winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
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Möglichkeit hatte, es zu besuchen, erzählt. Davon kann ich mich selbst überzeugen, hier kennt tatsächlich jeder<br />
jeden, es sind auch alle Dorfbewohner in irgendeiner Art miteinander verwandt. Die vielen Kinder, die<br />
umherlaufen, scheinen absolute Freiheit zu haben und diese auch zu genießen, jeder Erwachsene hat jedoch<br />
das Recht, ihnen Einhalt zu gebieten, das perfekte Beispiel einer funktionierenden Großfamilie.<br />
Die wirtschaftliche Situation fast aller Familien sei hart, erzählt mir Gabi, nur die wenigsten haben Arbeit. Die<br />
Leute hier leben von der Sozialhilfe, die ihnen vom slowenischen Staat monatlich überwiesen wird. Vor allem,<br />
aber nicht nur, die Frauen pendeln oft ins benachbarte Österreich oder nach Ungarn, um dort als ErntehelferInnen<br />
zu arbeiten. Daher auch der Umstand, dass beinahe alle Dorfbewohner Deutsch sprechen. Gabi erzählt<br />
weiters, dass sie schon seit Jahren bei denselben Bauern in der Steiermark vorwiegend bei der Apfel und Chinakohlernte<br />
helfe und sich schon so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihr und den Bauernfamilien<br />
entwickelt habe.<br />
Wenn allerdings gerade keine Erntezeit ist, wird das Geld oft knapp. Nachdem die meisten Romafamilien sehr<br />
kinderreich sind, gibt es immer etwas, das noch benötigt wird.<br />
Arbeitslosigkeit führt zu Ohnmacht, der Weg aus der Arbeitslosigkeit ähnelt auch hier oft einem Teufelskreis.<br />
Die Roma haben bis heute eine schlechte Schulbildung, in den Familien wird Romanes, die den Roma eigene<br />
Sprache gesprochen, die Kinder lernen meist erst in der Volksschule Slowenisch. Bis vor wenigen Jahren war<br />
es üblich, Romakinder kollektiv in die Sonderschule abzuschieben und ihnen somit die geringe Chance auf<br />
Bildung, die sie hatten, noch zu verbauen. Heute ist es etwas besser, auch vom slowenischen Staat wurde im<br />
Zuge des vor einigen Jahren ins Leben gerufenen Minderheitenschutzprogramms einiges getan, um den Roma<br />
wenigstens den Besuch der Grundschule zu ermöglichen. Das ist jedoch kein Garant für Erfolg auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Ganz im Gegenteil, wie ich erfahre. Sobald der oder die Betreffende zum Vorstellungsgespräch erscheint,<br />
wird er/sie unter fadenscheinigen Ausreden als für die Arbeit unqualifiziert erklärt, oft wird ihm/ihr<br />
auch klar ins Gesicht gesagt, dass Roma unverlässlich und arbeitsscheu seien.<br />
Die Häuser im Dorf sind einfach, jedoch aus Ziegeln gebaut und besitzen Sanitäranlagen. Dies war, wie mir<br />
versichert wird, jedoch nicht immer so. Bis Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts lebten die Roma oft in<br />
Wellblechhütten unter menschenunwürdigen Bedingungen ohne Strom und fließendes Wasser. Die Strassen<br />
der Dörfer und Siedlungen waren durchwegs nicht asphaltiert und vor allem im Frühjahr und Winter beinahe<br />
unpassierbar. Ebenso war es durchaus kein seltener Anblick, Roma mit einem Pferde- oder Eselskarren zu<br />
begegnen.<br />
Früher lebten die Roma in für sie typischen einräumigen Lehmhäusern, den sogenannten „cimprane hiše“. Dieser<br />
Haustyp war im Prekmurje weit verbreitet und stellte so etwas wie eine landschaftsspezifische Hausform<br />
dar. Häufig lebten die Bewohner zusammen mit Haustieren wie Schafen oder Schweinen in einem Raum.<br />
In den letzten Jahrzehnten wurde dieser Haustyp jedoch immer mehr von Ziegelhäusern verdrängt.<br />
Haustiere leben heute nicht mehr direkt in den Wohnräumen, es kann jedoch eine gewisse Affinität zu Hunden<br />
und Katzen beobachtet werden, die in rauen Mengen das Dorf bevölkern. Auch Hühner und Singvögel<br />
werden oft als Haustiere gehalten.<br />
Alkoholismus und übermäßiger Tabakkonsum sind vorwiegend unter den männlichen Roma weit verbreitet.<br />
Das erklärt die relativ niedrige Lebenserwartung und hohe Mortalität an Tumoren. An den Erhalt der Sozialhilfe<br />
ist auch medizinische Versorgung in Krankenhäusern gekoppelt, im Dorf selbst gibt es keinen Arzt.<br />
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