03.11.2013 Aufrufe

winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im Auftrag der ÖVP hat Univ.-Prof. Dr. Dr. Christoph Grabenwarter<br />

einen Grundrechtskatalog vorgelegt, in welchem für den Bereich der<br />

Volksgruppen lediglich die derzeitige Staatszielbestimmung aus dem<br />

Art. 8 Abs. 2 B-VG übernommen sowie die Feststellung getroffen wird,<br />

dass der Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrages unberührt<br />

bleibe. Unter Missachtung seiner eigenen Feststellung räumt<br />

Grabenwarter jedoch in dem das Schulwesen betreffenden Artikel<br />

seines Grundrechtskataloges den Gebrauch der Volksgruppensprache<br />

als Unterrichtssprache lediglich den Volksgruppenangehörigen<br />

in Burgenland und Kärnten ein, nicht jedoch – wie im Art. 7 StV<br />

v Wien vorgesehen – auch den Volksgruppenangehörigen in der<br />

Steiermark. Eine offenbar beabsichtigte Inkonsequenz. Neben der<br />

Dürftigkeit des Inhalts, der rechtstechnischen und rechtspolitischen<br />

Bedenklichkeit des Grabenwarter’schen Entwurfs ist insbesondere<br />

die untragbare Ignoranz anzumerken, da darin weder sonstiges<br />

geltendes internationales oder bilaterales Recht (z. B. die Artikel 66<br />

– 68 des Staatsvertrages von St. Germain, die Verträge mit der ČSR,<br />

europäisches Recht etc.) noch das bestehende Volksgruppengesetz,<br />

noch die Minderheitenschulgesetze, noch die Kindergartenregelungen<br />

etc., geschweige denn der Artikel 19 StGG aus dem Jahre 1867,<br />

Beachtung finden. Somit würde der Entwurf von Grabenwarter nicht<br />

einmal eine Kodifikation des bestehenden Rechtsbestandes bedeuten,<br />

vielmehr würde er eine Rücknahme bestehenden Rechtsbestandes<br />

mit Grundrechtscharakter begründen, somit das Recht des Staates<br />

auf Einschränkung des Volksgruppenschutzes in sich bergen.<br />

Wesentliche Verfassungsgarantien des derzeit geltenden<br />

Volksgruppenschutzes in Österreich beruhen auf völkervertraglichen<br />

Verpflichtungen, die Österreich im Gefolge der beiden<br />

Weltkriege übernommen hat. Dieser Umstand führte zu einem<br />

rudimentären und uneinheitlichen Volksgruppenschutz. Die<br />

Bestimmungen des Staatsvertrages von St. Germain beziehen sich<br />

zwar auf alle Minderheiten, enthalten aber entsprechend dem<br />

damaligen Völkerbundsystem nur Bescheidenes, was über einen<br />

individualrechtlichen Diskriminierungsschutz hinausgeht. Der<br />

Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien, der detailliertere positive<br />

Schutz- und Leistungspflichten enthält, erfasst – aus gegebenem<br />

Anlass – wiederum nur die kroatische und slowenische Volksgruppe<br />

in den Ländern Burgenland, Kärnten und Steiermark.<br />

Der zuständige Grundrechtsausschuss des Konvents hat sich insgesamt<br />

in drei Sitzungen u. a. auch mit dem Bereich des Volksgruppenschutzes<br />

befasst und auf der letzten diesbezüglichen Sitzung am 10. September<br />

<strong>2004</strong> einen Textentwurf zu den „Rechten der Volksgruppen“<br />

festgelegt. Dieser orientiert sich zum größten Teil an den erwähnten<br />

eingebrachten Vorschlägen, vor allem am Entwurf von Kolonovits. Der<br />

Textvorschlag wird zwar durch einige seiner Varianten problematisch<br />

und widersprüchlich, bei wohlwollender Behandlung stellt der<br />

Ausschussvorschlag aber eine gute und brauchbare Grundlage zur<br />

weiteren Befassung dar und könnte den Anforderungen eines für<br />

die nächsten Jahrzehnte konzipierten Volksgruppenrechts gerecht<br />

werden. Nach wie vor steht jedoch dem – mehrheitlich von Vertretern<br />

der Oppositionsparteien und von unabhängigen Experten getragenen<br />

– Ausschussentwurf der Entwurf von Grabenwarter gegenüber.<br />

Der Grundrechtsausschuss wird voraussichtlich Ende November<br />

dem Österreich-Konvent einen umfassenden Grundrechtskatalog<br />

vorlegen, wobei jeweils – auch für den Bereich der Volksgruppen<br />

– verschiedene, alternative Textentwürfe zum Vorschlag gelangen.<br />

Jedenfalls werden die nächsten Monate deutlich zeigen, ob die<br />

Arbeit des Österreich-Konvents von Erfolg gekrönt sein wird. Was<br />

den Volksgruppenschutz betrifft, bedarf der Ausschussentwurf<br />

wohlwollender Behandlung durch Regierung und Parlament. Darauf<br />

kann man aber nur hoffen. Die Erfahrung lässt daran zweifeln. Aber<br />

wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass der VfGH auch schon<br />

sogenannte Zweidrittel-Mehrheitsgesetze aufgehoben hat; dies sollte<br />

er in Volksgruppenangelegenheiten denn doch nicht tun müssen.<br />

Ziel des Österreich-Konvents muss aus Sicht der österreichischen<br />

Volksgruppen neben der Kodifikation der verfassungsrechtlichen<br />

Volksgruppenrechte im Bereich der Sprache, der Erziehung und<br />

der Kultur auch eine dynamische Weiterentwicklung dieses<br />

Rechtsbestandes sein, in welchem auch die positive Rechtssprechung<br />

des Verfassungsgerichtshofes einfließen und das unterschiedliche<br />

Schutzniveau der Volksgruppen auf einen einheitlichen Standard<br />

gebracht werden muss. Sinnvoll und notwendig erscheint eine<br />

Weiterentwicklung der geltenden Rechtslage in die Richtung, dass<br />

nicht nur verfassungsgesetzlich gewährleistete Individual-Rechte<br />

(Grundrechte der einzelnen Volksgruppenangehörigen), sondern<br />

auch Rechte der Volksgruppe formuliert werden. Im einzelnen sollen<br />

Bestimmungen, die bisher schon auf den Schutz der Volksgruppe als<br />

solche abgestellt, aber nicht durchsetzbar waren, weil die Volksgruppe<br />

nur als soziale Einheit, nicht aber als juristische Person anerkannt<br />

ist, mit Durchsetzbarkeit ausgestattet sein. Diese Weiterentwicklung<br />

kann sich auf Artikel 19 StGG und die dazu ergangene Judikatur<br />

des Reichsgerichtes stützen, sie entspricht im übrigen der Einsicht,<br />

dass ein rein individualrechtlicher Schutz nicht ausreichend ist, um<br />

den Bestand der Volksgruppen zu gewährleisten. Der vorliegende<br />

Textentwurf des Ausschusses sollte aus Sicht der Volksgruppen vor<br />

allem auch die Frage der Durchsetzbarkeit von Volksgruppenrechten<br />

dadurch klären, dass die Volksgruppe bzw. deren Vertretung die<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!