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Beurteilungsraster - Institut für öffentliches Recht

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Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Falllösung FS 2013<br />

„Waffenstillstand“<br />

<strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Name: ......................................................................................................<br />

Matrikelnummer: .....................................................................................<br />

……………..Punkte (von total 60 P)<br />

NOTE:…................<br />

Hinweise<br />

- Kopierte oder nicht selbständig erarbeitete Falllösungen werden mit der Note 1 bewertet.<br />

- Bei mehreren (praktisch) identischen Falllösungen werden die Studierenden zu einem Gespräch eingeladen. Im Falle eines Reglementsverstosses wird die<br />

Arbeit mit der Note 1 bewertet.<br />

- Jede Falllösung hat die Selbständigkeitserklärung nach Art. 44 RSP RW zu enthalten. Fehlt diese, ist der Verfasserin/dem Verfasser eine Nachfrist von 5<br />

Tagen einzuräumen, um die Falllösung mit Selbständigkeitserklärung einzureichen. Inhaltliche Veränderungen dürfen während dieser Nachfrist nicht vorgenommen<br />

werden.<br />

- Vom <strong>Beurteilungsraster</strong> abweichende Antworten sind – soweit sie gut begründet wurden – ebenfalls zu bepunkten.<br />

- Es dürfen über die im Raster ersichtliche Maximalpunktzahl der Aufgabe hinaus Bonuspunkte vergeben werden.<br />

1


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Formales Anforderungen Punkte Vorkorrektur Def. Korrektur<br />

Sprache und Stil<br />

- Stilsichere juristische Formulierung<br />

- Verständlichkeit der Argumentation<br />

- Orthografie<br />

2<br />

1<br />

1<br />

Präsentation<br />

- Vollständigkeit: Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Literaturverzeichnis, Selbständigkeitserklärung<br />

(unterzeichnet), Nachweis Workshop<br />

- Umfang: max. 15 Seiten ohne Deckblatt, Inhaltsverzeichnis und Literaturverzeichnis<br />

- Übersichtlichkeit: Sinnvolle und nachvollziehbare Gliederung, Überschriften, Formatierung<br />

Juristisches Handwerk<br />

- Korrekte Zitierweise gemäss Merkblatt schriftliche Falllösungen<br />

- Ausführlichkeit der Recherche, angemessene Materialauswahl<br />

- Korrekte Verwendung der juristischen Terminologie<br />

Argumentation<br />

- Stringente, nachvollziehbare Argumentation<br />

- Begründungsdichte / vielschichtige Argumentation<br />

- Logik<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

Total Formales …von 15 P<br />

2


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Frage 1 Beschwerdeinstanz (1 Seite) Punkte<br />

Das bisherige Verfahren spielte sich vor Polizei- und Verwaltungsinstanzen des Kantons Bern ab.<br />

Es kommt daher Prozessrecht des Kantons Bern zur Anwendung.<br />

Vorkorrektur<br />

Def. Korrektur<br />

I. Wahl des <strong>Recht</strong>smittels<br />

- Formelles Anfechtungsobjekt ist der Entscheid der Polizei- und Militärdirektion vom 26. Februar<br />

2013 (Verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren nach Art. 60 ff., Art. 62 VRPG).<br />

- Die POM ist eine verwaltungsinterne Behörde und als solche erste und vorletzte kantonale<br />

Beschwerdeinstanz. Der kantonale Instanzenzug ist noch nicht ausgeschöpft. Der Weiterzug<br />

an eine verwaltungsexterne Behörde ist zu prüfen.<br />

- Das Verwaltungsgericht ist verwaltungsunabhängige (i.e. verwaltungsexterne) Justizbehörde<br />

(Art. 74 ff. VRPG). Sie hat grundsätzlich als letzte (und zweite) kantonale Beschwerdeinstanz<br />

Zuständigkeit bei Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheide, die sich auf <strong>öffentliches</strong><br />

<strong>Recht</strong> abstützen (Art. 74 Abs. 1 VRPG).<br />

- Die POM wäre bloss dann selbst letzte kantonale Instanz, wenn das Gesetz es so vorschriebe<br />

(Art. 62 Abs. 2; Art. 76 Abs. 2 VRPG). Eine gesetzliche Ausnahme ist vorliegend nicht gegeben.<br />

Auch im Übrigen greifen keine Ausnahmen (Art. 75-77) von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts<br />

<strong>für</strong> Beschwerden gegen Entscheide der POM.<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

II. Ergebnis<br />

Rudolf kann seine Beschwerde gegen den Entscheid der POM an das Verwaltungsgericht richten.<br />

1<br />

Total Frage 1 ...von 5 P<br />

3


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Frage 2 Definitive Einziehung der Waffen (5 Seiten) Punkte<br />

Vorkorrektur<br />

Def. Korrektur<br />

I. Vorüberlegungen<br />

1. Fragestellung<br />

- Rudolf wehrt sich gegen die definitive Einziehung seiner Waffen. In der Sache ist in erster<br />

Linie zu prüfen, ob die definitive Einziehung der drei Waffen waffenrechtlich zulässig war.<br />

- Dabei ist wie bei jeder Staatsmassnahme zu prüfen, ob sie verhältnismässig ist.<br />

- Weil Rudolf auch in seinem Eigentum betroffen ist, stellt sich – neben der Frage nach der richtigen<br />

Anwendung der Waffengesetzgebung – auch die Frage nach einer allfälligen Verletzung<br />

der Eigentumsgarantie. (Entscheidend ist dies allerdings erst unter Frage 3).<br />

2. Kategorisierung der Waffen<br />

Das Waffengesetz kennt unterschiedliche Waffentypen, welche unterschiedlich strengen Bestimmungen<br />

unterliegen. Es ist zu bestimmen, welcher Kategorie Rudolfs Waffen angehören:<br />

- Die Glock 17C ist eine moderne halbautomatische Feuerwaffe (Art. 4 Abs. 1 lit. a WG). Ihr<br />

Erwerb setzt eine Waffenerwerbsschein voraus (Art. 8 ff. WG).<br />

- Das Balisong-Messer ist ein Schmetterlingsmesser. Es fällt in die Kategorie verbotener (i.e.<br />

ausnahmebewilligungspflichtiger) Waffen (Art. 5 Abs. 1 lit.c i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit.c WG).<br />

- Der alte Revolver wurde gemäss Sachverhalt vor 1870 hergestellt und fällt damit in die Spezialkategorie<br />

antiker Feuerwaffen (Art. 2 Abs. 2 WG).<br />

Es bietet sich an, die <strong>Recht</strong>mässigkeit der Einziehung <strong>für</strong> alle Waffen je einzeln zu prüfen, da unterschiedliche<br />

Bestimmungen gelten.<br />

II. Einziehung der Glock 17C<br />

4


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

1. Kriterien der definitiven Einziehung<br />

Vergleich der definitiven Einziehung mit der Beschlagnahme:<br />

- Die definitive Einziehung (Art. 31 Abs. 3 WG) ist von der Beschlagnahme (Art. 31 Abs. 1<br />

WG) insofern zu unterscheiden, als dass sie in ihrer Wirkung endgültig und dauerhaft ist, während<br />

die Beschlagnahme präventiv (bzw. provisorisch) wirkt.<br />

- Im Übrigen sind die beiden Massnahmen in ihrem Zweck (Verhinderung des Waffenmissbrauchs<br />

bzw. Schutz der Öffentlichkeit) und ihren Wirkungen gleich gelagert.<br />

½<br />

½<br />

Voraussetzungen der definitiven Einziehung:<br />

- Vom Wortlaut her ist unklar, ob die Kriterien der definitiven Einziehung gleich zu behandeln<br />

sind wie jene der Beschlagnahme. Waffen werden definitiv eingezogen, wenn „ die Gefahr<br />

missbräuchlicher Verwendung besteht, insbesondere weil mit solchen Gegenständen Personen<br />

bedroht oder verletzt wurden“ (Art. 31 Abs. 3 lit.a). Das Kriterium der „Gefahr missbräuchlicher<br />

Verwendung“ umschreibt die Voraussetzung der Einziehung in allgemeiner Form<br />

(i.S. einer Generalklausel) und ist weit zu verstehen.<br />

- Demgegenüber verweist das Waffengesetz <strong>für</strong> die Voraussetzungen der Beschlagnahme zurück<br />

auf die konkreter umschriebenen Hinderungsgründe, welche auch dem Erhalt eines Waffenerwerbsscheins<br />

im Wege stehen (Art. 31 Abs. 1 lit.b WG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit.a - d WG).<br />

- Die Voraussetzungen einer definitiven Einziehung müssen zumindest so strikt wie jene <strong>für</strong><br />

die Beschlagnahme sein. Gegenteiliges wäre sinnwidrig, da jeder definitiven Einziehung eine<br />

Beschlagnahme vorausgeht.<br />

- Strenger sind die Voraussetzungen der definitiven Einziehung mit Rücksicht auf die Wirkungsdauer<br />

der Massnahme. (vgl. BGE 135 I 209 E.3.2.1; BGer 2C_469/2010 E.3.6; BGer<br />

2A.546/2004 vom 4.2.2005, E.3.2.2). Die Dauerhaftigkeit der Einziehung muss dadurch gerechtfertigt<br />

sein, dass nicht lediglich gegenwärtig, sondern auch nach einer gewissen Wahrscheinlichkeit<br />

in Zukunft eine Gefahr vom Waffenbesitzer ausginge.<br />

½<br />

½<br />

½<br />

½<br />

5


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Abgeleitete Prüfkriterien:<br />

- Waffen sind definitiv einzuziehen, wenn eine Gefahr missbräuchlicher Verwendung besteht.<br />

Voraussetzung ist zunächst, dass ein zulässiger Beschlagnahmegrund bestand; zum Beispiel<br />

weil Hinderungsgründe entsprechend Art. 8. Abs. 2 WG vorlagen (etwa wenn Anlass zur Annahme<br />

bestand, dass die betroffene Person mit der Waffe Dritte oder sich selbst gefährde). Die<br />

Hinderungsgründe sind konkrete Beispiele einer Gefahr missbräuchlicher Verwendung.<br />

- Zusätzlich setzt die definitive Einziehung die Prognose voraus, dass die Gefahr einer missbräuchlichen<br />

Verwendung der Waffe auch in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit<br />

weiterhin gegeben ist. (vgl. BGer 2C_93/2007 vom 2. September 2007, E.6.1; BGer<br />

2A_546/2004 vom 4. Februar 2005, E.3.2.2 ff.)<br />

½<br />

½<br />

Korrekturhinweis: Hier werden die Kriterien der Beschlagnahme in jene <strong>für</strong> die Einziehung integriert.<br />

Es ist allerdings auch korrekt, zuerst systematisch die <strong>Recht</strong>mässigkeit der Beschlagnahme<br />

zu prüfen und anschliessend auf die Gefahr missbräuchlicher Verwendung und das prognostische<br />

Element einzugehen.<br />

2. Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Glock 17C<br />

Im Falle Rudolfs ist die Gefahr missbräuchlicher Verwendung im Sinne eines Risikos der Selbstoder<br />

Fremdgefährdung (Art. 31 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. c WG) zu prüfen.<br />

½<br />

Der Anlass zur Annahme einer Fremdgefährdung mit der Glock 17C ist mithilfe folgender Elemente<br />

zu begründen:<br />

- Psychische Labilität des Betroffenen und dessen Unberechenbarkeit, woraus sich ein erhöhtes<br />

Risiko vor allem der Fremdgefährdung ergeben. Gemäss Gutachten wechseln sich gute und<br />

schlechte Phasen ab – je nach Lebensumstand. Die letzte instabile Phase ist noch nicht lange<br />

her (Okt. - Dez. 2011). Weil nach der gegenwärtigen noch viel zu kurzen straffreien Phase<br />

½<br />

6


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich Rudolfs Verhalten stabilisiert hat, muss mit<br />

erneuten Tiefs inkl. aggressivem Verhalten gerechnet werden. Dies umso mehr, als auch nicht<br />

davon ausgegangen werden kann, dass Rudolf in Zukunft von schwierigen Lebensumständen<br />

verschont bliebe, welche naturgemäss unerwartet eintreten könnten.<br />

- Vergangenes straffälliges Verhalten. Rudolf wurde wiederholt strafffällig und beging eine<br />

beachtliche Anzahl Delikte. Zur jetzigen Zeit muss mit Rückfällen gerechnet werden. (Sein<br />

vergangenes straffälliges Verhalten ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen,<br />

obwohl die Taten wie vorliegend nicht mehr im Strafregister eingetragen sind und daher kein<br />

Hinderungsgrund gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. d WG vorliegt.<br />

- Sorgfaltspflichtverletzung (Art. 26 WG): Die Gefährlichkeit der Aufbewahrungsform erregt<br />

starke Bedenken und stellt vorliegend eine gravierende Sorgfaltspflichtverletzung dar, insbesondere<br />

angesichts der Tatsache, dass Rudolf zu dem Zeitpunkt zusammen mit dem achtjährigen<br />

Sohn wohnte.<br />

- (Mord-)Drohungen: Gewichtig ist, dass Rudolf in seiner letzten schlechten Phase Alfred mit<br />

dem Tod drohte. Auch das lässt den Besitz einer Schusswaffe sehr bedenklich erscheinen.<br />

½<br />

½<br />

½<br />

Aus obigen Gründen bestand offensichtlich Anlass zur Annahme einer Fremdgefährdung (Art. 31<br />

Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. c WG) und damit auch eine gegenwärtige Gefahr missbräuchlicher<br />

Verwendung (Art. 31 Abs. 3 lit.a). Es bleibt zu prüfen, ob dies auch zu einer negativen<br />

Prognose führt, aufgrund welcher sich die definitive Einziehung rechtfertigt.<br />

Der Hinderungsgrund des Risikos der Fremdgefährdung dürfte auch in absehbarer Zukunft noch<br />

vorliegen und damit auch die Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Glock 17C, weil:<br />

1<br />

- Zu kurze Zeit seit der letzten straffälligen Phase verstrichen ist, als dass eine positive Prognose<br />

ausgestellt werden könnte.<br />

- Rudolf seine psychische Instabilität nicht überwunden hat: Die frühere Feststellung des Arztes,<br />

Rudolf erziele anlässlich einer Psychotherapie erste erfreuliche Resultate, erscheint aufgrund<br />

der erneuten straffälligen Phase (Oktober - Dezember 2011) überholt. Auch <strong>für</strong> die Zukunft<br />

muss davon ausgegangen werden, dass Rudolfs psychische Instabilität es ihm erschwert, sein<br />

7


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

eigenes Verhalten zu steuern.<br />

- Hinsichtlich der Sorgfaltspflichtverletzung (Aufbewahrung der Glock 17C) bestehen gemäss<br />

Vorinstanz keinerlei Anzeichen, dass Rudolf Einsicht zeige. Damit könnte auch in Zukunft<br />

keine sorgfältige Aufbewahrungsweise erwartet werden.<br />

Korrekturhinweis:<br />

Nachfolgende Argumente gegen Annahme einer Fremdgefährdung können ebenfalls gewürdigt<br />

werden. Dies kann zu Bonuspunkten führen. Im Resultat muss aber von einer zulässigen Beschlagnahme<br />

/ Einziehung ausgegangen werden.<br />

- Waffe wurde bislang nicht deliktisch verwendet: Insb. keine Drohung direkt mittels der<br />

Glock 17C ausgeführt, wodurch ein typischer Einziehungsgrund nicht gegeben ist.<br />

- Keine Straftaten besonders gewalttätiger Natur.<br />

(½)<br />

(½)<br />

Entscheide:<br />

- BGE 135 I 209 (allgemein betr. Einziehung und insb. betreffend Entschädigungspflicht wegweisend)<br />

- BGer 2C_469/2010 (Einziehung einer Waffe, insb. aufgrund des psychisch-labilen Zustands<br />

des Betroffenen sowie vergangenen Rauschmittelkonsums)<br />

- BGer 6B_204/2012 (definitive Einziehung eines verbotenen Wurfmessers)<br />

- BGer 2C_93/2007 vom 2. September 2007 (Die kantonale Autorität geniesst grosses Ermessen,<br />

soweit es um die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit beim Gebrauch von Waffen geht.<br />

Sie kann dabei auch strengere Massstäbe ansetzen als <strong>für</strong> eine solche Prognose in strafrechtlichem<br />

Zusammenhang erstellt würden. E.6.1)<br />

- BGer 2A_546/2004 vom 4. Februar 2005 (Abstellen auf Verhalten und psychischem Zustand<br />

der betroffenen Person, E. 3.1; zur Beurteilung der zukünftigen Gefahr i.S.v. prognostischen<br />

Element, E.3.2.2)<br />

- BGer, 1A.596/2003, 17. Dezember 2003 (Hinderungsgrund der Selbst- und Fremdgefährdung<br />

im Zusammenhang mit der Abweisung des Waffenerwerbsgesuchs; gegenüber einem Ehepaar,<br />

8


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

welches sich dauerhaft in Streitigkeiten mit der gesamten Nachbarschaft verwickelt sah und im<br />

Verhalten der Nachbarschaft eine eigentliche Verschwörung erblickte, E.2.2)<br />

- BGer 2A.358/2000 vom 30. März 2001 (Verschiedene persönliche Gründe führen zur Annahme<br />

einer Missbrauchsgefahr; inkl. psychischer Instabilität und Verstössen gegen das Waffengesetz).<br />

3. Verhältnismässigkeit<br />

- Da von einer Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Pistole auszugehen ist, ist weiter<br />

zu prüfen, ob die definitive Einziehung verhältnismässig ist (vgl. Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 28<br />

Abs. 3 KV). Wie jede staatliche Massnahme muss auch die waffenrechtliche Einziehung dem<br />

Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen (vgl. BGE 135 I 209 E. 3.3).<br />

- Ziel des Waffengesetzes ist die Bekämpfung der missbräuchlichen Verwendung von Waffen<br />

(vgl. Art. 1 Abs. 1 WG) und damit der Schutz der Öffentlichkeit. Die definitive Einziehung der<br />

Waffe ist vorliegend geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Es ist zudem kein milderes Mittel ersichtlich,<br />

welches die Rückgabe der Waffe erlaubte und dabei dennoch den wirksamen Schutz<br />

der Öffentlichkeit garantierte. Die definitive Einziehung erscheint auch grundsätzlich zumutbar:<br />

Schliesslich überwiegen die Interessen der öffentlichen Sicherheit gegenüber jenen Rudolfs<br />

an einer Rückgabe der Glock 17C.<br />

½<br />

½<br />

4. Zwischenergebnis<br />

Die definitive Einziehung der Glock 17C ist verhältnismässig und damit auch rechtmässig.<br />

½<br />

III. Einziehung des Balisong-Messers<br />

1. Verbotene Waffe<br />

- Das Balisong-Messer ist als Schmetterlingsmesser eine verbotene Waffe. Verboten ist ausdrücklich:<br />

Übertragung, Erwerb, Vermitteln an Empfänger im Inland, Verbringen in das<br />

½<br />

9


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

schweizerische Staatsgebiet. (Art. 5 Abs. 1 lit.c i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit.c WG; Art. 10 Abs. 1<br />

lit.c WV). Das Verbot gilt grundsätzlich, Ausnahmen bedürfen einer kantonalen Ausnahmebewilligung.<br />

Es ist davon auszugehen, dass Rudolf keine Ausnahmebewilligung <strong>für</strong> Erwerb<br />

bzw. Verbringen ins schweizerische Staatsgebiet besass.<br />

2. Voraussetzungen der Einziehung<br />

- Die definitive Einziehung von Waffen setzt dieselben Kriterien voraus wie die ihr vorgelagerte<br />

Beschlagnahme einer Waffe, weswegen in erster Linie zu prüfen ist, ob die Beschlagnahme<br />

zulässig war. (vgl. oben betr. Glock-Einziehung).<br />

- Gemäss Art. 31 Abs. 1 lit.b WG sind Waffen dann zu beschlagnahmen, wenn ein Hinderungsgrund<br />

gemäss Art. 8 Abs. 2 WG vorliegt oder wenn die betroffene Person zu deren Erwerb o-<br />

der Besitz nicht berechtigt ist (die Kriterien gelten alternativ; vgl. BGer 2C_158/2011, E.3.6)<br />

½<br />

½<br />

3. Unrechtmässiger Erwerb (Lösungsweg 1)<br />

- Gemäss Art. 31 Abs. 1 lit.b WG werden Waffen aus dem Besitz einer Person beschlagnahmt,<br />

zu deren Erwerb diese Personen nicht berechtigt ist.<br />

- Gemeint ist damit die allgemeine Berechtigung zum Erwerb bestimmter Waffen und nicht die<br />

Berechtigung im spezifischen Einzelfall. (Ob Rudolf die Waffe auf den Philippinen legal erwerben<br />

durfte, spielt keine Rolle).<br />

Rudolf ist zum Erwerb eines Schmetterlingsmessers nicht berechtigt. (Beschlagnahmegrund gem.<br />

Art. 31 Abs. 1 lit.b, Einziehung gestützt auf Art. 31 Abs. 3 lit.a WG.)<br />

½<br />

½<br />

½<br />

4. Unrechtmässiger Besitz (Lösungsweg 2)<br />

- Das Besitzverbot entspringt dem Erwerbsverbot: Zum Besitz der Waffe ist berechtigt, wer die<br />

Waffe rechtmässig erworben hat (Art. 12 WG).<br />

- Art. 12 WG ist so zu verstehen, dass Waffen, deren Erwerb gemäss Art. 5 in der Schweiz ver-<br />

(½)<br />

(½)<br />

10


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

boten ist, auch im Falle eines Kaufes im Ausland als nicht rechtmässig erworben gelten. (Ausserdem<br />

war das Verbringen der Waffe in die Schweiz verboten; auch daraus lässt sich die fehlende<br />

Berechtigung zum Besitz ableiten).<br />

Rudolf ist zum Besitz des Schmetterlingsmessers nicht berechtigt (Beschlagnahmegrund gem. Art.<br />

31 Abs. 1 lit.b, Einziehung gestützt auf Art. 31 Abs. 3 lit.a WG).<br />

(½)<br />

Korrekturhinweis:<br />

Wer erneut mit der Annahme einer Fremd- oder Selbstgefährdung gem. Art. 31 Abs. 1 lit.b<br />

i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit.c argumentiert, erhält nur dann die volle Punktzahl, wenn:<br />

- begründet wird, weswegen nicht die obigen Tatbestände (unrechtmässiger Besitz, unrechtmässiger<br />

Erwerb) geprüft werden;<br />

- begründet wird, inwiefern auch beim (technisch im Vergleich zur Glock 17C harmloseren)<br />

Balisong-Messer Grund zur Annahme einer Fremdgefährdung bestehen soll.<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Die definitive Einziehung des Balisong-Messers ist rechtmässig.<br />

½<br />

IV. Einziehung des alten Revolvers<br />

1. Eingeschränkter Geltungsbereich<br />

Der Revolver wurde im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) hergestellt. Dieser fand vor<br />

1870 statt. Damit ist der Revolver eine antike Waffe gemäss Art. 2. Abs. 2 WG. Das Waffengesetz<br />

sieht ein Ausnahmeregime <strong>für</strong> antike Waffen vor (Art. 2 Abs. 2): Sie unterstehen nur Art. 27 und<br />

28 WG (Tragen und Transport von Waffen) sowie den damit verbundenen Strafbestimmungen<br />

(Kapitel 8, Art. 33 ff. WG) des Gesetzes.<br />

½<br />

11


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

2. Fehlende Grundlage <strong>für</strong> die Beschlagnahme / definitive Einziehung der Waffe<br />

- Art. 27 und Art. 28 regeln bloss das Tragen und Transportieren von Waffen, womit Rudolfs<br />

ausgestellter Revolver nicht betroffen ist.<br />

- Die waffenrechtliche Beschlagnahme und definitive Einziehung hingegen wird in Art. 31 WG<br />

geregelt. Art. 31 WG ist aufgrund von Art. 2 Abs. 2 WG nicht anwendbar. Die Beschlagnahme<br />

und die definitive Einziehung gem. Art. 31 sind keine Strafbestimmungen, sondern polizeiliche<br />

Massnahmen ohne Strafcharakter.<br />

½<br />

½<br />

3. Zwischenergebnis<br />

Es fehlt eine gesetzliche Grundlage, aufgrund welcher der alte Revolver beschlagnahmt bzw. definitiv<br />

eingezogen werden dürfte. Damit verstösst die definitive Einziehung des Revolvers gegen<br />

Bundesrecht.<br />

½<br />

V. Ergebnis<br />

Die definitive Einziehung der Glock 17C sowie des Balisong-Messers ist rechtmässig. Hingegen<br />

verstösst die Einziehung des alten Revolvers gegen die Bestimmungen des Waffengesetzes.<br />

½<br />

Total Frage 2 … von 15 P<br />

12


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Frage 3 Entschädigungslose Einziehung der Waffen (4 Seiten) Punkte Vorkorrektur<br />

Def. Korrektur<br />

I. Vorüberlegungen<br />

- Das Waffengesetz äussert sich nicht zur Entschädigungsfrage.<br />

- Art. 31 Abs. 3 WG bildet die gesetzliche Grundlage <strong>für</strong> den mit der definitiven Einziehung<br />

verbundenen Eingriff in die Eigentumsrechte (Art. 26 Abs. 1 BV; Art. 24 Abs. 1 KV).<br />

- Art. 31 Abs. 5 WG delegiert dem Bundesrat die Kompetenz, das weitere Verfahren <strong>für</strong> Fälle<br />

zu regeln, wo die Rückgabe (der Waffen) nicht möglich ist.<br />

- Die vom Bundesrat gestützt hierauf erlassene Bestimmung regelt das „Verfahren nach einer<br />

Beschlagnahme ohne Rückgabemöglichkeit“ (Art. 54 WV). Art. 54 Abs. 1 WV bestimmt,<br />

dass die zuständige Behörde frei über die beschlagnahmten Waffen verfügen kann. Diese<br />

Freiheit stösst allerdings an die Grenze des Art. 54 Abs. 3 WV, wonach die Behörde die eigentumsberechtigte<br />

Person entschädigen muss, wenn der Gegenstand nicht zurückerstattet<br />

werden kann.<br />

½<br />

½<br />

½<br />

II. Entschädigungspflicht <strong>für</strong> die Glock 17C<br />

Es wird zuerst am Beispiel der Glock 17C geprüft, ob und inwieweit eine Entschädigungspflicht<br />

besteht.<br />

1. Auslegung des Art. 54 Abs. 3 WV<br />

Es fragt sich, ob Art. 54 WV Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> die definitive Einziehung von Waffen<br />

gewährleistet.<br />

- Wortlaut: Art. 54 WV spricht ausschliesslich von „Beschlagnahme“, nicht aber von definitiver<br />

Einziehung. Gemeint sind jedoch auch definitive Einziehungen; das wird insbesondere im<br />

Rahmen einer teleologischen und historischen Auslegung klar:<br />

½<br />

13


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

- Teleologische Erwägung: Die definitive Einziehung ist eine Form der Beschlagnahme ohne<br />

Rückgabemöglichkeit. Hier einen Unterschied zu ziehen wäre zweckwidrig und liesse sich bei<br />

heutigem Wortlaut des Art. 54 WV kaum mehr vertreten. (Auch das Bundesgericht stellt klar,<br />

dass Art. 54 WV auf Fälle der definitiven Einziehung anwendbar ist; siehe BGE 135 I 109).<br />

- Bonus (Historische Auslegung): Art. 54 der Waffenverordnung sieht keine Ungleichbehandlung<br />

mehr zwischen einer Beschlagnahme ohne Rückgabemöglichkeit und einer definitiven<br />

Einziehung vor. Dies wird aus einem Vergleich des Art. 54 WV mit dessen früherer Fassung<br />

(insb. vor der Änderung vom 4. Juni 2010; AS 2010 2827, 2830) oder mit Art. 34 der alten<br />

Waffenverordnung (AS 1998 2549, 2559) deutlich.<br />

½<br />

(½)<br />

Daraus folgt: Art. 54 Abs. 3 WV sieht auch <strong>für</strong> den Fall definitiv eingezogener Waffen grundsätzlich<br />

eine Entschädigungspflicht gegenüber der eigentumsberechtigten Person vor.<br />

½<br />

2. Verhältnismässigkeit des Eingriffs in die Eigentumsgarantie<br />

- Auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebietet obige Auslegung der Waffenverordnung,<br />

verlangt er doch, dass „die in das Eigentum eingreifende Massnahme geeignet ist, das<br />

angestrebte Ergebnis herbeizuführen, und dass dieses nicht durch eine mildere Massnahme erreicht<br />

werden kann. Er verbietet alle Einschränkungen, die über das angestrebte Ziel hinausgehen,<br />

...“. (BGE 135 I 209, E.3.3.1)<br />

- Bei eingezogenen Waffen kann aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip und dem Gebot der<br />

Erforderlichkeit die Pflicht zur Verwertung der Waffe unter Entschädigungsfolge fliessen.<br />

(BGE 135 I 209, E. 3.3.1, vgl. BGE 106 Ib 336 ff.)<br />

- Der unentgeltlich hinzunehmende Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) darf nicht<br />

weiter gehen, als zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks erforderlich ist (vgl. BGE 135 I 209,<br />

E. 3.3.1). Die waffenrechtliche Einziehung (Art. 31 WG Abs. 3) dient Präventions- und<br />

Schutzzwecken und hat keinen darüber hinausgehenden Strafcharakter.<br />

- Der Eingriff in die Eigentumsrechte durch Waffeneinziehung ist unverhältnismässig, wenn er<br />

über das zur Erfüllung des Präventions- und Schutzzwecks Erforderliche hinausgeht.<br />

½<br />

½<br />

½<br />

½<br />

14


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

3. Verwertbarkeit der Waffe<br />

Unproblematisch ist hier das Kriterium der Verwertbarkeit der Waffe, welches Art. 54 WV entspringt.<br />

Die Glock 17C ist verwertbar; die Behörden selbst haben die Verwertung angeordnet.<br />

½<br />

4. Subsumtion<br />

Vorliegend ist die entschädigungslose Einziehung der (verwertbaren) Glock 17C rechtswidrig<br />

aufgrund des Verstosses gegen Art. 54 Abs. 3 WV und zudem unverhältnismässig, da die unterlassene<br />

Zusprechung einer Entschädigung ein milderes Mittel darstellen würde.<br />

½<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Rudolf hat Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> die Einziehung der Glock 17C.<br />

½<br />

III. Entschädigungspflicht <strong>für</strong> Balisong-Messer<br />

1. Entschädigung infolge Einziehung einer verbotenen Waffe<br />

- Ob auch bei der Einziehung verbotener Waffen eine Entschädigungspflicht besteht, ist Art.<br />

54 WV allein nicht zu entnehmen.<br />

- Die Überlegungen betreffend die Verhältnismässigkeit eines Eingriffs in die Eigentumsgarantie<br />

gelten allerdings auch <strong>für</strong> verbotene Waffen. Grundsätzlich scheint ein Anspruch auf Entschädigung<br />

auch bei verbotenen Waffen geboten (vgl. BGE 135 I 209, S.218f.).<br />

½<br />

½<br />

2. Verwertbarkeit der Waffe<br />

- Im Zentrum steht hier letztlich nicht die Frage, ob grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung<br />

besteht, sondern vielmehr ob das Balisong-Messer eine verwertbare Waffe ist. (BGE<br />

½<br />

15


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

135 I 209 S. 219) Die Verwertbarkeit einer Waffe (bei der Glock problemlos gegeben) ist Voraussetzung<br />

eines Anspruchs auf Entschädigung. Verwertbarkeit bedeutet: bei der Waffe handelt<br />

es sich um ein<br />

(1) rechtmässig erwerb- und besitzbare Gut;<br />

(2) von einem gewissen Marktwert.<br />

- Ersteres ist zumindest denkbar: Wenn es Individuen gibt, welche über eine kantonale Ausnahmebewilligung<br />

zum Besitz solcher Messer verfügen, gibt es auch einen legalen Markt, auf<br />

welchem die Waffe veräussert werden könnte.<br />

- Hingegen ist fraglich, ob das Erzielen eines relevanten Nettoerlöses möglich ist. Es ist eher<br />

davon auszugehen, dass der Wert der Waffe zu gering ist, als dass durch Veräusserung ein relevanter<br />

Erlös erzielt werden könnte, den die Behörde dem Rudolf zurückerstatten müsste.<br />

½<br />

½<br />

- Bonus: Für Begründung, wonach es dem Betroffenen obliege, berechtigte Personen zu finden<br />

und Rudolf daher selbst aktiv werden müsse.<br />

(½)<br />

3. Zwischenergebnis<br />

Grundsätzlich steht Rudolf auch <strong>für</strong> die Einziehung des Messers eine Entschädigung zu. Weil es<br />

jedoch an der Verwertbarkeit der Waffe fehlt, muss ihm eine solche nicht zugesprochen werden.<br />

½<br />

Korrekturhinweise: Ebenfalls die volle Punktzahl kriegt, wer zwar erkennt, dass es einen legalen<br />

Markt auch <strong>für</strong> verbotene Waffen gibt, jedoch den Standpunkt vertritt, dass dieser Markt <strong>für</strong> die<br />

Verwertbarkeit des Messers zu klein ist.<br />

IV. Ergebnis<br />

Rudolf hat Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> die Einziehung der Glock 17C, nicht jedoch <strong>für</strong> die<br />

Einziehung des Balisong-Messers.<br />

½<br />

16


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Entscheide:<br />

- BGer 2C_461/2011, vom 9. November 2011, E.4.1<br />

- BGE 135 I 209 (Leitentscheid zu Frage der Entschädigungspflicht)<br />

- BGer 2A.358/2000 vom 30. März 2001<br />

Total Frage 3 … von 10 P<br />

17


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Frage 4 Mitführen der Waffe im Handschuhfach des Fahrzeugs (2 Seiten) Punkte Vorkorrektur<br />

Def. Korrektur<br />

I. Anwendbares <strong>Recht</strong><br />

Folgende Normen sind auszulegen:<br />

- Art. 27 Abs. 1 WG (Waffentragen, bewilligungspflichtig)<br />

- Art. 28 WG (Transport von Waffen, keine Waffentragbewilligung erforderlich)<br />

½<br />

½<br />

1. Tatbestand Art. 28 WG<br />

Verlagerung der Waffe von einem Ort zum anderen zu einem bestimmten Zweck<br />

- Der bewilligungsfreie „Transport“ von Waffen gemäss Art. 28 WG ist entsprechend der eigentlichen<br />

Bedeutung des Begriffs eng zu verstehen: Transport bedeutet das Verbringen eines<br />

Gegenstands von A nach B.<br />

- Art. 28 Abs. 1 WG listet Beispiele solchen Transports auf. Alle diese Beispiele haben die<br />

Gemeinsamkeit, dass die Waffe zu einem bestimmten Zweck an einen Ort verbracht wird.<br />

Der Transport der Waffe dient bspw. der Reparatur, der Nutzung anlässlich einer Sportveranstaltung,<br />

dem Austausch im Zeughaus, dem einmaligen Umzug, etc.<br />

- Gemäss Art. 28 Abs. 2 WG sind Munition und Waffe separat zu transportieren; also gerade<br />

nicht griff- und einsatzbereit. Damit wird klar, dass der Transport nicht Fälle der Nutzung<br />

der Waffe unterwegs abdeckt.<br />

- Bonus: Begründung mit Art. 51 Abs. 1 WV („Eine Waffe darf nur so lange transportiert<br />

werden, als es <strong>für</strong> die Tätigkeit, die dazu berechtigt, angemessen erscheint.“).<br />

½<br />

½<br />

½<br />

(½)<br />

2. Tatbestand Art. 27 Abs. 1 WG<br />

18


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Mitführen einer Waffe und andere Formen des Waffentragens<br />

- Art. 27 Abs. 1 WG regelt das Tragen von Waffen an öffentlich zugänglichen Orten. Darunter<br />

fallen alle Fälle des Transportierens von Waffen, die über die engen Kriterien des bewilligungsfreien<br />

Transportierens gemäss Art. 28 WG hinausgehen. (Hinweis: Auch Art. 27<br />

Abs. 1 WG verwendet den Begriff „transportieren“).<br />

- Bewilligungspflichtig ist insb. auch der „Transport“ einer Waffe, bei welchem nicht die Verlagerung<br />

der Waffe von einem Ort zum anderen bezweckt wird, sondern das Dabeihaben<br />

der Waffe an sich im Zentrum steht (bspw. zu Verteidigungs- oder Schutzzwecken).<br />

- Bonus: Begründung mit Art. 28a WG, wonach auch das Mitführen gefährlicher Gegenstände<br />

in Fahrzeugen nur bedingt gestattet ist. Es wäre widersinnig, dürften Pistolen bedingungslos<br />

im Auto „transportiert“ werden, gefährliche Gegenstände jedoch nicht.<br />

½<br />

½<br />

(½)<br />

3. Subsumtion<br />

- Alfred möchte die Waffe aus Selbstschutz-Gründen im Fahrzeug haben. Das Mitführen einer<br />

Waffe aus Selbstschutz-Motiven ist aber bewilligungspflichtiger Transport (Art. 27 WG), weil<br />

es dabei nicht etwa darum geht, eine Waffe von einem Ort zum anderen zu verbringen, sondern<br />

das Mitführen (das Dabeihaben der Waffe) selbst im Zentrum des Interesses steht. Alfreds beabsichtigte<br />

Transportart ist auch deswegen nicht bewilligungsfrei, weil er die Waffe nicht getrennt<br />

von der Munition transportieren möchte, sondern eben gerade „einsatzbereit“ und in<br />

Griffnähe.<br />

1<br />

II. Ergebnis<br />

Alfred darf seine Waffe nicht ohne Waffentragbewilligung im Handschuhfach des Fahrzeugs mitführen.<br />

½<br />

Total Frage 4 … von 5 P<br />

19


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Frage 5 Aussicht auf Erteilung einer Waffentragbewilligung (3 Seiten) Punkte Vorkorrektur<br />

Def. Korrektur<br />

I. Voraussetzungen der Waffentragbewilligung (Art. 27 Abs. 2 WG; Art. 48 WV)<br />

1. Kein Hinderungsgrund<br />

- Unproblematisch ist folgende Voraussetzung <strong>für</strong> die Erteilung einer Waffentragbewilligung:<br />

Es darf kein Hinderungsgrund entsprechend Art. 8 Abs. 2 vorliegen (Art. 27 Abs. 2 lit.a<br />

WG). Soweit ersichtlich besteht <strong>für</strong> Alfred kein Hinderungsgrund gemäss Art. 8 Abs. 2 WG.<br />

1<br />

2. Theoretische und praktische Waffentragprüfung<br />

- Ebenfalls unproblematisch: Es ist eine theoretische und praktische Waffentragprüfung zu<br />

bestehen (Art. 27 Abs. 2 lit.c). Diesbezüglich sollten Alfreds Aussichten (als Sportschütze) intakt<br />

sein.<br />

1<br />

3. Bedürfnisnachweis<br />

Gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. b WG muss Alfred glaubhaft machen, dass er aufs Tragen einer Waffe<br />

angewiesen ist, um sich selbst oder andere Personen vor einer tatsächlichen Gefährdung zu<br />

beschützen.<br />

½<br />

Kriterien des Bedürfnisnachweises:<br />

- Voraussetzung einer tatsächlichen Gefährdung (Art. 27 Abs. 2 lit b WG, auf Französisch<br />

„danger tangible“): Der Begriff der tatsächlichen Gefährdung wird restriktiv ausgelegt<br />

Eine abstrakte Umschreibung möglicher Gefahren reicht nicht aus. Zwar müssen die<br />

Gefährdungen auch nicht im Einzelnen konkret belegt werden; der Gesuchsteller muss jedoch<br />

glaubhaft darlegen, dass aufgrund seiner Aufgabe oder Funktion, seiner Lebensbedin-<br />

1<br />

20


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

gungen oder aufgrund anderer besonderer Umstände ein spezielles Risiko bzw. eine erhöhte<br />

Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> eine Gefahrensituation besteht. (vgl. BGer 2C_246/2011)<br />

- Gebot der Eignung: Die Waffentragbewilligung muss ein geeignetes Mittel zur Abwendung<br />

der geltend gemachten Gefahren sein.<br />

- Gebot der Notwendigkeit: Das Tragen der Waffe ist nur gerechtfertigt, wenn der Gefahr<br />

eines Angriffs nicht auf andere zumutbare Weise begegnet werden kann. Die Waffentragbewilligung<br />

ist subsidiär zu anderen Möglichkeiten der Selbstverteidigung und insb. zum<br />

staatlichen Gewaltmonopol zu begreifen. Sie muss das einzige wirksame zur Verfügung<br />

stehende Mittel darstellen. Die Waffentragbewilligung setzt die fehlende Wirksamkeit anderer<br />

Verteidigungsmassnahmen (bspw. Mitführen eines Pfeffersprays, Alarmanlage oder<br />

Anrufen der Polizei) voraus.<br />

½<br />

1<br />

Subsumtion (Bedürfnis Alfreds):<br />

- Alfred kann und muss mit anderen Verteidigungs- und Schutzmitteln vorlieb nehmen,<br />

welche ohne Bewilligung erhältlich sind (ein Pfefferspray wäre im Falle der beschriebenen<br />

Situationen ebenfalls wirksam). Es ist auch nicht erwiesen, dass Alfred durch das staatliche<br />

Gewaltmonopol unzureichend geschützt wäre.<br />

- Einzelne Gefährdungsmomente (bspw. Raststätte-Überfall) sind unerheblich, denn sie<br />

liegen mehrere Jahre zurück und bleiben <strong>für</strong> die Gegenwart rein hypothetisch. Sie begründen<br />

keine tatsächliche Gefährdungslage.<br />

- Die geltend gemachte Gefahr anlässlich seiner nächtlichen Arbeit setzt Alfred nicht in eine<br />

Situation, die riskanter erschiene als jene zahlreicher Bürger, welche aus diversen Gründen<br />

nachts aktiv sind (Pizzakurier, Arzt auf Nachtschicht, Taxifahrer, Tankstellenarbeiter,<br />

etc.). Die breitflächige Bewaffnung aller nachtaktiven Bürger ist nicht Sinn und Zweck der<br />

Waffengesetzgebung.<br />

- Bezüglich der Gefahr seitens Rudolfs liegen keine sachlichen Hinweise vor, derentwegen<br />

von einer erneuten Zunahme der Gefahr auszugehen wäre. Im Gegenteil: Rudolf ist seit<br />

Monaten nicht mehr negativ aufgefallen.<br />

- Bonus: Es ist zudem zweifelhaft, ob das Tragen einer Waffe während der nächtlichen Ar-<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

(1)<br />

21


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

beit tatsächlich wesentlich zur Sicherheit des Alfreds beitrüge – gerade im Fall von Überfällen<br />

kann der Verzicht auf Gegenwehr das beste Schutzmittel darstellen, während die<br />

Verteidigung mittels Schusswaffe zur Eskalation der Gewalt zu führen drohte.<br />

II. Ergebnis<br />

Soweit ersichtlich sind die Gefahren, denen Alfred sich ausgesetzt sieht, nicht ausreichend bedeutend,<br />

als dass er realistische Aussichten auf Erteilung einer Waffentragbewilligung hätte. Es wird<br />

ihm nicht gelingen, den Bedürfnisnachweis zu erbringen.<br />

1<br />

Entscheide:<br />

- BGer 2C_246/2011 (Keine Waffentragbewilligung <strong>für</strong> einen Wachmann eines privaten Sicherheitsdienstes,<br />

trotz Empfehlung seitens seiner Wohngemeinde; tatsächliche Gefahrensituation<br />

nicht glaubhaft dargelegt.)<br />

- BGer 2C_547/2008 vom 26. Januar 2009 (Dem Inhaber einer Sicherheitsfirma war eine Waffentragbewilligung<br />

<strong>für</strong> eine Faustfeuerwaffe erteilt, jedoch diejenige <strong>für</strong> eine halbautomatische<br />

Handfeuerwaffe verweigert worden, da Letztere nicht notwendig sei.)<br />

- BGer 2A.26/2001 vom 1. Mai 2001 (Keine Waffentragbewilligung <strong>für</strong> einen Anwalt-Notar, der<br />

Wertvolles sicher transportieren wollte. Hierin deutlich: Subsidiariät.)<br />

- BGer 2A.203/2002 vom 29. August 2002 (Keine Waffentragbewilligung <strong>für</strong> eine Person, welche<br />

aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Opfer gewalttätiger Aggressionen geworden war<br />

und sich hiergegen beschützen wollte.)<br />

- BGer 2A.407/2000 vom 11. Dezember 2000 (Keine Waffentragbewilligung <strong>für</strong> den Eigentümer<br />

einer Chocolaterie, welcher sich <strong>für</strong>s Verbringen des Ertrags seiner Arbeit zur Bank gegen<br />

Überfälle wappnen wollte.)<br />

Total Frage 5 (Alfred) … von 10 P<br />

22


Falllösung FS 2013 <strong>Beurteilungsraster</strong><br />

Erreichte Punkte total (Maximale Punktezahl: 60) Vorkorrektur: Definitive Korrektur:<br />

Note<br />

Bemerkungen (PT):<br />

Notenberechnung<br />

erreichte Punktezahl x 5<br />

Die Standardformel lautet: + 1 = berechnete Note<br />

max. Punktezahl<br />

Es sind maximal 60 Punkte zu erreichen. Die Notenskala wurde so angepasst, dass mit 95% der Punkte die berechnete Note 6.0 erzielt wird, das entspricht<br />

einer rechnerischen Maximalpunktzahl von 57. Daraus ergibt sich folgende Skala:<br />

erreichte Punktezahl berechnete Note gerundete Note<br />

54.15 5.75 6<br />

48.45 5.25 5.5<br />

42.75 4.75 5<br />

37.05 4.25 4.5<br />

31.35 3.75 4<br />

25.65 3.25 3.5<br />

19.95 2.75 3<br />

23

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