiol ist das wichtigste Östrogen während der<br />
fertilen Phase der Frau, also in der Zeit zwischen Pubertät<br />
<strong>und</strong> Menopause. 95% des Östradiols werden in<br />
den Ovarien <strong>und</strong> 5% durch periphere Konversion aus<br />
Androstendion im Fettgewebe gebildet. Östradiol ist<br />
das potenteste Östrogen.<br />
Östron ist das Hauptöstrogen nach der Menopause.<br />
Es wird postmenopausal nur geringfügig weniger gebildet<br />
als prämenopausal. Östron wird durch periphere<br />
Konversion aus Androstendion hauptsächlich im Fettgewebe<br />
gebildet. Wegen seiner geringeren Affinität zum<br />
Östrogenrezeptor hat es eine erheblich geringere östrogene<br />
Wirkung. Die Konversionsrate korreliert direkt<br />
mit dem Körpergewicht. Adipöse Frauen produzieren<br />
fünfmal so viel Östron wie schlanke (Johnson, 2000).<br />
Östrogene haben wohl keine direkten zentralen Wirkungen<br />
auf die sexuelle <strong>Lust</strong>funktion, jedoch üben sie<br />
zahlreiche indirekte Wirkungen auf das sexuelle Erleben<br />
<strong>und</strong> Verhalten aus.<br />
Abbildung<br />
2<br />
Gestagen<br />
NETA/NET<br />
MPA<br />
Dydrogesteron<br />
Medrogeston<br />
Drospirenon<br />
Dienogest<br />
Levonorgestrel<br />
Partialwirkungen der Gestagene<br />
estrogen<br />
(+)<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
–<br />
+<br />
So wirken sie z. B. psychotrop stimmungsaufhellend<br />
auf das Gehirn <strong>und</strong> verbessern die Geruchsfunktion<br />
als sexuellen Stimulus.<br />
Darüber hinaus befördern die Östrogene die Bildung der<br />
Transmitter Serotonin <strong>und</strong> Dopamin <strong>und</strong> nehmen damit<br />
Einfluss auf die <strong>Lust</strong>funktion. Dopamin bewirkt eine Steigerung<br />
der sexuellen Appetenz <strong>und</strong> Erregbarkeit.<br />
Von großer Bedeutung für die Sexualität sind die direkten<br />
peripheren Wirkungen auf die Genitalorgane.<br />
So beeinflussen sie die Reifungsvorgänge des Vulvaepithels,<br />
die Zusammensetzung des Bindegewebes <strong>und</strong><br />
des Fettgewebes der Vulva <strong>und</strong> fördern die Durchblutung<br />
durch Bildung von VIP <strong>und</strong> NO sowie eine Verbesserung<br />
der Elastizität <strong>und</strong> Lubrikation der Vaginalschleimhaut.<br />
In einigen placebokontrollierten Studien mit 0,625 mg<br />
<strong>und</strong> 1,25 mg CEE (Sherwin, 1991) <strong>und</strong> 50 μg transdermal<br />
appliziertem Östradiol (Wikl<strong>und</strong>, 1993; Nathorst-<br />
Boos, 1993) sind positive Effekte auf die Sexualität<br />
androgen<br />
+<br />
(+)<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
+<br />
antimineralokortikoid<br />
antiestrogen<br />
antiandrogen<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
+<br />
+<br />
–<br />
0<br />
Erregbarkeit Orgasmus Befriedigung Besorgnis Ansprechbarkeit<br />
Selbsterleben<br />
Placebo* Transdermales Testosteronpflaster*<br />
* Alle Frauen erhielten begleitend eine Östrogentherapie<br />
Nach Simon, J. A., et al: Journal of Clin Endo & Metab 2005: 90(9): 5226-33<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
+<br />
–<br />
–<br />
nachgewiesen: Verbesserung von körperlicher Attraktivität,<br />
Verbesserung von Sexualtrieb <strong>und</strong> sexuellen<br />
Fantasien, Verbesserung von sexueller Erregung, sexuellem<br />
Erleben <strong>und</strong> sexueller Befriedigung, Beseitigung<br />
von vaginaler Trockenheit <strong>und</strong> damit Verbesserung der<br />
Lubrikation <strong>und</strong> Beseitigung von Dyspareunien.<br />
5.3 Therapie mit Gestagenen<br />
Das natürliche Progesteron wirkt auf den GABA-Rezeptor<br />
<strong>und</strong> damit auf Affektivität <strong>und</strong> Stimmung. Das<br />
natürliche Progesteron wirkt angstlösend <strong>und</strong> entspannend.<br />
In geringen Dosen steigert es die sexuelle<br />
Motivation, in höheren Dosen hemmt es sie jedoch.<br />
Progesteron scheint sich auch über Interaktionen mit<br />
Dopamin positiv auf die Sexualität auszuwirken.<br />
Es hat sich gezeigt, dass synthetische Gestagene,<br />
wie z. B. Levonorgestrel (LNG), sich auf Gr<strong>und</strong> der<br />
androgenen Partialwirkung positiv auf die sexuelle<br />
Appetenz auswirken können. Hier reichen schon<br />
Dosierungen von 0,040 mg LNG in Kombination mit<br />
Östrogenen aus, um eine Verbesserung der Libido<br />
postmenopausal zu erreichen.<br />
Gestagene werden zur Behandlung von Sexualstörungen<br />
nie allein, sondern stets in Kombination mit<br />
Östrogenen eingesetzt.<br />
5.4 Therapie mit Testosteron, transdermal<br />
Testosteron ist nicht nur bei Männern, sondern auch<br />
bei Frauen das Leithormon für die sexuelle Appetenz<br />
<strong>und</strong> Erregung. Indirekte zentrale Wirkung des Testosterons<br />
ist die Steigerung des Wohlbefindens <strong>und</strong> der<br />
Vitalität.<br />
Die wichtigsten Androgene sind Testosteron, Androstendion<br />
<strong>und</strong> DHEA sowie DHEA-S. Die Androgene<br />
der Frau werden sowohl in den Ovarien <strong>und</strong> der<br />
Nebennierenrinde gebildet als auch durch periphere<br />
Konversion im Fett- <strong>und</strong> Muskelgewebe.<br />
Die Auffassung, dass Östrogene allein die Libido der<br />
Frau bewirken, ist überholt. Bereits 1987 beschrieben<br />
Sherwin et al., dass Östrogene nur in Kombination mit<br />
Testosteronenanthat eine deutliche Verbesserung der<br />
sexuellen Appetenz bewirken.<br />
Sarrel et al. stellten 1998 in ihrer Arbeit dar, dass die<br />
Anwendung der Kombination von Östrogen <strong>und</strong> Methyltestosteron<br />
nicht nur zu einem Anstieg des sexuellen<br />
Verlangens <strong>und</strong> zur Steigerung der Häufigkeit sexueller<br />
Begegnungen führte, sondern auch das sexuelle<br />
Empfinden steigerte.<br />
Abbildung<br />
3<br />
Durchschnittliche Veränderung<br />
gegenüber dem Ausgangswert<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Testosteronpflaster 300 μg/Tag bei Frauen<br />
mit Hysterektomie <strong>und</strong> Ovaerektomie bds.<br />
P < 0,0001<br />
Verbesserung aller wichtigen weiblichen Sexualfunktionen (PFSF)<br />
Intimitate SM1<br />
P = 0,0001<br />
P = 0,0006<br />
P = 0,0003<br />
P < 0,0001<br />
P = 0,023<br />
48 49
Dies wird durch weitere Arbeiten <strong>und</strong> Metaanalysen<br />
belegt (Sonboonporn et al., 2005; Davis et al., 1995; Buster<br />
et al., 2005; Alexander, 2006). In diesen wird dargestellt,<br />
dass durch Östrogen-Androgen-Kombinationen nicht<br />
nur die unmittelbaren Parameter sexualphysiologischer<br />
Abläufe, sondern auch allgemeine psychologische<br />
Parameter verbessert werden, wie der PGBW<br />
(Psychological General Wellbeing Index) <strong>und</strong> der PFSF<br />
(Profile of Female Sexual Function): Verbesserung von<br />
Stimmung <strong>und</strong> allgemeinem Wohlbefinden, von Antrieb,<br />
Vitalität <strong>und</strong> Selbstbild. Gleichzeitig kommt es<br />
zur Reduzierung von Sorgen <strong>und</strong> Leid.<br />
Seit einigen Jahren steht ein Testosteronpflaster zur<br />
Behandlung sexueller Appetenzstörungen zur Verfügung.<br />
Es ist zugelassen für Frauen, die nach chirurgisch<br />
bedingter Menopause unter Hypoactive Sexual Desire<br />
Disorder (HSDD) leiden. Die Zulassung beschränkt<br />
sich also zurzeit auf Frauen, die nach bilateraler Oophorektomie<br />
mit Hysterektomie Libidostörungen haben<br />
<strong>und</strong> darunter erheblich leiden. Die Behandlung<br />
muss durch eine zusätzliche Östrogengabe begleitet<br />
werden.<br />
Dieses Pflaster gibt 300 µg Testosteron pro Tag ab. Die<br />
Konzentration an freiem Testosteron im Serum entspricht<br />
genau der Konzentration, die durch beidseitige<br />
Ovarektomie nicht mehr gebildet werden kann.<br />
Es wird am Unterbauch appliziert <strong>und</strong> zweimal pro<br />
Woche gewechselt.<br />
In zwei Studien wurde die Wirksamkeit dieser Therapie<br />
belegt (Simon et al., 2005; Buster et al., 2005). Unter<br />
dieser Behandlung ist es zu einer signifikanten Verbesserung<br />
der sexuellen Appetenz <strong>und</strong> Erregung gekommen<br />
<strong>und</strong> gleichermaßen haben sich die mit dem Libidomangel<br />
vorhandenen Probleme verringert.<br />
Für Frauen mit natürlicher Menopause zwischen dem<br />
40. <strong>und</strong> 70. Lebensjahr wurden in einer Studie von<br />
Shifren et al., 2006, ähnliche Ergebnisse erzielt.<br />
Mit dem Testosteronpflaster konnte aber auch ohne<br />
begleitende Östrogentherapie eine Verbesserung der<br />
Libido postmenopausaler Frauen erreicht werden.<br />
Die Sicherheit der Testosterontherapie bezüglich<br />
ges<strong>und</strong>heitlicher Risiken ist gut. Langzeitergebnisse,<br />
besonders bezüglich des Mammakarzinom-Risikos,<br />
müssen abgewartet werden.<br />
5.5 Therapie mit DHEA<br />
Dehydroepiandrosteron ist ein Prohormon, das in<br />
verschiedene aktive Steroide metabolisiert wird, u.a.<br />
in 5-Androstendiol, Testosteron, Östradiol.<br />
DHEA wird sowohl prä- als auch postmenopausal zu<br />
60% in der Nebennierenrinde gebildet, 30% durch periphere<br />
Konversion im Unterhautfettgewebe <strong>und</strong> 10%<br />
in den Ovarien.<br />
Die Tatsache, dass DHEA <strong>und</strong> sein Sulfat (DHEA-S)<br />
Androgene sind, lässt den Schluss zu, dass sie positive<br />
Wirkungen auf die weibliche Sexualität entfalten. In<br />
einigen Studien ist nachgewiesen, dass eine Steigerung<br />
der sexuellen Appetenz eintritt.<br />
Jedoch hat sich diese libidosteigernde Wirkung in der<br />
Praxis der ärztlichen Sprechst<strong>und</strong>e in der Breite nicht<br />
nachweisen lassen. Es hat sich deshalb bei der Behandlung<br />
von Störungen der sexuellen Appetenz nicht<br />
durchgesetzt.<br />
5.6 Bedeutung von Oxytocin,<br />
Prolaktin <strong>und</strong> Dopamin<br />
Es gibt auch eine Vielzahl von Forschungen (meist<br />
noch im Tierversuch) zu weiteren Hormonen <strong>und</strong> Botenstoffen.<br />
Oxytocin wird beim Orgasmus ausgeschüttet <strong>und</strong><br />
bewirkte im Tierversuch Bindungs- <strong>und</strong> Paarverhalten.<br />
Beim Menschen wird die Höhe des Oxytocinspiegels<br />
mit Orgasmusstärke <strong>und</strong> vaginaler Lubrikation in Zusammenhang<br />
gebracht.<br />
Prolaktin hemmt in hoher Konzentration die sexuellen<br />
Funktionsabläufe. Es steigt nach dem Orgasmus<br />
an <strong>und</strong> übt wohl eine danach eintretende hemmende<br />
Wirkung aus.<br />
Dopamin löst nach eingetretener sexueller Erregung<br />
den Wunsch nach Fortdauer dieser Erregung aus. Aus<br />
der Behandlung von Parkinson-Patienten mit Dopamin-Agonisten<br />
ist bekannt, dass diese die sexuelle Erregung<br />
befördern.<br />
Abbildung<br />
4<br />
Gelenk- <strong>und</strong> Muskelbeschwerden<br />
Schlafstörungen<br />
Hitzewallungen, Schwitzen<br />
Reizbarkeit<br />
Sexualprobleme<br />
Körperl. <strong>und</strong> geistige Erschöpfung<br />
Depressive Verstimmungen<br />
Herzbeschwerden<br />
Ängstlichkeit<br />
Trockenheit der Scheide<br />
Harnwegsbeschwerden<br />
5.7 Therapie mit Östrogen-Gestagen-<br />
Kombinationen<br />
Beschwerden (sehr stark + stark + mittel)<br />
In der frauenärztlichen Routine-Praxis beklagen Frauen<br />
sexuelle Probleme meist nicht isoliert, sondern als ein<br />
Symptom des klimakterischen Syndroms, also im Zusammenhang<br />
mit Hitzewellen, nächtlichen Schweißausbrüchen,<br />
Schlafstörungen, Abnahme der körperlichen<br />
Leistungsfähigkeit, Gelenkschmerzen u.Ä.<br />
Meist handelt es sich dabei um eine Abnahme <strong>oder</strong><br />
einen Verlust der sexuellen Appetenz (Libido), häufig<br />
begleitet von Symptomen wie Scheidentrockenheit<br />
mit mangelnder Lubrikation <strong>und</strong> Dyspareunie. Solche<br />
Beschwerden werden von den Patientinnen nicht selten<br />
ab Mitte des vierten Lebensjahrzehnts geäußert,<br />
häufiger jedoch nach der Menopause. Nicht in jedem<br />
Fall wird der Libidomangel <strong>oder</strong> die Dyspareunie von<br />
weiteren klimakterischen Beschwerden begleitet.<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %<br />
17 %<br />
21 %<br />
20 %<br />
23 %<br />
30 %<br />
29 %<br />
29 %<br />
28 %<br />
42 %<br />
46 %<br />
52 %<br />
50 51
Abbildung<br />
5<br />
Zahl <strong>und</strong> Stärke der Hitzewellen<br />
Abbildung<br />
6<br />
Sexualprobleme in der<br />
klinischen Studie<br />
kann die Wahl eines Gestagens mit einer androgenen<br />
Partialwirkung von Vorteil sein. Im Allgemeinen reicht<br />
Nach 13 Einnahmezyklen waren fast alle Frauen beschwerdefrei.<br />
Lediglich 7% wiesen noch leichte Se-<br />
Mittlere Zahl<br />
m<strong>oder</strong>ater/schwerer Hitzewellen pro Woche<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Nach Notelovitz et al., 2000<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
Placebo<br />
Estradiol, 0,25 mg<br />
Estradiol, 0,5 mg<br />
Estradiol, 1 mg<br />
Estradiol, 2 mg<br />
Wochen<br />
(Veränderung des sexuellen Verlangens, der sexuellen Betätigung <strong>und</strong> Befriedigung)<br />
ja<br />
54 %<br />
nein<br />
46 %<br />
nein<br />
92 %<br />
Zyklus 0 Zyklus 13<br />
(Multizentrische klinische Studie: n = 105)<br />
ja<br />
8 %<br />
1 mg Estradiol als Östrogendosis zum Beseitigen der<br />
Symptome des klimakterischen Syndroms aus. Nur im<br />
Einzelfall wird es nötig sein, eine höhere Dosierung<br />
einzusetzen.<br />
Wie Untersuchungen belegen, beseitigt 1 mg Estradiol<br />
wirkungsvoll die bestehenden Hitzewallungen:<br />
Nach drei Wochen sind 60% der mittelschweren <strong>und</strong><br />
schweren Wallungen beseitigt <strong>und</strong> nach vier Wochen<br />
r<strong>und</strong> 80%.<br />
xualstörungen auf <strong>und</strong> nur bei 1% der Frauen waren<br />
noch mittlere bis starke Probleme vorhanden.<br />
Diese Ergebnisse verdeutlichen im Prinzip das, was<br />
sich in der frauenärztlichen Praxis erwiesen hat.<br />
Klagt eine Patientin über klimakterische Beschwerden<br />
mit Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressiver<br />
Verstimmung <strong>und</strong> sexuellen Problemen, ist nach<br />
gründlicher Erhebung der Anamnese, ausführlicher<br />
Beratung <strong>und</strong> Prüfung von Kontraindikationen eine<br />
Therapie mit Östrogen-Gestagen-Präparaten, wie<br />
Wie die in dem vorliegenden Buch dargestellte reprä-<br />
Bestehen neben dem Mangel an sexueller Appetenz<br />
Besteht also bei einer Patientin auf Gr<strong>und</strong> des kli-<br />
z.B. mit der oben genannten Kombination, angezeigt.<br />
sentative Studie mit Frauen zwischen dem 50. <strong>und</strong> 60.<br />
weitere Symptome wie Hitzewellen, nächtliche Schweiß-<br />
makterischen Syndroms die Indikation für eine Hor-<br />
Die Östrogendosis sollte nach Möglichkeit 1 mg nicht<br />
Lebensjahr zeigt, klagen 29% dieser Frauen über Se-<br />
ausbrüche, Schlafstörungen usw., ist die Therapie mit<br />
monersatztherapie, sollte bei vorhandenem Mangel<br />
übersteigen <strong>und</strong> als Gestagen sollte Levonorgestrel<br />
xualprobleme (insbesondere eine Abnahme des sexu-<br />
Östrogen-Gestagen-Kombinationen sinnvoll.<br />
an sexueller Appetenz ein Kombinationspräparat aus<br />
gewählt werden, weil dieses als Gestagen eine andro-<br />
ellen Verlangens) <strong>und</strong> 20% über Scheidentrockenheit.<br />
einem Östrogen mit einem entsprechenden Gestagen,<br />
gene Partialwirkung besitzt.<br />
Damit rangieren die Sexualprobleme bei den Symp-<br />
In Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparaten verei-<br />
wie z.B. Levonorgestrel, ausgewählt werden. Levonor-<br />
tomen des klimakterischen Syndroms, die als mittel-<br />
nen sich alle Vorteile der Östrogene <strong>und</strong> der Gestage-<br />
gestrel besitzt eine androgene Partialwirkung <strong>und</strong> in<br />
stark bis sehr stark benannt werden, an fünfter Stelle:<br />
ne in einer Medikation. Einerseits ist hierbei die Dosie-<br />
Kombination mit einem Östrogen wirkt sich dies po-<br />
Gelenk- <strong>und</strong> Muskelschmerzen 52%<br />
rung des Östrogens von Bedeutung <strong>und</strong> andererseits<br />
sitiv auf die sexuelle <strong>Lust</strong> aus <strong>und</strong> gleichzeitig wird die<br />
Schlafstörungen 46%<br />
Lubrikation der Scheide verbessert, wie eine klinische<br />
Hitzewallungen, Schwitzen 42%<br />
Reizbarkeit 30%<br />
Sexualprobleme 29%.<br />
Abbildung<br />
7<br />
Stärke der Sexualprobleme<br />
in der klinischen Studie<br />
Studie zeigen konnte. Nachweislich trat eine spürbare<br />
subjektive Verbesserung der sexuellen <strong>Lust</strong>, der sexuellen<br />
Betätigung <strong>und</strong> Befriedigung ein. Zu Beginn der<br />
100 %<br />
Studie klagten 54 % der postmenopausalen Frauen<br />
Diese <strong>und</strong> andere Daten der vorliegenden Studie<br />
unterstreichen, dass die klimakterischen Symptome<br />
Glück, Wohlbefinden sowie Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit<br />
der Frauen stark beeinträchtigen. Sie verdeutlichen,<br />
wie schwerwiegend sexuelle Probleme für<br />
Frauen nach der Menopause sind, <strong>und</strong> unterstreichen<br />
die Bedeutung einer adäquaten sexualmedizinisch ori-<br />
Anteil betroffener Frauen<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
über Sexualprobleme. Nach 13-monatiger Behandlung<br />
mit einer Kombination aus 1 mg Östradiol <strong>und</strong> 0,04<br />
mg Levonorgestrel waren es nur noch 8%.<br />
Insbesondere verringerte sich Zahl der Probandinnen,<br />
die über starke sexuelle Probleme klagten.<br />
entierten frauenärztlichen Beratung.<br />
0 %<br />
0 1 3 7 10 13<br />
Sexualprobleme: mittel bis stark leicht keine<br />
Zyklus<br />
(Multizentrische klinische Studie: n = 105)<br />
Vor der Behandlung bestanden bei einem Drittel der<br />
Frauen leichte Sexualprobleme <strong>und</strong> bei 20 % waren<br />
sogar mittlere bis starke Probleme zu verzeichnen.<br />
52 53
6<br />
Typisierung sexueller Störungen bei<br />
Kasuistiken zu den einzelnen Typen sexueller<br />
befürchtet sie, dass ihr Mann sie deshalb verlassen<br />
schränken ihre Lebensqualität stark ein <strong>und</strong> insbeson-<br />
Frauen in der Peri- <strong>und</strong> Postmenopause<br />
Störung<br />
könnte.<br />
dere auch bei ihrer Arbeit als Verkäuferin fühle sie sich<br />
nach Kriterien der gynäkologischen Praxis<br />
deshalb nicht wohl.<br />
(nach Ahrendt <strong>und</strong> <strong>Friedrich</strong>)<br />
Typ I<br />
Sie hat zwei Kinder geboren, ist ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> nimmt<br />
Ausgeprägte Symptome des klimakterischen Syndroms<br />
keinerlei Medikamente ein.<br />
Sie ist seit 27 Jahren verheiratet <strong>und</strong> hat zwei Kinder<br />
In der gynäkologischen Praxis kann man entsprechend<br />
(u.a. Hitzewellen, Schweißausbrüche) <strong>und</strong> Verlust der<br />
Bei der gynäkologischen Untersuchung fiel eine be-<br />
geboren.<br />
den Beschwerde- <strong>und</strong> Störungsbildern bei Frauen in<br />
sexuellen Appetenz <strong>und</strong> trockene Scheide mit Dyspa-<br />
ginnende atrophische Kolpitis auf bei sonst altersent-<br />
der Peri- <strong>und</strong> Postmenopause folgende Typisierung<br />
reunie, großer Leidensdruck (HSDD)<br />
sprechendem Bef<strong>und</strong>.<br />
Seit etwa vier Jahren nimmt sie Kalziumantagonisten<br />
vornehmen:<br />
wegen einer leichten arteriellen Hypertonie ein <strong>und</strong><br />
Kasuistik: H. P., 51 Jahre<br />
Therapie<br />
ist ansonsten ges<strong>und</strong>.<br />
Typ I<br />
Die Patientin klagt über Hitzewellen, Schweißaus-<br />
1. Hormonersatztherapie mit Östrogen-Gestagen-<br />
Ausgeprägte Symptome des klimakterischen Syn-<br />
brüche, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen<br />
Kombinationspräparat, darin Gestagen mit andro-<br />
Die Beziehung zu ihrem Mann beschreibt sie als har-<br />
droms (u.a. Hitzewellen, Schweißausbrüche) <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit,<br />
gener Partialwirkung: 1 mg Estradiolvalerat plus<br />
monisch. Es gebe viele Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Sexua-<br />
Verlust der sexuellen Appetenz <strong>und</strong> trockene Schei-<br />
seit sie vor sieben Monaten die Pille abgesetzt hat.<br />
0,04 mg Levonorgestrel<br />
lität habe bei beiden von Anfang an keine große Rolle<br />
de mit Dyspareunie, großer Leidensdruck (HSDD)<br />
2. Lokale Östrogentherapie der Scheide <strong>und</strong> Vulva:<br />
gespielt. Sie habe auch nie ein großes Verlangen nach<br />
Auf die Frage, wie es denn um ihre Sexualität stehe,<br />
Vaginalcreme mit 10 µg Estradiol: erste Woche ein-<br />
Geschlechtsverkehr gehabt. Sie genießt es, mit ihrem<br />
Typ II<br />
bricht sie fast in Tränen aus. Vor ein paar Monaten<br />
mal täglich, danach jeden zweiten Tag, später zwei-<br />
Mann Zärtlichkeiten auszutauschen <strong>und</strong> zu kuscheln.<br />
Ausgeprägte Symptome des klimakterischen Syn-<br />
habe es angefangen. Die <strong>Lust</strong> auf Sex habe total nach-<br />
mal pro Woche<br />
Die körperliche Nähe sei ihr sehr wichtig. Dies gebe<br />
droms (u.a. Hitzewellen, Schweißausbrüche), dazu<br />
gelassen. Wenn sie sich trotzdem auf das Liebesspiel<br />
3. Sexualberatung:<br />
ihr Geborgenheit. Auch ihr Mann fühle sich so wohl.<br />
Seborrhö, Akne <strong>und</strong> Haarausfall <strong>und</strong> Verlust der Libi-<br />
einlasse, habe sie starke Schmerzen, da sie sehr tro-<br />
Patientin mit dem Partner, Verbesserung der Kom-<br />
do – jedoch deshalb kein Leidensdruck (kein HSDD)<br />
cken sei. Sie halte das kaum aus. Der Sex müsse oft-<br />
munikation, Ermutigung zur Wiederaufnahme der<br />
Im Gespräch mit der Patientin wird deutlich, dass sie<br />
mals abgebrochen werden. Manchmal habe sie sogar<br />
sexuellen Beziehung<br />
sich lediglich eine Linderung ihrer klimakterischen Be-<br />
Typ III<br />
leicht geblutet.<br />
schwerden wünscht sowie eine Verbesserung der Haut<br />
Leichte Symptome des klimakterischen Syndroms <strong>und</strong><br />
Typ II<br />
<strong>und</strong> des Haarausfalles. Pflanzliche Mittel habe sie bereits<br />
abrupter Verlust der sexuellen Appetenz nach gynäko-<br />
Nach <strong>und</strong> nach habe sie sich von ihrem Mann zurück-<br />
Ausgeprägte Symptome des klimakterischen Syndroms<br />
ausprobiert, aber ohne wesentliche Effekte. Die gynä-<br />
logischer OP, dadurch großer Leidensdruck (HSDD)<br />
gezogen. Sie vermeidet jetzt jegliche körperliche An-<br />
(u.a. Hitzewellen, Schweißausbrüche), dazu Seborrhö,<br />
kologische Untersuchung ergab einen altersentsprech-<br />
näherung aus Angst, dass es ihr wieder weh tun könne.<br />
Akne <strong>und</strong> Haarausfall <strong>und</strong> Verlust der Libido – jedoch<br />
enden, unauffälligen Bef<strong>und</strong>.<br />
Typ IV<br />
Ihr Mann, mit dem sie seit 20 Jahren verheiratet ist, ist<br />
deshalb kein Leidensdruck (kein HSDD)<br />
Keine klimakterischen Beschwerden <strong>und</strong> keine we-<br />
sehr irritiert darüber. In letzter Zeit würden sie sich<br />
Therapie<br />
sentliche Verminderung der Libido – jedoch tro-<br />
auch häufiger wegen Kleinigkeiten streiten. Inzwischen<br />
Kasuistik: K. S., 52 Jahre<br />
1. Hormonersatztherapie mit Östrogen-Gestagen-<br />
ckene Scheide <strong>und</strong> Dyspareunie<br />
ist ein gewisses Schweigen in der Beziehung eingetre-<br />
Die Patientin kommt zur Krebsvorsorgeuntersuchung<br />
Kombinationspräparat, darin Gestagen mit anti-<br />
ten. Es wird darüber nicht geredet.<br />
in die Praxis <strong>und</strong> klagt über häufige Hitzewallungen,<br />
androgener Partialwirkung: 1 mg Estradiolvalerat<br />
depressive Episoden, starken Leistungsabfall, Müdigkeit<br />
plus 2 mg Dienogest<br />
Vorher hatten sie regelmäßig <strong>und</strong> für beide befriedi-<br />
<strong>und</strong> Schlafstörungen, die gleichzeitig mit dem Ausblei-<br />
2. Gynäkologische Beratung<br />
genden Sex. Die Patientin leidet sehr unter diesem<br />
ben ihrer Regel vor fünf Monaten einsetzten. Seitdem<br />
Zustand, insbesondere auch, weil ihr Sex stets viel<br />
habe sie auch auffallend unreine <strong>und</strong> fettige Haut <strong>und</strong><br />
Spaß gemacht habe <strong>und</strong> ihr viel bedeute. Außerdem<br />
ihre Haare würden ausfallen. Diese Beschwerden<br />
54 55
Typ III<br />
Leichte Symptome des klimakterischen Syndroms –<br />
großer Leidensdruck wegen abrupten Verlustes der sexuellen<br />
Appetenz nach gynäkologischer OP (HSDD)<br />
Kasuistik: S. B., 54 Jahre<br />
Die Patientin sucht gezielt die gynäkologische Sprechst<strong>und</strong>e<br />
auf wegen des abrupten Verlustes ihrer sexuellen<br />
<strong>Lust</strong> nach einer gynäkologischen Operation vor<br />
neun Monaten.<br />
Wegen unklarer zystischer Ovarialtumoren, die sich<br />
histologisch dann als benigne erwiesen, wurde eine<br />
abdominale Hysterektomie mit beidseitiger Ovarektomie<br />
durchgeführt.<br />
Die Patientin habe schon bald Veränderungen die Libido<br />
betreffend verspürt. Sexualität habe schon immer<br />
in ihrem Leben eine große Rolle gespielt <strong>und</strong> sie beklagt<br />
nun nachhaltig den Verlust der sexuellen Appetenz<br />
<strong>und</strong> des sexuellen Empfindens. Ihr fehlen jegliche<br />
sexuellen Fantasien <strong>und</strong> sie sei nur schwer erregbar.<br />
Außerdem ist die Scheide trocken <strong>und</strong> sehr empfindlich.<br />
Zusätzlich habe sie jetzt auch immer wieder Hitzewellen<br />
<strong>und</strong> nächtliche Schweißausbrüche.<br />
Sie ist in zweiter Ehe mit einem neun Jahre jüngeren<br />
Partner verheiratet, der jetzt ebenfalls sehr unter dieser<br />
Situation leidet.<br />
Der postoperative gynäkologische Untersuchungsbef<strong>und</strong><br />
ist unauffällig.<br />
Therapie<br />
1. Testosteronpflaster: Applikation zweimal pro Woche<br />
entsprechend Vorschrift<br />
2. 1 mg Estradiol, oral:<br />
täglich eine halbe 2-mg-Estradiol-Tablette<br />
3. Sexualberatung:<br />
Patientin allein, gegebenenfalls mit Partner<br />
Typ IV<br />
Keine klimakterischen Beschwerden <strong>und</strong> keine wesentliche<br />
Verminderung der Libido – jedoch trockene<br />
Scheide <strong>und</strong> Dyspareunie<br />
Kasuistik: H. G., 58 Jahre<br />
Die attraktive, selbstbewusste Patientin kommt zur<br />
jährlichen Routineuntersuchung <strong>und</strong> erzählt von häufigen<br />
Schmerzen beim Sex mit ihrem Partner wegen<br />
der zu trockenen Scheide. Das führt dazu, dass sie sich<br />
beim Geschlechtsverkehr nicht mehr so fallen lassen<br />
kann, nicht mehr so heftig erregt wird <strong>und</strong> seltener<br />
zum Orgasmus kommt. Die <strong>Lust</strong> auf Sex sei unverändert<br />
gut <strong>und</strong> sie würde die körperliche Nähe ihres<br />
Partners sehr genießen <strong>und</strong> sich von ihm sehr angenommen<br />
fühlen.<br />
Sie lebt mit diesem Partner seit zehn Jahren zusammen.<br />
Ihre Beziehung sei sehr harmonisch <strong>und</strong> der Sex<br />
sehr erfüllend <strong>und</strong> aufbauend. Sie möchte keine diesbezüglichen<br />
Einschränkungen <strong>und</strong> leidet sehr darunter,<br />
dass wegen der trockenen Scheide der Sex nicht mehr<br />
so ungestört ist wie früher.<br />
Sie habe schon verschiedene Gleitgele probiert, die<br />
aber die Beschwerden nicht vollends beseitigt hätten.<br />
Die Patientin hat drei Kinder geboren. Sie ist sehr<br />
sportlich <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>.<br />
Die gynäkologische Untersuchung ergab bis auf einen<br />
leicht geröteten Introitus vaginae einen unauffälligen<br />
Bef<strong>und</strong>.<br />
Therapie<br />
1. Lokale Östrogentherapie der Scheide <strong>und</strong> Vulva:<br />
Vaginalcreme mit 1 mg Östriol: erste Woche einmal<br />
täglich, danach jeden zweiten Tag, später zweimal pro<br />
Woche<br />
2. Lokale Zusatzbehandlung der Scheide <strong>und</strong> Vulva:<br />
bei Bedarf zusätzlich: hyaluronsäurehaltige Cremes<br />
<strong>oder</strong> Gels, zweimal pro Woche in Ergänzung zur<br />
lokalen Östrogentherapie<br />
3. Gynäkologische <strong>und</strong> Sexualberatung der Patientin<br />
56 57
Anhang<br />
Patienten-Kurzfragebogen „B-PFSF“<br />
Fragebogen für das vertiefende Gespräch bei Sexualproblemen im Klimakterium<br />
nie selten manchmal häufig sehr häufig immer Name der Patientin:<br />
1. Ich hatte <strong>Lust</strong> auf Sex<br />
Datum:<br />
2. Ich war unglücklich<br />
über mein geringes<br />
sexuelles Interesse<br />
Ist Ihnen ein erfülltes Sexualleben wichtig?<br />
ja<br />
nein<br />
3. Es dauerte ewig,<br />
bis ich erregt war<br />
Hat sich Ihre <strong>Lust</strong> auf Sexualität verändert?<br />
4. Ich habe beim Sex<br />
nichts empf<strong>und</strong>en<br />
Haben Sie verglichen mit früher seltener<br />
Geschlechtsverkehr?<br />
5. Mir fehlte es an<br />
sexuellem Verlangen<br />
6. Ich war enttäuscht,<br />
über mein geringes<br />
sexuelles Interesse<br />
Kommt es beim Geschlechtsverkehr zu Schmerzen?<br />
Haben Sie mehr beruflichen <strong>oder</strong><br />
persönlichen Stress als früher?<br />
Ist Ihr Sexualleben an stressfreien Tagen –<br />
z.B. im Urlaub – zufriedenstellender?<br />
7. Ich habe leicht einen<br />
Orgasmus bekommen<br />
Sind Sie mit Ihrer Partnerschaft zufrieden?
Literatur<br />
Alexander, Dennerstein, Burger & Graziotti, Women’s Health 2006<br />
Basson R, Leiblum S. Brotto L, Derogatis L, Fourcroy J. Fugl-Meyer K, Graziottin A.<br />
Heimann JR, Laan E., Meston C, van Schover LLJ, Schultz WW. Revised definitions of<br />
women’s sexual dysfunction. J Sex Med 2004;1:40-8<br />
Beier, K. M., Bosinski, H., Loewitt, K.: Sexualmedizin; Urban & Fischer, 2005, 188–230<br />
Hartmann, U., Wuttig, D.: Wenn das sexuelle Verlangen vermindert <strong>oder</strong> verloren<br />
gegangen ist; gyne 12/2008, 336–340<br />
Johnson M, Everitt B. „Essential Reproduction“, Blackwell Scientific Publications, 2000<br />
Kuhl, H., Wiegratz, I.: Klimakterium, Postmenopause <strong>und</strong> Hormonsubstitution; 4. Auflage,<br />
UNI-MED Verlag, 2008<br />
Beier, K. M., Bosinski, H., Loewitt, K.: Struktur der sexualmedizinischen Weiterbildung;<br />
Sexuologie, Band 15, Nr. 1–2 2008, 16–57<br />
Marthol, H., Hilz, J.: Female Sexual Dysfunction: A Systematic Overview of Classification,<br />
Pathophysiology, Diagnosis and Treatment Fortschr. Neurol. Psychiatr. 2004; 72, 121–135<br />
Bitzer, J.: Die sexuelle Dysfunktion der Frau – Ursachen <strong>und</strong> aktuelle Therapieoptionen;<br />
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