LEXIKOLOGIE DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ...
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und „Abend“ sogar völlig entgegengesetzt, beide bezeichnen jedoch ein identisches<br />
Denotat, den Planeten Venus. Auch die Ausdrücke „Der Sieger von<br />
Jena“ und „Der Besiegte von Waterloo“ besitzen völlig unterschiedliche Inhaltsfunktionen<br />
ihrer Bedeutungen, wie etwa „Sieger“ und „Besiegter“ und<br />
bezeichnen das identische Denotat „Napoleon“ 41 .<br />
Unter dem Aspekt der Nominationstechnik sind zu unterscheiden: l. direkte<br />
Bedeutung und 2. übertragene Bedeutung.<br />
Direkte Wortbedeutung entsteht bei der primären Nomination bestimmter<br />
Erscheinungen und Gegenstände der objektiven Realität, wenn<br />
Wörter auf Grund bestimmter sinnlich wahrnehmbarer Eigenschaften<br />
dieser Gegenstände benannt werden, die infolge der verallgemeinernden<br />
Denktätigkeit als Merkmal dieser Gegenstände ermittelt sind. Vgl. das<br />
Adjektiv „schwarz“ als Farbbezeichnung „von der dunkelsten Farbe, die<br />
alle Lichtstrahlen absorbiert, kein Licht reflektiert“, z.B. schwarze Schuhe,<br />
schwarzes Kleid, eine Trauerkarte mit schwarzem Rand. Die parallelen<br />
Termini für diese Bedeutung sind: wörtliche, eigentliche, nominative<br />
Bedeutung.<br />
Übertragene Bedeutung entsteht bei der sekundären Nomination. Die<br />
Benennung vollzieht sich in diesem Fall nicht mit den Mitteln der konkret<br />
sinnlichen Beobachtung, sondern auf Grund eines qualitativ höheren Abstraktionsvorganges,<br />
wobei das Konkretsinnliche der eigentlichen oder direkten<br />
Bedeutung des Wortes zu einer neuen Bezeichnungsfunktion führt.<br />
So entsteht auf Grund der konkret sinnlichen Farbbezeichnung „schwarz“<br />
eine Reihe von abgeleiteten Bedeutungen zur Bezeichnung für abstrakte<br />
Begriffe wie (a) „düster, unheilvoll“, z.B. schwarze Gedanken; (b) „boshaft“,<br />
„niederträchtig“, z.B. eine schwarze Tat, schwarze Pläne; (c) „illegal“,<br />
z.B. etwas schwarz kaufen. Der parallele Terminus zur übertragenen<br />
Bedeutung ist uneigentliche Bedeutung.<br />
Die semantische Ableitbarkeit der beschriebenen Art bildet die wichtigste<br />
Quelle der Mehrdeutigkeit oder Polysemie.<br />
Mehrdeutigkeit bzw. Polysemie<br />
Unter Mehrdeutigkeit oder Polysemie versteht man die Fähigkeit eines<br />
Wortes (einer Wortform oder eines Formativs), mehrere miteinander<br />
verbundene/zusammenhängende Bedeutungen zu haben. Mehrdeutige<br />
oder polyseme Wörter sind innerhalb des Bedeutungsgefüges strukturiert.<br />
Den Kern eines polysemen Wortes bildet die direkte Bedeutung.<br />
Sie wird als Hauptbedeutung bezeichnet. Ein in der Synchronie wesentliches<br />
Merkmal der Hauptbedeutung ist, dass diese Bedeutung auch<br />
bei isolierter Nennung des Wortes im Bewusstsein der meisten Angehörigen<br />
der Sprachgemeinschaft zuerst auftaucht. Die abgeleiteten Bedeutungen,<br />
das sind nominativ abgeleitete (nach V.V.Vinogradov) und übertragene,<br />
heißen Nebenbedeutungen. Vgl. das Bedeutungsgefüge des<br />
Adjektivs „blau“:<br />
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