Wotans wilde Jagd durch dunkle Winterwälder

Wotans wilde Jagd durch dunkle Winterwälder Wotans wilde Jagd durch dunkle Winterwälder

03.11.2013 Aufrufe

Die Mystik der Raunächte Wotans wilde Jagd durch dunkle Winterwälder Zahlreiche schaurige Legenden ranken sich um die so genannten Raunächte, die Nächte um Weihnachten und Neujahr herum. Dass diese Zeit einen engen Bezug zur Jagd hat, ist vielen aber nicht bekannt: So soll in diesen Nächten der germanische Göttervater und Jagdgott Wotan mit seinen Wölfen und seinem Geisterzug durch die verschneiten Wälder unserer Heimat gejagt sein. Franz Zwingmann erzählt aus der Sagenwelt. Franz Zwingmann ist Kulturexperte und Landesbeauftragter der Jungen Jäger Bayern. Zwischen der Wintersonnwende und Heilig Drei König liegen zwölf so genannte Raunächte. Sie sind gerade für naturverbundene Menschen wie uns Jäger sehr eindrucksvol- le und von Mystik geprägte Zeiten. Die Stille und die lange Dunkelheit in den verschneiten Wäldern unserer Heimat waren in früheren Zeiten die Wurzel germanisch-keltischer Mythologie und Nährboden für unheimliche Fantasien: Wotan beziehungsweise Wodan, auch Odin genannt, der höchste Gott der Germanen, ihr allmächtiger „Walvater“ aus dem Göttergeschlecht der Asen, soll in den Raunächten mit seinem wilden Heer durch die Lüfte gezogen sein. Wotan war bekannt als Sturmgott, aber auch als Jagd- und Kriegsgott. Durch die frostklirrenden, raureifverhangenen dunklen Winternächte soll einst der Lärm dieses „Weltenjägers“ und seiner finsteren Schar gedröhnt haben. Nach dem germanischen Glauben wurde der Geisterzug neben den unglücklich zu früh verstorbenen Männern, Frauen und Kindern manchmal von Wotans Sohn Thor, dem Donnergott, begleitet. Mit von der Partie war auch immer Wotans Frau Fricka, die dabei zur wilden Wolkenjägerin Berchta wurde und schauerliche Gestalt annahm. In den Raunächten soll es demnach vom Himmel herab geblitzt und gedonnert haben, dass sich die Menschen ängstlich in ihren Hütten und Höfen verkrochen. In beinahe allen germanischen Regionen Europas glaubten die Menschen an Wotans wilde Jagd. Treu bewacht wurde Wotan stets von seinen beiden Wölfen Geri und Freki, die ihn auch auf seinen wilden Jagden begleiteten. Nach der heidnischen Vorstellung gab es 13 Götterbezirke, darunter zum Beispiel auch einen für Ullr, den Gott der Bogenschützen, im Eibental Ydalir. Wotans Wilde Jagd wurde unter anderem von dem Norweger Peter Nicolai Arbo (1831 – 1892) gemalt. 30 12/2010

Die Mystik der Raunächte<br />

<strong>Wotans</strong> <strong>wilde</strong> <strong>Jagd</strong> <strong>durch</strong> <strong>dunkle</strong> <strong>Winterwälder</strong><br />

Zahlreiche schaurige Legenden ranken sich um die so genannten Raunächte, die Nächte<br />

um Weihnachten und Neujahr herum. Dass diese Zeit einen engen Bezug zur <strong>Jagd</strong> hat,<br />

ist vielen aber nicht bekannt: So soll in diesen Nächten der germanische Göttervater und<br />

<strong>Jagd</strong>gott Wotan mit seinen Wölfen und seinem Geisterzug <strong>durch</strong> die verschneiten Wälder<br />

unserer Heimat gejagt sein. Franz Zwingmann erzählt aus der Sagenwelt.<br />

Franz Zwingmann ist Kulturexperte<br />

und Landesbeauftragter der Jungen<br />

Jäger Bayern.<br />

Zwischen der Wintersonnwende<br />

und Heilig<br />

Drei König liegen<br />

zwölf so genannte Raunächte.<br />

Sie sind gerade für naturverbundene<br />

Menschen wie<br />

uns Jäger sehr eindrucksvol-<br />

le und von Mystik geprägte<br />

Zeiten. Die Stille und die<br />

lange Dunkelheit in den verschneiten<br />

Wäldern unserer<br />

Heimat waren in früheren<br />

Zeiten die Wurzel germanisch-keltischer<br />

Mythologie<br />

und Nährboden für unheimliche<br />

Fantasien: Wotan beziehungsweise<br />

Wodan, auch<br />

Odin genannt, der höchste<br />

Gott der Germanen, ihr allmächtiger<br />

„Walvater“ aus<br />

dem Göttergeschlecht der<br />

Asen, soll in den Raunächten<br />

mit seinem <strong>wilde</strong>n Heer<br />

<strong>durch</strong> die Lüfte gezogen<br />

sein. Wotan war bekannt<br />

als Sturmgott, aber auch als<br />

<strong>Jagd</strong>- und Kriegsgott. Durch<br />

die frostklirrenden, raureifverhangenen<br />

<strong>dunkle</strong>n<br />

Winternächte soll einst der<br />

Lärm dieses „Weltenjägers“<br />

und seiner finsteren Schar<br />

gedröhnt haben. Nach dem<br />

germanischen Glauben wurde<br />

der Geisterzug neben den<br />

unglücklich zu früh verstorbenen<br />

Männern, Frauen und<br />

Kindern manchmal von <strong>Wotans</strong><br />

Sohn Thor, dem Donnergott,<br />

begleitet. Mit von der<br />

Partie war auch immer <strong>Wotans</strong><br />

Frau Fricka, die dabei<br />

zur <strong>wilde</strong>n Wolkenjägerin<br />

Berchta wurde und schauerliche<br />

Gestalt annahm. In den<br />

Raunächten soll es demnach<br />

vom Himmel herab geblitzt<br />

und gedonnert haben, dass<br />

sich die Menschen ängstlich<br />

in ihren Hütten und Höfen<br />

verkrochen.<br />

In beinahe allen germanischen<br />

Regionen Europas<br />

glaubten die Menschen an<br />

<strong>Wotans</strong> <strong>wilde</strong> <strong>Jagd</strong>.<br />

Treu bewacht wurde Wotan stets<br />

von seinen beiden Wölfen Geri und<br />

Freki, die ihn auch auf seinen <strong>wilde</strong>n<br />

<strong>Jagd</strong>en begleiteten.<br />

Nach der heidnischen Vorstellung<br />

gab es 13 Götterbezirke,<br />

darunter zum Beispiel<br />

auch einen für Ullr, den<br />

Gott der Bogenschützen, im<br />

Eibental Ydalir.<br />

<strong>Wotans</strong> Wilde <strong>Jagd</strong> wurde unter anderem von dem Norweger Peter Nicolai Arbo (1831 – 1892) gemalt.<br />

30 12/2010


Gottvater Wotan thronte<br />

nach dem Glauben der Germanen<br />

in Walhall, der so<br />

genannten Himmelsburg<br />

der gefallenen Helden, die<br />

von den Riesen im Auftrag<br />

der Götter erbaut worden<br />

sein soll. Sie stand in <strong>Wotans</strong><br />

geliebter Freudenwelt<br />

Gladsheim. Dort residierte<br />

er, wenn er sich nicht an<br />

seinem Wohnsitz Walaskjalf<br />

aufhielt, wo er von seinem<br />

Thron Hildskjalf aus die<br />

weite Welt überblicken<br />

konnte, oder als Kriegs- und<br />

<strong>Jagd</strong>gott mit einem <strong>wilde</strong>n<br />

Heereszug unterwegs war.<br />

Walhall soll 540 Tore gehabt<br />

haben. Jeder dieser Eingänge<br />

soll so breit gewesen sein,<br />

dass nebeneinander 800 gefallene<br />

Krieger gleichzeitig<br />

hin<strong>durch</strong>schreiten konnten,<br />

um in der Ehrenhalle der<br />

Helden Platz zu nehmen.<br />

Der Allgott Wotan ritt auf<br />

seinem wuchtigen achtbeinigen<br />

Rappen Sleipnier, dem<br />

kein anderes Pferd gewachsen<br />

war. Zur Raunachtzeit<br />

soll er dem gespenstischen<br />

Wildeber Gullinborsti nachgejagt<br />

sein, der dem Sonnengott<br />

Freyr geweiht war<br />

und goldene Borsten gehabt<br />

haben soll; denn die<br />

Wintersonnenwende war<br />

gekommen, das Ende der<br />

schrecklichen immerwährenden<br />

Dunkelheit. Wotan<br />

trieb die Sonne, die sich so<br />

lange hinterm Horizont verborgen<br />

hielt, zurück an den<br />

Himmel. Mächtig schwang<br />

der Raugott seinen Speer<br />

Gugnir, der nie sein Ziel<br />

verfehlte und stets in seine<br />

Hand zurückkehrte wie der<br />

Hammer seines Sohnes, des<br />

Donnergottes Thor – zwei<br />

Wunderwaffen, von denen<br />

die Menschheit seit Urzeiten<br />

träumten.<br />

Der <strong>wilde</strong>n <strong>Jagd</strong> voraus sollen<br />

<strong>Wotans</strong> Raben Hugin und<br />

Munin geflogen sein, die dem<br />

Allvater und Weltjäger von<br />

allen Enden der Erde und<br />

des Himmels die neuesten<br />

Nachrichten brachten. Sie<br />

setzten sich auf seine Schultern,<br />

einer rechts und einer<br />

links, um ihrem Herrn das<br />

Erlauschte einzuflüstern.<br />

Das Hauptziel dieses „Spionagesystems“<br />

des Obergottes<br />

war es, die Menschheit<br />

stets in Feindschaft und<br />

Kriegslaune zu halten. Denn<br />

je mehr Kriege und damit<br />

Gefallene anfielen, umso<br />

größer war der Jubelchor<br />

der Tapferen zu Füßen ihres<br />

obersten Kriegsherren.<br />

Nur wer auf den Schlachtfeldern<br />

der Germanen fiel,<br />

konnte von <strong>Wotans</strong> Schankmädchen,<br />

den Walküren,<br />

aufgesammelt werden und<br />

erfolgreich nach Walhall<br />

einziehen.<br />

Treu bewachten die beiden<br />

Wölfe Geri und Freki ihren<br />

Herrn. War er in Walhall<br />

und nicht auf der <strong>Jagd</strong>, mussten<br />

die beiden alle Speisen<br />

vorkosten, die man Wotan<br />

vorsetzte, denn die Angst<br />

vor vergifteten Speisen war<br />

beim Göttervater groß.<br />

Zur <strong>wilde</strong>n <strong>Jagd</strong> liefen<br />

auch die Wölfe mit. Alrunen,<br />

mythologische Hexen,<br />

flogen und flatterten<br />

ums schauerliche Heer. Sie<br />

konnten die Zukunft deuten<br />

und Wetter machen<br />

– meist schlechtes. An<br />

den so genannten Wodanseichen<br />

ließ der Heidengott<br />

oft Schätze zurück, die einer<br />

seiner Wölfe bewachte. Die<br />

göttlichen <strong>Jagd</strong>begleiter hatten<br />

der Sage nach ein graues<br />

Fell, das wie Eisen schimmerte,<br />

und tellergroße feurige<br />

Augen. Wer den verwegenen<br />

Mut aufbrachte, um<br />

Mitternacht in den Wald an<br />

den alten Thingplatz, den<br />

Versammlungsort der Germanen,<br />

zu gehen und den<br />

Götterwolf dreimal vom<br />

Behang bis zum Schweif zu<br />

streicheln, dem sollte der<br />

Schatz des Wotan gezeigt<br />

werden. Dies soll keinem jemals<br />

gelungen sein.<br />

In den Raunächten legte<br />

Wotan, so glaubten die Germanen,<br />

seine Wölfe auch an<br />

den germanischen Heiligtümern<br />

ab. Diese als Irminsul<br />

bezeichneten altargleichen<br />

Säulen symbolisierten die<br />

Weltesche Yggdrasil.<br />

Damit die Wölfe nicht weiterliefen,<br />

soll ihnen ihr göttlicher<br />

Herr einen schweren<br />

Eichenknüppel um den Hals<br />

gehängt haben. Aus der Luft<br />

aber rief, wenn der Wintersturm<br />

am ärgsten braust,<br />

Wotan laut und deutlich:<br />

“Wilte met, wilte met?“<br />

Seine Wölfe antworteten<br />

ihm mit Gebell, erhoben<br />

sich in die Luft und eilten<br />

hinterher – und weiter ging<br />

es mit der <strong>wilde</strong>n <strong>Jagd</strong>.<br />

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