25.10.2012 Aufrufe

LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...

LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...

LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Maske „maskierte Person“, Blaustrumpf (scherzhaft für gelehrte Frau).<br />

Linguisten, die sich mit den Entwicklungstendenzen der deutschen Gegenwartssprache<br />

befassen, betonen die Produktivität der Metonymie in der<br />

Erweiterung des Lexikons 69 . Die Metonymik spielt in der Benennung neuer<br />

Erscheinungen in der gesellschaftlichen Praxis neben der Metaphorik eine<br />

sehr wichtige Rolle.<br />

Ein weiterer Typ des universellen semantischen Sprachwandels ist der<br />

Euphemismus.<br />

Euphemismus. Unter Euphemismus versteht man eine verhüllende, mildernde,<br />

beschönigende Ausdrucksweise. Der Gebrauch von Euphemismen<br />

kann ebenfalls Grund für die Bedeutungsentwicklung sein.<br />

Der Anlass für den Gebrauch von Euphemismen kann verschieden<br />

sein:<br />

(a) Furcht vor natürlichen oder übernatürlichen Wesen in alter Zeit. Für<br />

diesen Typ wird vielfach der parallele Terminus „Tabu“, „Tabuwörter“ gebraucht.<br />

Die bekanntesten Tabuwörter in den germanischen Sprachen sind<br />

abergläubischer und religiöser Art: Gottseibeiuns, der Böse, der Schwarze,<br />

der Versucher für den „Teufel“, der Braune für „Bär“. Man fürchtete den<br />

Bären im nördlichen Europa und hütete sich, seinen Namen auszusprechen,<br />

um ihn damit nicht herbeizurufen. Das Tabuwort bero „der Braune“ trat dafür<br />

ein.<br />

(b) Zartgefühl in unangenehmen Situationen. Die Euphemismen verfolgen<br />

hier eine schonende Wirkung: verscheiden, einschlafen, entschlafen, die<br />

Augen für immer schließen für „sterben“; Unwohlsein, Unpässlichkeit für<br />

„Krankheit“.<br />

(c) Prüderie: Freundin für „Geliebte“, in anderen Umständen sein für<br />

„schwanger sein“, ein Verhältnis haben für „ein Liebesverhältnis haben“.<br />

(d) Höflichkeit, Freundlichkeit, Scherz, Ironie: stark für „dick“, Zweitfrisur<br />

für „Perücke“, dritte Zähne für „künstliches Gebiss“.<br />

Kennzeichnend für die Euphemismen ist aber, dass die verhüllend gebrauchten<br />

Wörter meist sehr bald eine Bedeutungsveränderung erfahren. Der<br />

Euphemismus nützt sich ab und nimmt die Bedeutung des Wortes an, den er<br />

mildernd oder verhüllend nannte.<br />

Eine solche Bedeutungsentwicklung in historisch absehbarer Zeit hat das<br />

Adjektiv krank durchgemacht, das in seiner jetzigen Bedeutung das gemeingermanische<br />

siech verdrängt hat. Die mhd. Bedeutung von krank war:<br />

„schwach, gering, nichtig“; statt siech wurde es besonders für den ansteckenden<br />

Zustand der Aussätzigen gebraucht. Die ältere Bedeutung „schwach“<br />

hat dieses Wort im 16. Jahrhundert verloren.<br />

Von den erwähnten Euphemismen sind euphemistische Bildungen im Bereich<br />

gesellschaftlich-politischer Lexik zu unterscheiden, deren Ziel in der<br />

Aufbesserung des tatsächlichen Sachverhalts besteht. Dazu dient „die positive<br />

Wertungskomponente“, die allen solchen Bildungen eigen ist, vgl. Nachlassen<br />

der Konjunktur, konjunktureller Rückgang für „Wirtschaftskrise“;<br />

Sozialdienst, Sozialarbeit für „Armenpflege“; Nullarbeit, gesundschrumpfen<br />

für „Arbeitslosigkeit, arbeitslos sein“ 70 .<br />

45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!