LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...

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25.10.2012 Aufrufe

denen qualifizierenden und quantifizierenden Adjektiven verbunden werden (ein schönes, großes, lustiges Wunder erleben), nicht aber im „normalen“, nicht metaphorischen Sprachgebrauch — mit einem Farbadjektiv; konkrete Farbbezeichnung + Abstraktum (Wunder, Höhe, Interesse) sind semantisch nicht miteinander zu verbinden. Wenn die Kombination trotzdem auftritt, handelt es sich entweder um die übertragene, gegebenenfalls farbsymbolische Verwendung des Adjektivs oder eben um die Verwendung in einem idiomatischen Ausdruck52 . Eine besonders große Verbreitung in der Erforschung der syntagmatischen Beziehungen der Spracheinheiten hat die Valenztheorie. So schreiben z.B. darüber M.D.Stepanova und G.Helbig folgendes: „Heute fasst man die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Verbindbarkeit (Kombinierbarkeit) einer bestimmten sprachlichen Einheit mit einer anderen unter dem Begriff der Valenz... Damit kommt dem Begriff der Valenz die entscheidende Rolle zu, wenn man die syntagmatischen Aspekte der Wörter (Wortarten) erfassen will. In diesem Sinne kann man auf paradigmatischer Ebene von ,differentieller Bedeutung‘ (,Wert‘), auf syntagmatischer Ebene von ,Valenz‘ (oder ,syntaktischer Bedeutung‘) sprechen. Während zu dieser differentiellen Bedeutung die gesamte lexikalisch-semantische Struktur des Wortes (wie sie durch eine Sem- oder Komponentenanalyse ermittelt werden kann und muss) gehört, meint die Valenz im allgemeinsten Sinne das notwendige oder mögliche Auftreten kontextueller Verbindungen eines Wortes, die kontextuellen Verbindungen eines Wortes, die kontextuellen Beziehungen zwischen den Wörtern verschiedener Wortarten im Satz, die Beziehungen der Verbindbarkeit von Wörtern im Satz auf semantischer und syntaktischer Ebene, die Kombinierbarkeit von Wörtern als semantischen und / oder syntaktischen ‚Partnern‘ im Satz“ 53 . Zwischen Syntagmatik und Paradigmatik besteht ein dialektischer Zusammenhang und eine wechselseitige Beeinflussung insofern, als mit der lexikalischen Bedeutung eines Wortes bereits die wesentlichsten Bedingungen für die Kombinierbarkeit mit anderen Wörtern im Syntagma und schließlich im Satz festgelegt sind. Somit sind die syntagmatischen Verknüpfungen bereits in den Gesetzmäßigkeiten der paradigmatischen Ebene angelegt. So sind mit der lexikalischen Bedeutung des Wortes (oder genauer gesagt: mit der lexikalisch-semantischen Variante des betreffenden Wortes) zugleich Bedingungen gesetzt für das Auftreten notwendiger und möglicher Partner im Satz. Umgekehrt kann das Auftreten in verschiedenen Kombinationen, können unterschiedliche syntaktische Eigenschaften Unterschiede in der lexikalischen Bedeutung signalisieren: (1) Die Frau ist ledig. (2) Die Frau ist der Sorge ledig. Die homonymen Adjektive in (l) und (2) lassen sich paradigmatisch und syntagmatisch in der Bedeutungsstruktur und in der Kombinierbarkeit unterscheiden: 32

In der Bedeutung wie in (l) (= „unverheiratet“) fordert ledig nur einen Partner im Satz (einen Nominativ, der überdies auf Personen im erwachsenen Alter festgelegt ist), in der Bedeutung wie in (2) (= „frei von“) fordert es zwei Partner (außer dem Nominativ noch einen Genitiv). Ohne diesen zweiten Partner kann das Adjektiv die gemeinte Bedeutung nicht realisieren und würde automatisch im Sinne von (l) verstanden werden54 . Unter Valenz wird also die Fähigkeit von Wörtern verstanden, andere Wörter an sich zu binden. Obgleich uns der Valenzbegriff dem Sinne nach schon in der älteren Grammatik begegnet — man hat z.B. zwischen subjektiven (d.h. keine Ergänzung fordernden) und objektiven (d.h. eine Ergänzung fordernden) Verben unterschieden - entwickelt sich die Valenztheorie erst in der Linguistik der 50er Jahre, als L.Tesnière im Rahmen seiner strukturellen Syntax (Abhängigkeitsgrammatik) vom Verb ausging und als dessen unmittelbar Untergeordnete die „actants“ und die „circonstants“ (d.h. die Handelnden und die Umstände) ansah. Im Unterschied zu den „circonstants“ ist die Zahl der „actants“ im Satz zahlenmäßig durch das Verb begrenzt. Die Fähigkeit der Verben, eine bestimmte Anzahl von „actants“ an sich zu binden, vergleicht Tesnière mit der Wertigkeit eines Atoms in der Chemie und bezeichnet sie als „Valenz“. Als solche „actants“ sieht Tesniere die Subjekte und die Objekte an. Adverbialbestimmungen und Prädikativa werden aus den Valenzbeziehungen ausgeschlossen. Nach der Zahl der „actants“ unterscheidet er im Französischen avalente, monovalente, divalente und trivalente Verben. Etwa zur gleichen Zeit wurde der Begriff und z.T. der Terminus „Valenz“ auch in unserer Sprachwissenschaft diskutiert und weiter entwickelt von solchen Gelehrten wie S.D.Kacnel’son, V.G.Admoni, T.P.Lomtev, M.D.Stepanova, B.A.Abramov u.a. In der deutschsprachigen Germanistik versuchte man ebenfalls den Valenzbegriff zu präzisieren, so H.Brinkmann, J.Erben, H.-J.Heringer, W.Bondzio u.a. Einen besonders großen Beitrag zur Entwicklung der Valenztheorie hat aber G.Helbig geleistet. So wurde von ihm der Begriff der syntaktischen Notwendigkeit — im Unterschied zu einer semantischen und kommunikativen Notwendigkeit — näher bestimmt, da er die Voraussetzung bildete, um die valenzgebundenen von den nichtvalenzgebundenen Gliedern zu unterscheiden. Es wurden bestimmte Kriterien ermittelt, um die valenzgebundenen von den nichtvalenzgebundenen Gliedern zu unterscheiden, die als freie Angaben syntaktisch im Satz beliebig hinzufüg- und weglassbar sind. Zu den valenzgebundenen Gliedern gehören nicht nur die „actants“ im Sinne von Tesnière (d.h. Subjekte und Objekte), sondern auch ein Teil der herkömmlichen Umstandsbestimmungen, denn es gibt durchaus „Aktanten“ oder „Mitspieler“ im syntaktischen Sinne, die z.B. vom Verb her notwendig gefordert sind, aber einen Umstand im semantischen Sinne ausdrücken: Berlin liegt an der Spree. Er legte den Bleistift auf den Tisch. 33

In der Bedeutung wie in (l) (= „unverheiratet“) fordert ledig nur einen<br />

Partner im Satz (einen Nominativ, der überdies auf Personen im erwachsenen<br />

Alter festgelegt ist), in der Bedeutung wie in (2) (= „frei von“) fordert es<br />

zwei Partner (außer dem Nominativ noch einen Genitiv). Ohne diesen zweiten<br />

Partner kann das Adjektiv die gemeinte Bedeutung nicht realisieren und<br />

würde automatisch im Sinne von (l) verstanden werden54 .<br />

Unter Valenz wird also die Fähigkeit von Wörtern verstanden, andere<br />

Wörter an sich zu binden. Obgleich uns der Valenzbegriff dem Sinne nach<br />

schon in der älteren Grammatik begegnet — man hat z.B. zwischen subjektiven<br />

(d.h. keine Ergänzung fordernden) und objektiven (d.h. eine Ergänzung<br />

fordernden) Verben unterschieden - entwickelt sich die Valenztheorie<br />

erst in der Linguistik der 50er Jahre, als L.Tesnière im Rahmen seiner<br />

strukturellen Syntax (Abhängigkeitsgrammatik) vom Verb ausging und als<br />

dessen unmittelbar Untergeordnete die „actants“ und die „circonstants“ (d.h.<br />

die Handelnden und die Umstände) ansah. Im Unterschied zu den „circonstants“<br />

ist die Zahl der „actants“ im Satz zahlenmäßig durch das Verb begrenzt.<br />

Die Fähigkeit der Verben, eine bestimmte Anzahl von „actants“ an<br />

sich zu binden, vergleicht Tesnière mit der Wertigkeit eines Atoms in der<br />

Chemie und bezeichnet sie als „Valenz“. Als solche „actants“ sieht Tesniere<br />

die Subjekte und die Objekte an. Adverbialbestimmungen und Prädikativa<br />

werden aus den Valenzbeziehungen ausgeschlossen. Nach der Zahl der „actants“<br />

unterscheidet er im Französischen avalente, monovalente, divalente<br />

und trivalente Verben.<br />

Etwa zur gleichen Zeit wurde der Begriff und z.T. der Terminus „Valenz“<br />

auch in unserer Sprachwissenschaft diskutiert und weiter entwickelt von solchen<br />

Gelehrten wie S.D.Kacnel’son, V.G.Admoni, T.P.Lomtev, M.D.Stepanova,<br />

B.A.Abramov u.a. In der deutschsprachigen Germanistik versuchte<br />

man ebenfalls den Valenzbegriff zu präzisieren, so H.Brinkmann, J.Erben,<br />

H.-J.Heringer, W.Bondzio u.a.<br />

Einen besonders großen Beitrag zur Entwicklung der Valenztheorie hat<br />

aber G.Helbig geleistet. So wurde von ihm der Begriff der syntaktischen<br />

Notwendigkeit — im Unterschied zu einer semantischen und kommunikativen<br />

Notwendigkeit — näher bestimmt, da er die Voraussetzung bildete,<br />

um die valenzgebundenen von den nichtvalenzgebundenen Gliedern zu unterscheiden.<br />

Es wurden bestimmte Kriterien ermittelt, um die valenzgebundenen<br />

von den nichtvalenzgebundenen Gliedern zu unterscheiden, die<br />

als freie Angaben syntaktisch im Satz beliebig hinzufüg- und weglassbar<br />

sind. Zu den valenzgebundenen Gliedern gehören nicht nur die „actants“<br />

im Sinne von Tesnière (d.h. Subjekte und Objekte), sondern auch ein Teil<br />

der herkömmlichen Umstandsbestimmungen, denn es gibt durchaus „Aktanten“<br />

oder „Mitspieler“ im syntaktischen Sinne, die z.B. vom Verb her<br />

notwendig gefordert sind, aber einen Umstand im semantischen Sinne ausdrücken:<br />

Berlin liegt an der Spree.<br />

Er legte den Bleistift auf den Tisch.<br />

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