GRUNDSCHULE Fremdsprachen - (LTSC) Karlsruhe ...
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sprochen wird. (Dies wäre zugleich eine Vorbereitung für das in<br />
der Schule bislang vernachlässigte Üben des Präsentierens von<br />
Vorschlägen, Gedanken.)<br />
(b) Bereich Sprachproduktion<br />
In Bezug zur Sprachproduktion müssen auch hier Stichworte<br />
genügen: Fremdsprachliche Leistungsbeurteilung wird authentisch,<br />
wo eine „Authentifizierung“ (Rusch) der Sprache geschieht,<br />
d.h. wo sich der Sprecher/Hörer in einer sprachlich bestimmten<br />
Situation bewähren muss.<br />
Echte Aufgaben dieser Art gibt es wenige. Sie ergäben sich auf<br />
einer Klassenfahrt im Ausland (eine Bedingung der Leistungsbeurteilung,<br />
die leider aus praktischen Gründen im Allgemeinen<br />
undurchführbar ist). Weiter zu nennen wären Simulationen,<br />
nicht zuletzt Dolmetsch-Aufgaben. Dies wären integrative und<br />
zugleich interaktive Aufgaben.<br />
Eine Möglichkeit im Schnittbereich von Leseverstehen, Wortschatz<br />
und Schreiben wäre die Rekonstruktion defekter Texte, wie<br />
es etwa Cloze- oder C-Tests (Klein-Braley und Grotjahn 1998) verlangen.<br />
Zu erproben wäre allerdings, ob ihre Aussagekraft nicht<br />
dadurch noch gesteigert werden könnte, dass bei einem als inhaltlich<br />
richtig ergänzten Wort, das aber doch noch einen Schreibfehler<br />
aufweist, wenigstens ein halber Punkt gegeben werden<br />
könnte. (Wie gerade bei den Computer-Begeisterten beobachtet<br />
werden kann, ist ja das Dranbleiben so entscheidend, damit Verbesserungen<br />
(und schließlich Sicherheit) auch im orthografischen<br />
Bereich erreicht werden. Die unerbittlichen Korrekturprogramme<br />
erzwingen in ihrer Sturheit ein genaues und ständiges<br />
Hinsehen. Dem Computer nimmt der Schüler übrigens das unerbittliche<br />
Anzeigen eines orthografischen Fehlers nicht übel.)<br />
Angeboten werden sollte ein praktikables Set von Aufgaben,<br />
die den Prüflingen vorgelegt würden, wobei man dann aus der<br />
Anzahl der erfüllten Aufgaben ersehen könnte, auf welchen<br />
Stand sich der Lerner im Augenblick gerade befindet. Die Kriterien<br />
Objektivität und Reliabilität, die in der Epoche der mechanisch-positivistischen<br />
Sprachauffassung mit ihren psychometrisch-strukturalistischen<br />
Tests dominierten, müssen wieder zurückgenommen<br />
werden zu Gunsten des Kriteriums der Validität,<br />
auch wenn hierbei Subjektivität ins Spiel kommt; Subjektivität jedoch<br />
ist das spezifisch Menschliche, ist unabweislich präsent, wo<br />
es um Sinn und Bedeutung geht, schließlich lassen sich Sinn und<br />
Bedeutung nicht objektiv messen.<br />
5. Zusammenfassung: Grundsätzlicher Perspektivenwechsel<br />
gefordert<br />
Leistung im Sprachlichen entsteht nicht dadurch, dass alle<br />
sprachlichen „Fehler“ vermieden werden. Leistungsbeurteilung<br />
im Sprachlichen bedeutet nicht, dass eine große sprachliche Leistung<br />
dort als erreicht konstatiert wird, wo keine Fehler gefunden<br />
werden. Sprachliche Leistung findet sich da, wo in einer Situation<br />
angemessenes sprachliches Verhalten gezeigt wird. Dort mögen<br />
bei einem Nicht-Muttersprachler durchaus „Fehler“ vorkommen,<br />
aber Verständlichkeit, Einfühlungsvermögen, Gewandtheit, Stilempfinden<br />
u.a. mögen auch Qualitäten darstellen, die andere<br />
„Fehler“ wieder kompensieren.<br />
Denn wenn 1. Lernen wegen seines nichtlinearen Charakters<br />
der Selbstorganisation nicht genau bestimmbar, wohl aber beeinflussbar<br />
ist, und wenn 2. Fehler Indizien für den im Augenblick er-<br />
<strong>Fremdsprachen</strong> in der Grundschule<br />
32<br />
reichten Lernstand sind und wenn 3. das Unterrichtsziel nicht die<br />
Performanz eines Muttersprachlers sein kann, so muss all dies zu<br />
einem Überdenken der schulischen Leistungsbeurteilung im<br />
<strong>Fremdsprachen</strong>unterricht herausfordern.<br />
Es wird deswegen eine neue Sicht auf die Messlatte vorgeschlagen.<br />
Vergewissern wir uns nochmals der Basis der Sprachlehrarbeit:<br />
1. „Sprache ist ... sowohl der wichtigste Inhalt als auch das wichtigste<br />
Instrument der Sozialisation“ (Berger & Luckmann 1969:<br />
144).<br />
2. <strong>Fremdsprachen</strong>lehren ist Bemühen um eine sekundäre Sozialisation<br />
in einem anderen Kulturkreis.<br />
3. Gültig zu sein scheint die Aussage des Familientherapeuten<br />
und Systemtheoretiker Fritz B. Simon: „Wer eine Muttersprache<br />
gelernt hat, ist immun gegen das Lernen einer Fremdsprache.“<br />
Das heißt nichts anderes, als dass sich jeder <strong>Fremdsprachen</strong>lerner<br />
in den Schoß seiner muttersprachlichen Gemeinschaft zurückziehen<br />
kann, indem er die fremdsprachliche Kultur emotional<br />
ablehnt und als unwert einstuft, womit sein Versagen im <strong>Fremdsprachen</strong>lernen<br />
gerechtfertigt, ja seine persönliche oder nationale<br />
Pflicht ist. (Man möge hier doch Studien etwa in England<br />
machen.)<br />
Wir brauchen – wie bei jeder gelingenden Sozialisation – eine<br />
Positivliste. Das Messen an der Negativliste, das Aufzählen der<br />
Fehler im <strong>Fremdsprachen</strong>unterricht ist kontraproduktiv. Wir<br />
brauchen im schulischen <strong>Fremdsprachen</strong>unterricht, genau wie<br />
im Erstspracherwerb und im Zweitspracherwerb, die Erfahrung<br />
des Erfolgs für den Lerner 7 . Erfolg hat aber bei den Lernern zur<br />
Voraussetzung nicht nur die Erfahrung mit positiven Vorbildern,<br />
sondern auch Bereitwilligkeit, Mut, Engagement, ja Risikobereitschaft.<br />
Vorschlag Nr. 1 lautet somit: Es ist die o.a. Umkehrung der Messlatte<br />
notwendig: Das Positive muss registriert werden, nicht allein<br />
das, was von einer (vom Lehrer gesetzten) Idealnorm abweicht.<br />
(Dieses Denken stammt aus der Zeit, als man im<br />
Lateinunterricht gemessen hat daran, wie sich jeweils Cicero ausgedrückt<br />
hätte, was der Lateinlehrer ja wusste.) Konsequenz:<br />
(a) Im Anfangsunterricht wird nur die Verstehensleistung<br />
bewertet!<br />
Alle Spracherwerbsforschung hat sich mit dem Problem herumzuschlagen,<br />
dass – genau wie jeder Mensch an seiner Sprache<br />
(Aussprache wie Diktion, Stil) erkennbar ist – es auch in der Entwicklung<br />
eine große Variationsbreite gibt. Dies bezieht sich nicht<br />
so sehr auf die Stufen, als vielmehr auf die für das Erreichen der<br />
verschiedenen Stufen benötigte Zeit.<br />
Der <strong>Fremdsprachen</strong>unterricht sollte das absurde Unterfangen<br />
aufgeben, Menschen, die das Laufen lernen wollen, im Gleichschritt<br />
das Marschieren zu lehren. Man möge stattdessen nur Verstehensleistungen<br />
messen. Schriftliche Leistungen sollen in den<br />
ersten zwei Jahren bzw. in der Grundschule (vgl. Kap. 11) tabu sein.<br />
(b) Im Bereich der Sprachproduktion habe man den Mut zum<br />
Portfolio<br />
Konsequenz für das Denken in Positivlisten ist das vom Europarat<br />
vorgeschlagene und langsam eingeführte Portfolio (Christ<br />
1998, Nieweler 1998, Piepho 1999) die Sammlung von schriftlichen<br />
eigenen Leistungen des Lerners.