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winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

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Die Schwankungsbreite der oben erwähnten Schätzungen<br />

hat ganz bestimmte Ursachen, denn seit eineinhalb Jahrzehnten<br />

ist das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Kanaltales<br />

völlig im Wandel. Da sind einmal die Staatsgrenzen,<br />

die ihre Sichtbarkeit verloren haben. Die Abfertigungsgebäude<br />

an der Autobahngrenze Thörl sowie der Grenzbahnhof<br />

„Tarvisio Centrale“ sind inzwischen tatsächlich Geschichte.<br />

Auch der Grenzübergang bei Ratschach wird bald<br />

dieser Entwicklung folgen, irgendwie passte er ohnehin nie<br />

in diese schöne Hochebene und das umgebende Panorama.<br />

An einem der letzten Häuser knapp vor dem italienischslowenischen<br />

Grenzübergang bekräftigt ein selbst gemaltes<br />

Plakat mit dem Schriftzug „Fiume Veneto“ den alten italienischen<br />

Traum von – oder vielleicht die Forderung nach<br />

– einem Julischen Venezien, das bis zum heute kroatischen<br />

Rijeka reichen sollte. Im Lichte der europäischen Integration<br />

findet sich aber selbst am Wirtshaustisch niemand, der<br />

den aktuellen Grenzverlauf ernsthaft anzweifeln würde.<br />

Dort herrschen derzeit andere Themen vor.<br />

Denn die Orte des Kanaltales sehen sich gerade mit der<br />

Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Umorientierung<br />

konfrontiert. Allein die Gemeinde Tarvis hat in den letzten<br />

zwanzig Jahren ein Sechstel ihrer Bevölkerung verloren.<br />

Mit der Schließung des Zink- und Bleibergwerks in Raibel<br />

ging die Ära des Kanaltaler Bergbaues zu Ende, mehr als<br />

die Hälfte der 1000 Einwohner verließ den Ort. In Fusine,<br />

seit Ende des Mittelalters bekannt für seine Hammerwerke<br />

und Hochöfen, läuft die einst für ihre Schneeketten bekannte<br />

Fabrik „Weissenfels“ nur mehr auf Sparflamme. Mit<br />

dem Jugoslawienkrieg fielen in der ersten Hälfte der Neunziger<br />

auch jene zahlreichen Wintertouristen aus Kranjska<br />

Gora aus, die ihren „Apres-Ski“ gern in Tarviser Kleiderläden<br />

verbrachten. Durch den EU-Beitritt Österreichs gingen<br />

schließlich noch viele Jobs bei Speditionen und beim<br />

Zoll verloren. Selbst fürs Militär macht eine Anwesenheit<br />

im Tal keinen strategischen Sinn mehr: Der Tarviser Kasernenkomplex<br />

steht leer und die Wirtschaft leidet unter dem<br />

Wegfall von mehreren hundert Soldaten, die ihren Sold<br />

plötzlich nicht mehr im Ort lassen, noch zusätzlich.<br />

Der Traum von einer Winterolympiade „senza confini“,<br />

die den notwendigen Schwung für die wirtschaftliche<br />

und soziale Neuorientierung im Kanaltal vorgegeben hätte,<br />

ist fürs Erste ausgeträumt. Gerne wird behauptet, dass<br />

die Tarviser Geschäftsleute bisher, ob ihrer Lage an gleich<br />

zwei Grenzen, „leicht verdiente Umsätze“ gewohnt waren.<br />

Tatsächlich reichte in den Achtzigern ein verregneter Sommertag<br />

rund um die Kärntner Seen und die Tarviser Läden<br />

waren voll. Heute sieht man im Fremdenverkehr und<br />

im Ausbau der touristischen Infrastruktur – wir erinnern<br />

uns an die erfolgreiche Telecabina Lussari – eine Möglichkeit,<br />

das wirtschaftliche und soziale Leben im Tal wieder<br />

nachhaltig zu verbessern. Auf der alten Pontebbana, abgelöst<br />

durch die moderne und zumeist durch Tunnel geführte<br />

Hochgeschwindigkeitsstrecke, soll künftig ein Radweg<br />

verlaufen. Dass derartige Investitionen nicht gleich morgen<br />

zurückfließen, ist sowohl der Regionalverwaltung als auch<br />

der lokalen Wirtschaft bekannt.<br />

Auch in andere nachhaltige Bereiche wird, am Beispiel der<br />

beiden Kanaltaler Gemeinden Tarvis und Malborghetto,<br />

investiert. Spät aber doch entdeckte man, dass die autochthone<br />

mehrsprachige Bevölkerung weder eine Katastrophe<br />

noch einen Luxus darstellt. Beide Gemeinden haben sich<br />

vor vier Jahren erstmals zum Bestand einer slowenischen,<br />

deutschen und friulanischen Volksgruppe auf ihrem Gemeindegebiet<br />

bekannt und damit die Basis für die Umsetzung<br />

des neuen, 2001 vom italienischen Parlament verabschiedeten<br />

Minderheitengesetzes geschaffen: Damit wurde<br />

2002 das Kulturzentrum Planika erstmals als offizielle Vertretung<br />

der slowenischen Volksgruppe im Kanaltal anerkannt.<br />

Ebenfalls zum ersten Mal wurde 2001 im Zuge eines<br />

eigenen Regionalgesetzes der autonomen Provinz Friaul-<br />

Julisch-Venetien der Minderheitenschutz der slowenischen<br />

Volksgruppe geregelt – ein Gesetz, auf welches die slowenischen<br />

Volksgruppenorganisationen in Italien seit dem Vertrag<br />

von Osimo gewartet hatten. Und derzeit läuft in Tarvis<br />

ein Pilotprojekt im Rahmen der Umsetzung des neuen nationalen<br />

Minderheitengesetzes, wobei jeweils ein Vertreter<br />

für die slowenische, deutsche und friualanische Volksgruppe<br />

die Gemeinde in Minderheitenfragen berät.<br />

Der Wunsch von Herrn Rudi Bartaloth, Vorsitzender des<br />

Kulturzentrums Planika, erscheint unter diesen Vorzeichen<br />

als durchaus realisierbar: Vielleicht wird die Schulbehörde<br />

tatsächlich neue Planstellen einrichten können und<br />

damit die Grundlage für einen geregelten Slowenischunterricht<br />

schaffen; neben Deutsch, das bereits seit 1979 wieder<br />

in den Schulen des Kanaltales unterrichtet wird. Und viel-<br />

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