LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...
LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ... LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...
starter in der Politik sein; ihr neues Buch entpuppte sich als Senkrechtstarter 67 . Metonymie. Die Metonymie (griech. metá — „über“, ´onoma — „Name“) ist auch eine Art Bezeichnungsübertragung auf Grund mannigfaltiger Bedeutungsbeziehungen. Diese sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher Art, Beziehungen zwischen Handlung und Resultat der Handlung, Subjekt der Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung u.a. Im Wortbestand des Deutschen gibt es Lexeme, die Produkt mehrstufiger metonymischer Bedeutungsveränderungen darstellen. Zu solchen gehört z.B. Person. Dieses Wort ist im Deutschen seit dem 13. Jh. bezeugt. Es beruht auf der gelehrten Entlehnung aus dem lat. persona „Maske des Schauspielers“. Im römischen Drama wurden auf der Bühne Masken verwendet, die je nach der dargestellten Rolle wechselten. Bald bekam persona die Bedeutung „durch eine Maske dargestellter Charakter“, und sodann „Charakter (allgemein)“. Daraus entwickelte sich die Bedeutung „Darsteller oder Repräsentant eines Charakters“, späterhin „Repräsentant oder Vertreter (allgemein)“. Somit hat das Wort Person erhebliche Bedeutungsveränderungen erfahren — von der Bezeichnung für einen Teil der Theaterkostümierung über die Benennung für ganz bestimmte menschliche Rollen bis zu einer allgemeinen Bezeichnung für einen Menschen, eine Person schlechthin 68 . Also: Person > Maske > Rolle > Charakterrolle > Mensch. Eine mehrstufige Bedeutungsentwicklung ist bei Mahlzeit belegt: „Zeitpunkt, festgesetzte Zeit“ > „Essenszeit“ > „Essen“ > „Gruß am Mittag.“ Zeitliche oder temporale Bedeutungsbeziehungen verursachten ferner den Bedeutungswandel des Wortes Mittag (m): „Zeitpunkt, Tagesmitte“ > Essen, Mittagessen > „Mittag“ (s). Räumliche oder lokale Bedeutungsbeziehungen haben den Bedeutungswandel verursacht, wenn heute Auditorium im Sinne „Zuhörerschaft“ gebraucht wird. Vgl. auch folgenden Wortgebrauch: die letzte Bank („die Schüler der letzten Bank“) hat nicht aufgepasst; das ganze Hotel („alle Hotelgäste“) wurde wach; die Schule („alle Schüler“) macht einen Ausflug. Ursächliche oder kausale Bedeutungsbeziehungen haben die Bedeutungsveränderung in den Fällen bewirkt, wenn die Namen der Erfinder für Erfindungen selbst gebraucht werden, z.B. Röntgenstrahlen: Die elektromagnetischen Strahlen sind nach dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (1845 — 1923) benannt. Röntgen selbst nannte sie X-Strahlen „unbekannte Strahlen“; pasteurisieren — durch Erhitzen auf etwa 65 °C haltbar machen — ist nach Louis Pasteur (1822 —1895) bezeichnet. Oder Bedeutungsbeziehungen zwischen Produkt und Herstellungsort: Champagner (nach der französischen Provinz Champagne), Tokaier (nach der ungarischen Stadt Tokaja), Tüll (nach der französischen Stadt Tulle); Achat (nach dem Fluss Achates in Sizilien). Oder Bedeutungsbeziehungen wie pars pro toto („ein Teil für das Ganze“): er ist ein heller, kluger Kopf „er ist klug“, er ist ein Dumm-, Schafs-, Schwachkopf „er ist dumm“. 44
Maske „maskierte Person“, Blaustrumpf (scherzhaft für gelehrte Frau). Linguisten, die sich mit den Entwicklungstendenzen der deutschen Gegenwartssprache befassen, betonen die Produktivität der Metonymie in der Erweiterung des Lexikons 69 . Die Metonymik spielt in der Benennung neuer Erscheinungen in der gesellschaftlichen Praxis neben der Metaphorik eine sehr wichtige Rolle. Ein weiterer Typ des universellen semantischen Sprachwandels ist der Euphemismus. Euphemismus. Unter Euphemismus versteht man eine verhüllende, mildernde, beschönigende Ausdrucksweise. Der Gebrauch von Euphemismen kann ebenfalls Grund für die Bedeutungsentwicklung sein. Der Anlass für den Gebrauch von Euphemismen kann verschieden sein: (a) Furcht vor natürlichen oder übernatürlichen Wesen in alter Zeit. Für diesen Typ wird vielfach der parallele Terminus „Tabu“, „Tabuwörter“ gebraucht. Die bekanntesten Tabuwörter in den germanischen Sprachen sind abergläubischer und religiöser Art: Gottseibeiuns, der Böse, der Schwarze, der Versucher für den „Teufel“, der Braune für „Bär“. Man fürchtete den Bären im nördlichen Europa und hütete sich, seinen Namen auszusprechen, um ihn damit nicht herbeizurufen. Das Tabuwort bero „der Braune“ trat dafür ein. (b) Zartgefühl in unangenehmen Situationen. Die Euphemismen verfolgen hier eine schonende Wirkung: verscheiden, einschlafen, entschlafen, die Augen für immer schließen für „sterben“; Unwohlsein, Unpässlichkeit für „Krankheit“. (c) Prüderie: Freundin für „Geliebte“, in anderen Umständen sein für „schwanger sein“, ein Verhältnis haben für „ein Liebesverhältnis haben“. (d) Höflichkeit, Freundlichkeit, Scherz, Ironie: stark für „dick“, Zweitfrisur für „Perücke“, dritte Zähne für „künstliches Gebiss“. Kennzeichnend für die Euphemismen ist aber, dass die verhüllend gebrauchten Wörter meist sehr bald eine Bedeutungsveränderung erfahren. Der Euphemismus nützt sich ab und nimmt die Bedeutung des Wortes an, den er mildernd oder verhüllend nannte. Eine solche Bedeutungsentwicklung in historisch absehbarer Zeit hat das Adjektiv krank durchgemacht, das in seiner jetzigen Bedeutung das gemeingermanische siech verdrängt hat. Die mhd. Bedeutung von krank war: „schwach, gering, nichtig“; statt siech wurde es besonders für den ansteckenden Zustand der Aussätzigen gebraucht. Die ältere Bedeutung „schwach“ hat dieses Wort im 16. Jahrhundert verloren. Von den erwähnten Euphemismen sind euphemistische Bildungen im Bereich gesellschaftlich-politischer Lexik zu unterscheiden, deren Ziel in der Aufbesserung des tatsächlichen Sachverhalts besteht. Dazu dient „die positive Wertungskomponente“, die allen solchen Bildungen eigen ist, vgl. Nachlassen der Konjunktur, konjunktureller Rückgang für „Wirtschaftskrise“; Sozialdienst, Sozialarbeit für „Armenpflege“; Nullarbeit, gesundschrumpfen für „Arbeitslosigkeit, arbeitslos sein“ 70 . 45
- Seite 1 und 2: ÂÛÑØÅÅ ÏÐÎÔÅÑÑÈÎÍÀ
- Seite 3 und 4: INHALT Vorwort ....................
- Seite 5 und 6: 2.5.2. Onomasiologische Funktion de
- Seite 7 und 8: VORWORT Die Lexikologie als eine Le
- Seite 9 und 10: hend untersucht; bereits J.Grimm, d
- Seite 11 und 12: und seinen Nachfolgern vorgeschlage
- Seite 13 und 14: 1. DAS WORT IM LEXIKALISCH-SEMANTIS
- Seite 15 und 16: Im Ideal erweist sich ein Wort als
- Seite 17 und 18: 1.1.3. BEDEUTUNG DES WORTES (WORTBE
- Seite 19 und 20: der Benennung bzw. Nomination eines
- Seite 21 und 22: Das Vorhandensein der Konnotation b
- Seite 23 und 24: Ein weiteres Beispiel 40 zur Illust
- Seite 25 und 26: Hauptbedeutung Nebenbedeutungen dir
- Seite 27 und 28: 1. Bedeutungsgleichheit/Identität
- Seite 29 und 30: kundären Elementen (Semen), die se
- Seite 31 und 32: Zahlreich sind im Deutschen Lexeme,
- Seite 33 und 34: 1.1.4.2.4. Semantische Felder, lexi
- Seite 35 und 36: anlassen; (b) umg., z.B. abtrumpfen
- Seite 37 und 38: In der Bedeutung wie in (l) (= „u
- Seite 39 und 40: (3) Auf Stufe III werden die Aktant
- Seite 41 und 42: Aber außer diesem Bedeutungswandel
- Seite 43 und 44: men Prozesse der Bedeutungsentwickl
- Seite 45 und 46: Diese Bedeutungsspezialisierung ist
- Seite 47: Brille — war urspünglich „eine
- Seite 51 und 52: Wie die Wortgeschichte von Mühle z
- Seite 53 und 54: Nach der Entlehnungsform sind zu un
starter in der Politik sein; ihr neues Buch entpuppte sich als Senkrechtstarter<br />
67 .<br />
Metonymie. Die Metonymie (griech. metá — „über“, ´onoma — „Name“)<br />
ist auch eine Art Bezeichnungsübertragung auf Grund mannigfaltiger Bedeutungsbeziehungen.<br />
Diese sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher Art,<br />
Beziehungen zwischen Handlung und Resultat der Handlung, Subjekt der<br />
Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung u.a.<br />
Im Wortbestand des Deutschen gibt es Lexeme, die Produkt mehrstufiger<br />
metonymischer Bedeutungsveränderungen darstellen. Zu solchen gehört z.B.<br />
Person. Dieses Wort ist im Deutschen seit dem 13. Jh. bezeugt. Es beruht<br />
auf der gelehrten Entlehnung aus dem lat. persona „Maske des Schauspielers“.<br />
Im römischen Drama wurden auf der Bühne Masken verwendet, die je<br />
nach der dargestellten Rolle wechselten. Bald bekam persona die Bedeutung<br />
„durch eine Maske dargestellter Charakter“, und sodann „Charakter<br />
(allgemein)“. Daraus entwickelte sich die Bedeutung „Darsteller oder Repräsentant<br />
eines Charakters“, späterhin „Repräsentant oder Vertreter (allgemein)“.<br />
Somit hat das Wort Person erhebliche Bedeutungsveränderungen erfahren<br />
— von der Bezeichnung für einen Teil der Theaterkostümierung über<br />
die Benennung für ganz bestimmte menschliche Rollen bis zu einer allgemeinen<br />
Bezeichnung für einen Menschen, eine Person schlechthin 68 . Also:<br />
Person > Maske > Rolle > Charakterrolle > Mensch.<br />
Eine mehrstufige Bedeutungsentwicklung ist bei Mahlzeit belegt: „Zeitpunkt,<br />
festgesetzte Zeit“ > „Essenszeit“ > „Essen“ > „Gruß am Mittag.“<br />
Zeitliche oder temporale Bedeutungsbeziehungen verursachten ferner den<br />
Bedeutungswandel des Wortes Mittag (m): „Zeitpunkt, Tagesmitte“ > Essen,<br />
Mittagessen > „Mittag“ (s).<br />
Räumliche oder lokale Bedeutungsbeziehungen haben den Bedeutungswandel<br />
verursacht, wenn heute Auditorium im Sinne „Zuhörerschaft“ gebraucht<br />
wird. Vgl. auch folgenden Wortgebrauch: die letzte Bank („die Schüler<br />
der letzten Bank“) hat nicht aufgepasst; das ganze Hotel („alle Hotelgäste“)<br />
wurde wach; die Schule („alle Schüler“) macht einen Ausflug.<br />
Ursächliche oder kausale Bedeutungsbeziehungen haben die Bedeutungsveränderung<br />
in den Fällen bewirkt, wenn die Namen der Erfinder für Erfindungen<br />
selbst gebraucht werden, z.B. Röntgenstrahlen: Die elektromagnetischen<br />
Strahlen sind nach dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (1845 —<br />
1923) benannt. Röntgen selbst nannte sie X-Strahlen „unbekannte Strahlen“;<br />
pasteurisieren — durch Erhitzen auf etwa 65 °C haltbar machen — ist<br />
nach Louis Pasteur (1822 —1895) bezeichnet.<br />
Oder Bedeutungsbeziehungen zwischen Produkt und Herstellungsort:<br />
Champagner (nach der französischen Provinz Champagne), Tokaier (nach<br />
der ungarischen Stadt Tokaja), Tüll (nach der französischen Stadt Tulle);<br />
Achat (nach dem Fluss Achates in Sizilien).<br />
Oder Bedeutungsbeziehungen wie pars pro toto („ein Teil für das Ganze“):<br />
er ist ein heller, kluger Kopf „er ist klug“, er ist ein Dumm-, Schafs-,<br />
Schwachkopf „er ist dumm“.<br />
44