winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

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03.11.2013 Aufrufe

cher in einer Erklärung bei einer EBU-Konferenz in Brüssel Public Broadcasting als „die wichtigste europäische Kultureinrichtung der Nachkriegszeit“ bezeichnete. Er sagte damals: „Public Broadcasting ist dementsprechend so bewahrenswert wie das Theater, die Oper, die Literatur, der Film und die Museen Europas. In Ländern ohne bewusste Kulturpolitik schaut die Kultur so aus wie in den USA: Nicht-profitable Kultur wird nicht angeboten.“ FOTO: ORF / MILENKO BADZIC Wir haben mit dem koproduzierten Magazin Alpen-Donau-Adria einen Erfolg erzielt, der nicht alltäglich ist. Es zeigt Kultur im umfassenden Sinn des Wortes und entspricht dennoch dem heute unvermeidlich scheinenden Quotendruck, dem das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch ausgesetzt ist, weil es sich nicht nur aus Teilnehmergebühren finanzieren kann, sondern ebenso von kommerzieller Werbung abhängig ist. Ohne Zweifel ist diese Sendung nicht nur von ihrer Struktur und ihren Inhalten her ein Programmbestandteil, der dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag entspricht, sondern sie ist auch ein wichtiger Mosaikstein in der Darstellung dessen, was man europäische Identität nennen kann, oder sagen wir, mitteleuropäische Identität. Das hat vielleicht am Rande mit Nostalgie zu tun, mit Reminiszenzen an einen Vielvölkerstaat, der in seiner Geschichtsepoche schon die Vision eines Vereinten Europa in sich trug. Dass diese Vision im Nationalismus des 19. Jahrhunderts zur Utopie wurde und dass es erst zweier Weltkriege und eines nachfolgenden Kalten Krieges mit Eisernem Vorhang Günther Ziesel präsentiert erstmals das neue ORF-EU-Magazin “Europapanorama”, das sich mit dem EU-Inland und EU-relevanten Themen beschäftigt. und Berliner Mauer bedurfte, bis die Politik in den Staaten Europas an einer Identität des Alten Kontinents zu bauen begann, ist nur eine der vielen Absurditäten menschlichen Zusammenlebens. Wenn dieses Europa einmal mehr sein soll als ein Wirtschaftskoloss, dann muss es gelingen, europäische Identität in den Herzen der Menschen wachsen 30

zu lassen. Das kann in unserer Zeit nur mit Hilfe der Medien gelingen. Was kann ein Dreißig-Minuten-Magazin, das jede zweite Woche in sieben Staaten Mitteleuropas teils regional, teils national ausgestrahlt wird, dazu beitragen, dass die Menschen ein Gefühl für europäische Zusammengehörigkeit entwickeln? Ein Beispiel: Die Alpen-Adria-Arbeitsgemeinschaft, die 1978 gegründet wurde, ist eine von mehreren grenzüberschreitenden regionalen Kooperationen. Sie ist aber die einzige, die auch in der Bevölkerung dieses Raumes einen großen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Das ist gelungen, weil sie fast von Anfang an von der regelmäßigen Fernsehsendung Alpen-Adria-Magazin und daneben auch von einer Reihe anderer Aktivitäten in den Printmedien begleitet wurde. Der ORF hat in den Jahrzehnten seit der wieder erlangten Unabhängigkeit Österreichs ganz wesentlich dazu beigetragen, die österreichische Identität, die so oft angezweifelt, manchmal sogar verleugnet wurde, zu stärken, mehr noch, zu begründen. Programme mit regionalem Charakter, wie etwa die Sendungen Österreich Heute und Österreichbild haben dabei eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Der Burgenländer hat durch die Berichte in diesen Sendungen erfahren, was in Vorarlberg geschieht, der Kärntner konnte nach Salzburg schauen, der Oberösterreicher nach Tirol und selbst die Steirer akzeptierten, dass sich auch in Wien manches tut, was für die Gesamtheit dieses Staates Österreich im positiven Sinn wichtig ist. Die Lokalisierung dieser Sendeleiste durch die Auseinanderschaltung der Bundesländer für die tägliche Informationssendung „Bundesland Heute“ hat diesen integrativen Charakter der regionalen Österreich-Information verdrängt. Das kann die Gefahr einer Verprovinzialisierung der Berichterstattung in sich bergen, aber vielleicht ist die österreichische Identität bereits so stark ausgeprägt, dass eine solche Entwicklung vermieden werden kann. Nichts wäre in der jetzigen Phase der Erweiterung der Europäischen Union gefährlicher als ein Rückfall in eine dumpfe und selbstgefällige Nabelschau, in ein Beharren auf den Grenzen, die wir in unseren Köpfen haben, auch dann noch, wenn sie im politisch-administrativen Bereich bereits gefallen sein werden. Jetzt müssen Medienmacher, Journalisten, Publizisten und alle Meinungsbildner daran arbeiten, eine europäische Identität zu schaffen. Sie kann nicht verordnet werden, schon gar nicht von Brüssel. Sie muss wachsen, und das kann sie nur, wenn wir mehr von unseren Nachbarn wissen. Wir müssen unseren Horizont erweitern. Es genügt nicht, Grenzbalken zu öffnen, wir selbst müssen bereit sein, uns zu öffnen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben dabei eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen. Es wäre hoch an der Zeit, dass die politischen Führer Europas die Bedeutung des Public Broadcasting für das Werden einer europäischen Identität erkennen. Erinnern Sie sich noch, wie schwer sie sich schon getan haben, europäische Werte zu definieren, als es um die Sanktionen gegen Österreich ging? Der Reichtum europäischer Kultur ist eine der Säulen unserer Wertebegriffe. Wer, wenn nicht die Public Broadcaster, sollte diese Kultur vermitteln und ihr den gebührenden Stellenwert einräumen? Die kommerziellen Anbieter, die sich euphemistisch „private“ Anbieter nennen, sich jedoch ausschließlich an den Reichweiten für die Werbewirtschaft orientieren, kopieren das triviale amerikanische Kommerzfernsehen, und das feiern viele Politiker unverständlicherweise als mediale Freiheit. Ich zitiere noch einmal Gerd Bacher: „Das ist elektronische Fastfood-Produktion und nicht Widerspiegelung europäischer Kreativität.“ Die Kooperation der regionalen und nationalen Fernsehanstalten für die Sendung Alpen-Donau-Adria ist kein spektakuläres, wohl aber ein nachhaltiges Beispiel für die Bereitschaft der Public Broadcaster, ihrer Aufgabenstellung gerecht zu werden. Von der Steiermark gehen seit einiger Zeit wieder neue Initiativen für eine Zusammenarbeit in der Zukunftsregion Europa aus. Dabei darf die Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht vergessen werden. Es gilt, den Public Broadcastern, die in einigen der neuen Mitgliedsländer mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, zumindest eine moralische Hilfestellung zu leisten, indem wir zeigen, dass in unserer Gesellschaft Rundfunk im öffentlich-rechtlichen Sinn nicht eine beliebige Ware ist, wie es die Amerikaner definieren, sondern eine Kultureinrichtung, die mit den notwendigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ausgestattet werden muss, um ihren Beitrag zu einer europäischen Identität und zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt Europas leisten zu können. 31

zu lassen. Das kann in unserer Zeit nur mit Hilfe der Medien<br />

gelingen. Was kann ein Dreißig-Minuten-Magazin, das<br />

jede zweite Woche in sieben Staaten Mitteleuropas teils regional,<br />

teils national ausgestrahlt wird, dazu beitragen, dass<br />

die Menschen ein Gefühl für europäische Zusammengehörigkeit<br />

entwickeln?<br />

Ein Beispiel: Die Alpen-Adria-Arbeitsgemeinschaft, die<br />

1978 gegründet wurde, ist eine von mehreren grenzüberschreitenden<br />

regionalen Kooperationen. Sie ist aber die einzige,<br />

die auch in der Bevölkerung dieses Raumes einen großen<br />

Bekanntheitsgrad erlangt hat. Das ist gelungen, weil sie<br />

fast von Anfang an von der regelmäßigen Fernsehsendung<br />

Alpen-Adria-Magazin und daneben auch von einer Reihe<br />

anderer Aktivitäten in den Printmedien begleitet wurde.<br />

Der ORF hat in den Jahrzehnten seit der wieder erlangten<br />

Unabhängigkeit Österreichs ganz wesentlich dazu beigetragen,<br />

die österreichische Identität, die so oft angezweifelt,<br />

manchmal sogar verleugnet wurde, zu stärken, mehr noch,<br />

zu begründen. Programme mit regionalem Charakter, wie<br />

etwa die Sendungen Österreich Heute und Österreichbild<br />

haben dabei eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Der Burgenländer<br />

hat durch die Berichte in diesen Sendungen erfahren,<br />

was in Vorarlberg geschieht, der Kärntner konnte<br />

nach Salzburg schauen, der Oberösterreicher nach Tirol<br />

und selbst die Steirer akzeptierten, dass sich auch in Wien<br />

manches tut, was für die Gesamtheit dieses Staates Österreich<br />

im positiven Sinn wichtig ist.<br />

Die Lokalisierung dieser Sendeleiste durch die Auseinanderschaltung<br />

der Bundesländer für die tägliche Informationssendung<br />

„Bundesland Heute“ hat diesen integrativen<br />

Charakter der regionalen Österreich-Information verdrängt.<br />

Das kann die Gefahr einer Verprovinzialisierung<br />

der Berichterstattung in sich bergen, aber vielleicht ist die<br />

österreichische Identität bereits so stark ausgeprägt, dass<br />

eine solche Entwicklung vermieden werden kann.<br />

Nichts wäre in der jetzigen Phase der Erweiterung der<br />

Europäischen Union gefährlicher als ein Rückfall in eine<br />

dumpfe und selbstgefällige Nabelschau, in ein Beharren auf<br />

den Grenzen, die wir in unseren Köpfen haben, auch dann<br />

noch, wenn sie im politisch-administrativen Bereich bereits<br />

gefallen sein werden.<br />

Jetzt müssen Medienmacher, Journalisten, Publizisten<br />

und alle Meinungsbildner daran arbeiten, eine europäische<br />

Identität zu schaffen. Sie kann nicht verordnet werden,<br />

schon gar nicht von Brüssel. Sie muss wachsen, und<br />

das kann sie nur, wenn wir mehr von unseren Nachbarn<br />

wissen. Wir müssen unseren Horizont erweitern. Es genügt<br />

nicht, Grenzbalken zu öffnen, wir selbst müssen bereit sein,<br />

uns zu öffnen.<br />

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben dabei<br />

eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen. Es wäre hoch an<br />

der Zeit, dass die politischen Führer Europas die Bedeutung<br />

des Public Broadcasting für das Werden einer europäischen<br />

Identität erkennen. Erinnern Sie sich noch, wie<br />

schwer sie sich schon getan haben, europäische Werte zu<br />

definieren, als es um die Sanktionen gegen Österreich ging?<br />

Der Reichtum europäischer Kultur ist eine der Säulen unserer<br />

Wertebegriffe. Wer, wenn nicht die Public Broadcaster,<br />

sollte diese Kultur vermitteln und ihr den gebührenden<br />

Stellenwert einräumen? Die kommerziellen Anbieter, die<br />

sich euphemistisch „private“ Anbieter nennen, sich jedoch<br />

ausschließlich an den Reichweiten für die Werbewirtschaft<br />

orientieren, kopieren das triviale amerikanische Kommerzfernsehen,<br />

und das feiern viele Politiker unverständlicherweise<br />

als mediale Freiheit. Ich zitiere noch einmal Gerd Bacher:<br />

„Das ist elektronische Fastfood-Produktion und nicht<br />

Widerspiegelung europäischer Kreativität.“<br />

Die Kooperation der regionalen und nationalen Fernsehanstalten<br />

für die Sendung Alpen-Donau-Adria ist kein<br />

spektakuläres, wohl aber ein nachhaltiges Beispiel für die<br />

Bereitschaft der Public Broadcaster, ihrer Aufgabenstellung<br />

gerecht zu werden.<br />

Von der Steiermark gehen seit einiger Zeit wieder neue Initiativen<br />

für eine Zusammenarbeit in der Zukunftsregion<br />

Europa aus. Dabei darf die Rolle der öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten nicht vergessen werden. Es gilt, den Public<br />

Broadcastern, die in einigen der neuen Mitgliedsländer<br />

mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, zumindest<br />

eine moralische Hilfestellung zu leisten, indem wir zeigen,<br />

dass in unserer Gesellschaft Rundfunk im öffentlich-rechtlichen<br />

Sinn nicht eine beliebige Ware ist, wie es die Amerikaner<br />

definieren, sondern eine Kultureinrichtung, die mit<br />

den notwendigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen<br />

ausgestattet werden muss, um ihren Beitrag<br />

zu einer europäischen Identität und zur Erhaltung der kulturellen<br />

Vielfalt Europas leisten zu können.<br />

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