iMDC03 zum Download (pdf)
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Im Fokus<br />
Roswitha Lose beim Training<br />
Es ist warm und etwas unruhig in der Rembrandt Hall,<br />
einer Sporthalle auf dem Campus der University of<br />
Pretoria, Südafrika. Nervosität liegt in der Luft. Roswitha<br />
Lose (54) nimmt <strong>zum</strong> ersten Mal an einer Weltmeisterschaft<br />
im Bogenschießen teil. Im Gepäck hat sie ihren neuen<br />
Langbogen. Der ist aus Bambus mit einem Griffstück aus<br />
Olivenholz und misst 1,66 Meter. Die dazugehörigen Pfeile<br />
sind auch aus Holz. Alle 261 Sportler aus 15 Nationen, die<br />
an dieser Weltmeisterschaft teilnehmen, müssen nach der<br />
Registrierung zuerst ihren Bogen und ihre mit einem Logo<br />
und Nummern gekennzeichneten Pfeile den Kampfrichtern<br />
vorführen. Und die Pfeilspitzen dürfen nicht zu groß oder<br />
zu dick sein.<br />
Suchend schaut sie sich in der Halle nach den fünf anderen<br />
Vereinsmitgliedern des TSV Lindenberg um. Plötzlich ein<br />
Pfiff. Genau zwanzig Sekunden hat sie jetzt Zeit, sich als eine<br />
von sechzig Sportlerinnen aus aller Welt an einer Linie zu<br />
positionieren. Langsam wird es ganz still. Sie schaut auf ihre<br />
Zielscheibe, spannt den Langbogen, richtet den Pfeil aus,<br />
konzentriert sich, korrigiert noch einmal, erneute Konzentration<br />
und dann: Schuss. Geräuschlos fliegt ihr Pfeil 18 Meter<br />
durch die Luft. Als er die Zielscheibe erreicht, gibt es ein klatschendes<br />
Geräusch. Den Bogenschützen bleiben vier Minuten<br />
Zeit, um fünf Pfeile abzuschießen. Dann ertönt wieder ein<br />
Pfiff. Die Schützen treten nach hinten und das Ganze wiederholt<br />
sich mit der nächsten Gruppe von sechzig Sportlern. Drei<br />
Durchgänge absolviert sie so am ersten Tag.<br />
Jede der dreißig Zielvorrichtungen hat vier Zielscheiben,<br />
jeder Bogenschütze genau fünfzig Zentimeter Platz an der<br />
Startlinie. Es ist eng. Immer zwei nebeneinanderstehende<br />
Schützen schießen auf eine Zielvorrichtung. Allerdings, jeder<br />
auf seine Zielscheibe. Dahinter stehen zwei weitere Schützen,<br />
die danach an die Startlinie vortreten und die darunter<br />
liegenden Zielscheiben anvisieren. Dann laufen die Schützen<br />
zu viert zu ihren Zielscheiben und notieren gegenseitig ihre<br />
Treffer. Drei Tage hintereinander ist Roswitha Lose dabei. Von<br />
Durchgang zu Durchgang wird sie ruhiger und gelassener,<br />
vertraut auf ihre Treffsicherheit, die sie jede Woche im TSV<br />
Lindenberg trainiert. In einem Kopf-an-Kopf-Rennen kämpft<br />
sie sich mit ihren insgesamt 50 Pfeilen in zehn Durchgängen<br />
vom dritten auf den zweiten Platz in ihrer Altersklasse. „Ich<br />
konnte es erst gar nicht fassen“, erinnert sie sich. „Erst nach<br />
und nach kam es bei mir an. Ich werde eine Silbermedaille mit<br />
nach Hause bringen.“<br />
Zu der archaischen Schießsportart kam Roswitha Lose aus<br />
der Forschungsgruppe von Dr. Iduna Fichtner eher zufällig.<br />
Vor etwa zwanzig Jahren entdeckte sie auf einer Informationsveranstaltung<br />
einen Verein für Bogenschießen, meldete<br />
sich an und trainiert seitdem zweimal pro Woche, im Winter in<br />
der Halle und im Sommer im Freien. Ihre Motivation ist, immer<br />
besser zu werden und ihre eigenen Rekorde zu knacken. „Wir<br />
nehmen regelmäßig an regionalen Wettbewerben teil, um uns<br />
für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren“, sagt sie.<br />
Es gibt nicht viele Frauen, die diesen Langbogen ohne jegliche<br />
Hilfsmittel schießen. Ein Leben ohne Bogenschießen ist für<br />
sie kaum mehr vorstellbar und so lange sie den Bogen halten<br />
kann, wird sie diesem Sport nachgehen. Wer sie sieht, glaubt<br />
ihr das sofort. Im letzten Jahr wurde sie nicht nur Vizeweltmeisterin<br />
im Bogenschießen, sondern auch Sportlerin des<br />
Jahres im Brandenburger Landkreis Barnim 2011.<br />
Was man braucht, um ein guter Bogenschütze zu sein, fasst<br />
sie mit wenigen Worten zusammen: Talent, Ruhe und die Fähigkeit,<br />
kurzzeitig hoch konzentriert zu sein. Ihr Leitspruch:<br />
In der Ruhe liegt die Kraft! Das nutzt ihr auch in ihrem<br />
Beruf. Seit 1974 arbeitet die gelernte Biologielaborantin als<br />
Versuchstierpflegerin auf dem Bucher Campus. „Ich bin in<br />
Buch aufgewachsen und schon als Kind sehr gern zusammen<br />
mit meiner Stiefmutter, die auch schon Tierpflegerin war, am<br />
Wochenende auf den Forschungscampus gegangen“, erinnert<br />
sie sich. „Mir hat diese Arbeit gefallen.“ Auch die Tochter von<br />
Roswitha Lose hat nun in dritter Generation diesen Beruf<br />
gewählt.<br />
86 imdc03 2012