LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...

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ausspannen — „ausruhen“- Metapher zu „Pferde aus dem Geschirr nehmen“. Die Sekundärbedeutung ist heute Hauptbedeutung. sich zügeln - „sich zurückhalten“ — Metapher zu „die Zügel straffen“, d. i. „zurückhalten“ (seit dem 18. Jh. übertragen), heute ist die metaphorische Bedeutung Hauptbedeutung 62 . Viele Verben des Denkens, wie Th.Schippan bemerkt, sind metaphorisch aus dem Bereich manueller Tätigkeit gewonnen: „sich etwas vorstellen“, „etwas überlegen“, „etwas abwägen“ u.a. Die Metaphern sind polyfunktional. Sie können eine rein benennende Funktion erfüllen, z.B. Heizschlange, Feldschlange und eine wertende, oft abwertende Funktion, wie z.B.: Du falsche Schlange! Heimtückische Schlange! Die benennenden und wertenden oder charakterisierenden Metaphern gehören zum lexikalisch-semantischen System. Sie sind in jeder Sprachgemeinschaft gut bekannt und geläufig, das ist zum Teil schon in ihrer Bezeichnung Gebrauchsmetaphern angedeutet. Von der Produktivität der metaphorischen Übertragung dieser thematischen Gruppe, der Tiermetaphern, zeugt übrigens eine Reihe verbaler Bildungen wie fuchsen, ochsen, büffeln, unken, äffen, eseln, wobei die verbalen Tiermetaphern vielfach mehrdeutig sind. So bedeutet fuchsen (ugs.) nicht nur „betrügen“, sondern auch „jmdn. plagen, schikanieren“, eine Bedeutung, die vermutlich auf das heute veraltete Fuchs = „Student jüngerer Semester“ zurückgeht, der von seinen älteren Kommilitonen schlecht behandelt, herabgewürdigt wird 63 . Oder eseln (ugs.) heißt: l. „arbeiten“, 2. „reinfallen“ (beim Kartenspiel), 3. „dumm handeln“, 4. „jmdn. verulken, narren“. Obgleich die metaphorische Übertragung eine Realität der meisten entwickelten Sprachen ist, stellt das Resultat der metaphorischen Übertragung, d.h. die übertragenen Bedeutungen selbst, vielfach ein Produkt nationaler Sprachschöpfung dar. Das fällt auch bei den Gebrauchsmetaphern des Deutschen im Vergleich mit denen des Russischen auf. Ein Teil dieser Lexik wird in den beiden Sprachen allerdings übereinstimmend gebraucht. So ist ein Hase — „ein furchtsamer Mensch“, ein Fuchs — „ein listiger“, ein Pfau — „ein eitler“, eine Pute - „eine aufgeblasene dumme Person“ u.ä. Aber solche metaphorische Übertragung wie z.B. Birne, als eine abwertende saloppe und grobe Bezeichnung für „Kopf“ kennt die russische Sprache nicht. Eine metaphorische Übertragung kann auch auf Grund einer Ähnlichkeit nach der Funktion erfolgen. Zwischen den beiden Größen — Primär- und Sekundärsignifikat — bestehen dementsprechend Ähnlichkeitsbeziehungen nach der Funktion. Bekannte Beispiele für solche Übertragungen sind Hund für den Förderkarren im Bergwerk (ursprünglich von Hunden befördert). Oder Feder — ursprünglich „zum Schreiben zugeschnittene Schwungfeder eines Vogels“, dann auch auf Stahlfeder auf Grund derselben Funktion übertragen. Fensterscheibe — bezeichnete ursprünglich „eine runde Butzenscheibe“, d.h. eine runde, in der Mitte verdickte Glasscheibe. Heute wird die Bezeichnung Scheibe in der Zusammensetzung Fensterscheibe weiter gebraucht, obgleich sie längst nicht mehr rund ist. 42

Brille — war urspünglich „eine aus Beryll (Edelstein mit schönen Prismenkristallen) verfertigte Augenlinse“. Für die Linsen der ersten, um 1300 entwickelten Brillen verwandte man geschliffene Berylle (mhd. berillus, berille, barille), nachdem man deren optische Eigenschaft, Gegenstände stark zu vergrößern, erkannt hatte. Der Name wurde auch später beibehalten, als man dazu überging, die Linsen aus Bergkristall bzw. aus dem wesentlich billigeren Glas zu schleifen. Eine Sonderart der Metapher ist die Synästhesie 64 , die Übertragung von einem Sinnesbereich auf einen anderen. Wörter werden aus dem Bereich eines Sinnes oder einer Gefühlsempfindung auf den Bereich einer anderen Sinnesempfindung übertragen, z.B. von akustischer zu optischer Wahrnehmung: schreiende Farben, von optischer zu akustischer Wahrnehmung: dunkle Töne, helle Stimme. Bei der synästhetischen Metapher verweist St. Ullmann auf eine Tendenz: Die Übertragung von den „niederen“ Sinnen auf „höhere“ ist wesentlich häufiger als umgekehrt. So ist der Ausgangspunkt der synästhetischen Übertragung vorwiegend der taktile Bereich (der Tastsinn), Ziel der Übertragung ist am häufigsten die Bezeichnung einer akustischen Wahrnehmung, vgl. weiche Töne, harte Töne, harte Worte, harte Aussprache. Die Synästhesie ist seit der Antike in verschiedenen Sprachen bekannt und produktiv: (engl.) cold voice, piercing sound, loud colors; (franz.) couleur criarde; (ital.) colore stridente u.a.m. Die Synästhesie gehört nach St. Ullmann zu denjenigen Erscheinungen des semantischen Wandels, die als semantische Universalien zu betrachten sind. Dazu zählt er alle metaphorischen Übertragungen: (l) „Expansion“ auf Grund emotionaler Ladung, (2) „Anthropomorphismus“, wie in: Flaschenhals, Flußarm; (3) „Übertragung von konkret zu abstrakt“, wie in: ein warmer Empfang; (4) „Synästhesie“ 65 . Die Erweiterung des Bedeutungsumfangs von Lexemen durch metaphorische Bezeichnungsübertragung ist in der Gegenwartssprache sehr produktiv. Mit Recht betont Th. Schippan diesen Umstand, indem sie schreibt: „Entgegen allen Annahmen, dass mit der Tendenz stärkerer Wissenschaftlichkeit und Abstraktheit die Metapher als semantisches Modell für Neubenennungen zurücktrete, nehmen metaphorische Bezeichnungsübertragungen zu. In Wissenschaft und Technik, Politik und Kultur werden Bezeichnungen mit einer metaphorischen Konstituente gebildet. Ohne Zweifel wirkt hier das Prinzip der Verdeutlichung und Veranschaulichung als Regulator. Durch die metaphorische Konstituente werden bestimmte Merkmale des Denotats hervorgehoben: Impfpistole, Kobaltkanone, Magnetkissen, Schaumbeton, Herzschrittmacher“ 66 . Durch die metaphorische Bezeichnungsübertragung vorhandener Wortformative entstehen in der Gegenwartssprache Benennungen, die das Denotat sprachökonomisch und wertend bezeichnen. Vgl. die vor kurzem aufgekommene übertragene Bedeutung zu Senkrechtstarter (Coleopter): jmd., der ohne lange Anlaufzeit eine ungewöhnlich steile Karriere macht; etw., was plötzlich ungewöhnlich großen Erfolg hat, z.B. ein Senkrecht- 43

ausspannen — „ausruhen“- Metapher zu „Pferde aus dem Geschirr nehmen“.<br />

Die Sekundärbedeutung ist heute Hauptbedeutung.<br />

sich zügeln - „sich zurückhalten“ — Metapher zu „die Zügel straffen“,<br />

d. i. „zurückhalten“ (seit dem 18. Jh. übertragen), heute ist die metaphorische<br />

Bedeutung Hauptbedeutung 62 .<br />

Viele Verben des Denkens, wie Th.Schippan bemerkt, sind metaphorisch<br />

aus dem Bereich manueller Tätigkeit gewonnen: „sich etwas vorstellen“,<br />

„etwas überlegen“, „etwas abwägen“ u.a.<br />

Die Metaphern sind polyfunktional. Sie können eine rein benennende Funktion<br />

erfüllen, z.B. Heizschlange, Feldschlange und eine wertende, oft abwertende<br />

Funktion, wie z.B.: Du falsche Schlange! Heimtückische Schlange!<br />

Die benennenden und wertenden oder charakterisierenden Metaphern<br />

gehören zum lexikalisch-semantischen System. Sie sind in jeder Sprachgemeinschaft<br />

gut bekannt und geläufig, das ist zum Teil schon in ihrer Bezeichnung<br />

Gebrauchsmetaphern angedeutet.<br />

Von der Produktivität der metaphorischen Übertragung dieser thematischen<br />

Gruppe, der Tiermetaphern, zeugt übrigens eine Reihe verbaler Bildungen<br />

wie fuchsen, ochsen, büffeln, unken, äffen, eseln, wobei die verbalen<br />

Tiermetaphern vielfach mehrdeutig sind. So bedeutet fuchsen (ugs.) nicht<br />

nur „betrügen“, sondern auch „jmdn. plagen, schikanieren“, eine Bedeutung,<br />

die vermutlich auf das heute veraltete Fuchs = „Student jüngerer Semester“<br />

zurückgeht, der von seinen älteren Kommilitonen schlecht behandelt, herabgewürdigt<br />

wird 63 . Oder eseln (ugs.) heißt: l. „arbeiten“, 2. „reinfallen“ (beim<br />

Kartenspiel), 3. „dumm handeln“, 4. „jmdn. verulken, narren“.<br />

Obgleich die metaphorische Übertragung eine Realität der meisten entwickelten<br />

Sprachen ist, stellt das Resultat der metaphorischen Übertragung,<br />

d.h. die übertragenen Bedeutungen selbst, vielfach ein Produkt nationaler<br />

Sprachschöpfung dar. Das fällt auch bei den Gebrauchsmetaphern des Deutschen<br />

im Vergleich mit denen des Russischen auf. Ein Teil dieser Lexik wird<br />

in den beiden Sprachen allerdings übereinstimmend gebraucht.<br />

So ist ein Hase — „ein furchtsamer Mensch“, ein Fuchs — „ein listiger“,<br />

ein Pfau — „ein eitler“, eine Pute - „eine aufgeblasene dumme Person“ u.ä.<br />

Aber solche metaphorische Übertragung wie z.B. Birne, als eine abwertende<br />

saloppe und grobe Bezeichnung für „Kopf“ kennt die russische Sprache nicht.<br />

Eine metaphorische Übertragung kann auch auf Grund einer Ähnlichkeit<br />

nach der Funktion erfolgen. Zwischen den beiden Größen — Primär- und<br />

Sekundärsignifikat — bestehen dementsprechend Ähnlichkeitsbeziehungen<br />

nach der Funktion. Bekannte Beispiele für solche Übertragungen sind Hund<br />

für den Förderkarren im Bergwerk (ursprünglich von Hunden befördert).<br />

Oder Feder — ursprünglich „zum Schreiben zugeschnittene Schwungfeder<br />

eines Vogels“, dann auch auf Stahlfeder auf Grund derselben Funktion<br />

übertragen.<br />

Fensterscheibe — bezeichnete ursprünglich „eine runde Butzenscheibe“,<br />

d.h. eine runde, in der Mitte verdickte Glasscheibe. Heute wird die Bezeichnung<br />

Scheibe in der Zusammensetzung Fensterscheibe weiter gebraucht,<br />

obgleich sie längst nicht mehr rund ist.<br />

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